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VfGH vom 20.09.2011, V75/11

VfGH vom 20.09.2011, V75/11

19484

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Kalenderjahr 2007; Kundmachungsmangel durch fehlenden Hinweis auf das verordnungserlassende Organ

Spruch

I. Die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres war gesetzwidrig.

II. Die Bundesministerin für Inneres ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt, mit dem die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 1, vom , mit dem über den nunmehrigen Beschwerdeführer wegen Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs 2 iVm § 91 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 3.500,- verhängt und der Beschwerdeführer hinsichtlich bestimmter, näher genannter Tatvorwürfe freigesprochen worden war, teilweise abgewiesen wurde.

2.1. Aus Anlass dieser Beschwerde entstand beim Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die Bestimmungen über den Senat 1 mit dem Standort Wien der "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig sind. Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit Beschluss vom - vorläufig davon ausgehend, dass es sich dabei um Verordnungsbestimmungen iSd Art 139 Abs 1 B-VG handle - gemäß dieser Verfassungsbestimmung ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der genannten Verordnungsbestimmungen ein. Dieses zu V2/11 protokollierte Verfahren wurde mit Beschluss vom heutigen Tag eingestellt.

2.2. Bei der Beratung über die vorliegende Beschwerde entstand beim Verfassungsgerichtshof das (zusätzliche) Bedenken, dass die Bestimmungen der Z 1 und der Z 2 der Allgemeinen Regelungen der oben unter Pkt. 2.1. genannten - insoweit vorläufig als Rechtsverordnung qualifizierten - Geschäftseinteilung gesetzwidrig sind. Der Verfassungsgerichtshof beschloss daher am , aus Anlass dieser Beschwerde von Amts wegen ein Verfahren gemäß Art 139 B-VG zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen einzuleiten.

3. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres als - nach der Aktenlage - verordnungserlassende Behörde hatte die Akten betreffend die Erlassung der Geschäftseinteilung bereits im zu V2/11 protokollierten Verfahren vorgelegt und teilte im vorliegenden Verfahren mit, dass "[a]ufgrund der Erkenntnisse V87/10[…] und V88,89/10[…] vom sowie V1/11[…] vom , mit denen der Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit der Verordnung 'Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2007' und der Verordnung 'Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2007 ab ' sowie der Verordnung 'Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2008 ab ' der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres ausgesprochen hat, […] vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres von einer […] Äußerung zum Gegenstand abgesehen [wird]".

Die Bundesministerin für Inneres als oberste zur Vertretung der Verordnung berufene Behörde erstattete keine Äußerung zum Prüfungsbeschluss.

II. Rechtslage

1.1. Gemäß § 98 Abs 1 BDG 1979, BGBl. 333 idgF, sind bei jeder obersten Dienstbehörde eine Disziplinarkommission und gemäß § 99 Abs 1 leg.cit. beim Bundeskanzleramt eine Disziplinaroberkommission einzurichten. Die Disziplinarkommission ist gemäß § 97 Z 2 BDG 1979 u. a. zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist, die Disziplinaroberkommission gemäß § 97 Z 3 BDG 1979 zur Entscheidung über Berufungen gegen die genannten Disziplinarerkenntnisse der Disziplinarkommission zuständig.

1.2. Für die Disziplinarkommissionen (und die Disziplinaroberkommission) sehen die §§98, 100 und 101 BDG 1979 (§100 in der hier noch maßgeblichen Fassung BGBl. I 30/1998) - auszugsweise - Folgendes vor:

"Disziplinarkommissionen

§ 98. […]

(2) Die Disziplinarkommission besteht aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern. Der Vorsitzende und die Stellvertreter müssen rechtskundig sein.

(3) Der Vorsitzende, seine Stellvertreter und die Hälfte der weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission sind vom Leiter der Zentralstelle mit Wirkung vom 1. Jänner auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Die zweite Hälfte der weiteren Mitglieder ist von dem (den) zuständigen Zentralausschuß (Zentralausschüssen) zu bestellen.

(4) Bestellt der Zentralausschuß innerhalb eines Monats nach Aufforderung durch den Leiter der Zentralstelle keine oder zu wenige Mitglieder für die Disziplinarkommission, so hat der Leiter der Zentralstelle die erforderlichen Mitglieder selbst zu bestellen.

(5) Stehen dem Leiter der Zentralstelle oder dem zuständigen Zentralausschuss zu wenige geeignete Beamte seines Ressorts für die Bestellung zu Kommissionsmitgliedern zur Verfügung, können geeignete Beamte eines anderen Ressorts bestellt werden. Vor der Bestellung von Beamten anderer Ressorts ist das Einvernehmen mit den Leitern, im Falle des Abs 3 letzter Satz mit den Zentralausschüssen, der betreffenden Ressorts schriftlich herzustellen."

"Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission

§100. (1) Zu Mitgliedern der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission dürfen nur Beamte des Dienststandes bestellt werden, gegen die kein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Der Beamte hat der Bestellung zum Mitglied einer Disziplinarkommission oder der Disziplinaroberkommission Folge zu leisten.

(3) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission ruht vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß, während der Zeit der (vorläufigen) Suspendierung, der Außerdienststellung, der Erteilung eines Urlaubes von mehr als drei Monaten und der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes.

(4) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission endet mit dem Ablauf der Bestellungsdauer, mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe, mit der Versetzung ins Ausland sowie mit dem Ausscheiden aus dem Dienststand.

(5) Im Bedarfsfalle sind die Kommissionen durch Neubestellung von Kommissionsmitgliedern für den Rest der Funktionsdauer zu ergänzen.

Disziplinarsenate

§101. (1) Die Disziplinarkommissionen und die Disziplinaroberkommission haben in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden der Kommission oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern zu bestehen. Jedes Kommissionsmitglied darf mehreren Senaten angehören.

(2) Ein Mitglied des Senates der Disziplinarkommission muß vom Zentralausschuß oder gemäß § 98 Abs 4 bestellt worden sein.

[...]

(4) Der Vorsitzende jeder Kommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Falle unbedingten Bedarfes abgeändert werden."

1.3. § 106 BDG 1979 lautet wie folgt:

"Parteien

§ 106. Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu."

2. Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2009 lautet - auszugsweise - wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"DISZIPLINARKOMMISSION BEIM BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES

Vorsitzender:

SC Mag. Dr. Mathias VOGL

Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab

[…]

Allgemeine Regelungen

[…]

Hinsichtlich der Zuständigkeit gilt Nachstehendes in der angeführten Reihenfolge:

1. Für die Zuständigkeit der Senate ist der Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache (Datum des Einlangens bei der Disziplinarkommission) maßgebend.

2. Der dadurch bestimmte Senat bleibt bis zur rechtskräftigen Erledigung der Rechtssache zuständig, selbst wenn inzwischen Veränderungen in der Geschäftsverteilung oder in der Zuweisung der Mitglieder oder Ersatzmitglieder zu den einzelnen Senaten eingetreten sein sollte.

3. Sind Mitglieder der Disziplinarkommission ausgeschieden bzw. ist Ruhen der Mitgliedschaft eingetreten, so rückt jenes Ersatzmitglied nach, das im Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache nachgerückt wäre.

4. Erweist sich die Anwendung von Ziffer 2. tatsächlich unmöglich oder kann bei Anwendung von Ziffer 3. ein ordnungsgemäßer Senat nicht gebildet werden, so ist jener Senat heranzuziehen, der in Ansehung der dienstrechtlichen Stellung der/s Beamtin/Beamten nach der Geschäftsverteilung des aktuellen Jahres zuständig ist.

5. Wenn ein Senat aus anderen Gründen nicht gebildet werden kann, treten die Vorsitzenden und weiteren Mitglieder der nachfolgenden Senate in der dort vorgesehenen Reihenfolge ein, wobei für den Senat 4 der Senat 1 als nachfolgend gilt.

6. Bei Verhinderung aller Senatsvorsitzenden und deren Stellvertreter ist die Zuständigkeit des Kommissionsvorsitzenden als Senatsvorsitzender gegeben."

III. Erwägungen

1. Die Begründung des oben unter Pkt. I.2.2. erwähnten Prüfungsbeschlusses lautet im Wesentlichen wie folgt:

"1. Die Beschwerde scheint zulässig zu sein.

Die in Rede stehende Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres dürfte als Rechtsverordnung zu qualifizieren sein (vgl. zB das Erkenntnis VfSlg. 17.771/2006 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis VfSlg. 18.287/2007 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis , und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis , und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , sowie das Erkenntnis V88,89/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , B1250/08).

Diese Geschäftseinteilung dürfte auch Eingang in die Rechtsordnung gefunden haben; so scheint sie insbesondere durch die Weiterleitung an die Dienststellen, die Zentralausschüsse der Personalvertretung und die Mitglieder der Disziplinarkommission sowie durch ihre Einsehbarkeit im Intranet ein gewisses Mindestmaß an Publizität erlangt zu haben (vgl. zB auch das Erkenntnis VfSlg. 17.771/2006 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis VfSlg. 18.287/2007 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis , und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis , und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , sowie das Erkenntnis V88,89/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss , B1250/08).

Weiters geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass er die im Spruch genannten Regelungen bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides (in Beurteilung der Frage, welcher Senat der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zuständig war) anzuwenden hätte; daher dürften diese Bestimmungen hier präjudiziell in der Bedeutung des Art 139 Abs 1 B-VG sein.

2. In der Sache hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die Kundmachung der in Prüfung gezogenen Regelungen keinen Hinweis darauf enthält, dass diese vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden sind:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Nennung des verordnungserlassenden Organs ein Essential einer ordnungsgemäßen Kundmachung einer Verordnung (vgl. zB VfSlg. 7281/1974, 7903/1976, 16.591/2002 und den dem Erkenntnis , zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss ). Es muss nämlich aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit dem Normunterworfenen auf Grund der Kundmachung einer Verordnung möglich sein, die Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften zu kontrollieren (vgl. VfSlg. 6555/1971 und den dem Erkenntnis , zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss ).

Mit Verfügung vom ersuchte der Verfassungsgerichtshof in dem bei ihm anhängigen Bescheidprüfungsverfahren die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt u.a., die Akten betreffend die hier in Rede stehende Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vorzulegen und mitzuteilen, ob und in welcher Weise die Geschäftseinteilung kundgemacht wurde. Mit ihrer Gegenschrift vom legte die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt dem Verfassungsgerichtshof einen Auszug aus dem angeforderten Akt sowie ein Schreiben der Bundesministerin für Inneres vom vor, in dem diese u.a. Folgendes mitteilt:

'[D]ie Geschäftsverteilungen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für die Jahre 2008, 2009 und 2010 ...

[wurden den] Dienststellen des Ressorts und ... [den]

Zentralausschüsse[n,] ... außerdem den Mitgliedern der

Disziplinarkommission zugeleitet. Die Entwürfe der

Geschäftsverteilungen wurden vom Vorsitzenden der

Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres im Wege der

Aktenvorschreibung genehmigt (... Geschäftsverteilung 2009:

...). Die administrativen Belange der Disziplinarkommission werden laut der Geschäftsverteilung des Bundesministeriums für Inneres von der Sektion I wahrgenommen.

Durch die Versendung der Geschäftsverteilungen der Disziplinarkommission an die Dienststellen kann davon ausgegangen werden, dass die in Betracht kommenden Bediensteten vom Vorliegen der Geschäftsverteilung zumindest in Kenntnis gesetzt wurden und sohin die Möglichkeit hatten, vom Inhalt der Geschäftsverteilung Kenntnis zu erhalten.

Alle aktuellen Geschäftsverteilungen wurden überdies im Intranet verlautbart. Die meisten Bediensteten verfügen über eine eigene BAKS-Workstation, die Bediensteten[,] auf die das nicht zutrifft[,] haben einen BAKS-Account, d.h. sie können bei jeder BAKS-Workstation in das Intranet einsteigen. Im Hinblick auf die Ausstattung der Dienststellen mit BAKS-Workstations (insgesamt ca. 19.000) kann sohin der gleiche Zugang aller Bediensteten zum Intranet nach Ansicht des Bundesministeriums für Inneres als gewährleistet angesehen werden.

Die Geschäftsverteilung für das Jahr 2010 wurde nunmehr überdies durch Anschlag an die Amtstafel kundgemacht und im Internet verlautbart. Auch das diesbezügliche Begleitschreiben, das auf die Erlassung der Geschäftsverteilung durch den Vorsitzenden der Disziplinarkommission hinweist, wurde an den Amtstafeln angeschlagen.'

Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, dass die Kundmachung der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen - anders, als dies nach dem Vorbringen der Bundesministerin für Inneres bei der Kundmachung der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2010 der Fall sein dürfte - keinen Hinweis darauf enthält, dass diese Verordnungsbestimmungen vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden sind.

Aus dem Argument der Bundesministerin für Inneres, der Entwurf der Geschäftseinteilung für das Jahr 2009 sei vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission im Wege der Aktenvorschreibung genehmigt worden, scheint sich für die Gesetzmäßigkeit der Verordnungsbestimmungen nichts zu ergeben, weil deren Kundmachung keinen Hinweis darauf enthält, dass sie vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen wurden (vgl. auch ; , V87/10; , V88,89/10).

Aus der bloßen Anführung des Namens des Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres am Beginn der Geschäftsverteilung ergibt sich nicht, welches Organ diese erlassen hat; vielmehr ist aus ihrer Kundmachung lediglich ersichtlich, dass der Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres SC Mag. Dr. Mathias Vogl ist (arg.

'DISZIPLINARKOMMISSION BEIM BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES,

Vorsitzender: SC Mag. Dr. Mathias VOGL'), nicht jedoch, dass dieser die als Verordnung zu qualifizierende Geschäftsverteilung erlassen hat (vgl. ; , V88,89/10)."

2.1. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Annahme spricht, dass das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist.

Die den Beschwerdeführer im Anlassverfahren betreffende Disziplinaranzeige ist bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres am eingelangt. Der Bescheid, der mit dem Bescheid der im Anlassverfahren belangten Behörde teilweise bestätigt wurde, war am vom Senat 1 der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden, die geschäftsverteilungsmäßige Rechtsgrundlage dieses Senates bildet die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2008 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres. Die Anwendbarkeit der soeben genannten Geschäftsverteilung ergibt sich aus Z 1 und Z 2 der Zuständigkeitsbestimmungen der "Allgemeinen Regelungen" der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2009, denen zufolge für die Zuständigkeit der Senate der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres der Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache (Datum des Einlangens bei der Disziplinarkommission) maßgebend ist und der dadurch bestimmte Senat bis zur rechtskräftigen Erledigung der Rechtssache zuständig bleibt, selbst wenn inzwischen Veränderungen in der Geschäftsverteilung oder in der Zuweisung der Mitglieder oder Ersatzmitglieder zu den einzelnen Senaten eingetreten sein sollten.

2.2. Ebenso wenig wurde in diesem Verfahren das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zerstreut, dass die Kundmachung der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen keinen Hinweis darauf enthält, dass diese vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden sind. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen erweisen sich daher als gesetzwidrig.

3. Gemäß Art 139 Abs 3 litc B-VG hat der Verfassungsgerichtshof dann, wenn er im Verordnungsprüfungsverfahren zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, die ganze Verordnung aufzuheben. Art 139 Abs 4 B-VG bestimmt, dass der Verfassungsgerichtshof, wenn die Verordnung im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten ist und das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wurde, auszusprechen hat, ob die geprüfte Verordnung gesetzwidrig war; dabei gilt Abs 3 sinngemäß.

3.1. Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft nicht nur die - im Anlassfall präjudiziellen - Bestimmungen der in Rede stehenden Verordnung, sondern in gleicher Weise auch die übrigen Verordnungsbestimmungen; es ist daher hinsichtlich der ganzen Verordnung auszusprechen, dass sie gesetzwidrig war. Umstände, die dem iSd Art 139 Abs 3 letzter Satz B-VG entgegenstünden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

3.2. Die im Spruch genannte - mit "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab " betitelte - Verordnung galt für das Jahr 2009. Mit der mit "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2010 ab " überschriebenen Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres wurde der in Prüfung gezogenen Verordnung materiell derogiert. Im Hinblick darauf hat der Verfassungsgerichtshof den Ausspruch darauf zu beschränken, dass die Verordnung gesetzwidrig war.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Es war daher auszusprechen, dass die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig war.

2. Die Verpflichtung der Bundesministerin für Inneres zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art 139 Abs 5 zweiter Satz B-VG und auf § 60 Abs 2 (iVm § 61) VfGG iVm § 4 Abs 1 Z 4 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.