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VfGH vom 11.12.2019, V74/2019 (V74/2019-12)

VfGH vom 11.12.2019, V74/2019 (V74/2019-12)

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Verordnung des Magistrates der Stadt Wien betreffend ein Halte- und Parkverbot mangels nachvollziehbarer Begründung der Erforderlichkeit der verkehrsbeschränkenden Maßnahme im Ermittlungsverfahren

Spruch

I.Die Zeichen- und Ziffernfolge ", 6.34" der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom , Z MA 46 – DEF/38069/2013, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II.Die Wiener Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Wien verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien,

"der Verfassungsgerichtshof möge

die Wortfolge ', 6.34' der Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom , MA 46 – DEF/38069/2013, als gesetzwidrig aufheben,

in eventu

aussprechen, dass die Wortfolge ', 6.34' der Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom , MA 46 – DEF/38069/2013, gesetzwidrig war;

in eventu

die Wortfolge ', 6.33, 6.34' der Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom , MA 46 – DEF/38069/2013, als gesetzwidrig aufheben,

in eventu

aussprechen, dass die Wortfolge ', 6.33, 6.34' der Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom , MA 46 – DEF/38069/2013, gesetzwidrig war;

in eventu

die Wortfolgen '6.2,' und ', 6.33, 6.34' der Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom , MA 46 – DEF/38069/2013, als gesetzwidrig aufheben,

in eventu

aussprechen, dass die Wortfolgen '6.2,' und ', 6.33, 6.34' der Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom , MA 46 – DEF/38069/2013, gesetzwidrig war."

II.Rechtslage

1.Die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, vom , Z MA 46 – DEF/38069/2013, lautet auszugsweise (die angefochtene Verordnungsstelle ist hervorgehoben):

"VERORDNUNG

Gemäß:

[…] § 43 Abs 1 StVO […] § 44 a StVO […] § 76 a StVO

werden die in dem bezughabenden Aktenvermerk vom (OV) + festgehaltenen Verkehrsbeschränkungen, Ge- und Verbote

[…] in Verbindung mit § 94 b StVO (Bezirksverwaltungsbehörde) verordnet:

6.11, 6.15, 6.19 - 6.20, 6.30, 6.32

[…] in Verbindung mit § 94 d StVO (Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich) verordnet:

6.2, 6.4, 6.6, 6.8, 6.9, 6.17, 6.23, 6.33, 6.34

Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt gemäß § 44 StVO und tritt mit Anbringung bzw Entfernung der Straßenverkehrszeichen und/oder der Bodenmarkierungen in Kraft.

[…]"

2.Der Aktenvermerk des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, vom , Z MA 46 – DEF/38069/2013, lautet auszugsweise:

"1. Gegenstand (Antrag):

Projekt 6., 7., 'Mariahilfer Straße - neu' Probephase:

1) Linie 13A, N71:

Festlegung der begleitenden Verkehrsmaßnahmen zur Änderung der Linienführung über die Route Gumpendorfer Straße - Windmühlgasse - Capistrangasse - Mariahilfer Straße - Kirchgasse

2) Aufhebung des Links-Rechts-Gebotes in der Stumpergasse#Mariahilfer Straße

[…]

6. Ergebnis

[…]

2) In Wien 6., Windmühlgasse vor ONr 32 bis Einfahrt ON28 wird eine Längsparkordnung (Parkstandstiefe 2,0 Meter) verordnet. Durch Einspruchsentscheidung geändert siehe 6.33

[…]

33) In Wien 6., Windmühlgasse vor ONr 32 bis (Mitte) ONr 30 wird eine Längsparkordnung (Parkstandstiefe 2,0 Meter) verordnet.

34) In Wien 6., Windmühlgasse ONr 30 bis Einfahrt ONr 28 ist auf eine Länge von 60m das Halten und Parken mit Fahrzeugen aller Art verboten.

[…]"

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3.Die maßgebliche Bestimmung des Bundesgesetzes vom , mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960, idF BGBl 42/2018 lautet auszugsweise:

§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

[…]"

III.Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, verhängte mit Straferkenntnis vom über den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht eine Geldstrafe in der Höhe von € 78,– (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) und erlegte dem Beschwerdeführer Kosten für das Verfahren in der Höhe von € 10,– auf. Der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht habe am um 11:13 Uhr in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, ein näher bestimmbares Kraftfahrzeug im Bereich des Verbotszeichens "Halten und Parken verboten" abgestellt. Dadurch habe der Beschwerdeführer § 24 Abs 1 lita StVO 1960 verletzt.

2.Der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht erhob gegen dieses Straferkenntnis Beschwerde. Aus Anlass der Behandlung dieser Beschwerde stellt das Verwaltungsgericht Wien den vorliegenden, im Folgenden auszugsweise wiedergegebenen Antrag:

[…]

III. Zur Zulässigkeit des Antrags

[…]

1.2. Die angefochtene Verordnungsbestimmung 6.34 bildet eine der Rechtsgrundlagen für das beim Verwaltungsgericht Wien angefochtene Straferkenntnis; das Verwaltungsgericht hat sie bei seiner Entscheidung über die Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis anzuwenden.

2. Haupt- und Eventualanträge

2.1. Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien ist der angefochtene Punkt 6.34 von den übrigen Verordnungsbestimmungen trennbar. Bei einer Aufhebung dieser Wortfolge würden Punkt 6.2 iVm. 6.33 nach wie vor in Kraft stehen und damit eine Längsparkordnung von Windmühlgasse ONr 32 bis (Mitte) ONr 30 weiterhin verordnet bleiben. Es fiele lediglich das Halte- und Parkverbot von Windmühlgasse ONr 30 bis Einfahrt ONr 28 weg und stünde einer Neuregelung (oder Nichtregelung) offen. Die mit Punkt 6.33 verordnete Längsparkordnung ist gegenständlich auch nicht präjudiziell und hegt das Verwaltungsgericht diesbezüglich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof jedoch einen untrennbaren Zusammenhang zwischen den Punkten 6.33 und 6.34 bzw den Punkten 6.2, 6.33 und 6.34 der Verordnung sieht, da dieser Regelungskomplex in seiner Gesamtheit einer Neuregelung zugeführt werden müsste, werden auch diese Bestimmungen in eventu angefochten.

Die Anträge gründen auf der vom Verordnungsgeber gewählten Regelungstechnik der Verweisung auf die Niederschrift zur Verhandlung. Die Eventualanträge betreffend die Feststellung, dass näher bezeichnete Wortfolgen gesetzwidrig waren, werden für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen sollte, dass die angefochtene Verordnung bzw die relevanten Teile nicht mehr in Geltung steht/stehen.

[…]

IV. Bedenken

[…]

2. Das Verwaltungsgericht Wien hegt das Bedenken, dass die angefochtene Bestimmung nicht gesetzmäßig ist, da sie entgegen § 43 Abs 1 litb Z 1 StVO verordnet wurde. Die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert es nicht, an gegenständlicher Stelle ein Halte- und Parkverbot zu verhängen.

3. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist vor Erlassung einer auf § 43 Abs 1 litb StVO gestützten Verordnung eine Interessensabwägung vorzunehmen (VfSlg 16.553/2002). Eine Verkehrsmaßnahme muss bereits nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht (bloß) 'zweckmäßig', sondern 'erforderlich' sein (VfSlg 16.016/2000). Wird die Erforderlichkeit einer Verkehrsbeschränkung im Sinne des § 43 StVO nicht in einem ausreichenden Ermittlungsverfahren festgestellt, so ist die entsprechende Verordnung gesetzwidrig (VfSlg 16.805/2003). Verkehrsbeschränkungen dürfen daher nur in jenem sachlichen, zeitlichen, örtlichen und personellen Umfang erlassen werden, in dem der im Einzelnen angestrebte geschützte Zweck dies rechtfertigt (Pürstl, StVO-ON 14.01, § 43 StVO, Rz 7).

4. Betreffend die gegenständliche Verordnung der MA 46 zur – unter anderem – Festlegung der begleitenden Verkehrsmaßnahmen zur Änderung der Linienführung der Busse der Linie 13A, und N71 (der Wiener Linien), wurde am eine Ortsverhandlung durchgeführt. Aus dem Beiblatt 1 ist unter Punkt '5. Sachverhalt' für den gegenständlichen Bereich Wien 6., Windmühlgasse ONr 30, ausgeführt:

'B) Kurvenbereich ON 28/30

Bei über 4m Parkordnung hinausragenden Fahrzeugen kann die Hinterachse des Busses an die innen aufgestellten Fahrzeuge heranreichen und wurde ein Halteverbotsabschnitt diskutiert. Die Überprüfung (Schleppkurvensimulation) ergab, dass auch bei ein 1,2m Abstand zur Schrägparkmarkierung noch etwa 50 cm Abstand zu geparkten PKW verbleiben, und mit einer 2m Parkordnung im Innenkurvenbereich das Auslangen gefunden werden kann. Bei 2m-Längsparkordnung konnte auch kein sinnvoll wirksamer Halteverbotsbereich ermittelt werden.'

5. Aus dem Beiblatt 3 ist aus Punkt '7. Stellungnahmen' zu entnehmen, dass ua die Wiener Linien und die Polizei im Verfahren eine Stellungnahme abgegeben haben. Diese lauten auszugsweise:

'Wr. Linien: im Kurvenbereich Windmühlgasse ON 28/30 soll ein Halteverbotsbereich ausgewiesen werden, damit keine Busse bei schlecht parkenden Fahrzeugen stecken bleiben. Die übrigen Abschnitte in der Windmühlgasse (inkl. bestehender Schutzweg) werden mit den vorgesehenen Maßnahmen zur Kenntnis genommen. [...]

Polizei: [...]

Bez. Halteverbot 0N28/30 siehe Prüfung durch MA 46 im Sachverhalt.'

6. Soweit dies aus dem vorgelegten Verordnungsakt, insbesondere der darin enthaltenen Aktenvermerke und der Sachverhaltszusammenfassung sowie des vorgelegten Planes ersichtlich ist, hat das Ermittlungsverfahren (mit Schleppkurvenanalyse) ergeben, dass ein Halteverbotsbereich zwischen ONr 28/30 nicht sinnvoll festgelegt werden kann und die durchfahrenden Busse nicht an parkende Fahrzeuge gefährlich nahe heranreichen würden; trotzdem wurde das gegenständliche Halte- und Parkverbot mit Punkt 6.34 der Verordnung DEF/38069/2013 erlassen.

7. Auch in Hinblick auf den im weiteren Straßenverlauf erheblich enger werdenden Straßenverlauf der Windmühlgasse und der damit verengten Fahrbahn für durchfahrende Busse ist das Bedenken eines Steckenbleibens von Bussen (nur) im Bereich der ONr 30 bis 28 nicht nachvollziehbar. Dies wird auch durch das vorgelegte Beweismaterial des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren anschaulich belegt.

8. Für das antragstellende Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass sich an den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen in der Windmühlgasse etwas geändert hätte. Dies ergibt sich aus vorgelegten Fotos des Beschwerdeführers und einer persönlichen Ortsaugenscheinnahme der zuständigen Richterin des antragstellenden Gerichts am .

9. Die mit der angefochtenen Verordnungsbestimmung erlassene Verkehrsmaßnahme scheint daher nach Auffassung des antragstellenden Verwaltungsgerichts nicht in § 43 Abs 1 litb Z 1 StVO entsprechender Weise erforderlich zu sein und ist daher gesetzwidrig."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3.Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 65, erstattete die nachfolgend zusammengefasst wiedergegebene Äußerung und beantragt die Abweisung in eventu die Zurückweisung des Antrages.

3.1.Ein Durchfahren von engeren, aber geraden Abschnitten, könne nicht gleichgesetzt werden mit einem aufgeweiteten Bereich einer Kurve, betreffend das behinderungsfreie, widerrechtliche Abstellen in zweiter Spur.

3.2.Die Darstellung der Straßenbreite von 4 m Schrägparkordnung (SPO), 6,2 m Fahrbahn und 2,15 m Längsparkordnung (LPO) sei falsch. Die Fahrbahnbreite ergebe sich aus dem Plan ZNr 06-0449 und laute ca. 3,5 m, allenfalls 4,05 m Fahrbahn (neben 4 m SPO und 2,15 m LPO). Schon das Bildmaterial, etwa IV mit dem durchfahrenden 2,6 m breiten Gelenksbus, zeige, dass die Fahrbahn keine Breite von 6,2 m aufweise.

3.3.Die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (R.V.S.) vom würden die "Verkehrsplanung Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNR) Gestaltungsgrundsätze Optimierung des ÖPNV – freie Strecke und Haltestellen" regeln. Laut Tabelle 3 erfordere ein Bus bei einer Begegnungsgeschwindigkeit von 30 km/h eine Fahrstreifenbreite von 3,15 m. Die Werte bei angrenzenden Parkstreifen seien um je 0,25 m zu erhöhen, um einen ausreichenden Seitenabstand zu abgestellten Fahrzeugen einhalten zu können sowie um Behinderungen durch breite parkende Fahrzeuge oder überstehende Außenspiegel zu vermeiden. Laut Punkt 5.1 sollten Busfahrstreifen zwischen Fahrstreifen und Parkstreifen in gleicher Richtung eine Mindestbreite von 3,5 m ohne Fahrflächenverbreiterung im Bogen aufweisen.

3.4.Aus verkehrstechnischer Sicht sei vor den ONr 30 bis 28 zur Einrichtung einer Längsparkordnung in der Gerade eine Gesamtbreite von 10,2 m und in der Kurve eine Gesamtbreite von 11,5 m erforderlich. In den im Akt erliegenden Plänen sei in der Gerade eine Gesamtbreite von 10,1 m bis 10,2 m und in der Kurve eine Gesamtbreite von 11,0 m bis 12,8 m ausgewiesen. Die Anforderungen seien nach den äußerst möglichen Mindestmaßen gerade noch erfüllt. Deshalb habe sich der verkehrstechnische Amtssachverständige in der Verhandlung am nach Abwägung der Interessen an der Nutzung der Verkehrsflächen und an der Durchgängigkeit der öffentlichen Verkehrsmittel und der Nichtbeurteilbarkeit gesetzwidrig abgestellter Fahrzeuge für die Gewährleistung des Parkraumbedarfs entschieden.

3.5.Dem Gesetz- (und Verordnungs-)geber werde grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum zugestanden. Unter Berücksichtigung der im Zuge des verkehrsbehördlichen Ermittlungsverfahrens festgestellten Ermittlungsergebnisse wären aber nach Interessenabwägung sowohl die Einrichtung einer Längsparkordnung als auch die Verordnung eines Halte- und Parkverbotes nachvollziehbare Entscheidungsmöglichkeiten gewesen.

4.Der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht erstattete die nachfolgend zusammengefasst wiedergegebene Äußerung und beantragt die Aufhebung der angefochtenen Bestimmung sowie den Zuspruch der verzeichneten Kosten.

4.1.Der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Verwaltungsgericht schließt sich den Ausführungen des Gerichtes an und führt ergänzend aus, dass in einem Aktenvermerk festgehalten worden sei, dass von Seiten der Bezirksvertretung für den 6. Wiener Gemeindebezirk eine Aufhebung der angefochtenen Verordnung gewünscht worden sei. Darüber hinaus sei von Seiten der Polizei festgestellt worden, dass selbst nach dem Kurvenbereich in zweiter Spur widerrechtlich abgestellte Lieferfahrzeuge das Vorbeifahren mit Bussen nicht beeinträchtigen würden.

4.2.Das vorgelegte Bildmaterial zeige überdies, dass auf Grund der ausreichenden Fahrbahnbreite von 4,05 m keine sachlichen Gründe für die Erlassung eines Halte- und Parkverbotes bestünden. So würden etwa widerrechtlich abgestellte Personenkraftwägen, Pritschenwägen oder sogar LKW, wie dies auf Grund von Baustellen zum Teil schon erfolge, den Fließverkehr nicht beeinträchtigen. Auch sei eine Ausnahmeregelung vom Halte- und Parkverbot für Lenker mit einem gültigen Behindertenausweis unmittelbar vor dem Beginn des Kurvenverlaufes erlassen worden.

4.3.Jedenfalls hätte die Behörde eine Ausnahmebestimmung für einspurige Kraftfahrzeuge vorsehen müssen, weil ein Störungspotential von derartigen Fahrzeugen denkunmöglich sei. Insgesamt sei die verkehrsbeschränkende Maßnahme zur Sicherung der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht erforderlich.

5.Die Wiener Landesregierung erstattete keine Äußerung.

IV.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit

Da keine Bedenken gegen die Präjudizialität der angefochtenen Verordnung im Umfang des Hauptantrages bestehen und auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Hauptantrag als zulässig (vgl ), sodass auf die Eventualanträge nicht weiter einzugehen ist.

2.In der Sache

2.1.Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2.Das antragstellende Gericht äußert Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung, weil diese Bestimmung entgegen § 43 Abs 1 litb Z 1 StVO 1960 erlassen worden sei. Die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordere es nicht, an dieser Stelle ein Halte- und Parkverbot zu verhängen.

Die angefochtene Bestimmung sei entgegen den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, wonach ein Halteverbotsbereich zwischen ONr 28 und 30 nicht sinnvoll festgelegt werden könne und die durchfahrenden Busse nicht an parkende Fahrzeuge gefährlich nahe heranreichen würden, erlassen worden.

Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, dass sich an den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen etwas geändert habe. Daher erweise sich die angefochtene Verordnungsbestimmung als nicht erforderlich.

2.3.Der Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien ist berechtigt.

2.4.§43 Abs 1 litb Z 1 StVO 1960 sieht die Erlassung dauernder oder vorüber-gehender Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung vor, wenn und soweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert.

2.5.Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer verkehrsbeschränkenden Verordnung die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl zB VfSlg 8086/1977, 9089/1981, 12.944/1991, 13.449/1993, 13.482/1993). Die sohin gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere, sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl zB VfSlg 12.485/1990, 16.805/2003, 17.572/2005). Die Gefahrensituation muss sich für die betreffende Straße deutlich von der allgemeinen, für den Straßenverkehr typischen Gefahrenlage unterscheiden (vgl zB VfSlg 14.000/1994).

Wie der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen VfSlg 8984/1980 und 9721/1983 ausführte und in zahlreichen nachfolgenden Erkenntnissen wiederholte (vgl VfSlg 13.371/1993, 14.051/1995, 15.643/1999, 16.016/2000, 16.805/2003, 17.573/2005), sind bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach § 43 StVO 1960 die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für die die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen.

Der Verfassungsgerichtshof geht somit in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Behörde bei Anwendung der vom Gesetzgeber mit unbestimmten Begriffen umschriebenen Voraussetzungen für die Erlassung von Verkehrsbeschränkungen oder -verboten durch Verordnung einen Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse anzustellen hat: Die betreffenden Verhältnisse an den Straßenstrecken, für welche ein Halte- und Parkverbot in Betracht gezogen wird, müssen derart beschaffen sein, dass sie gegenüber anderen Straßen die Verhängung eines Halte- und Parkverbotes gebieten.

2.6.In der angefochtenen Verordnung erklärt der Magistrat der Stadt Wien mittels Verweisen einzelne Anordnungen im Aktenvermerk zu Bestandteilen der Verordnung. Der Inhalt der Verordnung ergibt sich sohin aus dem Aktenvermerk über die Ortsverhandlung vom , Z MA 46 – DEF/38069/2013.

2.7.Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, kommt in Beiblatt 1, Pkt. 5., zum Aktenvermerk über die Ortsverhandlung zur Erlassung der angefochtenen Verordnung vom zu dem folgenden Ergebnis:

"b) Kurvenbereich ON28/30

Bei über die 4m Parkordnung hinausragenden Fahrzeugen kann die Hinterachse des Busses an die innen aufgestellten Fahrzeuge heranreichen und wurde ein Halteverbotsabschnitt diskutiert. Die Überprüfung (Schleppkurvensimulation) ergab, dass auch bei 1,2m Abstand zur Schrägparkmarkierung noch etwa 50 cm Abstand zu geparkten PKW verbleiben, und mit einer 2m Parkordnung im Innenkurvenbereich das Auslangen gefunden werden kann. Bei 2m-Längsparkordnung konnte auch kein sinnvoll wirksamer Halteverbotsbereich ermittelt werden."

2.7.1.Auf Grundlage dieser Feststellungen erließ der Magistrat der Stadt Wien in der Windmühlgasse von ONr 28 bis ONr 32 eine Längsparkordnung mit einer Parkstandstiefe von zwei Metern (Pkt. 6.2 des Aktenvermerkes).

2.7.2.Auf Grund eines Einspruches im Verordnungserlassungsverfahren änderte der Magistrat der Stadt Wien den örtlichen Geltungsbereich der in Pkt. 6.2 des Aktenvermerkes verfügten Längsparkordnung und legte eine Längsparkordnung für den Bereich Windmühlgasse ONr 30 bis 32 fest (Pkt. 6.33 des Aktenvermerkes). Gleichzeitig verfügte der Magistrat der Stadt Wien im Bereich Windmühlgasse ONr 28 bis 30 ein Halte- und Parkverbot (Pkt. 6.34 des Aktenvermerkes).

2.7.3.Gegen dieses Halte- und Parkverbot in Pkt. 6.34 des Aktenvermerkes richten sich die Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien wegen mangelnder Erforderlichkeit.

2.7.4.In seiner Stellungnahme behauptet der Magistrat der Stadt Wien ein legitimes Interesse zur Sicherung der Flüssigkeit des öffentlichen Verkehrs und legt damit die Erforderlichkeit des Halte- und Parkverbotes dar.

2.8.Vor diesem Hintergrund ist der verordnungserlassenden Behörde auch ein Spielraum zuzugestehen, bei einer zu befürchtenden Beeinträchtigung der Flüssigkeit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu erlassen. Dieser Spielraum entbindet die verordnungserlassende Behörde jedoch noch nicht von der aus § 43 Abs 1 StVO 1960 erfließenden Verpflichtung, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die Erforderlichkeit einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme nachvollziehbar darzulegen.

2.8.1.Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes kann auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht zweifelsfrei beurteilt werden, ob die angefochtene Bestimmung erforderlich ist. Vielmehr ergibt sich aus dem Verordnungsakt – wie auch der Magistrat der Stadt Wien im Aktenvermerk über die Ortsverhandlung festhält (Pkt. 5.) –, dass mit einer 2 m-Längsparkordnung das Auslangen zu finden wäre und darüber hinaus auch kein sinnvoll wirksamer Halteverbotsbereich ermittelt werden könne.

2.8.2.Der aus § 43 Abs 1 StVO 1960 erfließenden Verpflichtung entspricht die verordnungserlassende Behörde daher nicht, weil sich die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens auf Grund des aufgezeigten Widerspruchs im angefochtenen Teil der Verordnung nicht stringent niederschlagen. Ausweislich der in Pkt. 2.7. zitierten Stellungnahme des Magistrates der Stadt Wien würde nach Durchführung einer Überprüfung (sog "Schleppkurvensimulation") im Bereich Windmühlgasse ONr 28 bis 32 bei Erlassung einer Längsparkordnung ausreichend Platz für den Busverkehr bestehen und ein Halteverbotsbereich keine Wirkung für den öffentlichen Verkehr entfalten.

2.9.Da der Magistrat der Stadt Wien im Ermittlungsverfahren zur Erlassung der Verordnung auch sonst an keiner Stelle die Erforderlichkeit der angefochtenen Bestimmung darlegt, findet die angefochtene Bestimmung wegen eines Verstoßes gegen § 43 Abs 1 litb StVO 1960 keine Deckung im Gesetz.

V.Ergebnis

1.Die Zeichen- und Ziffernfolge ", 6.34" der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom , Z MA 46 – DEF/38069/2013, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

2.Die Verpflichtung der Wiener Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 59 Abs 2 VfGG iVm § 138a Abs 1 Z 8 Wiener Stadtverfassung.

3.Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, da es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).

4.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2019:V74.2019
Schlagworte:
Straßenpolizei, Halte(Park-)verbot, Verordnungserlassung

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