VfGH vom 10.03.1995, V52/94
Sammlungsnummer
14083
Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit des Verbots der Anwerbung von Fahrgästen an bestimmten Orten in der Nö Taxi-BetriebsO aufgrund der Erforderlichkeit dieser Regelung für eine ordnungsgemäße Abwicklung des Personenverkehrs sowie für die Vermeidung von Belästigungen; adäquate Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit; Gesetzwidrigkeit der Ausnahmeregelung der Berechtigung der Aufnahme von Fahrgästen auf privaten Abstellplätzen; keine Erforderlichkeit dieser Bestimmung im Sinne des GelVerkG und Widerspruch zum Gesetzesbegriff "öffentliche Orte" im GelVerkG
Spruch
1. § 28 dritter Satz der NÖ Taxi-Betriebsordnung, LGBl. 7001/20-0, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
2. Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Einschreiter besitzt eine Konzession zur Ausübung des Taxigewerbes mit dem Standort Schwechat.
Mit einer zwar als "Beschwerde" bezeichneten, aber eindeutig als (Individual-)Antrag nach Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG zu verstehenden Eingabe vom begehrt er, den zweiten und dritten Satz des § 28 der NÖ Taxi-Betriebsordnung vom , LGBl. 7001/20-0, (im folgenden kurz: NÖTBO), aufzuheben.
b) § 28 dieser - vom Landeshauptmann erlassenen - Verordnung lautet (die bekämpften Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§28
Ein Lenker darf nicht umherfahren um Fahrgäste zu gewinnen. Er darf weder an Haltestellen und Bahnhöfen von öffentlichen Verkehrsmitteln, noch auf Flughäfen Fahrgäste anwerben. Er ist jedoch berechtigt, Fahrgäste innerhalb eines privaten Abstellplatzes aufzunehmen. Weiters ist er berechtigt, Fahrgäste aufzunehmen, die ihn bei der Fahrt zu einem Standplatz anhalten."
Gemäß § 32 der Verordnung sind Übertretungen ihrer Bestimmungen nach § 14 Abs 1 Z 6 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, BGBl. 85/1952 idF BGBl. 256/1993, von der (Verwaltungs-)Behörde zu bestrafen.
c)aa) Offenbar (auch) zur Begründung seiner Antragslegitimation (insbesondere seiner aktuellen Betroffenheit durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen) führt der Einschreiter im Antrag (auszugsweise) aus:
"Soweit dem Beschwerdeführer (richtig: Antragsteller) bekannt, sind derzeit etwa 160 Taxikonzessionen ausgegeben und für so viele Fahrzeuge die Ausübung des Gewerbes im Raum Schwechat möglich.
Es ist wohl gerichtsbekannt und sämtlichen Beteiligten, insbesonders auch dem Herrn Landeshauptmann als belangter Behörde, ebenfalls bekannt, daß die Ausübung des Taxigewerbes im Raum der Stadtgemeinde Schwechat auf etwa 3 Standplätzen (außerhalb des Flughafens Schwechat) durch 160 Taxikonzessionäre überhaupt nicht lukriert, da ein Bedarf der Schwechater Stadtbevölkerung nach Taxi nur gering ist und daher nur bei Anfahren von Standplätzen außerhalb des Flughafens die wirtschaftliche Führung des Taxigewerbes ausgeschlossen ist.
Die Taxiunternehmer können nur dann eine wirtschaftliche Führung des Gewerbes vornehmen, wenn sie das Gewerbe in der Form ausüben können, indem sie dort versuchen Fahrgäste zu finden, wo wirklich ein Bedarf nach Taxifahrzeugen besteht, nämlich bei der Ankunftsseite des Flughafengebäudes Wien-Schwechat.
Ein Teil der Taxiunternehmer (ca. 65), denen schon vor längerer Zeit eine Taxikonzession verliehen wurde, kam auf die Idee, egal was der Verfassungsgerichtshof vermeint, über Gewerbefreiheit aussprechen zu müssen, ihr eigenes Süppchen zu kochen und kam es zu folgender Lösung:
Es wurde eine ATS Airport Transfer Service reg.Gen.m.b.H. gegründet und haben sich diese 65 Taxiunternehmer zu dieser Genossenschaft vereinigt und hat diese Genossenschaft von der Flughafen Wien AG einen Parkplatz gegen Entgelt gepachtet, wobei die verkehrstechnische Gestaltung der Zufahrt und der Einfahrt dieses Parkplatzes so ist, daß nur die Taxiunternehmer, die in dieser Genossenschaft zusammengeschlossen sind, die Möglichkeit haben, die Ankunftsseite des Flughafengebäudes anzufahren, und zwar über eine Straße, die mit einem Balken gesperrt (ist,) der nur mittels Schlüssels geöffnet werden kann. Die in der erwähnten Genossenschaft Vereinigten haben einen Schlüssel und sind diese in der Lage zum Parkplatz zuzufahren. Auf diesem Parkplatz stellen sich dann die Fahrzeuge auf und fahren, entsprechend dem Bedarf, in einer bestimmten Reihenfolge, die eine möglichst gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Fuhren ermöglicht, dann vor der Ankunftsseite des Flughafengebäudes vor, um die Fluggäste als Fahrgäste aufzunehmen. Auf diese Weise ist, da eine andere Zufahrtsmöglichkeit für sonstige Taxis nicht möglich ist, gewährleistet, daß ausschließlich durch die in der Genossenschaft zusammengefaßten Taxiunternehmer bzw. deren Fahrzeuge, die Versorgung der Fahrgäste mit freien Taxis ermöglicht wird.
Mit anderen Worten, durch diese Vereinbarung und diese Aufteilung wurden zwei Gruppen von Taxiunternehmen im Stadtgebiet Schwechat geschaffen, die einen, die die Möglichkeit haben, die Ankunftsseite des Flughafens über einen Privatparkplatz anzufahren (ca. 65 Genossenschafter der ATS) und die andere Gruppe, die zwar eine Konzession hat, aber den Flughafen nicht anfahren kann.
Mit ein paar wenigen, nicht in der Genossenschaft integrierten Taxiunternehmern hat die Flughafen Wien AG gesonderte Verträge abgeschlossen.
Sicherlich versuchte der Beschwerdeführer (richtig: Antragsteller) aus rein wirtschaftlichen Überlegungen diesen untragbaren Zustand, der für ihn ruinös ist, zu beseitigen, indem er um die Aufnahme in die erwähnte Genossenschaft ersuchte bzw. mit der Flughafen Wien AG eine Sondervereinbarung zu treffen. Diese Versuche scheiterten, ..."
Der Einschreiter verweist darauf, daß ihm kein anderer zumutbarer Weg als ein Individualantrag zur Verfügung stehe, um die als gesetzwidrig erachteten Verordnungsbestimmungen zu bekämpfen, weil ihm das Inkaufnehmen einer Verwaltungsstrafe unzumutbar sei.
bb) Der Antragsteller meint der Sache nach, die angefochtenen Verordnungsstellen widersprächen dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz, BGBl. 85/1952 idF des BGBl. 256/1993, (im folgenden kurz: GelVerkG); durch die in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen werde es einem Großteil der Schwechater Taxiunternehmer - nämlich jenen, die nicht Mitglieder der ATS Airport Transfer Service reg. Gen.m.b.H. sind - unmöglich gemacht, beim Flughafen Schwechat Fahrgäste anzuwerben und dort Fahrgäste aufzunehmen. Dies widerspreche dem Recht auf freie Erwerbsausübung und dem Gleichheitsgrundsatz; die Genossenschaftsmitglieder würden begünstigt, jene Taxiunternehmer, die der Genossenschaft nicht angehören, würden (unsachlich) benachteiligt.
2. Der Landeshauptmann von Niederösterreich (im folgenden kurz: NÖ Lhptm.) verteidigt die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen:
a) Durch § 28 zweiter Satz der NÖTBO werde dem Taxilenker untersagt, an Haltestellen, Bahnhöfen von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Flughäfen potentielle Fahrgäste anzusprechen und sie für eine Fahrt anzuwerben. Diese Bestimmung treffe alle Taxilenker - also auch solche, die ihr Fahrzeug auf einem privaten Abstellplatz geparkt haben. Letztere dürften Fahrgäste "eben nur dort, nicht aber an der Haltestelle oder am Bahnhof oder 'auf dem Flughafen' anwerben". § 28 zweiter Satz der NÖTBO sei eine gewerbepolizeiliche Regelung, die insbesondere verhindern solle, "daß die potentiellen Fahrgäste - kaum daß sie ausgestiegen oder angekommen sind - durch anbietende Taxilenker belästigt werden". Es habe sich gezeigt, daß in Ländern ohne ein solches Anwerbeverbot die potentiellen Fahrgäste "von einander konkurrierenden Taxilenkern geradezu bedrängt werden".
Weiters diene die Regelung dazu, eine Behinderung des übrigen Verkehrs zu vermeiden; dies gerade an solchen Straßenstellen, die eine hohe Verkehrsdichte aufzuweisen hätten.
b) Auch § 28 dritter Satz der genannten Verordnung sei nicht gesetzwidrig: Schon aus der Definition des Taxi-Gewerbes in § 3 Abs 1 Z 3 GelVerkG ergebe sich, daß dieses Gewerbe nicht nur an öffentlichen Orten, sondern auch am Standort der Gewerbeberechtigung oder an der weiteren Betriebsstätte ausgeübt werden dürfe. Darüber hinaus scheine der Gewerberechtsgesetzgeber aber davon auszugehen, daß die Ausübung des Taxi-Gewerbes auch außerhalb des Standortes oder der weiteren Betriebsstätte erfolgen dürfe, da er eine solche Ausübung nicht untersage. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber bei den außerhalb des Standortes oder der weiteren Betriebsstätte gelegenen Plätzen zwischen öffentlichen und privaten unterschieden hätte. Die Zulässigkeit des Aufnehmens von Fahrgästen auf privaten Abstellplätzen ergebe sich daher schon aus dem Gewerbeumfang des Taxi-Gewerbes, sodaß § 28 dritter Satz der NÖTBO lediglich zur Klarstellung der sich aus dem GelVerkG ergebenden Befugnis diene.
Die angefochtene Regelung sei insofern auch aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes nicht bedenklich, da es jedermann freistehe, private Abstellplätze zu schaffen oder zu benützen.
c) Der NÖ Lhptm. begehrt, dem vorliegenden Antrag keine Folge zu geben.
3. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr verteidigt gleichfalls die Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes des § 28 NÖTBO.
Hingegen vertritt er die Auffassung, daß der dritte Satz des § 28 NÖTBO keine Deckung im GelegenheitsverkehrsG habe, weil diese Bestimmung weder für eine geordnete Gewerbeausübung noch zum Schutz der Konsumenten notwendig sei und weil in allen Fällen, in denen es sich nicht um einen "öffentlichen Ort" im Sinne des § 3 Abs 1 Z 3 GelVerkG handle, auch keine Ausübung des Taxi-Gewerbes vorliege, da diesem das Anbieten an öffentlichen Orten für jedermann eigen sei.
Darüber hinaus würde die Bestimmung des dritten Satzes des § 28 NÖTBO auch dazu führen, daß gerade an öffentlichen Orten, an denen eine besonders große Nachfrage zu erwarten ist (wie etwa auf Flughäfen, Bahnhöfen und anderen Knotenpunkten von Verkehrsmitteln), die Gewerbeausübung wiederum nur unter besonderen zusätzlichen Voraussetzungen, die nicht im öffentlichen Interesse lägen, stattfinden könnte.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein; dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (vgl. z.B. VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
b) Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor:
Der zweite Satz des § 28 NÖTBO verbietet dem Antragsteller - als Inhaber einer Taxikonzession - an bestimmten Orten Fahrgäste anzuwerben. Der dritte Satz des soeben genannten Paragraphen berechtigt den Antragsteller nur dann zur Aufnahme von Fahrgästen außerhalb von Taxistandplätzen, wenn er über einen privaten Abstellplatz verfügt und verbietet ihm (von dem im letzten Satz des § 28 NÖTBO geregelten Fall abgesehen) im Gegenschluß die Aufnahme von Fahrgästen außerhalb von Taxistandplätzen, sofern er dazu keinen privaten Abstellplatz benützen kann.
Die angefochtenen Normen greifen sohin nachteilig und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers ein.
Da die genannten Verbote unter Verwaltungsstrafsanktion stehen (s. den oben (Pkt. I.1.b) erwähnten § 32 NÖTBO), hätte der Einschreiter zwar die Möglichkeit, ein Verwaltungsstrafverfahren zu provozieren und solcherart seine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Ein solcher Weg ist ihm aber nicht zumutbar (vgl. zB. VfSlg. 13102/1992). Andere rechtliche Möglichkeiten zur Geltendmachung seiner Bedenken stehen ihm nicht zur Verfügung.
c) Da außer der Antragslegitimation auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Individualantrag zulässig.
2. Hinsichtlich des dritten Satzes des § 28 NÖTBO ist er auch berechtigt (s. die folgende litc); nicht aber in Ansehung des zweiten Satzes:
a) Die NÖTBO stützt sich zwar ihrer Promulgationsklausel zufolge nur auf § 10 Abs 1a und 1b GelVerkG. Jedoch ist auch der folgende Abs 2 als ihre allfällige gesetzliche Grundlage in Betracht zu ziehen.
Dem § 10 Abs 1a Z 2 iVm Abs 1b GelVerkG zufolge kann der Landeshauptmann hinsichtlich des Taxi-Gewerbes mit Verordnung unter anderem Vorschriften erlassen "über die nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Betriebs- und Beförderungsbedingungen".
§ 10 Abs 2 GelVerkG lautet:
"(2) Erforderlichenfalls hat der Landeshauptmann im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung und im Interesse der die Leistungen des betreffenden Gewerbes in Anspruch nehmenden Personen unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten weitere Vorschriften, insbesondere über ein Verbot oder eine Beschränkung des Auffahrens auf Standplätzen (§96 Abs 4 StVO 1960) einer Gemeinde mit Taxifahrzeugen, die auf Grund von Konzessionen mit einem Standort außerhalb der betreffenden Gemeinde eingesetzt werden, über eine bestimmte Reihenfolge im Auffahren auf Standplätzen, über die Entgegennahme von Fahrtaufträgen mittels Standplatztelefon oder Funk sowie über den Nachtdienst durch Verordnung festzulegen."
b) Der erste, zweite und dritte Satz des § 28 NÖTBO regeln jeweils völlig verschiedene Sachverhalte: Der erste Satz verbietet allgemein das Umherfahren des Taxis mit der Absicht, Fahrgäste zu gewinnen. Der zweite Satz untersagt hingegen das Anwerben von Fahrgästen an bestimmten Orten; er verbietet damit typischerweise das werbende Ansprechen potentieller Fahrgäste durch den Taxilenker - sei es außerhalb seines Fahrzeuges, sei es aus dem (fahrenden oder stehenden) Fahrzeug heraus. Der zweite Satz betrifft also - entgegen der offenkundigen Meinung des Antragstellers - weder das Auffahren von Taxis auf bestimmten Standplätzen noch das Aufnehmen (Einsteigenlassen) von Fahrgästen. Aus dem im dritten Satz des § 28 NÖTBO enthaltenen Wort "jedoch" könnte zwar allenfalls eine Verbindung - und damit ein gewisser inhaltlicher Zusammenhang - mit dem vorangehenden zweiten Satz hergeleitet werden. Diese Annahme ist aber schon durch die unterschiedliche Bezeichnung der in Rede stehenden Tätigkeiten ("anwerben" im zweiten Satz, "Fahrgäste aufnehmen" im dritten Satz) wenig naheliegend; sie verbietet sich vollends nach Aufhebung des dritten Satzes (s. dazu die folgende litc), weil damit die Interpretation ausgeschlossen wird, auch der zweite Satz könnte (unter anderem) die Aufnahme von Fahrgästen zum Gegenstand haben.
§ 28 zweiter Satz NÖTBO regelt also ausschließlich das Anwerben von Fahrgästen an bestimmten Orten. Bei diesem Inhalt findet diese Verordnungsbestimmung - wie der NÖ Lhptm. und der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr zutreffend dartun - im § 10 Abs 1a und 1b GelVerkG Deckung. Es liegt nämlich im Interesse einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Personenreiseverkehrs sowie einer Verhinderung der Belästigung ankommender Reisender, wenn etwa in Bahnhofshallen und in Ankunftshallen von Flughäfen potentielle Taxi-Fahrgäste nicht von den Taxilenkern angesprochen werden dürfen. Diese Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit ist durchaus adäquat und trifft jeden Taxilenker und jeden Inhaber einer Konzession in gleicher Weise.
c) Hingegen bietet das Gesetz keine Stütze für den dritten Satz des § 28 NÖTBO (und zwar weder die Abs 1a und 1b noch der Abs 2 des § 10 GelVerkG): Diese Verordnungsbestimmung ist nicht "erforderlich" i.S. der zitierten Gesetzesbestimmungen. Auch der NÖ Lhptm. geht nicht davon aus, sondern erblickt in ihr lediglich eine "Klarstellung der sich auch aus dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz (offenbar gemeint: aus der Definition des Taxi-Gewerbes in § 3 Abs 1 Z 3 GelVerkG) ergebenden Befugnis". Gerade das ist aber nicht der Fall.
Die grundlegende Bestimmung des § 3 Abs 1 GelVerkG definiert die Arten des gewerbsmäßigen Gelegenheitsverkehrs. Nach der Z 3 ist das Taxi-Gewerbe ("mit Kraftfahrzeugen betriebenes Platzfuhrwerks-Gewerbe")
die "Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten werden oder durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden".
Dementsprechend verfügt § 23 Abs 1 NÖTBO:
"§23. (1) In Orten, in denen Standplätze für das Taxigewerbe vorgesehen sind (Anm.: gemeint sind damit Standplätze i.S. des § 96 Abs 4 StVO 1960 - vgl. § 10 Abs 2 GelVerkG), dürfen Taxis, sofern besondere straßenpolizeiliche Anordnungen nicht anders verfügen, nur auf diesen Plätzen auffahren."
Von dieser Regel statuiert § 28 dritter Satz NÖTBO insofern eine Ausnahme, als er zwar seinem Wortlaut nach (nur) die "Aufnahme von Fahrgästen" innerhalb eines privaten Parkplatzes erlaubt, damit aber tatsächlich das "Auffahren" (das "Bereithalten") von Taxis auch auf diesen Plätzen gestattet, sollen doch die Taxis dort - ebenso wie auf Taxi-Standplätzen - nicht bloß kurzfristig für die Dauer des Einsteigens der Fahrgäste halten, sondern so lange parken, bis sich ein Fahrgast einfindet, der das Taxi in Anspruch zu nehmen wünscht.
Diese von der NÖTBO normierte Erlaubnis, Taxis auch auf privaten Parkplätzen bereitzuhalten, widerspricht dem § 3 Abs 1 Z 3 GelVerkG, sind doch derartige Plätze eben gerade keine "öffentlichen Orte" iS der erwähnten Gesetzesbestimmung. "Öffentliche Orte" sind nämlich dadurch gekennzeichnet, daß sie von jedermann unter denselben Bedingungen benützt werden können (im gegebenen Zusammenhang: jedenfalls auch von jedem Taxi mit dem Standort innerhalb der betreffenden Gemeinde angefahren werden können), während private Plätze nur einem (durch privatrechtliche Beziehungen) eingeschränkten Personenkreis offenstehen. Die in diesem Zusammenhang vom NÖ Lhptm. vertretene Auffassung überzeugt nicht, weil es nicht um die Frage der Ausübung des Taxigewerbes im allgemeinen, sondern vielmehr darum geht, wo mit Taxis "aufgefahren", also zwecks Bereithaltung der Taxis geparkt werden darf. Ein "privater Abstellplatz" i.S. des dritten Satzes des § 28 NÖTBO ist also kein "öffentlicher Ort" i. S. des § 3 Abs 1 Z 3 GelVerkG.
Hätte das Gesetz den vom NÖ Lhptm. offenbar angenommenen Inhalt, daß es das Auffahren (das Bereithalten) von Taxis auf privaten Parkplätzen gestatte und damit nicht ausschließe, daß ein Großteil von Taxilenkern überhaupt keine (oder eine im Vergleich zu den über private Parkplätze verfügungsberechtigten Konkurrenten wesentlich geringere) Chance hätte, Fahrgäste an von potentiellen Kunden besonders frequentierten Orten (etwa vor Ankunftshallen von Flughäfen) aufzunehmen, so würde es dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Wenn eine derartige Auslegung des Gesetzes denkbar sein sollte, wäre sie nach dem Prinzip der verfassungskonformen Interpretation ausgeschlossen.
d) Die in Rede stehende Verordnungsbestimmung bezieht sich praktisch ausschließlich oder doch primär auf den Taxi-Abstellplatz am Flughafen Wien-Schwechat.
Der NÖ Lhptm. schildert in einer vom Verfassungsgerichtshof eingeholten Stellungnahme vom 1. Feber 1995 unter Vorlage eines Planes die Situation in Schwechat auszugsweise wie folgt:
"1.a) Im Gebiet der Stadtgemeinde Schwechat befindet sich außerhalb des Flughafens 1 Taxistandplatz an der Südseite der Nebenfahrbahn der B 10 unmittelbar westlich der Einfahrt des Hauses Wienerstraße Nr. 25b bis unmittelbar östlich der Einfahrt des Hauses Wienerstraße Nr. 27.
1.b) Der Standplatz ist für 3 Taxis vorgesehen.
2.a) Am Flughafen Wien-Schwechat befindet sich 1 öffentlicher Taxistandplatz in der Schleifenstraße auf der östlichen Straßenseite, unter der Auffahrtsrampe zum Abflug. Um diesen Taxistandplatz vom Zollbereich der Ankunftshalle zu Fuß zu erreichen, muß eine Wegstrecke von ca. 140 m zurückgelegt werden. Die Wegstrecke führt durch den für Dauermieter eingerichteten gedeckten Parkplatz. Der Taxistandplatz selbst ist gekennzeichnet, ein Hinweis auf diesen Standplatz in der Ankunftshalle ist nicht vorhanden. Er kann von der Ankunftshalle auch nicht direkt eingesehen werden.
2.b) Der Standplatz ist für 5 Taxis eingerichtet.
.....
3. Der unter Punkt 2 angeführte Standplatz ist auf Straßen mit öffentlichem Verkehr für jedes Taxi erreichbar.
4. .....
Der Abstellplatz der ATS Airport Transfer Service reg.Gen.m.b.H. befindet sich nordöstlich der Ankunftshalle und ist für ca. 60 Fahrzeuge eingerichtet. Dieser Platz ist im Bereich der Ein- und Ausfahrt abgeschrankt. Die Aufstellungsfläche der Fahrzeuge beginnt unmittelbar hinter dem Schranken im Bereich der Ausfahrt. Dieser Parkplatz ist von der Ankunftshalle her durch 3 Ausgänge zu erreichen. Der Hauptausgang befindet sich etwa im Bereich des Fußgängerüberganges über die Busstraße. Die Enfernung von diesem Ausgang bis zum Beginn des Taxiabstellplatzes beträgt knapp 20 m. Dieser Ausgang ist auch mit einem Hinweisschild 'Taxi' gekennzeichnet. ...
....."
Diese tatsächliche Situation, wie sie am Flughafen Wien-Schwechat als dem einzigen oder zumindest wesentlichsten Anwendungsfall des § 28 dritter Satz NÖTBO gegeben ist, bestätigt die oben allgemein vorgenommene rechtliche Beurteilung.
e) Der dritte Satz des § 28 NÖTBO war aufgrund dieser Erwägungen als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr war als zuständige oberste Behörde des Bundes gemäß Art 139 Abs 5 B-VG zu verpflichten, diesen Ausspruch im Bundesgesetzblatt kundzumachen (vgl. zB VfSlg. 13040/1992).
Der auf Aufhebung des zweiten Satzes des § 28 NÖTBO gerichtete Antrag war hingegen abzuweisen.
f) Die Behörden werden aufgrund dieser Aufhebung eine Regelung zu treffen haben, die einerseits die gerügte Gesetzwidrigkeit vermeidet und andererseits den Fluggästen am Flughafen Wien-Schwechat eine ausreichende und reibungslose Versorgung mit Taxis gewährleistet. Zu bedenken wird etwa sein, ob nach der Aufhebung des § 28 dritter Satz NÖTBO die Verordnungen betreffend die öffentlichen Taxistandplätze in Schwechat (noch) gesetzmäßig sind.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
4. Ein Kostenzuspruch entfällt, weil ein solcher nicht beantragt wurde.