VfGH vom 13.06.2017, V71/2016 (V71/2016-9)

VfGH vom 13.06.2017, V71/2016 (V71/2016-9)

Leitsatz

Aufhebung von Verordnungsbestimmungen über den Ausschluss der Gewährung eines persönlichen Budgets für unter Sachwalterschaft stehende Personen wegen Verstoßes gegen das Stmk BehindertenG

Spruch

I.Im Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über die Festlegung von Leistungen und Leistungsentgelten sowie Kostenzuschüssen nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz (StBHG Leistungs- und Entgeltverordnung 2015; LEVO-StBHG 2015), LGBl für Steiermark Nr 2/2015 idF LGBl für Steiermark Nr 19/2015, werden Punkt 1.2. (mit der Überschrift Zielgruppe) sowie in Punkt 2.1. die Wortfolge "Finanzkompetenz: Befähigung über die finanziellen Mittel verfügen zu können" als gesetzwidrig aufgehoben.

II.Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Steiermark verpflichtet.

III.Im Übrigen wird der Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1.Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E1837/2015 eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1.Der Beschwerdeführer leidet seit seiner Geburt an einer schweren Erkrankung, die ihn in seiner Lebensführung stark beeinträchtigt. Auf Anregung der Mutter des Beschwerdeführers wurde deshalb mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom für ihren Sohn eine Sachwalterin für alle Angelegenheiten iSd § 268 Abs 3 Z 3 ABGB bestellt.

1.2.Der Beschwerdeführer wird sowohl im eigenen Familienverband als auch von professionellen Pflegepersonen betreut. Dabei fallen nach Angaben seiner Eltern monatlich Kosten iHv € 1.700,– an, die größtenteils medizinischer Natur sind oder auf spezielle Nahrungsmittel und Heilbehelfe entfallen. Damit der Beschwerdeführer Arzt- und Krankenhaustermine wahrnehmen kann, benötigt er zudem Begleitpersonen und auch eine Kommunikationshilfe für Gespräche mit dem medizinischen Personal. Auch kann der Beschwerdeführer ohne persönliche Assistenz nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und etwa Freizeit-aktivitäten oder Ausflüge unternehmen. Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Stadt Graz den Antrag, ihm die Leistung eines "Persönlichen Budgets" gemäß § 22a Steiermärkisches Behindertengesetz (im Folgenden: StBHG) zu gewähren, damit er eine derartige persönliche Assistenz finanzieren könne und ihm ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werde.

1.3.Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Stadt Graz diesen Antrag ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Erkenntnis vom ab.

2.Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Abschnittes "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über die Festlegung von Leistungen und Leistungsentgelten sowie Kostenzuschüssen nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz (StBHG Leistungs- und Entgeltverordnung 2015; im Folgenden: LEVO-StBHG 2015), LGBl für Steiermark 2/2015 idF LGBl für Steiermark 19/2015, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Verordnungsbestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3.Der Verfassungsgerichtshof hegte vorläufig das Bedenken, dass der Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015 nicht mit der gesetzlichen Grundlage des § 22a StBHG vereinbar sei. Er legte diese Bedenken in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"1.3. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass die im Spruch genannten Teile der Anlage 1 zur LEVO-StBHG 2015 von § 22a iVm § 46 StBHG nicht gedeckt und insoweit gesetzwidrig sind:

1.3.1. Gemäß § 2 StBHG hat ein Mensch mit Behinderung einen Rechtsanspruch auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung. Dabei sind die konkrete Ausformung der Hilfeleistung und die Form der Hilfeleistung entsprechend dem individuellen Hilfebedarf von Amts wegen festzulegen. § 3 Z 13 StBHG sieht als mögliche Art der Hilfeleistung das Persönliche Budget vor, das gemäß § 4 Abs 3 Z 5 leg.cit. in Form einer Geldleistung zu erbringen ist. Gemäß § 22a StBHG soll diese Hilfeleistung sinnesbeeinträchtigten und/oder erheblich bewegungsbehinderten Menschen unter Bedachtnahme auf pflegebezogene Geldleistungen gewährt werden, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben (außerhalb von Wohneinrichtungen oder Pflegeheimen) zu ermöglichen.

1.3.2. Die nähere Ausgestaltung der einzelnen Hilfeleistungen regelt sodann § 46 StBHG. Danach hat die Landesregierung in Durchführung der Vorschriften des StBHG eine sog. Leistungs- und Entgeltverordnung zu erlassen, die insbesondere die sachlichen, fachlichen und personellen Erfordernisse der für die Erbringung der Hilfe notwendigen Leistungen (Z1) sowie die Entgelte bzw. Höchstgrenzen für die Leistungen (Z4) festlegt. Gestützt auf diese Bestimmung hat die Steiermärkische Landesregierung mit LGBl für die Steiermark 2/2015 die LEVO-StBHG 2015 erlassen, die in Anlage 1, Abschnitt VII.A., Persönliches Budget (PERS BUD), die Erfordernisse für die Hilfeleistung des Persönlichen Budgets statuiert.

1.3.3. Nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes haben die hiemit in Prüfung gezogenen und miteinander in untrennbarem Zusammenhang stehenden Anordnungen im Abschnitt VII.A. der Anlage 1 zur LEVO-StBHG 2015 zur Konsequenz, dass beeinträchtigte Personen nur dann die Hilfeleistung des Persönlichen Budgets beanspruchen können, wenn sie über die in diesem Abschnitt genannten Kompetenzen verfügen und – sofern die Finanzkompetenz als Eigenberechtigung verstanden wird – geschäftsfähig sind.

1.3.4. Sind die Personen demgegenüber unter Sachwalterschaft gestellt, so scheint dies Leistungen aus dem Titel des Persönlichen Budgets schlechthin auszuschließen, wie sich aus Punkt 1.2. des Abschnittes VII.A. der Anlage 1 zur LEVO-StBHG, der ausdrücklich auf die Geschäftsfähigkeit der beeinträchtigten Personen abstellt, ergibt; auch die übrigen Bestimmungen des Abschnittes VII.A. dürften der Sache nach insgesamt die Geschäftsfähigkeit der beeinträchtigten Personen voraussetzen (wie zB aus der Definition der erforderlichen Kompetenzen sowie daraus hervorgehen dürfte, dass an mehreren Stellen das Erfordernis einer Bestimmung der Leistungen durch die betroffene Person selbst normiert wird). Der ganze Abschnitt dürfte infolge dieser gemeinsamen Klammer einer vorausgesetzten vollen Geschäftsfähigkeit untrennbar zusammenhängen.

1.3.5. Diese Ausnahme nicht geschäftsfähiger Personen vom Adressatenkreis des Persönlichen Budgets dürfte aber – wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt – nicht mit § 22a StBHG vereinbar sein:

1.3.5.1. Die Hilfeleistung 'Persönliches Budget' wurde mit LGBl für die Steiermark 62/2011 als Nachfolgeregelung der 'Geldleistung anstatt Familienentlastungsdienst bzw. Freizeitassistenz' gemäß § 4 Abs 2 StBHG aF in das StBHG eingefügt. Folgt man den Materialien, so sollte damit eine Leistung geschaffen werden, die Menschen mit 'Sinnesbeeinträchtigungen und/oder erheblichen Bewegungsbehinderungen' in die Lage versetzen soll, ihre Beeinträchtigung durch den Einsatz von persönlichen Assistenten auszugleichen, um eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu erreichen.

1.3.5.2. Sowohl § 22a StBHG als auch die oben wiedergegebenen Materialien dürften somit als Voraussetzungen für das Persönliche Budget eine 'Sinnesbeeinträchtigung und/oder eine erhebliche Bewegungsbehinderung' festlegen. Des Weiteren soll nach dem Wortlaut des § 22a StBHG die Geldleistung gewährt werden, um den beeinträchtigten Personen ein 'selbstbestimmtes' Leben zu ermöglichen.

1.3.5.3. § 22a StBHG dürfte aber keinen Hinweis darauf enthalten, dass Personen, die unter Sachwalterschaft stehen, von der Leistung eines Persönlichen Budgets schlechthin auszuschließen wären, stellt doch diese Bestimmung bloß auf die Fähigkeit ab, ein 'selbstbestimmtes Leben' zu führen. Eine derart einschränkende Deutung des § 22a StBHG dürfte im Lichte des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl III 155/2008, an dem sich der Gesetzgeber offenbar orientiert hat, umso weniger nahe liegen.

1.3.5.4. Es erscheint zwar plausibel, dass eine 'Sinnesbeeinträchtigung' und/oder eine 'erhebliche Bewegungsbehinderung' für sich allein oder im Zusammenspiel in bestimmten Einzelfällen einen derartigen Grad der Behinderung bewirken können, der es ausschließt, die mit dem Persönlichen Budget vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke zu erreichen, sodass den von einer derart schweren Behinderung betroffenen Personen die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben – soweit dies möglich ist – auf andere Weise gewährleistet werden muss.

1.3.5.5. Die bloße Bestellung eines Sachwalters (sei es auch für alle Angelegenheiten) dürfte aber für sich allein noch nicht die Annahme rechtfertigen, dass die besachwaltete Person typischerweise nicht dazu in der Lage ist, in Fragen der Lebensführung eigene Ziele im Sinne der Zweckrichtung des Persönlichen Budgets zu verfolgen, die – allenfalls unter Mithilfe und Mitwirkung des Sachwalters – auch erreichbar sind (vgl. zum weiten Pflichtenkreis des Sachwalters mwN Tschugguel/Parapatits, in: Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03, § 268 ABGB Rz 3).

2. Bei einem solchen, anscheinend gebotenen Verständnis des § 22a StBHG scheint der im Spruch genannte Abschnitt der Anlage 1 zur LEVO-StBHG, dessen Bestimmungen die unter Sachwalterschaft stehenden Personen anscheinend von der Gewährung eines Persönlichen Budgets ausschließen, gesetzwidrig zu sein."

4.Die Steiermärkische Landesregierung hat die Akten betreffend das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken entgegentritt und beantragt, festzustellen, dass der Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015, nicht verfassungswidrig sei:

"3. Zu den Bedenken des Gerichtshofes:

3.1. Gemäß § 22a StBHG wird die Hilfeleistung 'Persönliches Budget' sinnesbeeinträchtigten und/oder erheblich bewegungsbehinderten Menschen gewährt, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Wohneinrichtungen gemäß § 18 oder Pflegeheimen gemäß § 19 zu ermöglichen.

3.2. Angemerkt werden darf, dass es Ziel des Gesetzes und damit aller Hilfeleistungen ist, die im StBHG geregelt sind, Menschen mit Behinderung zu unterstützen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. Es ist dies daher kein Alleinstellungsmerkmal der Hilfeleistung Persönliches Budget.

Die Hilfeleistung 'Persönliches Budget' soll gemäß § 22a StBHG ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Wohneinrichtungen und Pflegeheimen ermöglichen, folglich soll diese Hilfeleistung nur Menschen mit Behinderung gewährt werden, die nicht in einer Wohneinrichtung oder einem Pflegeheim untergebracht sind.

Es ist dem Verfassungsgerichtshof daher zuzustimmen, dass, allein bezogen auf diesen Zweck der Hilfeleistung, § 22a StBHG kein Hinweis entnommen werden kann, dass von der Hilfeleistung Persönliches Budget Personen, die unter Sachwalterschaft stehen, schlechthin ausgeschlossen wären.

3.3 § 22a StBHG schränkt den in § 1a Abs 1 StBHG definierten Kreis der Menschen mit Behinderung, die die Leistung Persönliches Budget beanspruchen kann, jedoch ein:

Persönliches Budget kann nur sinnesbeeinträchtigten und/oder erheblich bewegungsbehinderten Menschen zuerkannt werden, nicht jedoch Menschen, die in ihren intellektuellen Fähigkeiten oder in ihrer psychischen Gesundheit beeinträchtigt sind.

Sinnesbeeinträchtigungen beziehen sich auf die Einschränkungen des Seh- und/oder Hörvermögens. Dies sind die verschiedenen Formen der Hörbehinderung wie Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit, die unterschiedlichen Formen von Sehbehinderungen wie Sehschwächen und Blindheit. Darüber hinaus werden auch die Schädigungen des Gleichgewichtssinns als Sinnesbeeinträchtigung verstanden [...].

Die Bestellung eines Sachwalters kommt für Menschen, die sinnesbeeinträchtigt und/oder erheblich körperlich beeinträchtigt sind, gemäß § 268 ABGB nicht in Betracht. Gemäß dieser Bestimmung kann ein Sachwalter nämlich nur für Personen bestellt werden, die an einer psychischen Krankheit leiden oder geistig behindert sind. Eine solche Beeinträchtigung weisen sinnesbeeinträchtigte und/oder erheblich köperbehinderte Menschen nicht auf.

Der Ausschluss von Personen, die unter Sachwalterschaft stehen, von der Hilfeleistung Persönliches Budget erfolgt daher bereits durch § 22a StBHG und damit durch das Gesetz selbst und nicht erst durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der LEVO-StBHG 2015.

Aus dieser gesetzlichen Einschränkung des Adressatenkreises in § 22a StBHG folgt aber auch, dass der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Gewährung der Hilfeleistung Persönliches Budget vom Vorliegen der (vollen) Geschäftsfähigkeit ausgegangen ist.

Wie schon der Wortlaut der Hilfeleistung zum Ausdruck bringt, wollte der Gesetzgeber, dass der Mensch mit Behinderung über das zuerkannte 'Budget' persönlich frei verfügen und damit nicht nur den Erbringer der Assistenzleistungen frei wählen, sondern auch selbst bezahlen kann. Wenn die LEVO-StBHG 2015 daher ausdrücklich auf das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit abstellt, hat sie die gesetzlichen Vorgaben des § 22a StBHG in zulässiger Weise näher ausgeführt.

Der Unterschied zwischen der Geldleistung des § 22a StBHG und den damit vergleichbaren mobilen Hilfeleistungen Hilfe zum Wohnen (§21 StBHG) und Freizeitgestaltung (§21a StBHG), die allen Menschen mit Behinderung unabhängig von der Art ihrer Behinderung gemäß § 1a Abs 1 StBHG gewährt werden können, besteht im Wesentlichen darin, dass Abrechnung und Bezahlung dieser mobilen Hilfeleistungen direkt über den Sozialhilfeträger erfolgt. Die Menschen mit Behinderung haben aber auch hier die freie Wahl hinsichtlich des (konkreten) Erbringers der zuerkannten Hilfeleistung.

Auf Grund dieser Erwägungen teilt die Steiermärkische Landesregierung die vom Verfassungsgerichtshof (vorläufig) geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung nicht."

II.Rechtslage

1.Die maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes vom über Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung (Steiermärkisches Behindertengesetz – StBHG), LGBl für Steiermark 26/2004 idF LGBl für Steiermark 130/2014, lauten auszugsweise wie folgt:

"§2

Voraussetzungen der Hilfeleistungen

(1) Voraussetzung für die Hilfeleistung ist, dass der Mensch mit Behinderung

1. seinen Hauptwohnsitz in der Steiermark hat,

2. eine Staatsbürgerschaft eines dem europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Staates oder einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs 1 Z 1 bis 8 NAG besitzt oder über den Status als anerkannter Flüchtling gemäß § 12 Asylgesetz verfügt und

3. zu einem mehr als drei monatigen Aufenthalt berechtigt ist.

(2) Der Mensch mit Behinderung hat einen Rechtsanspruch auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung (§3). Die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung und die Form der Hilfeleistung (§4) sind entsprechend dem individuellen Hilfebedarf von Amts wegen festzulegen.

(3) Ein Rechtsanspruch gemäß Abs 2 besteht nur, soweit der Mensch mit Behinderung nicht aufgrund anderer gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelungen – ausgenommen dem Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz – gleichartige oder ähnliche Leistungen erhält oder geltend machen kann. Hierbei ist unerheblich, ob dem Menschen mit Behinderung ein Rechtsanspruch auf die Gewährung der gleichartigen oder ähnlichen Leistung zusteht.

(4) […]

§3

Arten der Hilfeleistungen

Als Hilfeleistung für Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

1. Heilbehandlung (§5);

2. Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§6);

3. Erziehung und Schulbildung (§7);

4. Teilhabe an Beschäftigung (§8);

5. Lebensunterhalt (§9);

6. Tageseinrichtungen (§16);

7. Wohneinrichtungen (§18);

8. Übernahme der Entgelte in Pflegeheimen (§19);

9. Mietzinsbeihilfe (§20);

10. Hilfe zum Wohnen (§21);

11. Freizeitgestaltung (§21a);

12. Familienentlastung (§22);

13. Persönliches Budget (§22a);

14. Zuschuss für behindertengerechte Ausstattung von Kraftfahrzeugen (§24a);

15. Zuschuss für notwendige bauliche Maßnahmen (§25a);

16. Reisekosten (§38).

§4

Formen der Hilfeleistungen

(1) Die Hilfeleistungen werden mobil, ambulant, teilstationär, vollstationär bzw. als Geldleistung erbracht. Solange eine mobile Betreuung möglich ist, ist dieser der Vorrang zu geben, sofern die Kosten der mobilen Betreuung die Kosten einer vollstationären oder teilstationären Unterbringung nicht übersteigen. Eine befristete Zuerkennung von Leistungen ist zulässig.

(2) […]

(3) Die Hilfeleistungen können folgendermaßen erbracht werden:

1. Vollstationär: §§5, 7, 18, 19;

2. Teilstationär: §§5, 7, 8, 16, 18, 19;

3. Ambulant: §§5, 7;

4. Mobil: §§5, 7, 8, 21, 21a, 22;

5. Geldleistungen: §§5, 6, 7, 8 Abs 3 und 4, § 9, § 16 Abs 2 und 3, §§20, 22a, 24a, 25a, 38, 47 Abs 5.

(4) […]"

"§21a

Freizeitgestaltung

(1) Hilfe zur Freizeitgestaltung hat die Aufgabe, stundenweise an der Gestaltung der Freizeit des Menschen mit Behinderung mitzuwirken, wenn dazu der Mensch mit Behinderung nicht selbständig in der Lage ist und ihn seine Angehörigen im Sinne des § 36a AVG dabei nicht unterstützen können.

(2) Von den monatlichen Kosten für die Hilfen gemäß Abs 1 haben der Mensch mit Behinderung, seine Ehegattin/sein Ehegatte, seine eingetragene Partnerin/sein eingetragener Partner oder seine Eltern im Rahmen der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung einen Anteil von 10 % selbst zu tragen.

(3) In finanziellen Härtefällen kann auf Antrag der Eigenanteil gemäß Abs 2 verringert oder gänzlich erlassen werden.

(4) Ein Härtefall gemäß Abs 3 liegt vor, wenn der Mensch mit Behinderung durch die Bezahlung von Selbstbehalten in eine wirtschaftliche Notlage geraten würde. Eine wirtschaftliche Notlage liegt insbesondere dann vor, wenn dem Menschen mit Behinderung nach Abzug der von ihm zu tragenden Kosten der Hilfe ein Gesamteinkommen (§11) einschließlich der Unterhaltsansprüche verbleibt, das unter dem Richtsatz gemäß § 10 Abs 1 Z 1 liegt.

§22

Familienentlastung

(1) Hilfe zur Familienentlastung ist Menschen mit Behinderung, die von Angehörigen im Sinne des § 36a AVG oder ehemaligen Pflegepersonen ständig betreut werden, zur Entlastung der Angehörigen oder ehemaligen Pflegepersonen nach dem Steiermärkischen Kinder- und Jugendhilfegesetz stundenweise zu gewähren.

(2) Von den monatlichen Kosten für die Hilfen gemäß Abs 1 haben der Mensch mit Behinderung, seine Ehegattin/sein Ehegatte, seine eingetragene Partnerin/sein eingetragener Partner oder seine Eltern im Rahmen der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung einen Anteil von 10 % selbst zu tragen.

(3) In finanziellen Härtefällen kann auf Antrag der Eigenanteil gemäß Abs 2 verringert oder gänzlich erlassen werden.

(4) Ein Härtefall gemäß Abs 3 liegt vor, wenn der Mensch mit Behinderung durch die Bezahlung von Selbstbehalten in eine wirtschaftliche Notlage geraten würde. Eine wirtschaftliche Notlage liegt insbesondere dann vor, wenn dem Menschen mit Behinderung nach Abzug der von ihm zu tragenden Kosten der Hilfe ein Gesamteinkommen (§11) einschließlich der Unterhaltsansprüche verbleibt, das unter dem Richtsatz gemäß § 10 Abs 1 Z 1 liegt.

§22a

Persönliches Budget

Die Hilfeleistung 'Persönliches Budget' wird sinnesbeeinträchtigten und/oder erheblich bewegungsbehinderten Menschen unter Bedachtnahme auf pflege-bezogene Geldleistungen gewährt, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben außer-halb von Wohneinrichtungen gemäß § 18 oder Pflegeheimen gemäß § 19 zu ermöglichen."

"§46

Leistungs- und Entgeltverordnung

(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung zu regeln:

1. die sachlichen, fachlichen und personellen Erfordernisse der für die Erbringung der Hilfe notwendigen Leistungen,

2. die Kriterien für die Ermittlung des Grades der Beeinträchtigung,

3. die Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Controllings,

4. die Entgelte bzw. Höchstgrenzen für die Leistungen gemäß Z 1,

5. die Ab- und Verrechnung und

6. die Leistungskontingente, die Kilometerleistungen sowie die Kombinierbarkeit von Hilfeleistungen.

(2) In der Verordnung können auch die Entgelte für Leistungen von Leistungserbringern gemäß § 44 Abs 4 sowie für Sonderkonzepte oder Geldleistungen geregelt werden."

2.Die Erläuterungen zu dem mit LGBl für Steiermark 62/2011 eingefügten § 22a StBHG (IA 427/1 BlgLT Stmk 16. GP) lauten wie folgt:

"Zu 13. (§22a):

Mit der Einführung des § 22a in das Stmk. BHG wird eine Leistung geschaffen, die Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen und/oder erheblichen Bewegungsbehinderungen (das Ausmaß der erheblichen Bewegungsbehinderungen orientiert sich an § 20 Stmk. BHG, wonach von einer erheblichen Bewegungsbehinderung gesprochen werden kann, wenn der Mensch mit Behinderung dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist) in die Lage versetzen soll, ihre Beeinträchtigungen durch den Einsatz von persönlichen Assistenten auszugleichen um somit eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu erreichen.

Es handelt sich hierbei um eine Geldleistung, die als Nachfolgeregelung der entfallenen 'Geldleistung anstatt Familienentlastungsdienst bzw. Freizeitassistenz' (§4 Abs 2) angesehen werden kann. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat diese Geldleistung in Form eines Stundenkontingents zuzuerkennen. Das Stundenkontingent richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist je nach Lebenssituation und Unterstützungsbedarf (Pflegestufe) ein in der Anlage 1 zur LEVO-StBHG festgesetztes Stundenkontingent bescheidmäßig zuzusprechen. Die Geldleistung ist monatlich im Nachhinein, nach Rechnungslegung durch den Menschen mit Behinderung, auszubezahlen.

Auszubezahlen ist der in der Anlage 2 der LEVO-StBHG festgesetzte Stundensatz. Ein Selbstbehalt des/der Anspruchsberechtigten ist nicht vorgesehen.

Die Verrechnung hat sich nach den Grundsätzen der Verrechnungsbestimmungen der Anlage 3 der LEVO-StBHG zu richten.

Die Bezirksverwaltungsbehörde kann die zweckentsprechende Verwendung des Geldes überprüfen. Sie kann sich hierbei jeglicher beweiskräftiger Nachweise bedienen. Kommt die Bezirksverwaltungsbehörde zu dem Schluss, dass die Geldleistung zweckentfremdet verwendet wurde, so hat sie diese gemäß § 35 Abs 1 Z 3 Stmk. BHG bescheidmäßig einzustellen und zurückzufordern."

3.Die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über die Festlegung von Leistungen und Leistungsentgelten sowie Kostenzuschüssen nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz (StBHG Leistungs- und Entgeltverordnung 2015 – LEVO-StBHG 2015), LGBl für Steiermark 2/2015 idF LGBl für Steiermark 19/2015, lauten auszugsweise wie folgt:

"1. Abschnitt

Leistungen und Leistungsentgelte

§1

Regelungsgegenstand

Dieser Abschnitt regelt

1. in Anlage 1 die sachlichen, fachlichen und personellen Erfordernisse der für die Erbringung der Hilfe erforderlichen Leistungen und die Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Controllings (Leistungskatalog),

2. in Anlage 2 die Leistungsentgelte (Entgeltkatalog),

3. in Anlage 3 die Ab- und Verrechnungsbestimmungen,

4. in Anlage 4 den Grad der Beeinträchtigung (inkl. Einstufungsformular) und den Pflege- und Betreuungszuschlag."

3.1.Der in Prüfung gezogene Abschnitt über das "Persönliche Budget" in Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015 lautet wie folgt:

"Persönliches Budget (PERS BUD) VII. A.

1. Funktion und Ziele

1.1. DEFINITION

Kurzbeschreibung:

Persönliches Budget ist eine Geldleistung, mit welcher persönliche AssistentInnen finanziert werden können, um den Menschen mit Behinderung in die Lage zu versetzen, selbstständig außerhalb von stationären Einrichtungen zu leben.

Ziel:

Persönliches Budget soll den Betroffenen die Möglichkeit geben, selbstständig die benötigten AssistentInnen einzusetzen und zu finanzieren, damit sie selbstbestimmt leben können.

1.2. ZIELGRUPPE

Geschäftsfähige Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen und/oder erheblichen Bewegungsbehinderungen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, welche die Kompetenz haben, selbst zu entscheiden, wer, wann, wo und wie die benötigte persönliche Assistenz leistet bzw. geleistet wird sowie darüber entscheiden können, wer, wofür, wie viel vergütet bekommt.

1.2.1 Zuweisungskriterien

Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen und/oder erheblichen Bewegungsbehinderungen, welche bei einzelnen oder allen Tätigkeiten ihres Alltages Hilfe benötigen und keine mobilen Leistungen der Behindertenhilfe in Anspruch nehmen und nicht in einer stationären Wohneinrichtung untergebracht sind.

1.2.2 Ausschließungsgründe

Die gleichzeitige Inanspruchnahme von Persönlichem Budget mit mobilen Diensten der Behindertenhilfe oder stationären Wohneinrichtungen ist nicht möglich.

1.3. AUSWAHL DES DIENSTES

Kombinationsmöglichkeiten stundenweise mit LEVO-Leistungen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vollzeit-betreutesWohnen
Trainings-Wohnung
Teilzeit-betreutesWohnen
Tages-begleitungund Förderung
Teilhabe an Beschäftigung
PersönlichesBudget
Nein
Nein
Nein
Ja
Ja


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Frühförderung
Wohn-assistenz
Familien-entlastung
Freizeit-assistenz
PersönlichesBudget
PersönlichesBudget
Nein
Nein
Nein
Nein

2. Leistungsangebot

2.1. GRUNDSÄTZE UND METHODISCHE GRUNDLAGEN

Persönliches Budget ermöglicht ein hohes Maß an Wahrung der Privatsphäre und versetzt Menschen mit Behinderung in die Lage, ihr Leben nach eigenem Lebensstil zu gestalten. Der Mensch mit Behinderung verfügt über folgende Kompetenzen als Grundlage für den Einsatz des Persönlichen Budgets:

- Personalkompetenz: Entscheidung darüber, welche Person die Assistenz durchführt

- Organisationskompetenz: Entscheidung darüber, wann und wie lange bzw. an welchem Ort die Assistenz erbracht wird

- Anleitungskompetenz: Entscheidung darüber, was gemacht wird bzw. in welcher Art und Weise die Assistenz erbracht werden soll

- Finanzkompetenz: Befähigung über die finanziellen Mittel verfügen zu können

2.2. LEISTUNGSUMFANG

Der Mensch mit Behinderung bestimmt selbst über den Leistungszukauf.

Die Verrechnung erfolgt gemäß den Verrechnungsbestimmungen in Pkt. 2 'Persönliches Budget' der Anlage 3 der LEVO-StBHG. Zur Auszahlung gelangt der in der Anlage 2 der LEVO-StBHG festgesetzte Stundensatz.

Die Höchstgrenze des zuerkennbaren Stundenkontingentes für Persönliches Budget beträgt 1.600 Jahresstunden. In begründeten Einzelfällen kann die festgelegte Höchstgrenze überschritten werden.

Der Leistungsumfang ist entsprechend dem Unterstützungsbedarf des Menschen mit Behinderung von der Bezirksverwaltungsbehörde festzulegen.

Bei der Ermittlung des Stundenkontingentes für Persönliches Budget ist die gesamte Lebenssituation des Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen. Der Mensch mit Behinderung hat in einem Selbsteinschätzungsbogen unter Berücksichtigung derjenigen Leistungen, die durch das zuerkannte Pflegegeld bereits abgedeckt sind und einer gegebenenfalls vorhandenen Hilfemöglichkeit durch Angehörige bzw. PartnerInnen seinen Bedarf an, durch Persönliches Budget abzudeckenden, Assistenzstunden anzugeben.

Persönliches Budget kann für jede Form der persönlichen Hilfen in den Bereichen Haushalt, Körperpflege/Grundbedürfnisse, Erhaltung der Gesundheit, Mobilität, Kommunikation und Freizeit eingesetzt werden, die Menschen mit Behinderung in die Lage versetzt, im eigenen Privathaushalt ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu führen.

Insbesondere kann Persönliches Budget für Hilfen in folgenden Lebenssphären eingesetzt werden:

Haushalt:

- Hilfe beim Aufstehen, bei der Morgentoilette, Unterstützen beim Essen, Handreichungen zu Hause (Kleidung Vorbereiten bzw. Anziehen, Herrichten der Gebrauchsdinge für den Tag, Weggehhilfe bis zum Beginn des Arbeitsweges

- nach Hause Kommen, Kochen, Abendtoilette, Vorbereiten für die Nachtruhe; Pflege der Garderobe: Wäsche

- Waschen, Bügeln, Einräumen, 'kleinere' und 'größere' Reinigungsarbeiten, Ordnung halten

- Hilfe bei der Kommunikation, andere Hilfs- und Unterstützungsleistungen (auch bei unvorhergesehenem Bedarf)

- (Um-)Gestalten des Wohnraumes, Einkaufen von 'kleineren'/'größeren' Dingen, Kochen, Reparaturarbeiten

- Wege zu Post, Bank, Behörden, Versicherungen, Organisieren der Hausarbeit, Unterstützen bei finanziellen Belangen

- Wartung und Pflege des Autos bzw. anderer Fortbewegungs-(hilfs-)mittel und dergleichen

Freizeit:

- Begleiten zu Veranstaltungen (Kino, Theater, Konzerte), sportliche Aktivitäten, Hilfe bei Freizeitwegen zu FreundInnen

- Erledigen von freizeitbedingten Besorgungen und Erledigungen, Begleiten bei Urlaubsreisen

- Handreichungen zu Hause in der Freizeit, Kommunikationsunterstützung, Vorlesen und dergleichen

Erhalten der Gesundheit:

- Hilfe und Unterstützung bei medizinisch notwendigen Versorgungen, Begleiten zu Arzt- bzw. Therapiebehandlungen, Erledigen von Wegen im Zusammenhang mit Gesundheit (Apotheke, Rezepte holen)

- Pflege und Hilfe im Falle von Krankheit, Kommunikationshilfe mit medizinisch/therapeutischem Personal

- Besorgen, Reinigen, Instandhalten von med. Geräten/Hilfsmitteln und dergleichen

Bürgerschaftlichkeit:

- Hilfe bei Tätigkeiten im Rahmen von Interessensvertretungen, Wahlen und dergleichen

Sind vorrangig andere Hilfen in Anspruch zu nehmen, wie bspw. im Bereich der Lebenssphäre 'Arbeit', so kann Persönliches Budget für diese nicht eingesetzt werden (z.B. Arbeitsassistenz des BASB).

3. Qualitätssicherung

3.1. STRUKTUR-STANDARDS

Es handelt sich um eine Geldleistung.

3.1.1 Personal

Der Mensch mit Behinderung bestimmt selbst, wen er zur persönlichen Assistenz heranzieht. Unterhaltspflichtige Angehörige und andere Angehörige, die mit dem Menschen mit Behinderung in einem gemeinsamen Haushalt leben, können nicht als AssistentInnen herangezogen werden.

3.2. ERGEBNIS-STANDARDS

Der Mensch mit Behinderung hat die Nachweise der zweckentsprechenden Verwendung des Persönlichen Budgets sieben Jahre lang aufzubewahren und der Bezirksverwaltungsbehörde gegen Aufforderung vorzulegen.

Diese Nachweise sind in folgender Form zu erbringen:

- bei Laiendiensten durch Auflistung der erbrachten Assistenzleistungen bzw. geleisteten Stunden. Dieser Nachweis hat in Form eines von der Bezirksverwaltungsbehörde zur Verfügung gestellten Formulars zu erfolgen (Formular: 'Verwendungsnachweis Persönliches Budget'). Die entsprechenden Zahlungsbestätigungen sind dem Formular beizulegen

- in allen anderen Fällen durch im Geschäftsverkehr übliche Belege und Quittungen"

III.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Der Verfassungsgerichtshof ist in seinem Prüfungsbeschluss vom vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung den Abschnitt VII.A. der Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015 zumindest denkmöglich angewendet hat und dass auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden hätte. Es ist im Verordnungsprüfungsverfahren nichts hervorgekommen, was an dieser Feststellung zweifeln ließe. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren somit als zulässig.

2.In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1.Die Steiermärkische Landesregierung zieht nicht in Zweifel, dass – bezogen auf den Zweck der Hilfeleistung – § 22a StBHG kein Hinweis darauf entnommen werden kann, dass die Gewährung eines persönlichen Budgets für Menschen, die unter Sachwalterschaft stehen, generell ausgeschlossen wäre. Sie meint jedoch, dass sich ein solcher Ausschluss daraus ergäbe, dass ein "persönliches Budget" nur "sinnesbeeinträchtigten [also Menschen mit Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens] und/oder erheblich bewegungsbehinderten Menschen" zuerkannt werden könne, für die gemäß § 268 ABGB die Bestellung eines Sachwalters aber nicht in Betracht komme.

2.2.Es trifft zu, dass gemäß § 268 ABGB für Personen ein Sachwalter zu bestellen ist, die an psychischen Krankheiten leiden oder geistig behindert sind und daher ganz oder teilweise außerstande sind, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Der Umstand, dass eine Person sinnesbeeinträchtigt oder erheblich bewegungsbehindert ist, vermag für sich allein die Bestellung eines Sachwalters zwar nicht zu begründen, schließt aber die Bestellung eines Sachwalters auch nicht aus, wenn und soweit auch die Voraussetzungen des § 268 ABGB vorliegen.

2.3.Dass beide Arten von Behinderung in ein und derselben Person zusammentreffen können, zeigt die allgemeine Lebenserfahrung und wird auch von der Steiermärkischen Landesregierung nicht bestritten. Es wäre daher unsachlich, würde das Gesetz sinnesbeeinträchtigte oder erheblich bewegungsbehinderte Personen vom persönlichen Budget nur aus dem formalen Grund auszuschließen, dass ihnen (sei es für alle oder aber auch nur für einzelne ihrer Angelegenheiten) ein Sachwalter beigegeben wurde. Daher kann dem § 22a StBHG weder nach dem Wortlaut noch im Interpretationsweg jener Sinn entnommen werden, den die Steiermärkische Landesregierung ihm unterlegt wissen möchte.

2.4.Der Zweck des "persönlichen Budgets" ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nämlich nicht etwa, die betroffenen Personen mit dem Umgang mit finanziellen Mitteln vertraut zu machen, sondern vielmehr "ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Wohneinrichtungen gemäß § 18 oder Pflegeheimen gemäß § 19" (§22a StBHG) zu ermöglichen. Ein auf diese Weise selbstbestimmtes Leben kann aber häufig auch von Personen geführt werden, für die ein Sachwalter bestellt ist, der dieses Budget für die betreffende Person deren Bedürfnissen entsprechend verwaltet.

2.5.Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher bei seiner Ansicht, dass der Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015 § 22a StBHG widerspricht. Der in Prüfung gezogene Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015 erweist sich damit insoweit als gesetzwidrig, als die Beigebung eines Sachwalters die Gewährung eines persönlichen Budgets ausschließt.

2.6.Was den Umfang der Aufhebung betrifft, hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

2.6.1.Der Verfassungsgerichtshof hat den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 16.929/2003, 16.929/2003, 16.989/2003, 17.057/2003, 18.227/2007, 19.166/2010, 19.698/2012).

2.6.2.Zur Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes genügt es, in Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015 Punkt 1.2. (mit der Überschrift Zielgruppe) sowie in Punkt 2.1. die Wortfolge "Finanzkompetenz: Befähigung über die finanziellen Mittel verfügen zu können"als gesetzwidrig aufzuheben. Der verbleibende Text lässt eine gesetzeskonforme Interpretation dahin zu, dass – soweit zu ihrer Rechtswirksamkeit erforderlich – die vertretungsweise abgegebenen, insbesondere rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Sachwalters den in der Verordnung geforderten "Entscheidungen" oder Erklärungen durch die behinderte Person selbst gleichzuhalten sind.

IV.Ergebnis

1.Im Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." in der Anlage 1 der LEVO-StBHG 2015 sind daher Punkt 1.2. (mit der Überschrift Zielgruppe) sowie in Punkt 2.1. die Wortfolge "Finanzkompetenz: Befähigung über die finanziellen Mittel verfügen zu können"wegen Verstoßes gegen § 22a StBHG als gesetzwidrig aufzuheben.

2.Im Übrigen ist der Abschnitt "Persönliches Budget (PERS BUD) VII.A." nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

3.Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 59 Abs 2 VfGG iVm § 2 Abs 1 Z 7 Stmk. Kundmachungs- und WiederverlautbarungsG.

4.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:V71.2016
Schlagworte:
Behinderte, Sachwalterbestellung, Verordnungserlassung, VfGH / Verwerfungsumfang

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