VfGH vom 15.06.2005, v71/04
Sammlungsnummer
17579
Leitsatz
Verstoß gegen das Prinzip der Marktfreiheit durch die Bevorzugung der Marktplatzinhaber des Vorjahres bei der Vergabe von Standplätzen am Christkindlmarkt; Wirkung der geprüften Bestimmung auch für den jeweils kommenden Markt; Schaffung eines geschlossenen Kreises von Marktteilnehmern nicht zulässig trotz der Notwendigkeit von Beschränkungen
Spruch
Die Wortfolge ", die Christkindlmärkte" im Eingangssatz sowie die Wortfolge "und die Christkindlmärkte" in der Z 4 des § 57 Abs 4 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, mit der für die Wiener Märkte eine Marktordnung erlassen wird (Marktordnung 1991), ABl. Nr. 30/1991 idF ABl. Nr. 42/2000, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Das Verfahren zu § 57 Abs 4 Marktordnung in der Fassung ABl. Nr. 8/1998 wird eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B153,154/04 eine Beschwerde gegen zwei Bescheide des Berufungssenats der Stadt Wien vom anhängig, womit Berufungen gegen die Ablehnung von Anträgen aus 1996 und 1997 auf Zuweisung eines Marktplatzes für die Christkindlmärkte der Jahre 2001 und 2002 mit der Maßgabe keine Folge gegeben wurde, dass diese Anträge zurückgewiesen werden: Die Märkte seien vorüber und eine rückwirkende Zuweisung von Marktplätzen nicht möglich.
Bei der Beratung über diese Beschwerde sind Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Bestimmungen der Wiener Marktordnung über die Vergabe der Marktplätze entstanden. Träfe der Beschwerdevorwurf zu, dass den Beschwerdeführern zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert worden ist, wären sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Ob nach Ablauf der Marktzeit noch eine Sachentscheidung über die begehrte Zuteilung eines Standplatzes zu ergehen hätte, schien aber vom System der Vergabe der Marktplätze abzuhängen: Nur daraus ließe sich offenbar entnehmen, in welcher Weise der Umstand, dass ein Marktplatz zuzuteilen gewesen wäre, in den Folgejahren berücksichtigt werden kann.
II. Die Wiener Marktordnung 1991 ABl. Nr. 30/1991 enthält über die Vergabe von Marktplätzen im Wege der Zuweisung durch den Magistrat (§42) unter anderem auch für den Christkindlmarkt in § 43 Abs 5 die allgemeine Anordnung, diese habe
"...unter Berücksichtigung der Vormerkungen, der vom
Bewerber beabsichtigten Tätigkeit auf dem Markt, ... und der
örtlichen Marktverhältnisse zu erfolgen, wobei ... sicherzustellen
ist, daß als Hauptgegenstand des Marktverkehrs zugelassene Marktgegenstände in entsprechender Qualität durch eine genügende Zahl von Marktparteien angeboten wird".
Im Besonderen bestimmte § 57 Abs 4 Marktordnung in der im Verwaltungsverfahren bezogenen Fassung ABl. Nr. 8/1998 (in Prüfung gezogene Teile hervorgehoben):
"(4) Für die Allerheiligenmärkte, den Fastenmarkt, die Christkindlmärkte und die im § 13 Abs 1 Z 1 bis 6 genannten Märkte gelten jene Bewerber als vorgemerkt, denen jeweils im Vorjahr ein Marktplatz auf dem betreffenden Markt zugewiesen worden ist und die diesen Marktplatz mindestens an der Hälfte der möglichen Markttage bezogen haben. Diese Vormerkung erlischt
1. für die Allerheiligenmärkte am dritten Mittwoch vor dem 25. Oktober um 12.00 Uhr,
2. für den Fastenmarkt am neunten Donnerstag vor dem Ostermontag um 14.00 Uhr,
3. für die Kirchweihmärkte am Dienstag vor dem Marktbeginn um 15.00 Uhr,
4. für die Adventmärkte am sechsten Donnerstag vor dem 24. November um 15.00 Uhr,
5. für die Christbaummärkte, die Weihnachtsmärkte und die Neujahrsmärkte am fünften Donnerstag vor dem 24. Dezember um 15.00 Uhr,
6. für die Ostermärkte am siebenten Donnerstag vor dem Ostermontag um 14.00 Uhr,
7. für die Christkindlmärkte am 14. Donnerstag vor dem 24. Dezember um 15.00 Uhr.
Für die in Z 1 bis 6 angeführten Märkte erlischt die Vormerkung dann nicht, wenn der Vorgemerkte spätestens zu den in Z 1 bis 6 genannten Zeitpunkten um die Zuweisung des Marktplatzes angesucht hat."
In der Fassung ABl. Nr. 42/2000 lautet diese Bestimmung allerdings wie folgt:
"(4) Für die Allerheiligenmärkte, den Fastenmarkt, die Christkindlmärkte und die im § 13 Abs 1 Z 1 bis 6 genannten Märkte gelten jene Bewerber/innen als vorgemerkt, denen jeweils im Vorjahr ein Marktplatz auf dem betreffenden Markt zugewiesen worden ist und die diesen Marktplatz mindestens an der Hälfte der möglichen Markttage bezogen haben. Diese Vormerkung erlischt
1. für die Allerheiligenmärkte am dritten Mittwoch vor dem 25. Oktober um 12.00 Uhr,
2. für den Fastenmarkt am neunten Donnerstag vor dem Ostermontag um 14.00 Uhr,
3. für die Kirchweihmärkte am Dienstag vor dem Marktbeginn um 15.00 Uhr,
4. für die Adventmärkte und die Christkindlmärkte am zehnten Donnerstag vor dem 24. Dezember um 15.00 Uhr,
5. für die Christbaummärkte, die Weihnachtsmärkte und die Neujahrsmärkte am fünften Donnerstag vor dem 24.Dezember um 15.00 Uhr,
6. für die Ostermärkte am siebten Donnerstag vor dem Ostermontag um 14.00 Uhr.
Für die in Z 1 bis 6 angeführten Märkte erlischt die Vormerkung dann nicht, wenn der/die Vorgemerkte spätestens zu den in Z 1 bis 6 genannten Zeitpunkten um die Zuweisung des Marktplatzes angesucht hat."
Die Z 7 der vorausgegangenen Fassung ist in dieser Fassung entfallen.
Im Hinblick auf die neue, zunächst vom Gerichtshof wie von allen Beteiligten übersehene Fassung wurde der Prüfungsbeschluss vom am ergänzt.
Im Beschwerdeverfahren hat die belangte Behörde auf die Frage nach den Erfahrungen mit dem Vormerkungssystem wie folgt geantwortet:
"zu 3 a: Erfahrungen seit Einführung der 'automatischen'
Vormerkung hinsichtlich der Zahl frei werdender Marktplätze:
Laut Bekanntgabe der Marktamtsabteilung für den 1. Bezirk werden pro Christkindlmarkt-Veranstaltung maximal 3 bis 4 Marktplätze dadurch frei, dass die Vorjahrs-Marktbezieher nicht mehr um die Zuweisung ihres bisherigen gemäß § 57 Abs 4 Marktordnung (innerhalb einer bestimmten Frist) als vorgemerkt geltenden Platzes ansuchen und das Marktamt sogar fallweise darüber informieren, an einer Wiederzuweisung des Marktplatzes kein Interesse mehr zu haben.
Allerdings ist es im gegenständlichen Zeitraum in keinem einzigen Fall zu einem Freiwerden von Marktplätzen für Gastronomiestände gekommen. Es handelte sich bei den eingangs genannten 3 bis 4 Marktplätzen, die pro Jahr frei werden, um Verkaufsplätze für diverse Weihnachtswaren (Schmuck, Spielwaren ...).
Die Neuzuweisung erfolgt unter Zugrundelegung einer für den bevorstehenden Christkindlmarkt jährlich jeweils von neuem angelegten Liste, in der sämtliche Namen und Firmen, die ihr Interesse an einem Verkaufsplatz für die jeweils nächste Christkindlmarkt-Veranstaltung (schriftlich) mitgeteilt haben, in der Reihenfolge des Einlangens ihrer Schreiben ('Anmeldung') und unter Anführung der von ihnen für den Verkauf vorgesehenen Warengruppe geführt werden. Zuweisungs(vor-)entscheidungen werden sodann zunächst nach Maßgabe der aktuellen Marktbedürfnisse getroffen, dabei wird geprüft, welche der von den Interessenten zum Verkauf vorgesehenen Produkte dem Charakter eines Weihnachtsmarkts am Besten entgegen kommen und zu einem möglichst optimalen 'Warenmix' führen. Als Grundsatz gilt dabei, dass der traditionelle Typus eines Handelsmarktes jedenfalls erhalten bleiben muss und daher die Anzahl der Gastronomiestände nicht noch stärker vermehrt werden darf. In den letzten (zehn) Jahren hat aus diesen Überlegungen heraus auch keine Zunahme von Gastro-Kiosken stattgefunden. Frei gewordene Marktplätze, die vor ihrem Freiwerden nicht für Gastronomiezwecke verwendet wurden, wurden somit nicht für die Ausübung eines Gastgewerbes zugewiesen.
Erst nachdem eine Entscheidung hinsichtlich der 'marktzuträglichsten' Warengruppe getroffen ist, erfolgt die Auswahl in der Reihenfolge des Einlangens der 'Anmeldungen', wobei Interessenten, die bisher noch keinen Marktplatz auf dem Christkindlmarkt zugewiesen erhalten haben, grundsätzlich bezüglich der frei gewordenen Marktplätze der Vorzug gegeben wird.
Bemerkt wird weiters noch, dass auch 'bedingte Verzichtserklärungen' bisheriger Marktbezieher zu Gunsten Dritter grundsätzlich nicht akzeptiert werden (Ausnahmen: Erklärungen zu Gunsten von Kindern und Ehepartnern).
Hinsichtlich der Erfahrungen gegenüber dem 'früheren System' ist festzuhalten:
Obgleich es während dieses 'früheren Systems' (einige Jahre bis 1998) die nunmehr wieder bestehende 'Vormerkautomatik' für Marktplätze nicht gab, teilten die 'Vorjahrs-Marktbezieher' jeweils lange (in der Regel meist viele Monate) vor der eigentlichen Platzvergabe ihr Interesse an einem Wiederbezug dem Marktamt zwecks Evidenthaltung mit. Unabhängig vom Fehlen der automatischen Vormerkung, waren dadurch Wiederzuweisungen an die 'Vorjahrsbezieher' der Regelfall, vorausgesetzt, das bisherige Verhalten der Marktpartei(en) sowie das vorgesehene Warensortiment sprachen nicht dagegen. In der Praxis ergaben sich daher keine wesentlichen Unterschiede zum 'derzeitigen System' der automatischen Vormerkung.
zu 3 b: Erfahrungen hinsichtlich der Zahl der abzuweisenden Bewerber:
Etwa 50 bis 70 Interessenten (siehe Punkt 3a - schriftliche 'Anmeldungen') können pro Christkindlmarkt-Veranstaltung mangels freier Marktplätze nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei im Durchschnitt um etwa 10 natürliche Personen oder Sozietäten, welche die Ausübung eines Gastgewerbes auf dem Christkindlmarkt vorhaben. Die übrigen Interessenten beabsichtigen den Verkauf der verschiedenen markttypischen Weihnachtsartikel (Schmuck, Spielwaren...). Nach Abschluss der Marktplatzvergabe werden Interessenten, für die kein freier Marktplatz zur Verfügung stand, schriftlich informiert und ersucht, sich im Falle des Interesses am Bezug des nächsten Christkindlmarktes wieder anzumelden.
Aus den unter Punkt 3 a genannten Gründen sind Unterschiede zum 'früheren' System ebenfalls wohl kaum anzunehmen.
zu 3 c: Erfahrungen in Bezug auf die sich ergebenden Wartezeiten:
Die Wartezeiten hängen von dem beabsichtigten Warensortiment ab, erstrecken sich jedoch über einen jedenfalls mehrjährigen Zeitraum (mindestens 2 - 4 Jahre). Für den Fall allerdings, dass die Zuweisung eines 'Gastrostandes' angestrebt wird, ist angesichts der Tatsache, dass auf bestehende Gastgewerbestände bislang nicht verzichtet wurde, mit längeren Wartezeiten zu rechnen.
zu 4 a: Bewerber, die mehrere Plätze innehaben:
Auf dem Christkindlmarkt 2003 betrieben insgesamt 4 Marktparteien mehr als einen Stand, und zwar:
Fall 1: zwei Stände jeweils für den Verkauf von Christbaumschmuck,
Fall 2: ein Stand für den Verkauf von Süßwaren + ein Stand für den Verkauf von Galanteriewaren,
Fall 3: ein Stand für den Verkauf von Souvenirs + ein Gastronomiestand,
Fall 4: ein Stand für den Verkauf von Backwaren + ein Stand für den Verkauf von Geschenkartikeln + ein Gastronomiestand.
Die Ursache für die Mehrfachzuweisung war im ersten Fall darauf zurückzuführen, dass der ringstraßenseitige Eingangsbereich des Christkindlmarktes ('Marktportal') seit Bestehen des Marktes (also seit Jahrzehnten) notwendigerweise mit zwei (die Hauptachse flankierenden) besonders weihnachtstypischen, attraktiven Marktständen auszugestalten war, welche seinerzeit offenbar nur durch den bisherigen Zuweisungsinhaber mit einem entsprechend qualitativ hochwertigen Warensortiment betrieben werden konnten.
Die übrigen drei Mehrfachzuweisungen beruhen darauf, dass sich die Marktparteien, denen die jeweiligen Marktplätze ursprünglich als Einzelpersonen zugewiesen worden waren, im Laufe der Zeit zu Gesellschaften zusammenschlossen, denen in der Folge die vorher an die Gesellschafter ad personam vergebenen einzelnen Marktplätze gleichsam als 'Rechtsnachfolger' zugewiesen wurden.
zu 4 b: Bewerber ohne Platz:
Wie bereits dargelegt, sind pro Markt jeweils 50 - 70 Interessenten für die Neuzuweisung eines Marktplatzes 'angemeldet'. Da aus diesem Kreis nur an lediglich 3 - 4 Bewerber je ein frei gewordener Marktplatz zugewiesen werden kann, sind daher pro Christkindlmarkt-Veranstaltung bis zu 66 Bewerber 'ohne Platz'.
zu 5: Werden Bewerber, die schon einen Platz haben, ebenso gereiht wie neue?
Wie bereits zu Punkt 3 a ausgeführt wurde, werden zwar Bewerber, denen bereits im (in den) Vorjahr(en) ein Marktplatz zugewiesen wurde, in die jeweilige Interessentenliste aufgenommen, jedoch wird bei der Vergabe frei werdender Marktplätze den 'Neu-Interessenten' grundsätzlich der Vorzug gegeben. Von diesem Grundsatz wird nur dann abgegangen, wenn das von 'Neu-Interessenten' jeweils vorgesehene Warensortiment - im Gegensatz zum Warenangebot der 'etablierten' Marktparteien - den Marktbedürfnissen nicht entsprechen sollte.
Abschließend darf noch betont werden, dass es sich bei der 'automatischen Vormerkung' gemäß § 57 Abs 4 der Marktordnung um eine in früheren Marktordnungen über Jahrzehnte hindurch festgelegte Bestimmung handelt, die lediglich für einige Jahre aufgehoben, jedoch 1998 in die geltende Marktordnung wieder aufgenommen wurde. Vor allem im Hinblick darauf, dass viele Marktparteien plausibel machen konnten, die Teilnahme am Markt viele Monate, zuweilen sogar schon ein Jahr und länger, im Voraus planen zu müssen (so ist beispielsweise die Bestellung bestimmter Spielwaren bereits ein Jahr vor dem Bezug erforderlich), wurde die frühere Vormerk-Bestimmung letztlich wieder aufgenommen."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat vorläufig angenommen, dass die im ersten Satz des § 57 Abs 4 der Marktordnung vorgesehene Vormerkung und die Bestimmungen über das Erlöschen dieser Vormerkung eine untrennbare Einheit bilden und der Verfassungsgerichtshof bei Beurteilung der Beschwerde den ganzen Abs 4 des § 57 Marktordnung anzuwenden hätte, soweit er sich auf Christkindlmärkte bezieht, die Aufhebung der hervorgehobenen Teile aber zur Beseitigung jener Gesetzwidrigkeit genügen würde, die sich aus folgenden Überlegungen zu ergeben scheine:
"Nach § 286 GewO 1994 hat jedermann das Recht, auf Märkten Waren nach Maßgabe der von der Gemeinde hiefür durch Verordnung bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen (Abs1 letzter Satz). Nach § 292 Abs 1 ist bei der Vergabe des Marktplatzes an Marktbesucher durch die Gemeinde neben der Bedachtnahme auf den auf dem Markt zur Verfügung stehenden Raum darauf zu achten, dass jede der auf dem Markt zugelassenen Waren und Warengruppen, die einen Hauptgegenstand des Marktverkehrs bilden, in entsprechender Qualität durch eine genügende Anzahl von Marktbesuchern feilgehalten wird. Die Marktordnung hat nach § 293 Abs 1 Z 4 GewO 1994 jedenfalls 'die Regelung betreffend die Vormerkung und die Vergabe von Marktplätzen und Markteinrichtungen' zu enthalten.
Aus diesen Bestimmungen scheint sich zu ergeben, dass die Zahl der Marktbesucher aus Gründen des nur beschränkt zu Verfügung stehenden Raumes beschränkt werden darf und bei Vergabe der Marktplätze unter anderem Vormerkungen möglich sein müssen, dass diese Beschränkungen aber zum Recht jedermanns, auf dem Markt aufzutreten, in angemessenem Verhältnis stehen müssen. Daraus dürfte folgen, dass zumindest in größeren Zeitabschnitten eine faire Chance bestehen muss, einen Marktplatz zu erhalten. Ob das der Fall ist, hängt einerseits vom Inhalt der Vergaberegelung, andererseits von den tatsächlichen Umständen ab. Ein System der Bevorzugung bisheriger Marktbesucher - für das gute (wenngleich nicht alle auch für Gastro-Stände zutreffende) Gründe zu bestehen scheinen - dürfte infolgedessen nur dann mit dem Grundsatz des freien Marktzuganges vereinbar sein, wenn ein Bedarf nach einem Wechsel innerhalb überschaubarer Zeit erfüllt werden kann (vgl. zum ähnlichen Problem des Ausschlusses neuer Exporteure VfSlg. 12.014/1989, 12.878/1991 und 12.935/1991).
Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, dass unter den gegebenen, seit langem bekannten und jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide offenkundigen Umständen ein solcher Wechsel auf dem Christkindlmarkt in Wien nicht stattfinden kann, wenn die Vorjahresbesucher ausnahmslos bevorzugt werden (müssen). Er hat daher das Bedenken, dass das in § 57 Abs 4 der Marktordnung verordnete System der Vergabe von Marktplätzen ohne eine diesen Wechsel zulassende Ergänzung - etwa durch die Möglichkeit einer langfristigen Rotation (allenfalls durch Losentscheid nach Art des § 51 Abs 2 über frei zu machende Plätze und deren Vergabe) - dem Recht auf freien Marktzugang (§286 GewO 1994) widerspricht.
Demgemäß sind die im Spruch genannten Teile des § 57 Abs 4 Marktordnung in Prüfung zu ziehen. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei darauf hingewiesen, dass es für das Normenprüfungsverfahren ohne Bedeutung ist, ob der Anlassfall von dieser Gesetzwidrigkeit betroffen ist und wie sich die allfällige Aufhebung der in Prüfung gezogenen Vorschrift auf das Beschwerdeverfahren auswirkt."
Die Bedenken gegen die Fassung aus 2000 und die Schlussfolgerungen sind dieselben.
IV. Der Magistrat der Stadt Wien hat eine Äußerung erstattet, in der er beantragt, die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung nicht als gesetzwidrig aufzuheben. Er meint zunächst,
" dass für den Beschwerdeführer aus § 286 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 nichts zu gewinnen ist. § 286 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 bezieht sich nämlich nur auf das Recht, auf Märkten Waren feilzubieten und zu verkaufen. Damit sind Handelstätigkeiten gemeint, die in der Regel auf der Grundlage einer Berechtigung für das Handelsgewerbe oder für das Marktfahrergewerbe (§154 Abs 5 GewO 1994) ausgeübt werden.
Die nach Ansicht der belangten Behörde nicht zutreffende Zuordnung des Betriebes eines Punschstandes zu Verkaufstätigkeiten auf Märkten dürfte auf die Begriffswahl der Beschwerdeführer zurückzuführen sein, zumal diese durchwegs von einem 'Verkauf' von Punsch, Glühwein und kleinen Imbissen (z.B. Suppen udgl.) anstatt korrekt von 'Ausschank bzw. Verabreichung' schreiben und diese Terminologie sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verwendet wurde.
Das Recht des freien Marktzugangs besteht verbis legis (§286 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 idgF) darin, dass jedermann das Recht hat, 'Waren nach Maßgabe der von der Gemeinde hiefür bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen'. Damit wird eine klassische Handelstätigkeit beschrieben und nicht eine gastgewerbliche Tätigkeit.
§ 286 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 normiert hingegen keinesfalls ein Recht jedermanns, auf Märkten Dienstleistungen zu erbringen.
Im Beschwerdefall geht es um die Verabreichung (§111 Abs 1 Z 2 GewO 1994) von kleinen Imbissen (Suppen und dergleichen) und den Ausschank (§111 Abs 1 Z 2 GewO 1994) von Getränken (Punsch und Glühwein) und somit um die Erbringung von Dienstleistungen. Der Grundsatz des freien Marktzuganges gemäß § 286 Abs 1 GewO 1994 - auf den im Folgenden noch näher einzugehen sein wird - umfasst lediglich Handelstätigkeiten (Argument: 'Waren ... feilzubieten und zu verkaufen'), keinesfalls aber gastgewerbliche Tätigkeiten."
Sodann bezweifelt der Magistrat auch für den Bereich des Handels, dass § 286 Abs 1 GewO 1994 dahingehend zu verstehen sei, Bewerber um Marktstände müssten im Sinne einer Rotation die Chance haben, frühere Bezieher von Marktständen zu verdrängen und deren Platz einzunehmen. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom Zl. 92/04/0226, wonach die normative Bedeutung des Wortes "jedermann" (in § 324 Abs 1 GewO 1973, der Vorgängerbestimmung der hier in Rede stehenden) als Gegensatz zum sonst im Gesetz gemeinten Gewerbetreibenden zu verstehen sei und das Gesetz damit nur klarstelle, dass der Zugang zu Märkten nicht auf Gewerbetreibende beschränkt sei, sondern auch anderen Personen offen stehe, aber keinesfalls die Einführung sonstiger Zugangsbeschränkungen zu Märkten ausschließe (sofern der Zugang nur jedermann unter gleichen Bedingungen gewährleistet sei), führt er aus:
"Demnach liegt die Bedeutung des Marktzuganges für 'jedermann' gemäß § 286 Abs 1 GewO 1994 nicht darin, dass der Bewerber im Sinne einer Rotation die Bezieher der Vorjahre verdrängen und deren Platz einnehmen kann, sondern darin,
dass außer Gewerbetreibenden beispielsweise auch Landwirte (z.B. auf den 'Landparteienplätzen'), Künstler (z.B. auf Kunst- und Antiquitätenmärkten) und Privatpersonen (z.B. auf Flohmärkten) nach Maßgabe der Marktordnungen Waren feilbieten und verkaufen dürfen.
Diese Ausführungen müssten an sich bereits eine ausreichende Grundlage dafür darstellen, § 57 Abs 4 der Wiener Marktordnung nicht als gesetzwidrig zu beheben.
Für den Fall, dass diese Argumentation aus der Sicht des Verfassungsgerichtshofes nicht ausreichen sollte, darf zu der erfüllten Gesetzeskonformität des § 57 Abs 4 der Wiener Marktordnung noch folgendes Vorbringen erstattet werden:
Zunächst ist festzuhalten, dass die bestehende Vollzugspraxis, die Stände auf dem Christkindlmarkt jährlich zuzuweisen, eher historisch bedingt ist.
Der Systematik des § 286 Abs 1 und Abs 2 GewO 1994 zu Folge ist der Christkindlmarkt kein Gelegenheitsmarkt im Sinne des § 286 Abs 2 GewO 1994, sondern ein Markt im Sinne des § 286 Abs 1 GewO 1994. Dies ist insbesondere dadurch begründet, dass er durch Verordnung (§286 Abs 1 GewO 1994) und nicht durch Bescheid (§286 Abs 2 GewO 1994) festgelegt wird.
Vor diesem Hintergrund ließe es die Gewerbeordnung 1994 (eine entsprechende Abänderung der Wiener Marktordnung 1991 vorausgesetzt) auch zu, die Stände auf dem Christkindlmarkt durch Bescheid oder Bestandvertrag auf Dauer zuzuweisen. Eine solche Zuweisung auf Dauer kann nicht im Widerspruch zu § 286 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 stehen. Vielmehr versteht es sich von selbst, dass ein neuer Bewerber im Sinne einer 'Rotation' erst dann zum Zuge kommen kann, wenn ein Marktplatz frei wird, also das bestehende Recht zurückgelegt oder entzogen wird oder sonst (z.B. durch Tod des Beziehers) endet. Eine solche dauerhafte Zuweisung von Ständen auf dem Christkindlmarkt stünde auch mit der Tatsache im Einklang, dass der Christkindlmarkt im § 11 Abs 1 Wiener Marktordnung 1991 auf Dauer (für den Zeitraum 27. Oktober bis 12. Jänner) eingerichtet ist und nicht - wie etwa die Ostermärkte, Adventmärkte, Weihnachts-, Christbaum- und Neujahrsmärkte - jährlich neu mittels Verordnung festgelegt wird.
Ein gesetzeskonformer Lösungsansatz bestünde also darin, die Stände auf dem Christkindlmarkt in Zukunft unbefristet zu vergeben und damit das derzeitige System der automatischen Vormerkung obsolet zu machen. Ein allfälliges Erfordernis einer 'Rotation' der Standbezieher stünde einem solchen Lösungsansatz nicht entgegen. Eine 'Rotation' der Standbezieher wäre so auf ein Minimum reduziert.
Kraft Größenschlusses muss § 286 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 auch mit einer Regelung kompatibel sein, die dem Standbezieher anstatt des absoluten Rechtes einer unbefristeten Standzuweisung lediglich das relativ schwächere Recht einer automatischen Vormerkung einräumt, mag dieses auch neuen Bewerbern vorgehen."
Die 1976 eingeführte, 1986 vorübergehend beseitigte und 1998 wieder eingeführte automatische Vormerkung sei sowohl erforderlich als auch sachgerecht:
"Vorweg ist festzuhalten, dass die Standbezieher des Christkindlmarktes die benötigte Markthütte vom Landesgremium Wien des Markt-, Straßen- und Wanderhandels, 1040 Wien, Schwarzenbergplatz 14, gegen ein nach dem Kostendeckungsprinzip bemessenes Entgelt anmieten. Dabei wird die Notwendigkeit berücksichtigt, dass der Standbezieher in den Folgejahren jeweils wieder die idente Markthütte anmieten kann. Würde dem Standbezieher statt der ursprünglichen bloß eine 'vergleichbare' Markthütte zur Verfügung gestellt werden, so würde allenfalls seine maßgetreue Ausstattung nicht passen. Aus Gründen des äußeren Erscheinungsbildes eines Weihnachtsmarktes erscheint es auch sachlich gerechtfertigt, dass nach einem einheitlichen Konzept entworfene Markthütten vermietet werden und nicht nur Marktplätze vergeben werden, wo jeder Bezieher seine eigene Markthütte aufstellt.
Außerdem investieren die Standbezieher in die maßgetreue Ausstattung ihrer Markthütte beträchtliche Summen von - im Falle von Gastronomieständen - durchaus 20.000 Euro und mehr. Insbesondere die Öfen bzw. Kochstellen, die Waschanlage (für Punschbecher etc), die Kühlung und die elektrische Ausstattung erfordern beträchtliche Geldmittel.
Würde der Stand dem Bezieher im Folgejahr nicht neuerlich zugewiesen werden, so wäre die Möglichkeit durchaus naheliegend, dass sich seine hohen Investitionen in der relativ kurzen Zeit des Christkindlmarktes nicht amortisieren können. Wegen des Erfordernisses der maßgetreuen Ausstattung könnte er diese Ausstattung kaum anderweitig verwenden und wäre praktisch darauf angewiesen, dass ihm der neue Standbezieher - als beinahe einzig möglicher Erwerber - die Ausstattung zu einem fairen Preis abkauft. Der neue Standbezieher wäre in dem selben Dilemma, erhebliche Geldbeträge investieren und sich mit der Unsicherheit abfinden zu müssen, seine Investitionen wegen der Ungewissheit einer etwaigen neuerlichen Zuweisung möglicher Weise nicht wieder hereinbekommen zu können.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht haben die vom Standbezieher durchzuführenden Investitionen je nach Qualität der Ausstattung eine Laufzeit von zumindest mehreren Jahren.
Bereits aus diesem Grund haben die Standbezieher und die Wirtschaftskammer Wien als ihre gesetzliche Interessenvertretung im Jahr 1986 gegen die damals beabsichtigte Abschaffung der automatischen Vormerkung Folgendes eingewandt (Verordnungsakt Zl. Allg. 497/86, Blatt 6):
'Der Wegfall der automatischen Vormerkung bedeutet ein nicht zu vertretendes wirtschaftliches Risiko des Landesgremiums für den Markt-, Straßen- und Wanderhandel als Marktorganisator und der Marktparteien. Die Investitionen des gesamten Marktes und das damit in Zusammenhang stehende Refinanzierungsrisiko bedingen auch hier eine bei den anderen Märkten bestehende Kontinuität an Marktbeziehern. Auch die positive wirtschaftliche Zukunft der einzelnen Marktbezieher würde durch ein Abgehen von diesem Prinzip gefährdet und die Existenz dieser Betriebe ernstlich bedroht.'
Es liegt hier also grundsätzlich der gleiche Interessenkonflikt vor wie auf Märkten, auf denen die Marktstände unbefristet zugewiesen werden: Der eine Unternehmer hat einen Stand, hat sein Unternehmen darauf hin ausgerichtet und langjährige Investitionen getätigt. Der andere Unternehmer ist nicht zum Zuge gekommen und hat ein wirtschaftliches Interesse, dass der andere seine Position verliert und er an dessen Stelle zum Zuge kommt.
Der Verordnungsgeber hat diese Konstellation grundsätzlich zu Gunsten des Standbeziehers gelöst, in dem einerseits auf vielen Märkten die Stände dauerhaft zugewiesen werden und andererseits dort, wo aus historischen Gründen keine dauerhafte Zuweisung erfolgt, stattdessen doch die vergleichsweise schwächere Position der automatischen Vormerkung eingeräumt wird. Diese Wertung des Verordnungsgebers ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Zahl der Weihnachtsmärkte in Wien ständig zunimmt (z.B. auf Liegenschaften des Bundes vor dem Schloss Schönbrunn und vor dem Belvedere) und Interessenten daher zunehmend mehr Möglichkeiten haben, einen Stand auf einem Weihnachtsmarkt zu bekommen.
Der Verordnungsgeber befindet sich nach Ansicht des Magistrats der Stadt Wien mit dieser Wertung durchaus im Einklang mit grundlegenden Prinzipien der österreichischen Rechtsordnung. Insbesondere wird im Mietrecht dem Mieter von Geschäftsräumlichkeiten eine geschützte Position eingeräumt und seiner Position insoweit der Vorzug gegenüber anderen Interessenten, die etwa im Sinne einer 'Rotation' an dessen Stelle zum Zuge kommen wollen, gegeben. Auch bei der Inanspruchnahme öffentlichen Grundes sieht die Rechtsordnung (insbesondere § 82 Straßenverkehrsordnung 1960 und litB Z 12 Anhang 'Gebrauchsabgabe Tarif' des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966) die Möglichkeit unbefristeter behördlicher Bewilligungen - beispielsweise für den Betrieb eines 'Würstelstandes' auf einer Gehsteigfläche - vor und ist die Wertung des Bundes- sowie Landesgesetzgebers nicht etwa dahingehend, dass der 'Würstelstand' auf öffentlichem Grund im Sinne einer 'Rotation' periodisch an einen neuen Betreiber weitergereicht werden müsste.
Es wäre durchaus in Erwägung zu ziehen, dass die Position eines Marktstandbeziehers, der über eine dauerhafte Zuweisung oder wenigstens über eine automatische Vormerkung verfügt, an ein 'vermögenswertes Privatrecht' im Sinne des Art 5 Staatsgrundgesetz zumindest heranreicht und es daher nicht unsachlich sein kann, wenn der Verordnungsgeber eine solche Position zulässt und schützt.
In diesem Zusammenhang hatte der Verordnungsgeber auch folgende Besonderheit der Branche der Marktfahrer angemessen zu berücksichtigen:
Zumindest ein erheblicher Teil der Marktfahrer richtet seine unternehmerische Tätigkeit so ein, dass er österreichweit zu verschiedenen Zeiten jeweils verschiedene Märkte besucht. Zu diesem Zweck gibt die gesetzliche Interessenvertretung jährlich ein sogenanntes 'Märkteverzeichnis Märktejahrbuch' heraus. Zuletzt erschien im Herbst 2004 das Märkteverzeichnis Märktejahrbuch 2005. In diesem sind vor allem temporäre Märkte und Gelegenheitsmärkte verzeichnet. Die Marktfahrer haben auf Grund von automatischen Vormerkungen oder dauerhaften Zuweisungen relativ gesicherte Positionen und können ihre unternehmerische Tätigkeit vor diesem Hintergrund vorausschauend planen.
Wären automatische Vormerkungen und dauerhafte Zuweisungen nicht möglich, so wäre dem Marktfahrergewerbe eine vorausschauende Planung seiner unternehmerischen Tätigkeit weitgehend verwehrt. So wäre es beispielsweise unternehmerisch völlig untragbar, dass ein Marktfahrer, der im Vorjahr am Wiener Christkindlmarkt zum Zuge gekommen ist, entsprechende Ware kauft, nach Wien fährt und sich um die Zuteilung eines Standes durch Losentscheidung bewirbt. Falls er nicht zum Zuge kommt, hätte er sich dann allenfalls in Wien auf einem anderen Weihnachtsmarkt zu bewerben oder nach Bregenz, Klagenfurt und Eisenstadt zu fahren und sich ebenfalls um eine Zuweisung durch Losentscheid zu bewerben. (Eine schriftliche Abwicklung des Verfahrens wäre von Seiten des Marktveranstalters und der Bewerber noch weniger praktikabel, und zwar unter anderem deshalb, weil Verzögerungen und Hindernisse beim Zustellvorgang nicht gänzlich ausgeschlossen werden könnten und dadurch das Funktionieren des Marktes durch verfahrensbedingtes Ausfallen einzelner Stände gefährdet würde.) Falls er nicht zum Zuge kommt, bliebe ihm im Hinblick auf die durch seine Reisen und absolvierten Marktplatzvergabeverfahren wohl nur mehr die Möglichkeit, die Weihnachtsware entweder für das nächste Jahr einzulagern und sich im nächsten Jahr in verschiedenen Städten neuerlich an Standvergaben durch Losentscheid zu bewerben oder diese Ware zu Billigstpreisen (weit unter dem Einstandspreis) an Händler zu verkaufen.
Für die Marktfahrer besonders belastend wäre eine solche Vorgangsweise dann, wenn es sich um saisonabhängige und längerfristig nicht haltbare Waren wie beispielsweise Lebkuchen oder für weihnachtliche Anlässe produzierte Süßwaren handelt. In diesen Fällen könnte der nicht zum Zuge gekommene Bewerber die Waren lediglich unter Verlust verkaufen, nicht aber für den Christkindlmarkt des nächsten Jahres aufheben.
Ein solches Regelungsregime widerspricht dem Gleichheitssatz, da es Nachteile für bisherige Standbezieher bewirkt, die langfristige Dispositionen (maßgetreue Ausstattung) im Vertrauen darauf getroffen haben, dass ihnen im nächsten Jahr dieselbe Markthütte zur Verfügung gestellt wird. Es würde wohl zwangsläufig dazu führen, dass die Marktfahrer vor einer Zuteilung des Standes durch Losentscheid keinerlei Investitionen treffen und insbesondere keine Ware einkaufen, zumal sie nicht damit rechnen könnten, bei der Zuteilung der Marktplätze zum Zuge zu kommen. Die Folge wäre, dass nach der Zuteilung die Zeit bestenfalls noch ausreichen könnte, irgendwo schnell Waren einzukaufen, die Qualität der betroffenen Märkte durch das Fehlen planvoller Investitionen aber nachhaltig verschlechtert würde. Es wäre auch naheliegend, dass viele Standbezieher nach Loszuteilung damit überfordert sein könnten, so kurzzeitig noch geeignete Ware einzukaufen, bzw. dass ein schwunghafter Tauschhandel zwischen Personen, die zeitgerecht Waren eingekauft, aber keine Loszuteilung erlangt haben, und Personen, die über eine Loszuteilung, aber über keine Waren verfügen, entsteht."
Eine Untersuchung über die Praxis in anderen Gemeinden habe ergeben, dass jedenfalls in Linz, wohl aber auch in Salzburg bisherige Bezieher von Standplätzen durch die Vormerkung abgesichert seien; so sei es nach den Recherchen und Informationen des Landesgremiums Wien des Markt-, Straßen- und Wanderhandels in ganz Österreich. Nur in wenigen Bereichen mit anderen Situationen und Zielsetzungen fehle ein solcher Schutz. Auch in Deutschland (z.B. Nürnberg und Dresden) würden vorrangig bekannte und bewährte Beschicker zugelassen; das im Prüfungsbeschluss bezogene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg habe außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches "offensichtlich keinerlei Auswirkungen" gehabt und selbst in Lüneburg (wo die Praxis der Bevorzugung bekannter und bewährter Unternehmer nach einem eingeholten Bericht ohne normative Grundlage gewesen sei) habe man sich mit dem (dortigen) Beschwerdeführer geeinigt. Demgegenüber zeige das vom Lüneburger Gericht zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 1 C26/82, dass ein dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechendes Auswahlverfahren jedem Bewerber die gleiche Zulassungschance einräumen muss; wähle der Veranstalter nicht ein solches Verfahren
"und orientiert sich stattdessen an Merkmalen, die nicht bei jedem Bewerber vorliegen können, so muss sich die sachliche Vertretbarkeit dieser Differenzierung aus der Eigenart des Marktgeschehens ableiten lassen, wie dies z.B. bei der Bevorzugung bekannter und bewährter Unternehmer - bis zu der vom Prinzip der Marktfreiheit gezogenen Grenze - der Fall ist[.]" (Hervorhebung im Schriftsatz des Magistrats Wien)
(nicht aber etwa - worum es bei dieser Entscheidung ging - bei Ablehnung des Ehepartners eines Zugelassenen).
Schließlich trägt der Magistrat noch folgende rechtspolitische Überlegungen vor:
"Mögliche Alternativen zur automatischen Vormerkung und zur dauerhaften Zuweisung der Marktstände hätten zwar den vermeintlichen Vorteil, dass durch eine 'Rotation' neue Bewerber verstärkt zum Zuge kommen können, jedoch stünden diesen Vorteilen erhebliche Nachteile gegenüber.
Bei einer Zuteilung durch Losentscheid bestünde neben den bereits angeführten Nachteilen die Gefahr, dass Unternehmer ihre Chancen auf eine Loszuteilung durch Parallelmeldungen unter anderen Namen auf unredliche Weise erhöhen. Solche Parallelmeldungen wären sowohl über Bekannte, Familienangehörige etc als auch über Gesellschaftsgründungen möglich.
Auch ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Christkindlmarkt ein Stück Wiener Tradition darstellt und die Beibehaltung dieser Tradition erhebliche wirtschaftliche, touristische und kulturelle Bedeutung hat. Eine Zuteilung durch Losentscheidung würde es zumindest sehr erschweren, den traditionellen Charakter dieses Marktes beizubehalten. Die Folge wäre eine ständige Fluktuation der Marktbezieher, die eine Ausrichtung des Marktes auf diese Werte fast unmöglich machen würde. Da der traditionelle Charakter dieses Marktes nicht alleine mit behördlichen Mitteln durchgesetzt werden kann, sondern maßgeblich auch vom Engagement und Unternehmenskonzept der Marktstandbezieher getragen wird, würde der damit verfolgte Charakter bei einer solchen wesentlichen Änderung der Struktur der Marktparteien (keine Kontinuität, ständiger Wechsel der Marktbezieher) verloren gehen. Der Erhalt dieses Erscheinungsbildes liegt jedoch im öffentlichen Interesse und ist wesentlich dafür, dass ein solcher Markt überhaupt abgehalten wird. Eine Vergabe durch Losentscheid dürfte aus diesen Gründen nicht adäquat sein.
Anstatt einer Zuteilung durch Losentscheid wäre allenfalls eine Zuteilung durch eine fachkundige Jury zu erwägen, welche die geeignetsten Bewerber und gegebenenfalls Konzepte auswählt. Ein solches Verfahren (einschließlich des einzurichtenden Berufungsverfahrens) wäre jedoch für alle Beteiligten extrem aufwändig und damit langwierig. Zum einen müsste die Gemeinde geeignete Kriterien aufstellen, nach denen die Bewerber beurteilt werden sollen. Dann müssten die Bewerber wohl umfangreiche Bewerbungsunterlagen zusammenstellen, um diesen Kriterien bestmöglich zu entsprechen. Dabei würde es wahrscheinlich unvermeidlich sein, auch die Erstellung eines Konzeptes zu verlangen, wie der Stand ausgestattet und betrieben werden soll. Von einem Recht jedermanns, auf dem Markt Waren feilbieten und verkaufen zu dürfen, bliebe in einem solchen Fall weit weniger übrig als jetzt. Das Beziehen von Märkten würde dann zu einem Gebiet weniger gut organisierter Spezialisten und allenfalls großer Unternehmensketten werden, die es verstehen, ausgezeichnete Bewerbungsunterlagen und Konzepte professionell zu erstellen und damit bei einer fachkundigen Jury zu punkten. Der traditionelle Standbezieher, der ohne gut ausgebildetem Mitarbeiterstab einfach nur am Markt seine Waren feilhalten und verkaufen will, wäre hingegen chancenlos.
Bei jeder dieser Alternativen würden jedoch die Standbezieher ihre bisher gewohnte Absicherung, durch dauerhafte Zuweisung oder wenigstens durch automatische Vormerkung allfällige Investitionen amortisieren zu können, ersatzlos verlieren. Herkömmliche Marktfahrer, die im Wesentlichen dem Kreis der Klein- und allenfalls Mittelbetriebe zuzuordnen sind, würden damit keine wirtschaftlich tragbare Möglichkeit haben, in ihre unternehmerische Tätigkeit zu investieren. Folglich würden von herkömmlichen Marktfahrern Investitionen auch nicht mehr getätigt werden. Ohne diese könnte die Qualität dieser Märkte jedoch nicht aufrechterhalten werden (z.B. Punschstände ohne Waschanlage für Mehrweggefäße, nicht professionelle billige Allzweckkochstellen, provisorische elektrische Installationen etc).
Letztendlich würde damit die fehlende unternehmerische Absicherung der Marktfahrer zu einem Niedergang der Märkte führen und wäre das öffentliche Interesse, das an der Fortführung der Tradition des Christkindlmarktes besteht, beeinträchtigt."
Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat auf eine Äußerung verzichtet.
V. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zwar im Hinblick auf die zunächst in Prüfung gezogene Fassung ABl. Nr. 8/1998 einzustellen, im Hinblick auf die Neufassung ABl. Nr. 42/2000 aber zulässig.
Dass die Behörden die Anträge der Beschwerdeführer nach den Vorschriften über die Vergabe von Marktplätzen, die nicht zwischen verschiedenen Arten von Standplätzen unterscheiden, behandelt haben, steht außer Zweifel und ist nach den eigenen Darlegungen der Behörde und des Magistrats auch plausibel.
Das Verfahren hat keine Zweifel daran hervorgebracht, dass der Verfassungsgerichtshof bei Erledigung der Beschwerde die Vorschriften über die Zuweisung von Marktplätzen auf Christkindlmärkten anzuwenden hätte, weil die Folgen einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Nichtzulassung nach Stattfinden der Veranstaltung sich nur anhand dieser Vorschriften beantworten lassen. Nach diesen bestimmt sich nämlich, ob rechtswidrig Nichtzugelassene zum nächsten Termin bevorzugt behandelt werden müssen. Wäre die Rechtstellung für den jeweils kommenden Christkindlmarkt für alle Interessenten die gleiche, könnte eine Entscheidung in der Tat keine Wirkung mehr entfalten.
Anwendbar ist allerdings denkmöglich nur die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (und übrigens auch für den Zeitraum der beantragten Zuteilung) maßgebende Fassung ABl. Nr. 42/2000. Im Hinblick auf die vorher in Geltung gestandene Fassung ist das Verfahren hingegen mangels Präjudizialität einzustellen.
VI. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs sind auch begründet:
1. Soweit der Magistrat der Stadt Wien einwendet, dass § 286 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 sich nur auf die Feilbietung von Waren beziehe (und daher für den von den Beschwerdeführern angestrebten Gastronomiestand nichts zu gewinnen sei), verkennt er die Lage im Verordnungsprüfungsverfahren. Wie schon im Prüfungsbeschluss bemerkt, ist es für das Normenprüfungsverfahren ohne Bedeutung, ob der Anlassfall von der angenommenen Gesetzwidrigkeit betroffen ist. Die anzuwendende Verordnung muss als solche im Gesetz Deckung finden.
Es kann daher auch offen bleiben, ob die Gewerbeordnung betreffs der Zuteilung von Standplätzen für den Ausschank von Getränken und die Verabreichung von Speisen im Rahmen eines Marktes auch anderes zuließe.
2. Der für die Bedenken maßgebende letzte Satz des § 286 Abs 1 GewO 1994 lautet:
"Jedermann hat das Recht, auf Märkten Waren nach Maßgabe der von der Gemeinde hiefür durch Verordnung bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen".
Dass der Sinn des Wortes jedermann sich hier darin erschöpfen würde, von den sonstigen Voraussetzungen für das Feilbieten und den Verkauf von Waren abzusehen, kann der Gerichtshof nicht erkennen und ist auch dem vom Magistrat bezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu entnehmen, das sich mit der Bedeutung dieses Wortes für die Frage beschäftigt hat, ob eine Beschränkung des Marktzuganges auf Erzeuger im Widerspruch zum gesetzlich festgelegten Wesen eines Marktes stehe. Es geht nämlich hier nicht darum, was (nunmehr durch Verordnung der Gemeinde) als Gegenstand eines Marktes vorgesehen werden kann und solcherart den Kreis der Marktbeschicker beschränkt und eingrenzt. "Jedermann hat das Recht" ist innerhalb des durch den Gegenstand des Marktes umschriebenen Rahmens nicht nur als Erteilung einer Erlaubnis zu verstehen, sondern hat offenkundig die dem traditionellen Begriff des Marktes entsprechende Bedeutung, den Zugang zu dieser Einrichtung grundsätzlich jedermann offen zu halten. Es wäre daher unzulässig, den "Markt" als den Prototyp des Wettbewerbsplatzes nur bestimmten Personen (wenngleich ohne Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen der Gewerbeausübung) vorzubehalten.
Das Gesetz geht freilich davon aus, dass der dem Markt zur Verfügung stehende Raum regelmäßig beschränkt ist und daher möglicherweise nicht für alle Interessenten ausreicht (§292 Abs 1). Es sieht auch ein System von "Vormerkungen" vor (§293 Abs 1 Z 4), mit dem der Gesetzgeber offenbar dem vom Magistrat Wien ins Treffen geführten Anliegen nach Voraussehbarkeit und Kontinuität Rechnung trägt. Der Verfassungsgerichtshof hat die sich daraus notwendig ergebenden Einschränkungen auch nicht in Zweifel gezogen. Aus dem Recht Jedermanns, auf dem Markt aufzutreten, hat er aber vorläufig abgeleitet, dass ein solches System unter den jeweils gegebenen Umständen auch in seinen praktischen Auswirkungen nicht einen geschlossenen Kreis von Marktteilnehmern schaffen darf. An dieser Annahme hält der Gerichtshof vor dem Hintergrund der verfassungsgesetzlich garantierten Erwerbsfreiheit fest.
Dem vom Magistrat der Stadt Wien zutreffend geschilderten Bedürfnis nach Zulassung bekannter und bewährter Anbieter, die nicht nur rechtzeitig planen, sondern auch wünschenswerte längerfristige Investitionen riskieren können, kann durch das Vormerkungssystem ebenso Rechnung getragen werden wie dem Streben nach einer dem Christkindlmarkt entsprechenden Mischung der verschiedenen Warengattungen und der "Gastrostände". Auch der Vorgemerkte kommt aber nur zum Zuge, wenn eine entsprechende Zahl von Plätzen angeboten wird (was bei einer - gewiss zulässigen - Änderung des "Branchenmix" nicht der Fall sein wird). Es ist auch nichts aus dem Hinweis auf anderswo herrschende gleichartige Regeln und Praktiken zu gewinnen. Verlangt doch auch die von der Äußerung bezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei der zulässigen Bevorzugung bekannter und bewährter Unternehmer die Beachtung "der vom Prinzip der Marktfreiheit gezogenen Grenze".
3. Der Prüfungsbeschluss mag überschießend formuliert sein, wenn er fordert, dass "ein Bedarf nach einem Wechsel innerhalb überschaubarer Zeit erfüllt werden kann"; das Missverhältnis zwischen Platzangebot und Nachfrage kann in der Tat ein Ausmaß erreichen, das innerhalb überschaubarer Zeit auch durch einen geplanten Wechsel nicht bewältigt werden kann. Das enthebt den Verordnungsgeber aber nicht der Notwendigkeit, für einen nach den am betroffenen Markt gemachten Erfahrungen nicht von selbst stattfindenden angemessenen Wechsel zu sorgen. Dabei sind alle vom Magistrat Wien ins Treffen geführten sachlichen Gesichtspunkte gegen die Marktfreiheit abzuwägen.
Die vom Magistrat - alternativ - als zulässig erwogene Vergabe aller Marktplätze auf Dauer (wogegen das Vormerkungssystem ohnedies bereits eine Öffnung bedeute) würde das Recht auf freien Marktzugang vollends illusorisch machen, weil nur mehr der Zufall einer ersatzlosen Erledigung neue Marktteilnehmer zuließe. Ist im Falle eines festgestellten Nachfrageüberhangs für einen angemessenen Wechsel gesorgt, steht auch der Vergabe von Dauerplätzen an sich nichts im Wege. In welcher Weise der Verordnungsgeber das System der Vormerkung mit Vorrang der bisherigen Inhaber von Marktplätzen ergänzt, um das gesetzlich gebotene Ziel einer gewissen Marktöffnung zu erreichen, ist seine Sache. Der für eine tageweise Vergabe in der Marktordnung bereits vorgesehene Losentscheid (der hier zur Auswahl abtretender oder auch neu eintretender Marktteilnehmer vorzusehen wäre) ist nur eine (letzte) Möglichkeit. Das Verfahren hat jedenfalls nicht ergeben, dass es nicht auch andere Gestaltungsmöglichkeiten gäbe und dem Prinzip der Marktfreiheit nur um den Preis unverhältnismäßiger Nachteile Rechnung getragen werden könnte.
In der gegenwärtigen Fassung ist § 57 Abs 4 der Marktordnung im präjudiziellen Teil daher wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Marktfreiheit als gesetzwidrig aufzuheben.
Die Verpflichtung zur Kundmachung folgt aus Art 139 Abs 5 B-VG.