VfGH vom 07.03.2001, V5/01
Sammlungsnummer
16116
Leitsatz
Präjudizialität einer bei Bescheiderlassung anzuwendenden, aber nicht angewandten Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental; Verpflichtung der Behörde zur Anwendung der gültigen Kanalgebührenordnung und nicht eines nicht beschlossenen und nicht kundgemachten Entwurfes; Aufhebung von Teilen der Kanalgebührenordnung bezüglich einer als Interessentenbeitrag zu qualifizierenden Kanalanschlußgebühr wegen diesbezüglich fehlender landesgesetzlicher Ermächtigung; finanzausgleichsrechtliche Ermächtigung nur hinsichtlich Benützungsgebühren
Spruch
Die Wortfolge "einer einmaligen Kanalanschlußgebühr und" in § 1 sowie die §§2 und 4 der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis zum , werden als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2153/98 ein Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft und wird als solcher für eine Kanalanschlußgebühr in Anspruch genommen.
1.1.2. Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental dem Beschwerdeführer eine Anschlußgebühr von S 77.833,10 vor. Der Gemeindevorstand wies mit Bescheid vom die dagegen erhobene Berufung ab. Einer Vorstellung gab die Tiroler Landesregierung mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge; der Sache nach berief sie sich auf das Legalitätsprinzip.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "einer einmaligen Kanalanschlußgebühr und" in § 1 sowie der §§2 und 4 der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis zum , idF der Verordnung vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis zum (in der Folge: KanalgebührenO), entstanden. Der Gerichtshof hat daher am beschlossen, ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen einzuleiten.
Die Tiroler Landesregierung hat mitgeteilt, daß sie davon absehe, eine Äußerung abzugeben. Auch die Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental hat keine Äußerung erstattet.
3. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften haben folgenden Wortlaut:
3.1. § 7 Abs 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. 45 (F-VG), lautet:
"Die Bundesgesetzgebung kann Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung auszuschreiben."
§ 8 Abs 5 F-VG lautet:
"Die Landesgesetzgebung kann Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben. Solche Landesgesetze müssen die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben, insbesondere auch ihr zulässiges Höchstausmaß bestimmen."
3.2. § 14 Abs 1 des - hier maßgeblichen -Finanzausgleichsgesetzes 1997, Art 65 BG BGBl. 201/1996 (FAG 1997), lautet auszugsweise:
"Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:
1. - 14. ...
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15. | Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern; |
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16. | Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen; |
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17. ..." |
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§15 Abs 3 FAG 1997 lautet auszugsweise: |
"Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:
1. - 4. ...
5. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."
Vergleichbare Bestimmungen enthielt auch das Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. 544/1984, in § 14 Abs 1 Z 14 und 15 sowie in § 15 Abs 3.
3.3.1. Das Tiroler Kanalisationsgesetz, LGBl. 40/1985 idF 50/1986, lautete auszugsweise:
"§9
Anschlußpflicht, Anschlußrecht
(1) Anschlußpflichtig sind folgende Anlagen auf Grundstücken, die ganz oder teilweise im Anschlußbereich liegen: ...
(2) Die Behörde kann für bauliche Anlagen auf Grundstücken außerhalb des Anschlußbereiches die Anschlußpflicht festlegen, ...
(3) Die Behörde hat nach dem Eintritt der Rechtskraft der wasserrechtlichen Bewilligung für den betreffenden Sammelkanal einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Anlagen mit schriftlichem Bescheid auszusprechen, daß eine Anlage nach Abs 1 anschlußpflichtig ist, oder die Anschlußpflicht für eine bauliche Anlage nach Abs 2 festzulegen. Hinsichtlich der Anlagen, die nach diesem Zeitpunkt errichtet werden, hat die Behörde jeweils nach der Einbringung des Ansuchens um Erteilung der Baubewilligung mit schriftlichem Bescheid auszusprechen, daß eine Anlage nach Abs 1 anschlußpflichtig ist, oder die Anschlußpflicht für eine bauliche Anlage nach Abs 2 festzulegen.
(4) In einem Bescheid nach Abs 3 erster Satz ist der Eigentümer der anschlußpflichtigen Anlage, in einem Bescheid nach Abs 3 zweiter Satz ist der Bauwerber der anschlußpflichtigen baulichen Anlage aufzufordern, innerhalb einer angemessenen, sechs Monate nicht übersteigenden Frist der Behörde jene Unterlagen vorzulegen, die zur Beurteilung der Beschaffenheit und der Menge der bei der Anlage anfallenden Abwässer erforderlich sind. Bei anschlußpflichtigen Anlagen im Sinne des Abs 1 lita bis c ist überdies ein Lageplan vorzulegen, aus dem die genaue Lage der vorgesehenen Trennstelle hervorgeht.
(5) - (6) ...
§11
Anschlußbescheid
(1) Die Behörde hat innerhalb von sechs Monaten nach der Vorlage der nach § 9 Abs 4 erforderlichen Unterlagen die näheren Bestimmungen für den Anschluß der betreffenden Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage mit schriftlichem Bescheid festzulegen (Anschlußbescheid).
(2) Im Anschlußbescheid sind jedenfalls festzulegen:
a) - c) ...
d) im Falle des Anschlusses einer bereits bestehenden Anlage im Sinne des § 9 Abs 1 lita bis c eine angemessene, ein Jahr nicht übersteigende Frist für die Herstellung der Grundleitungen einschließlich der allenfalls erforderlichen Vorreinigungsanlagen, im Falle des Anschlusses eines Sammelkanals einer privaten Abwasserbeseitigungsanlage eine angemessene Frist für die Herstellung des Anschlusses an den Sammelkanal der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage,
e) ...
f) im Falle des Anschlusses einer Anlage im Sinne des § 9 Abs 1 lita bis c den Zeitpunkt, ab dem das bei der Anlage anfallende Schmutzwasser und, sofern die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage auch zur Beseitigung von Niederschlagswässern bestimmt ist, Niederschlagswasser ausschließlich in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage abgeleitet werden muß.
(3) - (4) ..."
3.3.2. Dieses Gesetz steht seit nicht mehr in Kraft (§18 Abs 3 lita Tiroler KanalisationsG 2000, LGBl. 1/2001); dieser Umstand hat aber für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung.
3.4. Die KanalgebührenO lautet auszugsweise (die in Prüfung genommenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"KANALGEBÜHRENORDNUNG
über die öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen der Marktgemeinde Hopfgarten i.Bt.
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Hopfgarten i.Bt. hat in seiner Sitzung am beschlossen, gem. § 15 Abs 3 Ziff. 5 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, BGBl. 544/1984, für die Benützung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen folgende Kanalgebührenordnung zu erlassen:
§1
Art der Benützungsgebühren
Für die Benützung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen erhebt die Marktgemeinde Hopfgarten i.Bt. Gebühren in Form einer einmaligen Kanalanschlußgebühr und einer laufenden Kanalbenützungsgebühr.
§2
Anschlußgebühr
1) Zur Deckung der Kosten der Errichtung und Erweiterung von öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen wird eine einmalige Anschlußgebühr erhoben.
2) Die Gebührenpflicht entsteht mit Eintritt der Rechtskraft des Anschlußbescheides gem. § 11 Tiroler Kanalisationsgesetz, LGBl. 40/1985.
Bei Zu- und Umbauten und bei Wiederaufbauten von abgerissenen und zerstörten Gebäuden entsteht die Gebührenpflicht mit Baubeginn insoweit, als die Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.
3) Mit Beginn des Verwendungszweckes von Gebäuden und Gebäudeteilen gem. § 4 Abs 2 unter Beseitigung des genannten Mißverhältnisses, entsteht die Gebührenpflicht für den bisher nicht in Anrechnung gebrachten Teil der Baumasse.
4) Wenn von mehreren Grundstücken nur ein gemeinsamer Anschlußkanal in den Sammelkanal mündet, so ist die einmalige Anschlußgebühr für jedes Grundstück in vollem Umfang zu entrichten.
§3
Benützungsgebühr
...
§4
Berechnung der Anschlußgebühr
1) Bemessungsgrundlage ist die Baumasse gem. § 20 TBO. des Gebäudes vervielfacht mit dem in Geltung stehenden Gebührensatz pro m3 mit der Maßgabe, daß die Baumasse landwirtschaftlicher Wirtschaftsgebäude oder -gebäudeteile nicht in Anrechnung zu bringen ist.
2) Die Baumasse gewerblicher Betriebe mit einem offensichtlichen Mißverhältnis zur Menge der in die Abwasserbeseitigungsanlage einzuleitenden Abwässer wird mit 50 % in Anrechnung gebracht.
3) Bei Garagen werden 30 % der gem. § 20 TBO. ermittelten Baumasse in Anrechnung gebracht.
§5
Berechnung der Benützungsgebühr
...
§6
Festsetzung der Gebühren und Gebührenschuldner
...
§7
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt mit Ablauf der Kundmachungsfrist in kraft.
Gleichzeitig tritt die bisher in Geltung stehende Kanalgebührenordnung vom mit Ergänzung vom außer kraft.
Hopfgarten, am Der Bürgermeister:
..."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. In seinem Einleitungsbeschluß nahm der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß die Beschwerde zulässig sei, daß die belangte Behörde die in Prüfung genommenen Verordnungsstellen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewandt habe und daß auch er sie bei der Beurteilung der Beschwerde anzuwenden habe.
1.1. Im Zuge des zu V22/00 geführten Verfahrens stellte sich folgender Sachverhalt heraus:
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental beschloß am eine Kanalgebührenordnung, die vom 7. März bis zum durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht wurde. Am beschloß der Gemeinderat, § 2 Abs 1 Satz 2 dieser Kanalgebührenordnung aufzuheben; eine Kundmachung dieses Beschlusses wurde vom 12. April bis zum an der Amtstafel angeschlagen. In den Verordnungsakten, die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt worden sind, findet sich weiters der Entwurf einer Kanalgebührenordnung (gleichfalls) vom , der jedoch nicht beschlossen oder kundgemacht worden ist.
Die Bescheide der Gemeindeinstanzen stützen sich ausdrücklich auf eine Kanalgebührenordnung vom ("Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental vom " bzw. "Kanalgebührenordnung (Gemeinderatsbeschluß vom ")). Der angefochtene Vorstellungsbescheid bezieht sich nur auf die "Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten", ohne ein Beschlußdatum anzugeben; der Verfassungsgerichtshof deutet dies dahin, daß sich der angefochtene Bescheid auf dieselbe "Kanalgebührenordnung" stützt wie die Bescheide der Gemeindeinstanzen.
Die Annahme, daß die belangte Behörde die in Prüfung genommenen Teile der KanalgebührenO vom angewandt habe, hat sich daher nicht bestätigt.
1.2. Dennoch steht der Prüfung der Verordnungsstellen das Prozeßhindernis mangelnder Präjudizialität nicht entgegen: Nach der Sachlage ist es offenkundig, daß die Gemeindeinstanzen (nicht die rechtlich inexistente - vgl. - Kanalgebührenordnung vom , sondern) die KanalgebührenO vom hätten anwenden müssen. Auch die belangte Behörde war als Vorstellungsbehörde verpflichtet, bei ihrer Kontrolle des letztinstanzlichen Gemeindebescheides diese Rechtslage heranzuziehen (vgl. VfSlg. 11462/1987). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 3307/1958, 4571/1963, 5598/1967, 5845/1968, 5914/1969, 8647/1979, 10617/1985, 10625/1985, 11467/1987, 11644/1988 und 12744/1991) sind die anzuwendenden Verordnungsvorschriften, die miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, daher präjudiziell iSd Art 139 B-VG.
1.3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2.1. In der Sache hegte der Gerichtshof das Bedenken, daß es keine gesetzliche Grundlage gebe, welche die Gemeinde ermächtige, Kanalanschlußgebühren vorzuschreiben. Im einzelnen führte der Gerichtshof im Prüfungsbeschluß aus:
"Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 10947/1986 Anschlußgebühren dann als Benützungsgebühren iSd § 15 Abs 3 Z 5 FAG qualifiziert, wenn sie in einem förmlichen Benützungsverhältnis, und zwar immer am Beginn eines solchen, entstehen. Gemäß § 2 Abs 2 der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten entsteht die Gebührenpflicht mit Eintritt der Rechtskraft des Anschlußbescheides gemäß § 11 Tiroler Kanalisationsgesetz, LGBl. 40/1985, bei Zu- und Umbauten und bei Wiederaufbauten von abgerissenen und zerstörten Gebäuden mit Baubeginn, soweit die Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.
Bereits angesichts dieser zur Zeit des FAG 1985 bestandenen Rechtslage ist der Verfassungsgerichtshof vorläufig der Auffassung, daß die Anschlußgebühren nach der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten nicht als Benützungsgebühren iSd § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1997 qualifiziert werden können, entsteht doch die Gebührenpflicht mit Rechtskraft des Anschlußbescheides bzw. mit Baubeginn und somit, wie sich insbesondere aus § 11 Abs 1 iVm § 11 Abs 2 litd und f Tiroler Kanalisationsgesetz ergeben dürfte, unter Umständen, bevor die Möglichkeit des Anschlusses und dessen Benützbarkeit überhaupt besteht, sohin anscheinend unabhängig davon, ob die anschlußpflichtige Anlage (§9 Tiroler Kanalisationsgesetz) an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen ist oder nicht.
Der Verfassungsgerichtshof hat eine Wasseranschlußgebühr, die unmittelbar am Beginn eines förmlichen Benützungsverhältnisses stand, als Benützungsgebühr (VfSlg. 10947/1986), hingegen einen Kanalisationsbeitrag nach dem Steiermärkischen Kanalabgabengesetz, nach dem der Beitrag ohne Rücksicht darauf zu leisten ist, ob die anschlußpflichtigen Liegenschaften an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht, als Interessentenbeitrag qualifiziert ().
Es scheint auch unzulässig, durch extensive Auslegung der bundesgesetzlichen Ermächtigung der Gemeinden zur Einhebung von Benützungsgebühren die Gesetzgebungsbefugnis der Länder zur Regelung der Einhebung von Interessentenbeiträgen zu unterlaufen. Werden nämlich generell Anschlußgebühren als Benützungsgebühren betrachtet, dann wird im gleichen Zug die Ermächtigung der Länder beschnitten, zu entscheiden, ob sie sich die Einhebung von Kanalanschlußgebühren als Interessentenbeiträgen selbst vorbehalten oder gemäß § 8 Abs 5 F-VG in die Zuständigkeit der Gemeinden verweisen möchten.
... Der Verfassungsgerichtshof geht daher im Beschwerdefall vorläufig davon aus, daß es sich bei der Anschlußgebühr nach der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten um einen Interessentenbeitrag iSd § 14 Abs 1 Z 15 FAG 1997 handelt. Solche Interessentenbeiträge sind ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben, die, sollen sie aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung erhoben werden, gemäß § 8 Abs 5 F-VG eines Landesgesetzes bedürfen, das die Gemeinden zur Erhebung solcher Abgaben ermächtigt (VfSlg. 10947/1986). Der Verfassungsgerichtshof hegt nun das Bedenken, daß ein solches Gesetz, welches die Gemeinden zur Erhebung von Interessentenbeiträgen im allgemeinen oder zur Einhebung einer Anschlußgebühr nach der Kanalgebührenordnung im besonderen ermächtigt, nicht besteht."
2.2. Es ist nichts hervorgekommen, was die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs zerstreut hätte; sie haben sich als zutreffend erwiesen: Die Kanalanschlußgebühr nach den §§1, 2 und 4 der KanalgebührenO steht nicht am Beginn eines Benützungsverhältnisses, sondern die Gebührenpflicht entsteht bereits mit Eintritt der Rechtskraft des Anschlußbescheides (§2 Abs 2 KanalgebührenO), sohin unabhängig davon, ob das betreffende Gebäude an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen ist oder nicht. Sie ist daher keine Benützungsgebühr iSd § 14 Abs 1 Z 16, § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1997, sondern ein Interessentenbeitrag iSd § 14 Abs 1 Z 15 FAG 1997. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 10947/1986 eine (Wasser-)Anschlußgebühr als Benützungsgebühr iSd FAG qualifiziert, dies jedoch deshalb, weil diese Gebühr "anders als etwa der Kanalisationsbeitrag nach den §§1 und 2 des Stmk.
Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. 71 ... immer am Beginn eines Benützungsverhältnisses" stehe (S 836 f.). Auch die Ausführungen in diesem Erkenntnis zeigen im übrigen, daß der Verfassungsgerichtshof Kanalisationsbeiträge (so ausdrücklich für das dort heranzuziehende Stmk. KanalabgabenG) nicht als Benützungsgebühren, sondern als Interessentenbeiträge qualifiziert hat. Das entspricht seiner ständigen Rechtsprechung seit VfSlg. 6054/1969, die im genannten Erkenntnis ausführlich dargestellt ist (S 833 f.) und welcher der Verfassungsgerichtshof auch weiterhin folgte (VfSlg. 11172/1986, 11294/1987; ).
Um einen Interessentenbeitrag auszuschreiben, hätte die Marktgemeinde Hopfgarten einer landesgesetzlichen Ermächtigung bedurft (§14 Abs 1 Z 15 FAG 1997 iVm § 8 Abs 5 F-VG). An einer solchen gesetzlichen Grundlage mangelt es jedoch.
2.3. Es war zu erwägen, ob etwa die Aufhebung des § 2 Abs 2 KanalgebührenO alleine (allenfalls des ersten Satzes dieser Bestimmung) genügte, um den Bedenken Rechnung zu tragen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Kanalanschlußgebühr nach Aufhebung dieser Bestimmung als Benützungsgebühr iSd § 14 Abs 1 Z 16, § 15 Abs 3 Z 5 FAG zu beurteilen wäre. Die Aufhebung allein dieser Bestimmung hätte jedoch zur Folge, daß die Frage, wann die Gebührenpflicht entstehe, nicht mehr geregelt wäre. Aus dem verbleibenden Rest der KanalgebührenO würde sich nicht zweifelsfrei ergeben, daß die Anschlußgebühr (erst) am Beginn eines Benützungsverhältnisses stünde.
Der Verfassungsgerichtshof konnte die Aufhebung daher nicht auf einen Teil der in Prüfung gezogenen Vorschriften beschränken.
2.4. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen waren daher als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Ausspruch über die Bestimmung einer Frist stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.
2.5. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung gründet sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.
3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.