VfGH vom 27.02.2001, V54/00
Sammlungsnummer
16095
Leitsatz
Aufhebung eines neu erlassenen Wiener Plandokuments hinsichtlich der Festlegung von Bebauungsbeschränkungen für ein Grundstück mangels ausreichender Grundlagenforschung
Spruch
Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien, Plandokument Nr. 6950 (Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 7/1997, am ), wird, soweit sie für das Grundstück Rudolf-Waisenhorn-Gasse Nr. 53, KG Liesing gilt, als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Wiener Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2492/97 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
1.1. Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführern den Auftrag, das Glasdach an der Pergola in der rechten Abstandsfläche, die Gerätehütte im südlichen hinteren Grundstücksbereich, die Schilfmatten an der rechten Einfriedung zu beseitigen und "den Pflasterweg laut Konsens vom mit begrünten Fugen herzustellen" (Punkt 4).
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde von der Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom im Wesentlichen abgewiesen. Die belangte Behörde begründete die Entscheidung damit, dass die im Spruch angeführten Baulichkeiten vorschriftswidrig - nämlich im Widerspruch zum geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6950, bzw. zu sonstigen Bebauungsvorschriften - errichtet worden seien und gemäß § 129 Abs 10 Bauordnung für Wien (im Folgenden BO f Wien) zu beseitigen seien. Die Fristsetzung diene der Möglichkeit, anstelle der Beseitigung eine nachträgliche Baubewilligung - allenfalls unter Inanspruchnahme von § 69 BO f Wien - zu erwirken.
1.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde der vom Beseitigungsauftrag betroffenen Eigentümer des Grundstücks Rudolf-Waisenhorn-Gasse 53, EZ 789, KG Liesing. Die Beschwerdeführer behaupten die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6950 und die Wortfolge "und werden sie in einer Tiefe von mindestens 10 m ab der Vorgartentiefe errichtet" in § 82 Abs 4 BO f Wien, LGBl. Nr. 11/1930 idF LGBl. Nr. 55/1996) und beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheids.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien, Plandokument Nr. 6950 (Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 7/1997, am ), soweit sie für das Grundstück Rudolf-Waisenhorn-Gasse Nr. 53, KG Liesing, gilt, von Amts wegen zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die in Rede stehende Verordnung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet hat und er zur Beurteilung der Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung anzuwenden hätte.
3. Aus folgenden Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof jedoch im präjudiziellen Umfang Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien, Plandokument Nr. 6950 (Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 7/1997, am ):
"(...) Mit Erkenntnis VfSlg. 14.041/1995 hob der Verfassungsgerichtshof § 1 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1976, LGBl. Nr. 18, als verfassungswidrig auf, da sich in der BO f Wien keine dem Legalitätsprinzip entsprechenden Determinanten für die Planung gefunden und Festlegungen von Planungszielen ebenso gefehlt haben wie Regelungen über die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers. Mit der am in Kraft getretenen Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 10/1996, führte der Wiener Landesgesetzgeber im neuen § 1 Abs 2 BO f Wien einen umfassenden Zielkatalog für die Raumordnung ein und regelte in §§1 und 2 BO f Wien das für die Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne einzuhaltende Verfahren. Weiters erließ der Landesgesetzgeber ArtII als Übergangsbestimmung:
'Übergangsbestimmung
(1) Der Stadtsenat kann durch Verordnung feststellen, daß bereits erlassene Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne oder flächenmäßige Teile dieser Pläne als Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne im Sinne dieses Gesetzes gelten. Diese Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne sind in der Verordnung mit ihrer Kennzahl (Nummer des Plandokumentes) zu bezeichnen. Flächenmäßige Teile dieser Pläne, die nicht umfaßt werden, sind ausdrücklich zu bezeichnen. Die Verordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen. Auf die Ausfolgung der Planbeilagen zu den bezogenen Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen hat jedermann gegen Ersatz der Vervielfältigungskosten Anspruch.
(2) Eine Feststellung gemäß Abs 1 ist nur zulässig, wenn bei der Erstellung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne die am geltenden gesetzlichen Bestimmungen in den Grundzügen eingehalten worden sind.
(3) Von einer Feststellung gemäß Abs 1 können Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne nur erfaßt sein, wenn sie am in Geltung stehen.
(4) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne, die in einer Verordnung gemäß Abs 1 enthalten sind, treten mit Ablauf des außer Kraft, sofern sie an diesem Tag noch in Geltung stehen.
(5) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne, die am in Geltung stehen und nicht in eine Verordnung gemäß Abs 1 aufgenommen werden, treten mit Ablauf des außer Kraft.'
Im Erkenntnis vom , B1323-1325/97, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass gegen diese Übergangsbestimmung keine Bedenken bestehen und erläuterte die Erfordernisse der Einhaltung der §§1 und 2 BO f Wien:
'Der Verfassungsgerichtshof mißt der Voraussetzung der Einhaltung des Verfahrens gemäß §§1 und 2 WBO in den Grundzügen die Bedeutung bei, daß sowohl bei der Abwägung der Ziele als auch bei der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen jener Mindeststandard eingehalten wurde, der im Hinblick auf das Legalitätsprinzip geboten ist, um einerseits eine ausreichende und nachvollziehbare Darstellung der gebotenen Abwägungen sicherzustellen und andererseits auszuschließen, daß das Verwaltungshandeln in einem rechtsfreien Raum ohne Überprüfungsmöglichkeit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit stattfindet. Weder eine einseitige und selektive Abwägung ausgewählter Ziele noch eine Außerachtlassung der für die Festlegungen im Raumplan maßgeblichen Grundlagen könnte daher als Einhaltung des Verfahrens gemäß §§1 und 2 WBO in den Grundzügen angesehen werden.
Daß der Gesetzgeber der Übergangsregelung auf die Einhaltung der Regelungen der §§1 und 2 WBO idF der Novelle LGBl. Nr. 10/1996, im Detail deswegen nicht abstellen konnte, liegt auf der Hand, denn sie waren bei Erlassung der Raumpläne noch nicht bekannt.
Der Verfassungsgerichtshof hat also keine Bedenken gegen die inhaltlichen Vorgaben der Sanierung bestehender Raumordnungspläne durch ArtII der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996; durch sie wird das Verhalten des Stadtsenates bei Erlassung der genannten Verordnung in ausreichender Weise vorherbestimmt.'
(...) Mit Verordnung des Stadtsenats der Stadt Wien vom wurde das vor dem Plandokument 6950 in Geltung stehende Plandokument Nr. 6694 im Sinne der BO für Wien in der Fassung des LGBl. Nr. 10/1996 gemäß ArtII Abs 1 und Abs 2 übergeleitet. Am beschloss der Gemeinderat der Stadt Wien die in Prüfung gezogene Verordnung.
Dem Vorlagebericht vom des Magistrats der Stadt Wien ist zu entnehmen (die im Vergleich zum Vorlagebericht vom zu Plandokument 6694 vorgenommenen Ergänzungen bzw. Änderungen sind hervorgehoben):
'Da die Zielsetzungen der Antragstellung zu Plandokument Nr. 6694 grundsätzlich nach wie vor Gültigkeit besitzen und auf die ab in Kraft getretenen Bestimmungen des § 1 der BO für Wien Bedacht nehmen, ist im Hinblick auf die Schaffung einer Rechtslage, die keiner Befristung unterliegt, die Durchführung eines neuerlichen Verfahrens gemäß § 2 der BO für Wien angezeigt.
Die neuerliche Antragstellung erfolgt unter Bedachtnahme auf folgende Ziele der BO für Wien:
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- | Erhaltung der kleinteiligen Bebauungsstruktur durch Beschränkung der baulichen Ausnutzbarkeit und der Gebäudehöhen (§1 (2) Z 1, 14) | |||||||||
- | Sicherung zusammenhängender Grünflächen und des Baumbestandes durch Baufluchtlinien und besondere Bestimmungen (§1 (2) Z 4) | |||||||||
- | Sicherung der Trasse der Straßenbahnlinie 60 (§1 (2) Z 8) | |||||||||
- | Sicherung der Trasse der 1. Wiener Hochquellenwasserleitung (§1 (2) Z 12) |
3. Festsetzungen:
Entsprechend den bisherigen Festsetzungen und unter Berücksichtigung der geschaffenen Bauplätze bzw. der Nutzung soll der Baulandbereich wieder als Bauland/Wohngebiet ausgewiesen werden. Die Gebäudehöhe in der Bauklasse I soll im Hinblick auf das Ortsbild, den Gebäudebestand bzw. die jeweilige Geländesituation differenziert und Höhenbeschränkungen auf 4,5 m, 6,5 m und 7,5 m vorgeschlagen werden. Weiters soll bestimmt werden, daß nur ein Dachgeschoß errichtet werden und der höchste Punkt des Daches von Gebäuden nicht mehr als 4,5 m über der tatsächlich errichteten Gebäudehöhe zu liegen kommen darf.
Zur Vermeidung einer zu großen Bebauungsdichte werden prozentmäßige bzw. flächenmäßige Beschränkungen vorgeschlagen und weiters soll bestimmt werden, daß nur Kleinhäuser im Sinne des § 116
(1) der BO für Wien zur Errichtung gelangen dürfen (BB1, BB2). Zusätzlich sollen in diesem Zusammenhang die Trakttiefen der zur Errichtung gelangenden Gebäude in offener bzw. offener oder gekuppelter Bauweise mit 15,00 m begrenzt werden. Um die Wirkung von zusammenhängenden Grünräumen in den Blockinnenflächen zu erhalten, dies trifft vor allem auf die größeren Baublöcke im Plangebiet zu, sollen bebaubare Bereiche durch Setzen von Baufluchtlinien ausgewiesen werden. Mit der gleichen Begründung soll auch bestimmt werden, daß Einfriedungen an seitlichen und hinteren Grundgrenzen so gestaltet werden, daß der freie Durchblick nicht behindert wird.
Die Errichtung von unterirdischen Baulichkeiten in den der gärtnerischen Ausgestaltung vorbehaltenen Flächen soll zum Schutz des Baumbestandes bzw. um Baumpflanzungen zu ermöglichen auf maximal 20 % dieser Flächen eingeschränkt werden und in den bereits parkähnlichen Bereichen die Errichtung von ober- und unterirdischen Baulichkeiten gänzlich untersagt werden (BB3).
Im gesamten Planungsgebiet soll die Errichtung von Nebengebäuden mit einer verbauten Fläche von höchstens 30 m2 je Bauplatz zugelassen werden. Weiters soll zur Verbesserung der Grundwassersituation bzw. zur Entlastung des Kanalsystems die Einleitung von Niederschlagswässern in den Kanal untersagt werden.
Die Trasse für die das Plangebiet erschließende Straßenbahnlinie 60 wird wie bisher als Verkehrsband vorgeschlagen. Durch die gegebenen Niveauunterschiede ist es erforderlich, in den Kreuzungsbereichen mit der Rudolf-Waisenhorn-Gasse sowie der Breitenfurter Straße Widmungen in zwei Räumen festzulegen (BB4, BB5). Der Bestand der 1. Wiener Hochquellenwasserleitung soll durch die Ausweisung einer Einbautentrasse widmungsmäßig gesichert werden.
Die Summe der vorher angeführten Maßnahmen stellen, wobei der vorliegende Entwurf grundsätzlich den Inhalten des PD 6694 entspricht, in Abstimmung mit den bereits eingeleiteten Entwicklungen und die Bedachtnahme auf den Bestand, die gemäß § 1 (4) der BO für Wien geforderten wichtigen Rücksichten dar.'
(...) Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Festsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument Nr. 6950 den Erfordernissen des § 1 Abs 2 BO f Wien nicht Rechnung trägt. Der Verfassungsgerichtshof hegt vielmehr das Bedenken, dass bei der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen zur Erlassung der Verordnung keine ausreichende Abwägung der im § 1 Abs 2 leg. cit. genannten Ziele erfolgt ist, insbesondere des Ziels der Wohnflächenvorsorge des § 1 Abs 2 Z 1 leg. cit. Der Vorlagebericht vom scheint abgesehen von wenigen Ausführungen zu geringfügigen, weiterreichenden Bebauungsbeschränkungen nahezu ident mit dem Vorlagebericht vom zur Erlassung des Plandokuments Nr. 6694 zu sein.
Ziel der Übergangsbestimmung des ArtII leg. cit. ist es, dass bestehende Plandokumente, bei deren Erlassung das Verfahren gem. §§1 und 2 BO f Wien in den Grundzügen eingehalten wurde, durch Verordnung des Stadtsenats übergeleitet werden konnten. Übergeleitete Raumpläne treten gemäß Abs 4 dieser Bestimmung mit Ablauf des außer Kraft, falls sie zu diesem Zeitpunkt noch in Geltung stehen. Während dieses zehnjährigen Zeitraums müssen jedenfalls Flächenwidmungs- und Bebauungspläne erlassen werden, die die detaillierten Anforderungen der §§1 und 2 BO f Wien genau und nicht bloß 'in den Grundzügen' einhalten. Der Zielkatalog des § 1 Abs 2 BO f Wien war zum Zeitpunkt der Erlassung des Plandokuments Nr. 6694 nicht bekannt. Für den Verfassungsgerichtshof ist zunächst nicht erkennbar, inwieweit eine ausreichende Abwägung der Ziele vorgenommen wurde. Die für die Überleitung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes durch Verordnung des Stadtsenats erforderliche Einhaltung des Verfahrens gemäß §§1 und 2 BO f Wien in den Grundzügen dürfte jedenfalls den Erfordernissen an die Einhaltung des Verfahrens bei neuerlicher Festsetzung eines Raumplanes nicht gleichzuhalten sein.
Dem Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift, der Verfassungsgerichtshof gehe in seinem Erkenntnis VfSlg. 14.041/1995 selbst davon aus, dass das fachliche Niveau der Planungsabteilungen des Magistrats beachtlich sei, hält der Verfassungsgerichtshof vorläufig entgegen, dass diese Feststellung von einer Durchschnittsbetrachtung ausging und nicht in dem Sinn zu deuten ist, dass der Verfassungsgerichtshof generell jedem auf Grund der alten Rechtslage beschlossenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan bescheinigt hat, dass die Verfahrensvorschriften der §§1 und 2 BO f Wien in allen Fällen eingehalten wurden.
(...) Es scheint daher die in Prüfung gezogene Verordnung deshalb gesetzwidrig zu sein, weil das Verfahren gemäß §§1 und 2 BO f Wien idF LGBL. Nr. 11/1930 idF LGBl. Nr. 55/1996 bei Erlassung der vorläufig in Prüfung gezogenen Verordnung nicht eingehalten wurde."
4. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die Verordnung Plandokument Nr. 6950 nicht gesetzwidrig ist.
5. Der Wiener Gemeinderat erstattete eine Äußerung, in der er die in Prüfung stehende Verordnung mit folgenden Argumenten verteidigt:
"(...) Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , ZI. G289/94-7 u.a., den § 1 BO als verfassungswidrig aufgehoben. Begründet wurde diese Aufhebung damit, dass wegen des Fehlens eines umfassenden gesetzlichen Zielkataloges für die Raumplanung bzw. zumindest einer umfassenden Umschreibung der Planungsaufgaben im Gesetz die Entscheidungsgrundlagen für die im Verordnungswege erlassenen Planungsmaßnahmen nicht erkennbar seien und dadurch dem Legalitätsprinzip nicht Genüge getan würde.
Mit der Novelle LGBl. Nr. 10/1996 hat der Wiener Landesgesetzgeber unter anderem den § 1 BO neu gefasst und der Wiener Stadtplanung einen umfassenden Katalog jener Planungsziele, die als Richtlinien bei der Festsetzung bzw. Abänderung von Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen heranzuziehen sind, vorgegeben, um so eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungen zu ermöglichen.
Diese Novelle ist gemäß ihrem ArtIII Abs 1 am in Kraft getreten. Die in Rede stehende Verordnung, Plandokument Nr. 6950, wurde am vom Gemeinderat der Stadt Wien beschlossen. Es ist daher den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes beizupflichten, wonach dieses Plandokument die detaillierten Anforderungen der §§1 und 2 BO nicht bloß in den Grundzügen sondern zur Gänze erfüllen muss. Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht des Gemeinderates der Stadt Wien, wie im Folgenden ausgeführt wird, als erfüllt anzusehen.
So findet sich im Punkt 1 des an den Gemeinderat gerichteten Vorlageberichtes des Magistrates der Stadt Wien vom eine genaue Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten des Plangebietes; es werden der vorhandene Gebäudebestand, die Fläche des Plangebietes sowie die Zahl der Bewohner angeführt. Des Weiteren finden sich Hinweise auf die vorhandene Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie eine Darstellung der Situation des Individualverkehrs, wobei insbesondere die Beeinträchtigungen der Wohnqualität an der Breitenfurter Straße durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen Erwähnung finden. Hinweise auf bestehende Einrichtungen der Nahversorgung sowie auf soziale Infrastrukturen sind ebenfalls in diesem Punkt des Vorlageberichtes enthalten. Im Vorlagebericht können allerdings schon aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht sämtliche Verkehrsflächen des Plangebietes namentlich mit Angabe der jeweiligen Straßenbreite und Verkehrsdichte angeführt werden.
Diese Ausführungen im Vorentwurfsbericht zeigen im Zusammenhang mit den umfangreichen Antragsbeilagen, dass die nach § 2 Abs 1 BO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 10/1996, geforderte präzise Erarbeitung und Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen erfolgt ist.
Auch wenn im Vorlagebericht des Magistrates an den Gemeinderat Hinweise auf die weiterhin gültigen Zielsetzungen, die auch bereits für die Ausarbeitung des vorher in Geltung gestandenen Plandokumentes Nr. 6694 maßgebend waren, enthalten sind, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass keine ausreichende Abwägung der im § 1 Abs 2 BO genannten Ziele, insbesondere hinsichtlich des Zieles der Wohnflächenvorsorge (§1 Abs 2 Z 1 BO) erfolgt ist.
Die Planungsabteilungen des Magistrates haben bereits lange vor In-Kraft-Treten der Novelle, LGBl. Nr. 10/1996, einen umfassenden, jedoch auf den Charakter des jeweiligen Bearbeitungsgebietes abgestimmten Zielkatalog im jeweiligen Motivenbericht der Plandokumente angeführt. Diese so formulierten Ziele waren und sind die Basis, auf die sich die vorgeschlagenen Festsetzungen stützen. Die Stadtplanung hat also schon früh erkannt, dass der § 1 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 10/1996 der in Abs 1 nur von 'wichtigen Rücksichten' als Erfordernis für eine Änderung der Flächenwidmung sprach, wegen des Fehlens einer umfassenden Umschreibung der Planungsaufgaben, die Entscheidungsgrundlagen für die im Verordnungswege zu erlassenden Planungsmaßnahmen nicht ausreichend erkennbar gemacht hat. Bei der Erlassung der Plandokumente wurde daher eine Vorgangsweise eingehalten, die der heute gültigen Rechtslage entspricht.
Die nunmehr in § 1 Abs 2 BO enthaltenen Planungsziele wurden nicht kurz vor der zitierten BO-Novelle entwickelt, sondern waren der Stadtplanung bereits seit Jahren bekannt. Es darf in diesem Zusammenhang auf die Inhalte der Stadtentwicklungspläne 1984 und 1994 und auf die Leitlinien für die Stadtentwicklung 1991 verwiesen werden. Diese Gemeinderatsbeschlüsse stellen bis heute die Rahmenbedingungen für die räumliche Stadtentwicklung dar und sind die im § 1 Abs 2 BO genannten Zielvorstellungen zum überwiegenden Teil in diesen Beschlüssen wieder zu finden.
Dass die im Plandokument Nr. 6950 angeführten und aus der vorher gültigen Rechtslage übernommenen Ziele im Einklang mit dem neuen § 1 Abs 2 BO stehen, hat eine diesbezügliche Überprüfung aus Anlass dieses Antragsverfahrens ergeben. Das Ergebnis dieser Prüfung, welche der in § 1 Abs 2 angeführten beispielhaften Planungsziele dem jeweiligen Antragsziel zuzuordnen sind, geht aus den, den Antragszielen zugeordneten Ziffern des § 1 Abs 2 BO hervor (Seite 3 des Vorlageberichtes).
Dass bei der Erlassung des in Prüfung gezogenen Plandokumentes insbesondere keine ausreichende Abwägung des Zieles der Wohnflächenvorsorge gemäß § 1 Abs 2 Z 1 erfolgt sein soll, ist nicht zutreffend. Gerade weil es sich bei dem vorliegenden Bearbeitungsgebiet um ein reines Wohngebiet handelt, wurde diesem Umstand bei der Grundlagenforschung ein besonderes Augenmerk geschenkt.
Da das hauptsächlich aus Einfamilienhäusern mit dazugehörenden Gärten und einigen Wohn- bzw. Reihenhausanlagen bestehende Gebiet auf Grund nahezu lückenloser Bebauung fast aller Grundstücke kaum mehr einen Entwicklungsspielraum besitzt, war die Erhaltung dieser kleinteiligen städtebaulichen Struktur sowie die Sicherung der zusammenhängenden Grünräume und des Baumbestandes oberstes Ziel.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurden in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan einerseits Beschränkungen der baulichen Ausnützbarkeit und der Gebäudehöhen aufgenommen und andererseits wurde durch Festsetzung von Baufluchtlinien versucht, die Erhaltung von zusammenhängenden Grünflächen zu sichern.
Diese Zielvorstellungen haben sich auf Grund der geringen Dynamik, bedingt durch die beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten, bis heute nicht geändert. Im Hinblick darauf, dass zwischen der Beschlussfassung der Plandokumente Nr. 6694 und Nr. 6950 lediglich ein Zeitraum von zwei Jahren gelegen ist, mussten die Zielsetzungen und Maßnahmen (Festsetzungen) zwangsläufig ident bzw. nahezu ident sein."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die zu B2492/97 protokollierte Beschwerde zulässig ist und die in Prüfung gezogene Verordnung bei ihrer Behandlung präjudiziell ist, haben sich als zutreffend erwiesen.
2. Auch die vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung treffen zu:
Der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber gemäß Abs 4 der Übergangsbestimmung des ArtII der Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 10/1996 einen zehnjährigen Zeitraum gewährt, während dessen gemäß ArtII Abs 1 leg. cit. übergeleitete Flächenwidmungs- und Bebauungspläne bis zum Ablauf des in Kraft bleiben.
Damit stellt der Gesetzgeber aber auch klar, dass bei der Erlassung eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplans tatsächlich eine das Ergebnis der Festlegungen rechtfertigende Grundlagenforschung stattgefunden haben muss, um den Ansprüchen der §§1 und 2 BO f Wien idF LGBL. Nr. 11/1930 idF LGBl. Nr. 55/1996 zu genügen. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Meinung, dass die für die Überleitung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes durch Verordnung des Stadtsenats erforderliche Einhaltung des Verfahrens gemäß §§1 und 2 BO f Wien in den Grundzügen nicht den Erfordernissen an die Einhaltung des Verfahrens bei neuerlicher Festsetzung eines Raumplanes gleichzuhalten ist.
In seiner Äußerung vertritt der Gemeinderat der Stadt Wien die Ansicht, bei der Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung seien die in den §§1 und 2 BO f Wien enthaltenen Anforderungen zur Gänze als erfüllt anzusehen.
Aus dem Hinweis auf weiterhin gültige Zielsetzungen, die auch für die vorher in Geltung gestandenen Plandokumente maßgebend waren, könne nicht auf eine mangelnde Abwägung der Ziele der §§1 und 2 BO f Wien geschlossen werden, denn diese Zielsetzungen hätten sich auf Grund der geringen Dynamik im Planungsgebiet bis heute nicht geändert.
Diese Ausführungen veranlassen den Verfassungsgerichtshof zu folgender Klarstellung: Für die gemäß ArtII Abs 4 BO f Wien neu zu erlassenden Flächenwidmungs- und Bebauungspläne ist dann keine umfassend neue Grundlagenforschung erforderlich, wenn die bestehende Grundlagenforschung - auf die verwiesen wird - das Ergebnis der jeweiligen Festlegung rechtfertigt.
Dies ist jedoch bezüglich der baulichen Beschränkung des Grundstücks der Beschwerdeführer nicht der Fall. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Vorgartentiefe gerade in diesem Straßenzug und dort nur auf einer Straßenseite 8,00 m betragen muss, während sie etwa auf der gegenüberliegenden Straßenseite 4,00 m beträgt. Auch für die im Vergleich zum Großteil des restlichen Planungsgebietes restriktive Festlegung der Baufluchtlinien auf dem Grundstück der Beschwerdeführer gibt es keine in der Grundlagenforschung dokumentierte Erklärung. Das im Vorlagebericht vorgebrachte Argument der "zusammenhängenden Grünräume in den Blockinnenflächen" kann nicht gänzlich unterschiedliche Ausmaße von begrünten Blockinnenflächen rechtfertigen. Das Ziel der "Erhaltung der kleinteiligen Bebauungsstruktur durch Beschränkung der baulichen Ausnutzbarkeit und der Gebäudehöhen" kann ebenso wenig wie die allgemeinen Aussagen zur geringen Bebauungsdichte, Höhenbeschränkungen, Trakttiefe und Bauweise im Vorlagebericht als ausreichende Grundlagenforschung für sehr unterschiedliche Festlegungen der Bebauungsbeschränkungen im gesamten Planungsgebiet und besonders restriktive bezüglich des Grundstücks der Beschwerdeführer herangezogen werden.
Aus all diesen Gründen war die genannte Verordnung in dem in Prüfung gezogenen Umfang aufzuheben.
3. Die Verpflichtung der Wiener Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.