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VfGH vom 05.10.1994, V7/94

VfGH vom 05.10.1994, V7/94

Sammlungsnummer

13911

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes hinsichtlich der Widmung von Grundstücken als Verkehrsfläche nach Auflösung des ursprünglich gemischten Baugebietes; fehlende Berücksichtigung der faktischen Verwendung der betroffenen Grundstücke als Betriebsgrundstücke

Spruch

Der Teilflächenwidmungsplan Salzburg-Nordost, Beschluß des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom , kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg Nr. 12/1982, Seite 6, wird insoweit als gesetzwidrig aufgehoben, als darin zwischen der Samstraße im Norden, dem Alterbach im Süden und der im Plan verzeichneten Gleisanlage im Osten die Widmung "Verkehrsfläche" ausgewiesen ist.

Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Verordnung des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom , kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Salzburg Nr. 12/1982, wurden im Zuge einer Überarbeitung des geltenden Flächenwidmungsplanes die Grundparzellen Nr. 46/4, KG Itzling, sowie 2896 und 2897/1, KG Hallwang II, als "Verkehrsfläche" im Sinne des § 13 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977, LGBl. 26, (ROG 1977), bzw. im Sinne des § 18 des am in Kraft getretenen Salzburger Raumordnungsgesetzes 1992, LGBl. 98 idF LGBl. 48/1993, (ROG 1992), gewidmet.

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B1116/92 protokollierte Beschwerde anhängig, mit der die beschwerdeführende Gesellschaft gestützt auf Art 144 B-VG einen Bescheid der Bauberufungskommission der Stadt Salzburg bekämpft, mit dem ihr Antrag auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Änderung des Verwendungszweckes eines Teiles der auf den Grundstücken Nr. 2896 und 2897/1, KG Hallwang II, bestehenden Kohlenlagerhalle zum Zwecke der Aufstellung einer Rohöldestillationsanlage sowie zur Durchführung der dadurch bedingten Umbauten ua. deswegen abgewiesen wurde, da dies der durch den Flächenwidmungsplan angegebenen Widmung widerspreche.

3. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am , B1116/92, beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des Teilflächenwidmungsplanes Salzburg-Nordost, Beschluß des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom , kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg Nr. 12/1982, (im folgenden: Teilflächenwidmungsplan Salzburg-Nordost), insoweit von Amts wegen zu prüfen, als darin zwischen der Samstraße und dem Alterbach, KG Hallwang II, die Widmung "Verkehrsfläche" ausgewiesen ist.

Der Verfassungsgerichtshof ging zunächst davon aus, daß er bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides die Widmung der Grundstücke Nr. 2896 und 2897/1, KG Hallwang II, als "Verkehrsfläche" anzuwenden hat.

Der Verfassungsgerichtshof hatte vorläufig das Bedenken, daß die mit dem Teilflächenwidmungsplan Salzburg-Nordost ausgesprochene Verkehrsflächenwidmung gesetzwidrig sei, da sie gegen die gesetzliche Verpflichtung verstößt, bei der Festlegung von Nutzungsarten für bereits ganz oder teilweise verbaute Gebiete die der Hauptsache nach bestehenden widmungsmäßigen Verhältnisse zu berücksichtigen (§24 Abs 1 ROG 1977 sowie nunmehr § 45 Abs 1 erster Satz ROG 1992). Die "fraglichen Grundstücke (waren) entsprechend ihrer ursprünglichen Widmung als gemischtes Baugebiet gemäß § 14 Abs 1 litd Salzburger Raumordnungsgesetz 1959 (bzw. Salzburger Raumordnungsgesetz 1968) gewidmet" und gemäß der Übergangsbestimmung des § 24 Abs 12 ROG 1977 (nunmehr § 45 Abs 15 dritter Satz ROG 1992) "in Gebiete einer diesem Gesetz entsprechenden Widmung aufzulösen". Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, daß das Betriebsgrundstück "der Hauptsache nach" Betriebszwecken dient, wenn "auch Betriebsgleise vorhanden sein" mögen. Auf diese Umstände hätte die verordnungserlassende Behörde aber bei der Auflösung des "gemischten Baugebietes" auf den gegenständlichen Grundstücken nach § 24 Abs 1 ROG 1977, wonach "die der Hauptsache nach bestehenden widmungsmäßigen Verhältnisse zu berücksichtigen" sind, Bedacht zu nehmen gehabt.

4. Der Gemeinderat der Stadt Salzburg hat eine Äußerung erstattet, in der der Antrag gestellt wird, "die in Prüfung gezogene Ausweisung als Verkehrsfläche zwischen der Samstraße und dem Alterbach bzw. der Katastralgemeindegrenze (im Westen) und dem im Osten angrenzenden Bauland/erweiterte Wohngebiete nicht als gesetzwidrig aufzuheben" bzw. eine allfällige Aufhebung jedenfalls so abzugrenzen, "daß der unmittelbare Bereich der ÖBB-Geleise (Verbindungsgeleise Wien-Innsbruck) dadurch nicht erfaßt wird".

a. Der Gemeinderat der Stadt Salzburg weist zunächst darauf hin, daß aus § 24 Abs 1 erster Satz ROG 1977 "(lediglich) ableitbar erscheint, daß eine 'Berücksichtigung' stattzufinden hat ..., nicht jedoch daß eine absolute zwingende Notwendigkeit besteht".

Die verordnungserlassende Behörde weist wie bereits in ihrer Äußerung im Verfahren zu B1116/92 darauf hin, daß "aus den Unterlagen des Verordnungsaktes bzw. der Entstehungsgeschichte hinsichtlich der Ausweisung als Verkehrsfläche ... wegen der bereits dargestellten personellen Fluktuation die exakten, damals angestellten Überlegungen nicht mehr nachvollziehbar erscheinen". Aus den Verwaltungsakten lasse sich aber dennoch entnehmen, daß "seitens der ÖBB Grundstücke als Eisenbahnbetriebsgrundstücke bezeichnet" werden. Dies müsse für den Verordnungsgeber ausreichend sein. Aus einem "Schreiben der ÖBB/Bundesbahndirektion Linz vom , vom und vom ... läßt sich als Anlaß dafür, im Eigentum der ÖBB stehende, unmittelbar entlang der Bahnanlagen gelegene Flächen als Verkehrsfläche auszuweisen, durchaus auch noch der Umstand aufzeigen, daß dies zur Schaffung einer Sicherstellung eines gewissen Entwicklungsspielraumes für bahneigene Anlagen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung bzw. Neugestaltung des Hauptbahnhofes, erfolgt ist bzw. geboten war".

b. Zur räumlichen Abgrenzung des in Prüfung gezogenen Verordnungsinhaltes führt die verordnungserlassende Behörde

aus, daß sich auch dann, "wenn ... der Flächenwidmungsplan

keine Grundstücksnummern erkennen läßt, ... eine Aufhebung

nicht zwangsläufig auch über den gesamten Bahnkörper bis zur Baulandgrenze im Osten erstrecken" dürfe, "weil für den Gerichtshof eine Abgrenzung auch mit der früheren Widmungsgrenze zwischen Bauland/gemischte Baugebiete und Verkehrsfläche möglich sein müßte, weil weiters im Bereich der bereits ursprünglich als Verkehrsfläche ausgewiesen gewesenen Teile die rechtlichen Bedenken keinesfalls greifen können und weil letztlich es wohl mit den Grundsätzen der 'Planungswahrheit' im Widerspruch stünde, die durchgehende Gleisverbindung (den Bahnkörper) ... hier 'zu unterbrechen'". "Soweit der Gerichtshof die Prüfung allenfalls doch (auch) bzgl. des bereits ursprünglich als Verkehrsfläche ausgewiesenen Bereiches durchführen will (weil z.B. die gegenständliche Halle auch noch in diesem Bereich situiert ist), könnte eine räumliche Abgrenzung (nach Osten) aber zumindest an der Gleisachse des westlichen Gleises" erfolgen.

5. Die Salzburger Landesregierung hat über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes die Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Äußerung verzichtet. In den Akten findet sich allerdings ein Amtsvermerk des Sachbearbeiters, derzufolge eine Stellungnahme nicht erforderlich sei und "die Widmung für die Gp 64/4, 2896 u. 2897/1 ... sicher richtig auf Gewerbegebiet lauten (müßte) und nicht auf Verkehrsfläche".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung über die zu B1116/92 protokollierte Beschwerde den Teilflächenwidmungsplan Salzburg-Nordost jedenfalls insoweit anzuwenden, als dadurch für die Grundstücke Nr. 2896 und 2897/1, KG Hallwang II, die Widmung als "Verkehrsfläche" festgelegt wurde. Da diese Grundstücksnummern im, dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Teilflächenwidmungsplan nicht aufscheinen, ist der Verfassungsgerichtshof genötigt, anhand anderer planerischer Merkmale den Bereich der präjudiziellen Verkehrsflächenwidmung abzugrenzen. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, daß der Rechtsunterworfene in der Lage sein muß, die durch ein aufhebendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes herbeigeführte neue Rechtslage aus der Zusammenschau von planlicher Darstellung und Aufhebungskundmachung gemäß Art 139 Abs 5 B-VG eindeutig und unmittelbar (also ohne Heranziehung etwaiger technischer Hilfsmittel, wie zB. eines Katasterplans) festzustellen (VfSlg. 11807/1988; ; , V115/94). Wenn der dem Verfassungsgerichtshof vorgelegte Flächenwidmungsplan die Parzellennummern der einzelnen Grundstücke wie im vorliegenden Fall daher nicht erkennen läßt, so muß die Lage der Grundstücke, deren Widmung im Anlaßfall präjudiziell ist, unter Verwendung anderer im Plan enthaltener Ortsbezeichnungen und planerischer Abgrenzungen umschrieben werden.

Der Verfassungsgerichtshof gibt dem Gemeinderat der Stadt Salzburg recht, daß der Verlauf der Gleisanlage zwischen Samstraße und Alterbach im Teilflächenwidmungsplan mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar ist. Lediglich die Verkehrsflächenwidmung, die im Teilflächenwidmungsplan zwischen der Samstraße im Norden, dem Alterbach im Süden und der Gleisanlage im Osten ausgewiesen ist, ist präjudiziell im Sinne des Art 139 Abs 1 B-VG. Die zu prüfende Verkehrsflächenwidmung endet bei dieser Gleisanlage. Soweit die Verkehrsflächenwidmung im Prüfungsbeschluß darüber hinaus auch für die Gleisanlage selbst sowie für das östlich der Gleisanlage gelegene Gebiet in Prüfung gezogen wurde, war somit mangels Präjudizialität der Widmung in diesem Bereich das Verordnungsprüfungsverfahren einzustellen.

Ansonsten ist, da auch alle anderen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind auch in der Sache begründet: Die bezeichneten Grundstücke waren zum Zeitpunkt der Erlassung des Teilflächenwidmungsplanes Salzburg-Nordost mit Betriebsbaulichkeiten verschiedener Art, darunter auch eine Kohlenlagerhalle, bebaut, deren Verwendungsänderung den Gegenstand des Anlaßbeschwerdeverfahrens bildet. Die Grundstücke waren ursprünglich als gemischtes Baugebiet gemäß § 14 Abs 1 litd ROG 1959 (bzw. ROG 1968) gewidmet, eine Widmung, die gemäß § 24 Abs 12 ROG 1977 (und nunmehr § 45 Abs 15 dritter Satz ROG 1992) "in Gebiete einer diesem Gesetz entsprechenden Widmung aufzulösen" war. Gemäß § 24 Abs 1 erster Satz ROG 1977 (einer Bestimmung, die zum Zeitpunkt der Erlassung des in Prüfung gezogenen Teilflächenwidmungsplanes Salzburg-Nordost anzuwenden war,) und nunmehr gemäß § 45 Abs 1 erster Satz ROG 1992 sind bei der Festlegung der Nutzungsarten und Widmungen für bereits ganz oder teilweise verbaute Gebiete "die der Hauptsache nach bestehenden widmungsmäßigen Verhältnisse zu berücksichtigen".

In seinem Erkenntnis VfSlg. 10471/1985 hat der Verfassungsgerichtshof für die Auflösung "gemischter Baugebiete" in eine dem ROG 1977 "entsprechende Widmung" gemäß § 24 Abs 12 ROG 1977 auf § 24 Abs 1 ROG 1977 und der daraus zu entnehmenden Verpflichtung verwiesen, "die der Hauptsache nach bestehenden widmungsmäßigen Verhältnisse zu berücksichtigen". In jenem Fall wurde vom Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den langjährigen Bestand eines Gewerbebetriebes die Festlegung der Widmung "Gewerbegebiet" im Zuge der Auflösung eines gemischten Baugebietes als gesetzmäßig betrachtet.

Die gemäß § 17 Abs 4 ROG 1977 kundgemachte Verkehrsflächenwidmung für die fraglichen Liegenschaften, die gemäß § 45 Abs 7 ROG 1992 als Flächenwidmung im Sinne dieses Gesetzes gilt, widerspricht § 24 Abs 1 ROG 1977 sowie nunmehr § 45 Abs 1 erster Satz ROG 1992. Die dort getroffene Anordnung "gemischte Baugebiete" gemäß § 24 Abs 12 ROG 1977 (bzw. § 45 Abs 15 ROG 1992) so aufzulösen, daß "die der Hauptsache nach bestehenden widmungsmäßigen Verhältnisse" berücksichtigt werden, wurde vom Gemeinderat nicht beachtet. Zwar ist der Gemeinderat im Recht, wenn er in seiner Äußerung darauf verweist, daß die Verpflichtung zur Berücksichtigung der der Hauptsache nach bestehenden Verhältnisse keine "absolut zwingende Notwendigkeit" einer bestimmten Widmung nach sich zieht. Gleichwohl ist die geschilderte Berücksichtigungspflicht verletzt, wenn die Gründe, die den Gemeinderat zur Vernachlässigung der der Hauptsache nach auf den zu widmenden Grundstücken bestehenden Verhältnisse veranlaßten, nicht ersichtlich sind.

Im vorliegenden Fall fehlt es an jedweder Auseinandersetzung mit den zum Zeitpunkt der Neuwidmung auf den in Betracht kommenden Grundstücken bestehenden Verhältnissen im Planungsvorgang. Die Verkehrsflächenwidmung entsprach zum Zeitpunkt ihrer Festlegung 1982 weder der faktischen Verbauung der Grundstücke 2896 und 2897/1, KG Hallwang II, noch ihrer auf entsprechende Miet- und Pachtverträge gestützten Nutzung. Zwar sind gemäß § 13 Abs 2 ROG 1977 (und nunmehr sinngemäß nach § 18 Abs 2 ROG 1992) "Eisenbahnen samt ihrer Nebenanlagen ... als Verkehrsflächen auszuweisen". Gleichwohl greift die Verkehrsflächenwidmung über die Eisenbahngleisanlagen samt Nebenanlagen sowie auch über den eisenbahnrechtlichen Bauverbotsbereich beträchtlich hinaus. Sie berücksichtigt insofern in keiner Weise, daß die Liegenschaften 2896 und 2897/1, KG Hallwang II, zu einem wesentlichen Teil bereits zum Zeitpunkt der Auflösung der Widmung als "gemischtes Baugebiet" "der Hauptsache nach" (so § 24 Abs 1 ROG 1977) Betriebszwecken dienten.

Auch dem mit den Österreichischen Bundesbahnen geführten Schriftverkehr, auf den der Gemeinderat in seiner Äußerung verweist, läßt sich kein Hinweis entnehmen, daß die ÖBB eine Verkehrsflächenwidmung für den als Betriebsgrundstück verwendeten Teil der Liegenschaften 2896 und 2897/1, KG Hallwang II, begehrt hätten oder im Hinblick auf eine zukünftige Nutzung für bahneigene Anlagen benötigen würden. Die vom Gemeinderat ins Treffen geführten Schriftstücke beziehen sich durchwegs auf andere Grundstücke.

Die fehlende Berücksichtigung der faktischen Verwendung der genannten Grundstücke als Betriebsgrundstücke belastet sohin die seinerzeitige und kraft § 45 Abs 7 ROG 1992 weiter geltende Verkehrsflächenwidmung in dem im Spruch angeführten Umfang mit Gesetzwidrigkeit. Sie war daher vom Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 B-VG aufzuheben.

3. Die Verpflichtung zur Kundmachung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.