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VfGH vom 24.09.2002, V53/02

VfGH vom 24.09.2002, V53/02

Sammlungsnummer

16620

Leitsatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit weiterer Schwellenwertregelungen im Bundesvergabegesetz sowie in der dazu ergangenen Erstreckungsverordnung 2000 unter Hinweis auf die Vorjudikatur

Spruch

I. Die Wortfolge "Bau- und" in § 14 Abs 1 Z 3 des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 1997 - BVergG), BGBl. I Nr. 56, war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Die Wortfolge "Bau- und" in § 2 Abs 1 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der für Auftraggeber im Bereich der Bauleistungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten der Anwendungsbereich des 4. Teiles des Bundesvergabegesetzes 1997 erweitert wird - Erstreckungsverordnung 2000, BGBl. II Nr. 35, war gesetzwidrig.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung hat als vergebende Stelle im Auftrag der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) den Bauauftrag "Herstellung der Betondecke an der A 2 Südautobahn Steiermark, im Bereich der Umfahrung 'Gleisdorf' von AB-km 154,890 bis 160,590 auf der Richtungsfahrbahn Wien und von AB-km 156,300 bis 160,590 auf der Richtungsfahrbahn Graz sowie die Sanierung der Schwarzdecke auf der Richtungsfahrbahn Wien von km 153,780 bis 154,230" im offenen Verfahren ausgeschrieben.

Die im hg. Verfahren B1301/00 beschwerdeführende Gesellschaft hat sich an diesem Vergabeverfahren durch Legung eines Angebots beteiligt. Die Angebotseröffnung fand am statt. Am teilte die vergebende Stelle der beschwerdeführenden Gesellschaft mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag an eine namentlich genannte Mitbieterin zu erteilen. Erst mit Schreiben vom wurde die beschwerdeführende Gesellschaft davon in Kenntnis gesetzt, dass ihr Anbot wegen eines nicht plausiblen Lohnanteils gemäß § 52 Abs 1 Z 3 Bundesvergabegesetz 1997 (BVergG) ausgeschieden werde. Mit Schlussbrief vom wurde der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin der Zuschlag erteilt.

Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte am beim Bundesvergabeamt (BVA) die Feststellung, dass aufgrund eines Verstoßes gegen das BVergG, nämlich aufgrund des entgegen § 52 Abs 1 Z 3 BVergG erfolgten Ausscheidens ihres Anbots, der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei. Am wurde die beschwerdeführende Gesellschaft vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch das BVA verständigt und ihr anheim gestellt, eine Stellungnahme zu erstatten. In einer daraufhin erfolgten Stellungnahme vom "wiederholte" und "konkretisierte" die beschwerdeführende Gesellschaft ihren Feststellungsantrag.

2. Mit Bescheid vom , Z F-18/98-19, wurde der (ursprünglich am gestellte und in der Stellungnahme vom wiederholte) Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Feststellung, "dass aufgrund eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz, nämlich dem Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin entgegen § 52 Abs 1 Z 3 BVergG, der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde", abgewiesen (Spruchpunkt 1). Die Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft "vom " auf Feststellung, "dass wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz und/oder der hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde", sowie in eventu auf Feststellung, "dass aufgrund eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz, nämlich dem Unterlassen der Festsetzung ausdrücklicher Zuschlagskriterien in der Ausschreibung entgegen § 53 BVergG, der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde", wurden gemäß § 115 Abs 4 BVergG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 2).

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unversehrtheit des Eigentums gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

4. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "Bau- und" in § 14 Abs 1 Z 3 BVergG 1997, BGBl. I 56, sowie hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "Bau- und" in § 2 Abs 1 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der für Auftraggeber im Bereich der Bauleistungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten der Anwendungsbereich des 4. Teiles des Bundesvergabegesetzes 1997 erweitert wird - Erstreckungsverordnung 2000, BGBl. II 35, entstanden. Er hat daher beschlossen, die Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen von Amts wegen zu prüfen.

a) Diese Bestimmungen standen in folgendem normativen Zusammenhang:

Das BVergG 1997 enthielt gesetzliche Regelungen über das Vergabeverfahren und die Vergabekontrolle für die Vergabe von Bau- und Baukonzessionsaufträgen durch bestimmte öffentliche Auftraggeber oberhalb bestimmter Schwellenwerte. Für die Vergabe von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte bestimmte § 13 BVergG 1997 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 56/1997 unter anderem:

"(1) Unterhalb der in den §§5 bis 8 festgelegten Schwellenwerte haben die in § 11 Abs 1 Z 1 bis 4 genannten Auftraggeber die Bestimmungen der ÖNORM A 2050 'Vergabe von Aufträgen über Leistungen - Ausschreibung, Angebot und Zuschlag - Verfahrensnorm' vom , Anlage zur Allgemeinen Bundesvergabeverordnung - ABVV, BGBl Nr. 17/1994, bei der Vergabe von Aufträgen anzuwenden, soweit ihr Inhalt nicht gemeinschaftsrechtlichen oder bundesgesetzlichen Regelungen - abgesehen von den Bestimmungen des 3. Teiles dieses Bundesgesetzes - oder den auf Grund des 2. Teiles dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen widerspricht.

..."

Der unter der Rubrik "Erweiterung des Rechtsschutzbereiches" stehende § 14 BVergG 1997 in der zitierten Fassung bestimmte weiters auszugsweise (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"(1) Die Bundesregierung kann mit Verordnung das 1., 2. und 4. Hauptstück des 4. Teiles dieses Bundesgesetzes für in § 11 Abs 1 Z 1 bis 4 genannte Auftraggeber auch unterhalb der in den §§5 bis 8 festgelegten Schwellenwerte für bindend erklären, wenn dies im Interesse des Wettbewerbes, des Rechtsschutzes von Bewerbern oder Bietern und im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise bei der Vergabe von Aufträgen zweckmäßig ist und folgende Auftragswerte nicht unterschritten werden:

1. bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen gemäß §§1 und 3 eine Million Schilling ohne Umsatzsteuer,

2. bei Bau- und Baukonzessionsaufträgen gemäß § 2 Abs 1 Z 2 und 3 und Abs 3 sowie § 11 Abs 3 14 Millionen Schilling ohne Umsatzsteuer,

3. bei Bau- und Baukonzessionsaufträgen gemäß § 2 Abs 1 Z 1 sieben Millionen Schilling ohne Umsatzsteuer.

(2) ...

(3) Bis zur Erlassung einer Verordnung der Bundesregierung gemäß Abs 1 kann jeder Bundesminister für seinen Wirkungsbereich eine solche Verordnung erlassen."

Das 1., 2. und 4. Hauptstück des 4. Teiles des BVergG 1997 enthielt Regelungen über den vergabespezifischen Rechtsschutz durch die Bundes-Vergabekontrollkommission und das BVA sowie zivilrechtliche Bestimmungen. Die in den bezogenen Ziffern des § 11 Abs 1 genannten öffentlichen Auftraggeber waren der Bund, bestimmte Einrichtungen des Bundes, bestimmte rechnungshofkontrollpflichtige Unternehmungen sowie die Sozialversicherungsträger und der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Mit Wirkung ab erließ der (damalige) Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Erstreckungsverordnung 2000, mit der für Auftraggeber "im Bereich der Bauleistungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten" der Anwendungsbereich des 4. Teiles des BVergG 1997 erweitert wurde.

Im Einzelnen bestimmte diese Verordnung Folgendes (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Betroffene Auftraggeber

§1. (1) Das 1., 2. und 4. Hauptstück des 4. Teiles des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 1997 - BVergG) werden für öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 11 Abs 1 Z 1 bis 3 BVergG im Bereich der Bauleistungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten auch unterhalb der im § 6 BVergG festgelegten Schwellenwerte für bindend erklärt.

(2) Zu öffentlichen Auftraggebern gemäß Abs 1 zählen insbesondere auch:

1. - 7. ...

8. die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG

Sachlicher Geltungsbereich

§2. (1) Die Erweiterung des Rechtsschutzbereiches des Bundesvergabegesetzes 1997 gemäß § 1 gilt ausschließlich für Bau- und Baukonzessionsaufträge, bei denen folgende Auftragswerte nicht unterschritten werden:

1. bei Bau- und Baukonzessionsaufträgen gemäß § 2 Abs 1 Z 2 und 3 und Abs 2 sowie § 11 Abs 3 BVergG 14 Mio. Schilling ohne Umsatzsteuer,

2. bei Bau- und Baukonzessionsaufträgen gemäß § 2 Abs 1 Z 1 BVergG 7 Mio. Schilling ohne Umsatzsteuer.

(2) Bauaufträge, insbesondere die von diesen erfaßten Bauwerke, dürfen nicht in der Absicht aufgeteilt werden, sie der Anwendung dieser Verordnung zu entziehen.

Schluß- und Übergangsbestimmungen

§ 3. Diese Verordnung tritt mit in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der für Auftraggeber im Bereich der Bauleistungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten der Anwendungsbereich des 2. und 4. Teiles des Bundesvergabegesetzes erweitert und die ÖNORM A 2050 für verbindlich erklärt wird (Erstreckungsverordnung), BGBl. Nr. 802/1995, außer Kraft."

Mit In-Kraft-Treten des Bundesvergabegesetzes 2002, BGBl. I 99, ist gemäß dessen § 188 Abs 6 Z 3 § 14 Abs 1 Z 3 BVergG 1997 mit außer Kraft getreten.

b) In seinem Einleitungsbeschluss vom ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig sei und er bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des BVergG 1997 bzw. der Erstreckungsverordnung 2000 bei der Beurteilung, ob das BVA seine Zuständigkeit zu Recht angenommen habe, anzuwenden hätte.

c) In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass § 14 Abs 1 Z 3 BVergG betreffend Bauaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z 1 BVergG insofern zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung zwischen den Rechtspositionen von Bewerbern und Bietern im Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge führte, als die Bundesregierung bzw. subsidiär der einzelne Bundesminister (für seinen Wirkungsbereich) eine die gesetzlichen Bestimmungen über den vergabespezifischen Rechtsschutz erstreckende Verordnung nur für (Bau-)Aufträge erlassen konnte, deren Auftragswerte bestimmte Schwellenwerte überschreiten. Weiters führte er aus:

"Daß die Einräumung eines besonderen vergaberechtlichen Rechtsschutzes aber nur für Aufträge vorgesehen wird, die bestimmte Schwellenwerte übersteigen, hat der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom , G110, 111/99, vom , G43/00, und insbesondere vom , G10/01, betreffend das Bundesvergabegesetz als dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend erkannt. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß der Gesetzgeber im Unterschwellenbereich auf eine außenwirksame Regelung, die den Bewerbern und Bietern wenigstens ein Minimum an Verfahrensgarantien zur Verfügung stellt, gänzlich verzichtet und die Bewerber und Bieter damit vom vergabespezifischen Rechtsschutz generell ausgeschlossen hat, sei nicht erkennbar.

Der Verfassungsgerichtshof sieht vorläufig keinen Grund, von seiner Ansicht abzugehen, daß der gänzliche Verzicht auf einen vergabespezifischen Rechtsschutz angesichts des Mangels geeigneter zivilverfahrensrechtlicher Vorschriften, die den besonderen Bedürfnissen einer raschen - vielfach keinen Aufschub duldenden - vergaberechtlichen Rechtskontrolle Rechnung tragen, zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führt. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die drei oben zitierten Erkenntnisse verwiesen."

Weiters vertrat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, dass im Fall, dass sich die gegen die Bestimmung des § 14 Abs 1 Z 3 BVergG dargelegten Bedenken als gerechtfertigt erweisen würden, diese auch die in Prüfung gezogene Bestimmung der Erstreckungsverordnung 2000 betreffen würden.

5. Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung am beschlossen, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen.

Der am Verfahren beteitligte Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat keine Äußerung erstattet.

Die im Anlassverfahren B1301/00 beteiligte Partei, die ASFINAG, hat mitgeteilt, dass sie von der Erstattung einer Äußerung absehe.

Die im Anlassverfahren B1301/00 beschwerdeführende Gesellschaft hat hingegen eine Äußerung erstattet, in der sie anregt, von einer "Aufhebung" der in Prüfung gezogenen Wortfolgen abzusehen und stattdessen eine Prüfung alternativer Wortfolgen einzuleiten. Sie begründet diese Auffassung damit, dass

"die in den gegenständlichen Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren in Aussicht genommene Aufhebung der Wortfolge 'Bau- und' in § 14 Abs 1 Z. 3 Bundesvergabegesetz 1997 und 'Bau- und' in § 2 Abs 2 Z. 2 der Erstreckungsverordnung 2000 im Ergebnis zu einer erheblichen Einschränkung des Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich führen [würde].

Durch die in Aussicht genommene Aufhebung der Wortfolge 'Bauund' in § 14 Abs 1 Z. 3 Bundesvergabegesetz 1997 würde nämlich die Kompetenzgrundlage für die Ermächtigung der Bundesregierung, das Bundesvergabegesetz auch unterhalb der Schwellenwerte für bindend zu erklären, für den Bereich der Bauaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z. 1 Bundesvergabegesetz 1997 entzogen. Mit der Streichung dieser Wortfolge könnte daher die Bundesregierung Bauaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z. 1 Bundesvergabegesetz 1997 unterhalb der Schwellenwerte überhaupt nicht mehr für bindend erklären (sie könnte nämlich überhaupt keine Erstreckungsverordnungen mehr erlassen), auch nicht im Bereich zwischen ATS 7 Mio. und EUR 5 Mio. Das heißt, dass für Bauaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z. 1 Bundesvergabegesetz 1997 gesetzlich keine Möglichkeit zur Erweiterung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes auf den Unterschwellenbereich (weder ober- noch unterhalb des Bagatellwerts von S 7 Mio.) mehr gegeben wäre.

Dies würde aber im Anlassfall bedeuten, dass die Rechtsgrundlage, auf Basis derer das Bundesvergabeamt im anhängigen Bescheidprüfungsverfahren seine Zuständigkeit begründet hat und der spezifisch vergaberechtliche Rechtsschutz gewährt wurde, wegfällt, sodass auch die Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes nicht mehr gegeben wäre.

Die Ausführungen... gelten sinngemäß auch für die Aufhebung der Wortfolge 'Bau- und' in § 2 Abs 1 Z. 2 der Erstreckungsverordnung 2000 (BGBl. II, 35/2000). Hier wird durch die Aufhebung der Wortfolge 'Bau- und' in § 2 Abs 1 Z. 2 die Erstreckung der verbindlichen Anwendung des Bundesvergabegesetzes 1997 auf Bauaufträge im Unterschwellenbereich aufgehoben, wodurch der angestrebte vergaberechtliche Rechtsschutz im Unterschwellenbereich gerade nicht mehr gegeben wäre.

Isoliert betrachtet erscheint die Streichung der Wortfolge 'Bau- und' im Bundesvergabegesetz problematisch, zumal das dem Verfassungsgerichtshof unterstellte Ziel, den vergaberechtlichen Rechtsschutz auch unterhalb der Schwellenwerte zur Gänze anwendbar zu machen, aufgrund der Struktur der Bestimmung (Gegenausnahme) gerade nicht erreicht wird, sondern vielmehr die Grundlage für den im Anlassfall ohnedies gewährten Rechtsschutz wegfallen würde. Dies, weil durch die Streichung dieser Wortfolge die Kompetenzgrundlage der Bundesregierung, Bauaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z. 1 Bundesvergabegesetz 1997 auch unterhalb der Schwellenwerte dem Bundesvergabegesetz zu unterwerfen (insbesondere hinsichtlich des Rechtsschutzes), wegfallen würde."

II. Die Normenkontrollverfahren sind zulässig. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich auch als begründet erwiesen.

1. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Beschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Anlassverfahren zweifeln ließe, und auch sonst sind die Prozessvoraussetzungen gegeben.

Hinsichtlich des Prüfungsumfangs bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner im Einleitungsbeschluss formulierten Abgrenzung. Die Auffassung der beschwerdeführenden Gesellschaft des Anlassverfahrens, dass eine "Aufhebung" der in Prüfung gezogenen Wortfolgen "aufgrund der Struktur der Bestimmung" gerade nicht dazu führen könnte, dass der vergaberechtliche Rechtsschutz auch unterhalb der Schwellenwerte zur Gänze anwendbar werde, sondern im Falle einer solchen Aufhebung "vielmehr die Grundlage für den im Anlassfall ohnedies gewährten Rechtsschutz wegfallen würde", ist nicht zutreffend:

§ 14 Abs 1 BVergG ermöglicht nämlich eine Erstreckung des vergabespezifischen Rechtsschutzes für Liefer-, Dienstleistungssowie Bau- und Baukonzessionsaufträge, normiert jedoch in seinen Z 1 bis 3 für die einzelnen Auftragsarten verschiedene Schwellenwerte, die für eine Geltung des vergabespezifischen Rechtsschutzes keinesfalls unterschritten werden dürfen. Bei Entfall der in Prüfung gezogenen Wortfolge "Bau- und" in Z 3 des § 14 Abs 1 leg.cit. erhält der verbleibende Gesetzestext in § 14 Abs 1 Z 3 den Inhalt, dass nur mehr Baukonzessionsaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z 1 - nicht aber Bauaufträge nach dieser Bestimmung - den dort normierten Schwellenwert von S 7 Mio ohne Umsatzsteuer nicht unterschreiten dürfen, um Gegenstand einer einschlägigen Erstreckungsverordnung sein zu können; Bauaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z 1 BVergG hingegen müssen nach Beseitigung der Wortfolge "Bau- und" jenen - unter dem Verdacht der Gleichheitswidrigkeit stehenden - Schwellenwert nicht mehr erreichen.

Dieselben Überlegungen gelten auch hinsichtlich der Abgrenzung des Prüfungsumfangs der Wortfolge "Bau- und" in § 2 Abs 1 Z 2 der in Prüfung gezogenen Erstreckungsverordnung: In § 2 Abs 1 der Erstreckungsverordnung ist normiert, dass die Erweiterung des Rechtsschutzbereiches des BVergG 1997 "ausschließlich für Bau- und Baukonzessionsaufträge" gelten soll, wobei im Folgenden aber für die verschiedenen Arten von Bau- und Baukonzessionsaufträgen in Z 2 Schwellenwerte bestimmt werden, die auch diesfalls nicht unterschritten werden dürfen. Ergebnis einer Aufhebung im Umfang des hg. Prüfungsbeschlusses (also hinsichtlich der Wortfolge "Bau- und" bloß in Z 2 des § 2 Abs 1 der Erstreckungsverordnung, nicht aber der Wortfolge "Bau- und" im Einleitungssatz des § 2 Abs 1!) ist daher, dass Bauaufträge gemäß § 2 Abs 1 Z 1 BVergG - wie der dem Ausgangsvergabeverfahren zugrunde liegende - auch ohne Erreichen des Mindestschwellenwertes von S 7 Mio dem Geltungsbereich der Erstreckungsverordnung unterliegen. Würde der Verfassungsgerichtshof hingegen der von der beschwerdeführenden Partei des Anlassverfahrens skizzierten Abgrenzung folgen, würde sich das Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren auch auf nicht präjudizielle Bestimmungen erstrecken, deren Prüfung dem Verfassungsgerichtshof in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren verwehrt ist.

2. In der Sache bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner schon mehrfach vertretenen Auffassung (VfSlg. 16.027/2000; , und , G10/01; vgl. auch VfSlg. 15.106/1998 und 15.204/1998), dass es dem Gleichheitssatz widerspricht, bei der Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber im Unterschwellenwertbereich auf eine außenwirksame Regelung, die den Bewerbern und Bietern wenigstens ein Minimum an Verfahrensgarantien zur Verfügung stellt, gänzlich zu verzichten und die Bewerber und Bieter damit vom vergabespezifischen Rechtsschutz generell auszuschließen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die bezogenen Erkenntnisse verwiesen.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich somit als gerechtfertigt erwiesen.

Da § 14 Abs 1 Z 3 BVergG 1997 mit In-Kraft-Treten des Bundesvergabegesetzes 2002, BGBl. I 99, gemäß dessen § 188 Abs 6 Z 3 mit außer Kraft getreten ist [s. auch Pkt. I.4.a)] und durch das Außer-Kraft-Treten der Verordnungsermächtigung in § 14 BVergG 1997 auch die darauf beruhende Erstreckungsverordnung 2000 im Zeitpunkt der Fällung des hg. Erkenntnisses nicht mehr in Kraft steht (vgl. zB VfSlg. 13.552/1992; ), hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit einem Ausspruch gemäß Art 140 Abs 4 bzw. Art 139 Abs 4 B-VG zu begnügen.

III. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung erfließt aus Art 140 Abs 5 zweiter Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 2 Abs 1 Z 4 BGBlG. Die Kundmachungsverpflichtung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit stützt sich auf Art 139 Abs 5 zweiter Satz B-VG und § 60 Abs 2 VfGG iVm § 2 Abs 2 Z 4 BGBlG.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.