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VfGH vom 29.09.1993, V52/93

VfGH vom 29.09.1993, V52/93

Sammlungsnummer

13552

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Verordnung über die Höchstzahl von Taxi-Kraftfahrzeugen in Schwechat mangels Erforderlichkeit einer solchen Verordnung aus den Interessen einer geordneten Gewerbeausübung sowie der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs

Spruch

Die Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13. Feber 1992, LGBl. 7001/5-O, über die Höchstzahl von Kraftfahrzeugen für das Platzfuhrwerk-Gewerbe in Schwechat, einschließlich Flughafen Wien-Schwechat, war gesetzwidrig.

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zlen. B1099/92, B1335/92, B1336/92, B1337/92 und B2016/92 Verfahren über Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Der Landeshauptmann von Niederösterreich verweigerte den zu B1099/92 und B2016/92 beschwerdeführenden Parteien mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom (B1099/92) und (B2016/92) gemäß § 10 Abs 2 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes (GelVerkG), BGBl. 85/1952 (GelVerkG) idF der Novelle BGBl. 125/1987, iVm der Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 28. Feber 1992 (richtig: vom 13. Feber 1992), LGBl. 7001/5-0, über die Höchstzahl von Kraftfahrzeugen für das Platzfuhrwerk-Gewerbe in Schwechat, einschließlich Flughafen Wien-Schwechat, (TaxiV Schwechat 1992), die beantragte Erteilung einer Konzession zum Betrieb des Taxigewerbes mit dem Standort in Schwechat.

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr - der als Behörde zweiter Instanz aufgrund von als zulässig erachteten Devolutionsanträgen eingeschritten war - wies mit drei Bescheiden, je vom , die Ansuchen der zu B1335/92, B1336/92 und B1337/92 beschwerdeführenden Parteien um Erteilung von Konzessionen zum Betrieb des Taxigewerbes mit dem Standort in Schwechat gemäß § 10 Abs 2 GelVerkG idF der Nov. 1987 iVm der TaxiV Schwechat 1992 ab.

Alle Bescheide werden im wesentlichen damit begründet, daß die in der TaxiV Schwechat 1992 festgesetzte Höchstzahl der für das Betreiben des Taxigewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeuge (zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochteten Bescheide) bereits erreicht sei.

Gegen diese Bescheide wenden sich die eingangs erwähnten, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützten Beschwerden.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat am aus Anlaß der erwähnten Beschwerden beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der TaxiV Schwechat 1992 von Amts wegen zu prüfen.

a) aa) Die TaxiV Schwechat 1992 stützte sich auf § 10 Abs 2 letzter Satz GelVerkG idF der Novelle BGBl. 125/1987. Diese (als Verfassungsbestimmung erlassene) Gesetzesvorschrift lautete:

"§10. (1) Der Bundesminister für Verkehr (nunmehr Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) kann für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Gewerbe mit Verordnung Vorschriften erlassen über

......

(2) .....

(Verfassungsbestimmung) Weiters hat der Landeshauptmann im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unter Berücksichtigung der Anzahl und Lage der in einer Gemeinde vorhandenen Standplätze (§96 Abs 4 StVO) sowie der Anzahl und Dauer der durchschnittlich durchgeführten Fahrten für jeweils drei Jahre durch Verordnung festzulegen, daß in Gemeinden, in denen Standplätze eingerichtet sind und für deren Gebiet ein verbindlicher Tarif gemäß § 10a Abs 1 oder 2 verordnet wurde, Konzessionen zur Ausübung des mit Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerk-Gewerbes nur bis zu jener Höchstzahl erteilt werden dürfen, die einer in der Verordnung bestimmten Verhältniszahl, bezogen auf die Zahl der vorhandenen Auffahrmöglichkeiten auf Standplätzen, entspricht; die sich so ergebenden Höchstzahlen von für das Betreiben des Platzfuhrwerk-Gewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeugen sind entsprechend kundzumachen.

(3) ....."

§ 10 Abs 2 letzter Satz GelVerkG idF der Novelle 1987 wurde durch die (als Verfassungsbestimmung erlassene) Z 15 der GelVerkG Novelle 1993, BGBl. 129, aufgehoben.

bb) Die TaxiV Schwechat 1992 lautet:

"§1

Die Zahl der Auffahrmöglichkeiten zur Anzahl der Taxifahrzeuge hat sich wie 1:6,7787 zu verhalten; daraus ergibt sich eine Höchstzahl von 102.

§2

Die Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom über die Höchstzahl von Kraftfahrzeugen für das Platzfuhrwerk-Gewerbe in Schwechat, einschließlich Flughafen Wien-Schwechat, LGBl. 7001/5-0, tritt mit Inkrafttreten dieser Verordnung außer Kraft.

§3

Diese Verordnung tritt drei Jahre nach dem Inkraftreten außer Kraft." (Die Verordnung trat mit 29. Feber 1992 in Kraft.)

b) Der Verfassungsgerichtshof ging im Einleitungsbeschluß vorläufig davon aus, daß die in Prüfung gezogene Verordnung präjudiziell ist.

Er äußerte ob ihrer Gesetzmäßigkeit das Bedenken, daß sie dem § 10 Abs 2 letzter Satz GelVerkG widerspräche und verwies auf sein Erkenntnis vom 29. Feber 1992, V270-291/91 u.a. Zlen. In dieser Entscheidung hatte er ausgeführt, daß der Landeshauptmann nur dann befugt sei, eine Verhältniszahl- und Höchstzahlverordnung zu erlassen, wenn dies in der betreffenden Gemeinde im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs geboten ist. Derartige Interessen lägen aber bei der TaxiV Schwechat 1992 anscheinend nicht vor. Außerdem dürfte der Verordnungsgeber - so nahm der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß weiters an - zur Berechnung der Verhältniszahl und der Höchstzahl iS des § 10 Abs 2 letzter Satz GelVerkG eine gesetzwidrige Berechnungsmethode gewählt haben.

3. Der Landeshauptmann von Niederösterreich (als jene Behörde, die die TaxiV Schwechat 1992 erlassen hat) und der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (als die zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Bundes) haben im Verordnungsprüfungsverfahren Äußerungen erstattet. Der Landeshauptmann beantragte festzustellen, daß die Verordnung nicht gesetzwidrig war. Der Bundesminister schließt sich der im Einleitungsbeschluß vorläufig vertretenen Ansicht an, daß die Erlassung einer TaxiV für Schwechat nicht notwendig war (s.o. I.2.b); die TaxiV 1992 sei wegen Wegfalls ihrer gesetzlichen Grundlage ex lege außer Kraft getreten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Anlaßbeschwerden (s.o. I.1.) sind zulässig. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Hiebei hätte er die TaxiV Schwechat 1992 - eine als Verordnung zu qualifizierende Rechtsvorschrift - anzuwenden, die eine untrennbare Einheit bildet und daher jeweils zur Gänze präjudiziell ist.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, sind die Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Einleitungsbeschluß (s.o. I.2.b) geäußerten Bedenken, daß die TaxiV Schwechat 1992 dem § 10 Abs 2 letzter Satz GelVerkG widerspreche, treffen zu:

a) In dem die TaxiV Wien 1990 betreffenden Erkenntnis vom 29. Feber 1992, V270-291/91 u.a. Zlen., führte der Verfassungsgerichtshof aus, daß der Verfassungsbestimmung des § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG ("Weiters hat der Landeshauptmann ... durch Verordnung festzulegen ...") zwar die Verpflichtung der Behörde zur Erlassung einer Verhältniszahl- und Höchstzahl-Verordnung zu entnehmen sei.

Im Erkenntnis heißt es sodann:

"Diese Verpflichtung besteht aber nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Der aus der Entstehungsgeschichte des § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG idF der Novelle 1987 (siehe hiezu zB , und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) deutlich hervorgehende Sinn des Gesetzes führt nämlich dazu, daß dieses in möglichster Übereinstimmung mit der Erwerbsfreiheit auszulegen ist. Das bedeutet, daß der Landeshauptmann nur dann befugt ist, für eine Gemeinde, in der Taxistandplätze eingerichtet sind und für deren Gebiet ein verbindlicher Tarif verordnet wurde, eine Verhältniszahl- und Höchstzahlverordnung zu erlassen, wenn dies dort im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs geboten ist."

Derartige Interessen werden nun aber in dem die TaxiV Schwechat 1992 betreffenden Verordnungsakt des Landeshauptmannes von NÖ, Zl. A-266-Sch, nicht dokumentiert. Zwar wird in dem von der Abteilung V/1 des Amtes der NÖ Landesregierung dem zuständigen Landesrat erstatteten, am 13. Feber 1992 abgezeichneten Bericht ("Sachverhalt"), Zl. V/1-A-266/8-Sch (der offenbar eine Art Erläuterung zur TaxiV Schwechat 1992 bildet), darauf hingewiesen, daß zur Frage, ob es aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erforderlich ist, eine Verhältniszahl zu verfügen, ein verkehrstechnisches Gutachten eingeholt worden sei; in dem sodann wiedergegebenen Gutachten finden sich aber zu dieser Frage keine Ausführungen, sondern nur dazu, welche Verhältnis- und Höchstzahl festzusetzen wäre (s. hiezu die folgende litb).

Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (680 BlgNR, 18. GP), betreffend das Bundesgesetz, mit dem das GelVerkG geändert wird, BGBl. 129/1993. Die Regierungsvorlage schlägt unter Z 11 (im Gesetz: Z 15) vor, § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG (ersatzlos) aufzuheben. Die Erläuterungen hiezu besagen:

"Die bisherige Möglichkeit der Festlegung von Höchstzahlen für Taxi durch Verordnung des Landeshauptmannes hat sich in der Praxis als nicht vollziehbar erwiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen alle bisher erlassenen Verordnungen als gesetzwidrig aufgehoben, ohne daß dadurch das Interesse an einer geordneten Gewerbeausübung gefährdet worden wäre. ..."

Damit bringt die Bundesregierung ihre - offenkundig zutreffende - Meinung zum Ausdruck, daß die bisher erlassenen Verhältniszahlen- und Höchstzahlen-Verordnungen grundsätzlich überflüssig waren.

Das Verordnungsprüfungsverfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß es gerade in Schwechat ausnahmsweise geboten gewesen wäre, zur Wahrung der oben angeführten Interessen eine Verhältniszahl- und Höchstzahlverordnung zu erlassen.

Diese Ansicht wird auch vom zuständigen Bundesminister geteilt (s.o. I.3).

b) Der Landeshauptmann von Niederösterreich hat zwar in seiner im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerung angemerkt, daß gerade für Schwechat eine Ausnahmesituation bestehe; aufgrund der hohen Nachfrage nach der Ausübung des Platzfuhrwerk-Gewerbes im Bereich des Flughafens Schwechat und damit auch im Bereich der Ortschaft Schwechat und des geringen Parkplatzangebotes sei die Lage in Schwechat, einschließlich Flughafen Wien-Schwechat, mit keinem anderen Standort in Österreich zu vergleichen; es komme noch hinzu, daß die Gemeinde Schwechat und der Flughafen Wien-Schwechat an der Landesgrenze zwischen Niederösterreich und Wien liegen und aufgrund des verordneten Auffahrverbotes für standortfremde Taxifahrzeuge in Schwechat, LGBl. 7001/10-0, ein unkontrollierter Zuzug von standortfremden Fahrzeugen zu befürchten gewesen wäre, wenn eine solche Verhältniszahl- und Höchstzahlverordnung nicht erlassen worden wäre.

Abgesehen davon, daß es zweifelhaft ist, ob eine Verhältniszahl- und Höchstzahlverordnung überhaupt geeignet ist, den "unkontrollierten Zuzug von standortfremden Fahrzeugen" zu hindern, finden sich im vorgelegten Verordnungsakt diese Behauptungen stützende Unterlagen, noch werden sie in der Äußerung substantiiert begründet.

3. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der TaxiV Schwechat 1992 haben sich sohin als gesetzwidrig erwiesen.

4. Die TaxiV Schwechat 1992 ist inzwischen außer Kraft getreten:

Mit der als Verfassungsbestimmung erlassenen Z 15 der Gelegenheitsverkehrsgesetz-Novelle 1993, BGBl. 129, wurde § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG aufgehoben. Mangels einer besonderen Inkrafttretungsregelung wurde die Aufhebung mit Ablauf des 18. Feber 1993 (dem Tag der Ausgabe des betreffenden Bundesgesetzblattes) wirksam. Mit diesem Zeitpunkt ist auch die TaxiV Schwechat 1992 (eine Verordnung, die auf § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG - einer als Verfassungsbestimmung erlassenen Vorschrift - gegründet war) weggefallen (vgl. zB VfSlg. 2326/1952, 3119/1956, 3820/1960, 6182/1970, 11643/1988).

Im Hinblick auf diese Ausführungen war nicht mit Aufhebung der in Prüfung gezogenen Verordnung vorzugehen, sondern gemäß Art 139 Abs 3 und 4 B-VG auszusprechen, daß die TaxiV Schwechat 1992 gesetzwidrig war.

5. Die Verpflichtung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr zur Veröffentlichung der Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG (vgl. zB VfSlg. 7586/1975; ; ,

V 407,408,410,411/90, V270/91 u.a. Zlen.).

6. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nach § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG entbehrlich.