VfGH vom 04.12.2014, V52/2013
Leitsatz
Abweisung des - zulässigen - Individualantrags auf Aufhebung des Bebauungsplans "Einkaufszentrum Mürzzuschlag Süd" hinsichtlich der Beschränkung der maximalen Verkaufsfläche auf 3.000 m²; keine Neuerlassung der Verkaufsflächenbeschränkung mit der bekämpften 1. Änderung des Bebauungsplanes 2012, sondern Weitergeltung der normativen Festlegung in der Stammfassung; daher kein Verstoß gegen das Stmk RaumOG 2010 mangels Festlegung der maximalen Verkaufsfläche im Flächenwidmungsplan
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Antrag und Vorverfahren
1. Die antragstellende Gesellschaft ist Eigentümerin des Grundstücks Nr 1251/1, KG Mürzzuschlag, für das im aktuellen Flächenwidmungsplan 4.02 der Stadtgemeinde Mürzzuschlag die Widmung "EZ 2" (Bauland - Gebiete für Einkaufszentren 2) ausgewiesen ist. Für dieses Grundstück erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mürzzuschlag am die – mittlerweile rechtskräftige – baubehördliche Genehmigung für die Errichtung eines Fachmarktzentrums mit 3.000 m² Verkaufsfläche. Die antragstellende Gesellschaft beabsichtigt nun, das Fachmarktzentrum auf ein Einkaufszentrum mit knapp unter 5.000 m² Verkaufsfläche zu erweitern. Dem Vorhaben steht allerdings der Bebauungsplan "Einkaufszentrum Mürzzuschlag Süd" in der Fassung der 1. Änderung entgegen, in dem die maximale Verkaufsfläche mit 3.000 m² festgelegt ist.
2. Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 B VG gestützten Antrag vom begehrt daher die antragstellende Gesellschaft,
der Verfassungsgerichtshof wolle "erlassen das
ERKENNTNIS:
Der Satz 'Dessen maximale Verkaufsfläche darf 3000 m ² nicht überschreiten.' in § 9 des Verordnungswortlauts sowie der Verbaleintrag 'max. Verkaufsfläche: 3000 m²' in der zeichnerischen Darstellung des durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Mürzzuschlag als Verordnung im Jahr 2003 beschlossenen Bebauungsplans 'Einkaufszentrum Mürzzuschlag Süd' idF der 1. Änderung gemäß Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mürzzuschlag vom werden als gesetzwidrig aufgehoben."
3. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mürzzuschlag legte die bezughabenden Verordnungsakten vor und erstattete fristgerecht eine Äußerung, in der er die Zurückweisung des Antrags als unzulässig, in eventu die Nichtaufhebung der angefochtenen Bestimmungen beantragt. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete ebenfalls fristgerecht eine Äußerung. Sie geht auf die Frage der Zulässigkeit nicht ein und beantragt nur, die angefochtenen Bestimmungen nicht als gesetzwidrig aufzuheben. Die antragstellende Gesellschaft übermittelte sowohl eine "Erwiderung zur Gegenäußerung des Mangels der Antragslegitimation" als auch eine "Replik zu den Gegenäußerungen in der Sache selbst".
II. Rechtslage
1. Das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 2010, LGBl 49 idF LGBl 87/2013, (im Folgenden: Stmk ROG 2010) lautet (auszugsweise):
"Einkaufszentren
§31. (1) Als Einkaufszentren im Sinn dieses Gesetzes gelten Gebäude oder Teile von Gebäuden für Handelsbetriebe einschließlich der erforderlichen Abstellplätze mit einer Verkaufsfläche von insgesamt mehr als 800 m² nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
(2)-(4) [...]
(5) Die Einkaufszentren werden unterteilt in
1. Einkaufszentren 1, das sind solche, die in ihrem Warensortiment Lebensmittel führen, und
2. Einkaufszentren 2, das sind solche, die in ihrem Warensortiment keine Lebensmittel führen.
(6) - (11) [...]
(12) Die Landesregierung hat durch Verordnung in einem Entwicklungsprogramm nähere Bestimmungen für Einkaufszentren, insbesondere die maximal zulässige Verkaufsfläche für Einkaufszentren in Abhängigkeit von der zentralörtlichen Einstufung der Gemeinde festzulegen.
(13) Durch den Flächenwidmungsplan kann in Gebieten gemäß § 30 Abs 1 Z 3 und hinsichtlich der Z 2 und 3 in Gebieten gemäß § 30 Abs 1 Z 6 in Gemeinden, in denen auf Grund ihrer zentralörtlichen Einstufung Einkaufszentren zulässig sind, nach Maßgabe des örtlichen Entwicklungskonzeptes
1. die Errichtung von Einkaufszentren ausgeschlossen werden,
2. die Verkaufsfläche von Einkaufszentren herabgesetzt werden oder
3. eine Beschränkung der maximal zulässigen Verkaufsfläche für Lebensmittel innerhalb von Einkaufszentren 1 festgelegt werden.
(14) [...]"
"Bebauungsplanung
§40. (1)-(3) [...]
(4) Die Erlassung von Bebauungsplänen hat jedenfalls zu erfolgen:
1. [...]
2. Zur Errichtung von Einkaufszentren. Ein begründeter Entfall ist bei bereits abgeschlossen bebauten Gebieten zulässig, wenn keine wesentliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes und der Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Die Aufstellung oder Fortführung eines Bebauungsplanes ist auch Voraussetzung für Änderungen an einem Einkaufszentrum, die eine Baubewilligung erfordern und auf den Flächenwidmungsplan und den Zweck der Bebauungsplanung von Einfluss sind. In der Bebauungsplanung sind unter anderem die gesetzlichen Regelungen für Einkaufszentren in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentrenverordnung umzusetzen.
3.-4. [...]
(5)-(7) [...]
(8) Für die Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland, für die gemäß § 26 Abs 4 Bebauungspläne zu erlassen sind, haben die Gemeinden spätestens im Anlassfall (z. B. Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen) Bebauungspläne zu erstellen. Dabei ist das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen. Baubewilligungen sowie Genehmigungen nach § 33 des Steiermärkischen Baugesetzes dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend."
"Übergangsbestimmungen
§67. (1)-(2) [...]
(3) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Planungsverfahren können nach der bisher geltenden Rechtslage zu Ende geführt werden, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes
1.-4. [...]
5. der Beschluss über die Auflage des Bebauungsplanes (Erstellung) gemäß § 27 Abs 2 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 bereits gefasst wurde;
6. [...]
7. der Gemeinderat zwecks Änderung des Bebauungsplanes oder der Bebauungsrichtlinie gemäß § 27 Abs 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 die Anhörung bereits eingeleitet hat.
(4)-(13) [...]
(14) Das örtliche Entwicklungskonzept und der Flächenwidmungsplan der Gemeinden sind spätestens im Zuge der nächsten Revision (§42) an die durch dieses Gesetz geänderte Rechtslage anzupassen.
(15) - (16) [...]"
2. Bebauungsplan "Einkaufszentrum Mürzzuschlag Süd":
2.1. Bebauungsplan in der Stammfassung, beschlossen vom Gemeinderat am , (auszugsweise):
"§4 Festlegungen des Flächenwidmungsplanes
Das Planungsgebiet ist im Flächenwidmungsplan 3.05 der Gemeinde als Bauland/Aufschließungsgebiet für Einkaufszentrengebiet II (Stmk. ROG, § 23 Abs 5 j) mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 0,8 festgelegt.
[...]
Weiters ist im Flächenwidmungsplan festgelegt, dass die Einkaufszentrumsfläche 3000m², die Gesamtbetriebsfläche 5.000m² nicht überschreiten darf."
"§9 Einkaufszentrum
Das Planungsgebiet ist für ein (1) Einkaufszentrum der Type II bestimmt. Dessen maximale Verkaufsfläche darf 3000m², seine Gesamtbetriebsfläche 5000m² nicht überschreiten."
In der zeichnerischen Darstellung des Bebauungsplans finden sich die Verbaleinträge "max. Gesamtbetriebsfläche: 5000m²" und "max. Verkaufsfläche: 3000m²".
2.2. Bebauungsplan in der Fassung der 1. Änderung, diese beschlossen vom Gemeinderat am , (im Folgenden: Bebauungsplan, auszugsweise):
"§4 Festlegungen des Flächenwidmungsplanes
Das Planungsgebiet ist im Flächenwidmungsplan 4.0 der Gemeinde als Bauland/Gebiet für Einkaufszentren 2 (§23 Abs 5 litj Stmk. Raumordnungsgesetz 1974 i.d.F. LGBl 13/2005) mit einer Bebauungsdichte von 0,5 bis 0,8 festgelegt."
"§9 Einkaufszentrum
Das Planungsgebiet ist für ein (1) Einkaufszentrum 2 (Stmk. Raumordnungsgesetz 1974 i.d.F. LGBl 13/2005, § 23a Abs 5 litb) bestimmt. Dessen maximale Verkaufsfläche darf 3000m² nicht überschreiten. "
In der zeichnerischen Darstellung des Bebauungsplans findet sich der Verbaleintrag " max. Verkaufsfläche: 3000m² ".
(Die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben.)
3. Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom , mit welcher ein Entwicklungsprogramm zur Versorgungs-Infrastruktur erlassen wird, LGBl 35/1988 idF LGBl 53/1989 (im Folgenden: Versorgungs-Infrastruktur-Verordnung 1988):
§3 Abs 1 letzter Satz lautet:
"Der örtlichen Raumplanung obliegt es, im Rahmen dieses Entwicklungsprogrammes und des regionalen Entwicklungsprogrammes nach Maßgabe des örtlichen Entwicklungskonzeptes nochmals Abstufungen in der Größenordnung festzulegen, Einkaufszentren auch aufzuschließen sowie die zweckmäßigen Bauplätze von Einkaufszentren zu planen."
§3 Abs 11 letzter Satz lautet:
"Im Bebauungsplan sind insbesondere die Bauplätze für Einkaufszentren und die zugehörigen Parkplätze einschließlich der Zu- und Abfahrten festzulegen, ferner der Bebauungsgrad, die Bebauungsdichte für den einzelnen Bauplatz, abgestimmt auf die für den Standort zulässige Gesamtbetriebsfläche, die Type des Einkaufszentrums (I, II, Sonderform Einkaufszentrum II), die zulässige Verkaufs- und Gesamtbetriebsfläche sowie die sonstigen Grundlagen zur baurechtlichen Bauplatzwidmung festzusetzen."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art 139 Abs 1 Z 3 B VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art 139 Abs 1 Z 3 B VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
1.2. Die aktuelle rechtliche Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaft durch die Festlegung einer maximalen Verkaufsfläche von 3.000 m² im Bebauungsplan "Einkaufszentrum Mürzzuschlag Süd" wird nicht bestritten; auch der Verfassungsgerichtshof bezweifelt deren Vorliegen nicht.
1.3. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mürzzuschlag steht aber auf dem Standpunkt, dass der antragstellenden Gesellschaft ein anderer Weg als der des Individualantrags gemäß Art 139 Abs 1 B VG zur Abwehr des behaupteten Eingriffes zur Verfügung stünde bzw. gestanden sei:
1.3.1. Einerseits hätte – so der Gemeinderat – die antragstellende Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt des Bauansuchens die Gelegenheit gehabt, ohne nennenswerten Aufwand die tatsächlich gewünschten (über 3.000 m² hinausgehenden) Verkaufsflächen zu beantragen. Andererseits sei mit der Baubewilligung die gesamte mögliche Gebäudekonfiguration, die der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan zulasse, ausgeschöpft worden, sodass die antragstellende Gesellschaft für die gewünschte Erweiterung der Verkaufsfläche auf über 3.000 m² nur einen Antrag auf Nutzungsänderung für jene Flächen stellen müsse, die in der vorliegenden Baubewilligung nicht als Verkaufsflächen festgelegt worden seien. In seiner späteren Richtigstellung räumt der Gemeinderat allerdings ein, dass "auf dem vom Bebauungsplan umfassten Bauplatz grundsätzlich ein zweites Geschoß (als Zubau) errichtet werden könnte".
1.3.2. Die antragstellende Gesellschaft hält dem entgegen, dass es ihr nicht zumutbar gewesen sei, den Verwaltungsrechtsweg von Anfang an mit einem Projekt mit mehr als 3.000 m² Verkaufsfläche zu beschreiten und "damit bis heute keine konsumierbare Baubewilligung in Händen zu halten". Sie könnte jetzt einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für einen Zubau zum bewilligten Einkaufszentrum stellen. Bei den geplanten Änderungen würde es sich aber nicht nur um eine bloße Nutzungsänderung vorhandener Raumflächen handeln. Der Bebauungsplan gestatte zweigeschoßige Gebäude. Die antragstellende Gesellschaft habe daher das Recht, die von ihr angestrebte Verkaufsfläche in einem zweiten Geschoß zu projektieren. Mit der Ausarbeitung dieses Erweiterungsprojektes sei aber ein nicht unerheblicher Aufwand verbunden.
1.3.3. Soweit die Gemeinde vorbringt, dass die antragstellende Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt des Bauansuchens die Gelegenheit gehabt hätte, ohne nennenswerten Aufwand ein Einkaufszentrum mit mehr als 3.000 m² Verkaufsfläche zu beantragen, ist ihr Folgendes zu erwidern: Zwar trifft es zu, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Individualantrag gemäß Art 139 Abs 1 B VG dann nicht zulässig ist, wenn bereits in der Vergangenheit die Gelegenheit bestanden hat, im Wege der Bekämpfung eines Bescheides verfassungsrechtliche Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg 8890/1980, 12.810/1991). Diese Gelegenheit bestand im konkreten Fall deswegen nicht, weil die antragstellende Gesellschaft eine Baubewilligung beantragte, die mit den Bauvorschriften im Einklang stand und von der Baubehörde auch erteilt wurde, sodass der antragstellenden Gesellschaft für eine Bekämpfung des Bescheids die Beschwer fehlte. Es wäre der antragstellenden Gesellschaft nicht zumutbar gewesen, einen nicht bewilligungsfähigen Antrag zu stellen, nur um die Frage der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplans an den Verfassungsgerichtshof herantragen zu können. Auch nunmehr ist es ihr nicht zumutbar, nur zum Zweck der Bekämpfung von Bestimmungen des Bebauungsplans eine Baubewilligung zu beantragen, etwa für die Errichtung eines zweiten Geschoßes, weil sie hiefür die erforderlichen Planunterlagen ausarbeiten müsste. Auch im Fall (nur) einer Verwendungszweckänderung vorhandener Flächen könnten aufwendige Planungen notwendig sein (vgl. VfSlg 19.629/2012, 173).
1.4. Ein anderer zumutbarer Weg als jener des Individualantrages, die behauptete Verfassungswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, besteht also nicht. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Die antragstellende Gesellschaft behauptet sowohl die "schlichte" Gesetzwidrigkeit als auch die Verfassungswidrigkeit der die Verkaufsfläche auf 3000 m² beschränkenden Bestimmungen des Bebauungsplans "Einkaufszentrum Mürzzuschlag Süd" in der Fassung der 1. Änderung.
Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2.1. Zunächst bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass der Bebauungsplan kein zulässiges Instrument zur Herabsetzung der Verkaufsfläche sei.
Der Gesetzgeber habe in § 31 Abs 13 Z 2 Stmk ROG 2010 festgelegt, dass durch den Flächenwidmungsplan die Verkaufsfläche eines Einkaufszentrums herabgesetzt werden könne. Er habe damit die örtliche Raumplanung erstmals und ausschließlich unter Verwendung des Instruments des Flächenwidmungsplans ermächtigt, die maximale Verkaufsfläche, die die überörtliche Raumplanung in der Einkaufszentrenverordnung 2011, LGBl 58, mit 15.000 m² festlege, herabzusetzen. Die 1. Änderung des Bebauungsplans sei unter dem Regime des Stmk ROG 2010 erlassen worden. Die Herabsetzung sei nicht im Flächenwidmungsplan, sondern im Bebauungsplan erfolgt. Daher sei diese gesetzwidrig.
Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mürzzuschlag bestreitet die Anwendbarkeit des Stmk ROG 2010. Mangels Übergangsbestimmung im Stmk ROG 2010 sei bei Anpassung des Bebauungsplans an die geänderte Rechtslage die zum Zeitpunkt der Erlassung des geltenden Flächenwidmungsplans relevante Rechtslage, nämlich das Stmk ROG 1974 idF LGBl 13/2005, anzuwenden.
2.2.2. Das Stmk ROG 2010 trat am in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Gemeinderat weder einen Beschluss über die Auflage der beabsichtigten 1. Änderung des Bebauungsplans gefasst noch eine Anhörung zwecks Änderung des Bebauungsplanes eingeleitet. Das Verfahren für die 1. Änderung des Bebauungsplans "Einkaufszentrum Mürzzuschlag Süd" war daher nach den Vorschriften des Stmk ROG 2010 zu führen (vgl. die Übergangsbestimmungen § 67 Abs 3 Z 5 und 7 Stmk ROG 2010). Die antragstellende Gesellschaft wäre insofern im Recht, als eine erstmalige Erlassung bzw. Neuerlassung einer die Verkaufsfläche beschränkenden Norm im Bebauungsplan anstatt im Flächenwidmungsplan dem § 31 Abs 13 Z 2 Stmk ROG 2010 widersprechen würde.
2.2.3. Tatsächlich wurde aber mit der 1. Änderung des Bebauungsplanes die von der antragstellenden Gesellschaft bekämpfte Beschränkung der Verkaufsfläche nicht erstmalig erlassen:
2.2.3.1. Eine die Verkaufsfläche auf 3.000 m² beschränkende Textpassage findet sich schon im § 9 der Stammfassung des Bebauungsplans 2003 und ist mit dessen 1. Änderung im Jahr 2012 auch nicht beseitigt worden.
Die antragstellende Gesellschaft bestreitet die normative Kraft des § 9 der Stammfassung des Bebauungsplans. Es habe nämlich bei der Erlassung der Stammfassung im Rahmen der überörtlichen Raumplanung die Versorgungs-Infrastruktur-Verordnung 1988 gegolten. Schon diese habe die maximale Verkaufsfläche mit 3.000 m² festgelegt. In der Stammfassung des Bebauungsplans sei diese Beschränkung nur deklarativ wiedergegeben worden.
Diese Behauptung trifft nicht zu: Die Versorgungs-Infrastruktur-Verordnung 1988 beschränkte einerseits die Verkaufsfläche von Einkaufszentren (für Mürzzuschlag) mit maximal 3.000 m² (§2). Andererseits ermächtigte sie die örtliche Raumplanung dazu, "nochmals Abstufungen in der Größenordnung festzulegen" (§3 Abs 1 letzter Satz), wobei im "Bebauungsplan [...] die zulässige Verkaufs- und Gesamtbetriebsfläche [...] festzusetzen" waren (§3 Abs 11 letzter Satz). Die Möglichkeit, die Verkaufsfläche von Einkaufszentren (im Bebauungsplan) herabzusetzen, gab es also. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber der Stammfassung des Bebauungsplans Gebrauch gemacht. Auch die systematische Einordnung des § 9 inmitten der Bestimmungen zur Bebauungsweise (§6), zur Bebauungsdichte (§7), zum Bebauungsgrad (§8) und zur Lage der Gebäude (§10) zeigt, dass der Verordnungsgeber im § 9 des Bebauungsplans spezielle Festlegungen iSd § 3 Abs 11 letzter Satz Versorgungs-Infrastruktur-Verordnung 1988 treffen wollte, indem er ausdrücklich vorsah, dass von der Möglichkeit, zusätzliche Größenbeschränkungen iSd § 3 Abs 1 letzter Satz Versorgungs-Infrastruktur-Verordnung 1988 festzulegen, nicht Gebrauch gemacht wird. Dies wird auch in den Erläuterungen zu § 9 der Stammfassung des Bebauungsplans klar zum Ausdruck gebracht.
2.2.3.2. In der Stammfassung des Bebauungsplans hat der Verordnungsgeber also die normative Festlegung getroffen, dass die maximale Verkaufsfläche des Einkaufszentrums 3.000 m² nicht überschreiten dürfe.
Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Gesetzmäßigkeit einer in Übereinstimmung mit der früheren Zuständigkeitsregelung erlassenen Verordnung durch die neue Regelung der Zuständigkeit nicht berührt wird. Lediglich Änderungen der gesetzlichen Grundlage einer Verordnung, die ihren Inhalt betreffen, können zu ihrer Gesetzwidrigkeit führen (VfSlg 3363/1958, 6346/1970, 8329/1978). Dass die Festlegung der maximalen Verkaufsfläche mit 3.000 m² nunmehr im Rahmen des Flächenwidmungsplans festzulegen wäre, berührt die Gesetzmäßigkeit des Zustandekommens des Bebauungsplans nicht, solange dieser nicht neu erlassen wird.
Zum Zeitpunkt der erstmaligen Erlassung der in Rede stehenden Verkaufsflächenbeschränkung war es daher rechtmäßig, diese im Bebauungsplan festzulegen, insofern war die Zuständigkeit des Verordnungsgebers entsprechend den Vorschriften zur Erlassung des Bebauungsplans gegeben.
2.3. Es trifft allerdings auch die Behauptung der antragstellenden Gesellschaft nicht zu, der Bebauungsplan sei im Jahr 2012 als solcher (also zur Gänze) neu erlassen worden.
2.3.1. Mit der 1. Änderung des Bebauungsplans sei die gesamte Einkaufszentrenregelung neu gefasst worden. Das unveränderte Fortschreiben eines teilweisen materiellen Regelungsinhalts komme seiner (bekräftigenden) Neuerlassung im Ergebnis gleich. Bei Neuerlassung sei aber die aktuelle Rechtslage maßgeblich. Diese erlaube aber eine Herabsetzung der Verkaufsflächen von Einkaufszentren nur durch den Flächenwidmungsplan (§31 Abs 13 Z 2 Stmk ROG 2010). Überdies sei für die Herabsetzung der maximalen Verkaufsfläche eine Grundlagenforschung notwendig.
2.3.2. Die normative Beschränkung der maximalen Verkaufsfläche auf 3.000 m² hat schon vor der 1. Änderung des Bebauungsplans bestanden. Ungeachtet der Beschlussfassung über die 1. Änderung besteht kein Zweifel, dass die die Verkaufsfläche beschränkende Norm weiterhin gilt und inhaltlich betrachtet nicht neu erlassen wurde.
2.4.1. Die antragstellende Gesellschaft bringt weiters vor, dass bei der 1. Änderung des Bebauungsplans dieser "an die gesamte zu diesem Zeitpunkt geltende übergeordnete raumordnungsrechtliche Rechtslage anzupassen" gewesen wäre.
Die verordnungserlassende Behörde habe dies aber nicht getan. § 40 Abs 8 Stmk ROG 2010 ordne an, dass spätestens im Anlassfall Bebauungspläne zu erstellen seien. Die Änderung der übergeordneten Rechtslage sei ein solcher Anlassfall. Aber auch bei einem unveränderten Stehenlassen eines Regelungsinhalts müsse dieser dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden übergeordneten Normenmaterial entsprechen. Sonst entstehe ein Widerspruch iSd § 8 Abs 1 Stmk ROG 2010. Insbesondere ordne auch § 40 Abs 4 Z 2 letzter Satz Stmk ROG 2010 an, dass in der Bebauungsplanung die Bestimmungen der Einkaufszentrenverordnung umzusetzen seien. Zum Zeitpunkt der 1. Änderung des Bebauungsplans habe die Einkaufszentrenverordnung 2011 gegolten. Diese überregionale Verordnung habe die maximal zulässige Verkaufsfläche für den Bauplatz mit 15.000 m² festgelegt. Dies bedeute, dass der regionale Bebauungsplan mit seiner Beschränkung auf 3.000 m² erst nach Durchführung einer Grundlagenforschung begründet fortgeschrieben bzw. neuerlich erlassen hätte werden dürfen. Es bedürfe jede Aufrechterhaltung eines Zurückbleibens hinter der nunmehr zulässigen Verkaufsfläche von 15.000 m² der gesonderten Begründung. Dabei könne die örtliche Raumplanung keinesfalls hinter der Vorgabe der überörtlichen Raumplanung mit einem bloßen Gemeinplatz und einer reinen Scheinbegründung zurückbleiben. Die in den Erläuterungen zur 1. Änderung des Bebauungsplans gegebene Begründung sei aber eine solche.
2.4.2. Damit verkennt die antragstellende Gesellschaft die Rechtslage aber insofern, als § 40 Abs 8 erster Satz Stmk ROG 2010 lediglich bestimmt, dass dann, wenn keine Bebauungsplanung existiert, spätestens zu dem Anlass einer Bebauung ein Bebauungsplan zu erlassen ist. Angesichts des bereits bestehenden Bebauungsplanes kommt diese Bestimmung nicht zur Anwendung; keinesfalls kann aus ihr abgeleitet werden, dass ein Bebauungsplan an sämtliche mittlerweile neu in Kraft getretene gesetzliche Bestimmungen anzupassen ist. Im Übrigen spricht die von der antragstellenden Gesellschaft angesprochene Bestimmung des § 40 Abs 4 Z 2 Stmk ROG 2010 dafür, dass Fortschreibungen betreffend Beschränkungen für Einkaufszentren in Bebauungsplänen, sofern sie nicht zur Gänze neu erlassen werden, zulässig sind, sieht diese Bestimmung doch vor, dass die Erteilung einer Baubewilligung für ein Einkaufszentrum die Erlassung eines Bebauungsplanes voraussetzt, soferne ein solcher nicht existiert; das Gesetz geht also davon aus, dass bereits bestehende Beschränkungen für Einkaufszentren weitergelten. Allerdings ordnet die Übergangsbestimmung § 67 Abs 14 Stmk ROG 2010 ausdrücklich an, dass der Flächenwidmungsplan spätestens im Zuge der nächsten Revision iSd § 42 leg.cit. an die geänderte Rechtslage anzupassen ist.
Die Beschränkung der maximalen Verkaufsfläche mit 3.000 m² steht auch inhaltlich mit der mittlerweile erlassenen überregionalen Regelung der Einkaufszentrenverordnung 2011 im Einklang. In dieser wird die "Maximal zulässige Verkaufsfläche für Einkaufszentren" mit 15.000 m² festgesetzt. Sie kann aber gemäß § 31 Abs 13 Z 2 Stmk ROG 2010 herabgesetzt werden kann. Die angefochtene Beschränkung auf 3.000 m² widerspricht daher inhaltlich nicht der übergeordneten raumordnungsrechtlichen Rechtslage, sie liegt vielmehr im Rahmen des Gestaltungsspielraums, den die Einkaufszentrenverordnung 2011 eröffnet. Der Vorwurf, dass die Regelung betreffend die Beschränkung auf 3.000 m² inhaltlich anzupassen gewesen wäre, geht daher ins Leere.
Eine allgemeine Verpflichtung des Verordnungsgebers, im Fall der Novellierung eines Bebauungsplans die Weitergeltung ("das Fortschreiben") bestehender Regelungen umfassend zu begründen, kann der Rechtsordnung nicht entnommen werden.
2.5. Letztlich behauptet die antragstellende Gesellschaft die Verfassungswidrigkeit des Bebauungsplans, weil dieser die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art 7 B VG), auf Schutz der Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) verletze.
Die antragstellende Gesellschaft sei mit ihrem Standort [gegenüber Konkurrenten mit anderen Standorten] benachteiligt, weil sie sich "ohne jeden durch den Normengeber nachvollziehbar genannten oder auch nur erkennbaren Vernunftgrund mit 3.000 m² an Verkaufsfläche bescheiden müsste".
Abgesehen davon, dass mit diesem Vorbringen im Prinzip bloß wirtschaftliche Reflexwirkungen vorgebracht werden, entspricht – wie oben dargetan – der Bebauungsplan dem Gesetz. Eine Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes ist aber weder von der antragstellenden Gesellschaft behauptet worden, noch haben sich Hinweise auf eine solche im Verfahren ergeben.
IV. Ergebnis
4. Der Antrag wird daher abgewiesen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2014:V52.2013