VfGH vom 23.06.2004, v6/04
Sammlungsnummer
17243
Leitsatz
Aufhebung von Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau betreffend Festlegung einer maximalen Verkaufsfläche für den Möbelhandel infolge Quasianlassfallwirkung der teilweisen Aufhebung des Entwicklungsprogrammes für Versorgungsinfrastruktur der Kärntner Landesregierung durch den Verfassungsgerichtshof
Spruch
I. Die Wortfolgen
1. a) "mit einer maximalen Verkaufsfläche von 6.000 m²" im Punkt 5/98c, und
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b) | "mit einer maximalen Verkaufsfläche von 3.000 m²" im Punkt 5/98d |
im textlichen Teil der Verordnung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau, Beschluss des Gemeinderates vom , aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom (Kundmachung der Genehmigung in der Kärntner Landeszeitung vom ) sowie
die Wortfolge
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c) | "mit max. 6000 m² VK-Fläche" und "mit max. 3000 m² VK-Fläche" |
in der zeichnerischen Darstellung der Verordnung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau, Beschluss des Gemeinderates vom , aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom (Kundmachung der Genehmigung in der Kärntner Landeszeitung vom ) und
2. die Festlegungen "max. Nettoverkaufsfläche 6.000 m²" und "max. Nettoverkaufsfläche 3.000 m²" in der zeichnerischen Darstellung des Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau, Beschluss des Gemeinderates vom , genehmigt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom (Kundmachung der Genehmigung in der Kärntner Landeszeitung vom ) und in Kraft getreten am
werden als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebungen im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1820/02 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte am bei der Stadtgemeinde Spittal an der Drau die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Einrichtungshauses auf den Grundstücken Nr. 318/2 und 320/6, je KG Edling. Im Rahmen der Vorprüfung stellte der bautechnische Amtssachverständige ua. fest, dass dem Vorhaben der geltende Flächenwidmungsplan, das Entwicklungsprogramm - Versorgungsinfrastruktur und der maßgebliche Teilbebauungsplan "Hadenstraße - Industriestraße" entgegenstehe. Mit einer gesamten Verkaufsfläche von 9.576,48 m² werde das maximal zulässige Ausmaß der Verkaufsfläche für ein einzelnes EKZ II des Möbelhandels überschritten.
Die Baubehörde I. Instanz wies den Baubewilligungsantrag der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Bescheid vom ab und führte dazu im Wesentlichen aus, die Vorprüfung habe gezeigt, dass die Errichtung des geplanten Einrichtungshauses mit einer zusammenhängenden Verkaufsfläche von 9.576,48 m² und einem geschlossenen Baukörper dem zeichnerischen Teil des Teilbebauungsplanes "Hadenstraße - Industriestraße" widerspreche. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, welche der Stadtrat der Stadtgemeinde Spittal an der Drau mit Bescheid vom als unbegründet abwies.
Die Kärntner Landesregierung wies die dagegen wiederum eingebrachte Vorstellung mit Bescheid vom als unbegründet ab und führte dazu begründend ua. aus, es sei offenkundig, dass mit dem Projekt die nach § 10 Abs 2 in Verbindung mit der zeichnerischen Anlage des Teilbebauungsplanes für EKZ II festgelegten maximalen Netto-Verkaufsflächen überschritten würden. Den entsprechenden Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen sei die Beschwerdeführerin im Gemeindeverfahren nicht entgegengetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte und beim Verfassungsgerichtshof am eingelangte Beschwerde, in der die beschwerdeführende Gesellschaft die Verfassungswidrigkeit näher bezeichneter Bestimmungen des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes 1995, die Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Kärntner Landesregierung vom über ein Entwicklungsprogramm - Versorgungsinfrastruktur und des Flächenwidmungs- sowie des Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau vom und die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung behauptet.
2. Am begann die nichtöffentliche Beratung in den bereits zu G3/03, V2,3/03, V82/03 anhängigen Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich § 10 Abs 2 litd und der Wortfolge "und das Höchstausmaß der zulässigen wirtschaftlich zusammenhängenden Verkaufsfläche" in § 13 Abs 6 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes 1995, idF LGBl. für Kärnten Nr. 23/1995, sowie des auf § 10 Abs 2 litd leg. cit. gestützten § 3 Abs 1 und Abs 2 Entwicklungsprogramm-Versorgungsinfrastruktur und einer wiederum darauf gestützten, näher bezeichneten Bestimmung über die Festlegung einer höchstzulässigen wirtschaftlich zusammenhängenden Verkaufsfläche für den Möbelhandel im Teilbebauungsplan der Stadt Villach vom . Das vorliegende Beschwerdeverfahren war zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig.
Mit Erkenntnis vom hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolgen "und II - soweit Abs 2 nicht anderes bestimmt -" in § 3 Abs 1 und "sowie des Möbelhandels" in § 3 Abs 2 der Verordnung der Kärntner Landesregierung vom betreffend ein Entwicklungsprogramm für Versorgungsinfrastruktur, LGBl. für Kärnten Nr. 25/1993, sowie die Festlegung "max. Verkaufsfläche 15.000 m² für den Möbelhandel" im Teilbebauungsplan der Stadtgemeinde Villach vom als gesetzwidrig auf.
3. Aus Anlass der zu B1820/02 protokollierten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der im Spruch näher bezeichneten Wortfolgen des Flächenwidmungsplanes und des Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau, beide Beschluss des Gemeinderates vom , von Amts wegen zu prüfen.
3.1. Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die beiden in Prüfung genommenen Verordnungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet hat und auch er sie zur Beurteilung der Beschwerde anzuwenden hätte.
3.2. Die Prüfung der in Rede stehenden Teile des Flächenwidmungsplanes und des Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau vom ist in diesem Beschluss wie folgt begründet:
"[...] Der Verfassungsgerichtshof hegt hinsichtlich der in Prüfung genommenen Bestimmungen vorläufig das Bedenken, dass sich die jeweiligen Festlegungen einer höchstzulässigen wirtschaftlich zusammenhängenden Verkaufsfläche für den Möbelhandel auf die mit dem Erkenntnis G3/03, V2,3/03, V82/03 ua. aufgehobene Bestimmung des § 3 Abs 2 des Entwicklungsprogrammes - Versorgungsinfrastruktur, LGBl. für Kärnten Nr. 25/1993, stützen. Diese ist zwar gemäß Art 139 Abs 6 B-VG auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden, weil der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom nicht anderes ausgesprochen hat, was auch für die darauf gestützte Verordnung zu gelten scheint; von dieser Wirkung sind nur Anlassfälle des Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens ausgenommen. Einem Anlassfall sind jedoch, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung seit VfSlg. 10.067/1984 und 10.616/1985 erkennt, all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zu Beginn des eine präjudizielle Gesetzes- oder Verordnungsstelle betreffenden Gesetzes- oder Verordnungsprüfungsverfahrens (hier: seit ) anhängig waren. Maßgebender Zeitpunkt ist hierbei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichtshofes, bei deren Unterbleiben der Beginn der nichtöffentlichen Beratung.
Dass der angefochtene Bescheid im vorliegenden Fall insofern nur mittelbar auf der zu G3/03 ua. aufgehobenen Verordnungsbestimmung beruht, als er sich seinerseits auf Verordnungsstellen stützt, die zwar nicht Gegenstand eines Normenprüfungsverfahrens im Zusammenhang mit den Verfahren G3/03, V2,3/03, V82/03 waren, sich aber andererseits unmittelbar auf die als gesetzwidrig erkannte Verordnungsbestimmung des Entwicklungsprogrammes - Versorgungsinfrastruktur stützen, scheint dem nicht im Weg zu stehen. Der Verfassungsgerichtshof geht wie schon z.B. zu VfSlg. 13.010/1992 und 14.935/1997 vorläufig davon aus, dass die Anlassfallwirkung auch für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit in solchen Fällen anwendbarer Verordnungen gilt. Auch insoweit dürfte es nicht von den Zufälligkeiten des Geschäftsganges im Gerichtshof abhängen, ob ein Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich (Mit-) Anlass des durchgeführten Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahrens geworden ist, wenn es nur wegen Anhängigkeit weiterer Beschwerdeverfahren im Stichzeitpunkt gleichzeitig hätte anhängig gemacht werden können. Auch für ein solches Verfahren scheint die Anwendbarkeit der aufgehobenen Verordnung und des aufgehobenen Gesetzes beseitigt zu sein.
Ausgehend von dieser Annahme scheinen gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen dieselben Bedenken zu bestehen, die schon zur Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Festlegung einer höchstzulässigen wirtschaftlich zusammenhängenden Verkaufsfläche für den Möbelhandel im Teilbebauungsplan der Stadtgemeinde Villach vom geführt haben: auch sie scheinen auf § 3 Abs 2 des Entwicklungsprogrammes - Versorgungsinfrastruktur, LGBl. für Kärnten Nr. 25/1993, gestützt zu sein und mit dessen Aufhebung ihre Anwendbarkeit verloren zu haben.
[...] In den hiermit eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren wird hinsichtlich sonstiger Höchstverkaufsflächenfestlegungen im Flächenwidmungsplan und im Teilbebauungsplan der Stadtgemeinde Spittal an der Drau vom ein Vorgehen nach Art 139 Abs 3 lita B-VG zu erwägen sein."
3.3. Die Kärntner Landesregierung teilte mit Schreiben vom mit, auf die Erstattung einer Äußerung im Normenprüfungsverfahren zu verzichten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren gegeben hat, zulässig ist und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung genommenen Verordnungsbestimmungen anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.
2. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes und des Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau vom treffen zur Gänze zu: Mit der Aufhebung der Wortfolgen "und II - soweit Abs 2 nicht anderes bestimmt -" in § 3 Abs 1 und "sowie des Möbelhandels" in '3 Abs 2 der Verordnung der Kärntner Landesregierung vom betreffend ein Entwicklungsprogramm für Versorgungsinfrastruktur haben die in Prüfung genommenen Verordnungsteile ihre gesetzlich angeordnete Grundlage verloren. Wie im Prüfungsbeschluss näher dargelegt, steht Art 140 Abs 7 B-VG dieser Rechtsfolge nicht entgegen, weil der Anlassfall von der weiteren Anwendung der aufgehobenen Verordnungsteile des Entwicklungsprogrammes-Versorgungsinfrastruktur ausgenommen ist, dem Anlassfall all jene Fälle gleichzuhalten sind, die zu Beginn des eine präjudizielle Gesetzes- oder Verordnungsstelle betreffenden Gesetzes- oder Verordnungsprüfungsverfahrens (hier: seit ) anhängig waren, und die Ausnahme des Anlassfalles (und der gleichzuhaltenden Fälle) auch für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit in solchen Fällen anwendbarer Verordnungen gilt, da es ansonsten allein von Umständen im Bereich des Gerichtshofes abhängen würde, ob ein Beschwerdefall Anlassfall von Normenprüfungsverfahren wird (vgl. z.B. VfSlg. 13.010/1992 mwH).
Die in Prüfung genommenen Verordnungsteile des Flächenwidmungsplanes und des Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau, beide vom , sind daher als gesetzwidrig aufzuheben.
3. Da der Gerichtshof - schon mangels detaillierter Prüfung des gesamten Flächenwidmungsplanes bzw. Teilbebauungsplanes der Stadtgemeinde Spittal an der Drau - nicht zu der Auffassung gelangt ist, dass der ganze Flächenwidmungsplan bzw. der ganze Teilbebauungsplan von der festgestellten Gesetzwidrigkeit erfasst sind, ist nicht nach Art 139 Abs 3 B-VG vorzugehen.
4. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebungen stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.