VfGH vom 12.12.2013, V48/2013 ua

VfGH vom 12.12.2013, V48/2013 ua

19840

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung der Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012 betreffend das Systemdienstleistungsentgelt als gesetzwidrig infolge Einbeziehung der Kosten der Ausfallsreserve in die Bemessungsgrundlage; Abweisung der Gerichtsanträge jedoch hinsichtlich der Bestimmung in der Fassung der SNE-VO-Novelle 2013 angesichts der gesetzlichen Neuregelung über die Zurechnung der Ausfallsreserve zur Sekundärregelung

Spruch

I. Die Wortfolge "Österreichischer Bereich: Cent 0,1180/kWh" in § 8 der Verordnung der Regulierungskommission der E-Control, mit der die Entgelte für die Systemnutzung bestimmt werden (Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012 – SNE-VO 2012), BGBl II Nr 440/2011, wird aufgehoben.

II. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

III. Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag und Vorverfahren

1. Vor dem antragstellenden Gericht sind zwei Verfahren anhängig, an denen als klagende Parteien die Betreiber von Kraftwerken und als beklagte Partei jeweils die Betreiberin des Elektrizitätsnetzes, in welches die Kraftwerke die von ihnen erzeugte Elektrizität einspeisen, beteiligt sind. Strittig ist jeweils die Frage, ob die klagenden Parteien als Einspeiser zur Zahlung des Systemdienstleistungsentgelts für den von ihnen erzeugten und eingespeisten Strom verpflichtet sind. Die klagenden Parteien begehren in den zu Grunde liegenden Gerichtsverfahren die Feststellung des Nichtbestehens der Zahlungspflicht bzw. die Rückzahlung der bisher geleisteten Zahlungen.

2. Das antragstellende Gericht beantragt in beiden beim Verfassungsgerichtshof zu V48/2013 und V57/2013 protokollierten Verfahren gemäß Art 139 Abs 1 iVm Art 89 Abs 2 B-VG, festzustellen, dass die Wortfolge "Österreichischer Bereich: Cent 0,1180/kWh" in § 8 der Verordnung der Regulierungskommission der E-Control, mit der die Entgelte für die Systemnutzung bestimmt werden (Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012, SNE-VO 2012), BGBl II 440/2011, in eventu, dass § 8 SNE-VO 2012 gesetzwidrig war. In dem zu V48/2013 protokollierten Verfahren beantragt das antragstellende Gericht darüber hinaus, in § 8 SNE-VO 2012 idF BGBl II 481/2012 (SNE-VO-Novelle 2013) die Wortfolge "Österreichischer Bereich: Cent 0,1790/kWh", in eventu § 8 SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Das antragstellende Gericht, welches am Ende des Antrages auch die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen begründet, bringt im zu V48/2013 protokollierten Antrag im Wesentlichen folgende Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen vor:

3.1. § 56 Abs 1 des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz 2010 — ElWOG 2010), BGBl I 110/2010, definiere, welche Leistung durch das Systemdienstleistungsentgelt abzugelten sei: Das Systemdienstleistungsentgelt solle nach dieser Bestimmung jene Kosten abgelten, "die sich aus dem Erfordernis ergeben, Lastschwankungen durch eine Sekundärregelung auszugleichen". Die Sekundärregelung sei somit nach dieser Bestimmung die einzige im Rahmen des Systemdienstleistungsentgelts abzugeltende Regelleistung. Die Primär- und Tertiärregelung seien hingegen nicht abzugelten. Bei der Sekundärregelung handle es sich nach der in § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 enthaltenen Legaldefinition um die "automatisch wirksam werdende Wiederherstellung der Sollfrequenz nach Störung des Gleichgewichtes zwischen erzeugter und verbrauchter Wirkleistung mit Hilfe von zentralen oder dezentralen Regeleinrichtungen. Die Wiederherstellung der Sollfrequenz kann im Bereich von mehreren Minuten liegen". Die Abgrenzung der Sekundärregelung von der Primär- oder Tertiärregelung müsse einerseits anhand der Dauer des Einsatzes, andererseits anhand der Frage der Automatisierung des Abrufs der jeweiligen Regelenergie getroffen werden. Regelenergie könne, sofern sie manuell abgerufen bzw. ausgelöst werde, nur unter die Tertiärregelung fallen (Verweis auf die Definition der Tertiärregelung in § 7 Abs 1 Z 67 ElWOG 2010). Die Ausfallsreserve diene der Kompensation des Ausfalls des größten Kraftwerksblocks in der Regelzone. Der Begriff "Ausfallsreserve" finde sich im ElWOG 2010 nicht. Die Verrechenbarkeit der Ausfallsreserve im Rahmen des Systemdienstleistungsentgelts richte sich daher nach Ansicht des Gerichts danach, ob diese der Definition der Sekundärregelung entspreche. Da die Ausfallsreserve laut Rahmenvertrag, dessen Ausschreibungsbedingungen von der Regulierungsbehörde der E-Control Austria genehmigt worden seien (vgl. § 69 Abs 1 zweiter Satz ElWOG 2010), manuell abgerufen und erst nach zehn Minuten wirksam werde und somit nicht im "Bereich von mehreren Minuten" (vgl. die Legaldefinition der Sekundärregelung in § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010) liege, sei diese zur Gänze der Tertiärregelung zuzuordnen. Eine Verrechnung der Ausfallsreserve als Teil der Sekundärregelung sei nur dann zulässig, wenn die Ausfallsreserve auf die für die Sekundärregelung maßgebende Weise wirksam werde, und zwar automatisch, wobei die Sollfrequenz innerhalb weniger Minuten hergestellt werde. Die Regulierungskommission der E-Control ordne hingegen die Ausfallsreserve der Sekundärregelung zu und verrechne diese somit zu 78 % als Teil des Systemdienstleistungsentgelts.

3.2. Zudem seien die gesetzlichen Grundlagen zur Höhe des Systemdienstleistungsentgelts widersprüchlich: Während gemäß § 56 Abs 1 ElWOG 2010 die Kosten der Sekundärregelung zu 100 % vom Systemdienstleistungsentgelt abzudecken seien, halte § 69 Abs 1 letzter Satz ElWOG 2010 fest, dass durch das Systemdienstleistungsentgelt 78 % der Kosten für die Sekundärregelung aufzubringen seien, während die restlichen Kosten über die Verrechnung der Ausgleichsenergie aufgebracht würden. Welcher Anteil der auf die Sekundärregelung entfallenden Kosten tatsächlich in das Systemdienstleistungsentgelt gemäß § 8 SNE-VO 2012 eingerechnet worden sei, sei nicht bekannt. Die SNE-VO 2012 stehe daher in Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben; zudem sei das Gesetz nicht hinreichend bestimmt.

3.3. § 56 Abs 3 ElWOG 2010, der die gesetzliche Grundlage für die angefochtenen Verordnungen bilde, sei verfassungswidrig, weil die Bemessungsgrundlage für das Systemdienstleistungsentgelt den Eigenbedarf der Anlage inkludiere, welcher nicht in das öffentliche Netz eingespeist werde (Ansetzen bei den Generatorklemmen der jeweiligen Anlage).

3.4. Auch § 56 Abs 2 ElWOG 2010 sei verfassungswidrig: Es sei unsachlich, dass die Kosten der Systemdienstleistung ausschließlich durch Einspeiser getragen werden müssten. Als Grund dieser einseitigen Belastung hätten die Erläuterungen zu § 6 der (bereits außer Kraft getretenen) Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Festlegung der Grundsätze, die bei der Bestimmung des Systemnutzungstarifes angewendet werden, BGBl II 51/1999, sowie die Materialien zum ElWOG 2010 (Erläut. zur RV 994 BlgNR 24. GP) angeführt, dass der Systemnutzungstarif abgesehen von bestimmten Kostenbestandteilen ausschließlich die Verbraucher belaste und eine teilweise Belastung der Einspeiser daher als Ausgleich gerechtfertigt erscheine. Dieser Grund sei jedoch spätestens mit dem Jahr 2008 weggefallen. Mit der Verordnung der Energie-Control Kommission, mit der die Tarife für die Systemnutzung bestimmt werden (Systemnutzungstarife-Verordnung 2006, SNT-VO 2006) idF der Verordnung der Energie-Control Kommission, mit der die Verordnung der Energie-Control Kommission, mit der die Tarife für die Systemnutzung bestimmt werden (Systemnutzungstarife-Verordnung 2006, SNT-VO 2006), geändert wird (SNT-VO Novelle 2008), sei die Regulierungsbehörde von der einseitigen Belastung der Verbraucher mit den sonstigen Systemnutzungstarifen abgegangen und habe auch die Einspeiser mit Netzverlustentgelt belastet (vgl. nunmehr § 53 Abs 1 zweiter Satz ElWOG 2010).

3.5. Generell verletze die SNE-VO 2012 unter anderem das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil keine sachliche Begründbarkeit der Verrechnung der Ausfallsreserve über die Sekundärregelung ersichtlich sei.

4. Das antragstellende Gericht trägt in dem zu V57/2013 protokollierten Antrag zusätzlich folgende Bedenken vor:

4.1. Die Kostenbestimmungsmethode bei den Systemdienstleistungsentgelten sei gesetzwidrig, weil diese anhand eines Feststellungsbescheides der beklagten Partei aus dem Jahr 2011 erfolgt sei, welcher auf Werten und Mengen auf Grundlage der Jahresabschlüsse 2010 und somit auf der Beschaffung der Sekundärregelenergie von der Schwestergesellschaft der beklagten Partei zu Marktpreisen für Strom beruhe. § 69 Abs 1 ElWOG 2010 verpflichte den Regelzonenführer, und somit die beklagte Partei, jedoch zur Beschaffung der Sekundärregelung per Ausschreibung.

4.2. Außerdem sei das ElWOG 2010 auch aus dem Grund nicht hinreichend determiniert, dass aus dem Gesetz nicht ersichtlich sei, ob die Tertiärregelung nun zur Regel- oder Ausgleichsenergie zu zählen sei und unter welches Abgeltungssystem diese Regelleistung falle. In § 23 Abs 5 Z 5 ElWOG 2010 und § 88 Abs 3 ElWOG 2010 werde die Primär-, Sekundär- und Tertiärregelung zur Regelenergie gezählt. In § 88 Abs 8 Z 2 ElWOG 2010 würden die drei Leistungen zur Ausgleichsenergie gezählt. Es liege somit "am Empfänger des Systemdienstleistungsentgelts, den Leistungsumfang der von ihr als Systemdienstleistung zu erbringenden Leistungen nach selbst definierten Kriterien festzulegen".

4.3. Die Belastung (lediglich) der Einspeiser mit Systemdienstleistungsentgelt sei auch aus dem Grund unsachlich, dass das Ausmaß der Sekundärregelleistungsbereithaltung nicht nur in direktem Zusammenhang zur Erzeugung stehe, sondern auch in direktem Zusammenhang mit der (Verbrauchs-)Lastspitze und damit mit dem Verbrauch der Entnehmer. Zudem führe die Vorschreibung eines Systemdienstleistungsentgelts an österreichische Kraftwerksbetreiber zu einer Ungleichbehandlung der nationalen Stromerzeuger gegenüber ausländischen Stromerzeugern, die nicht zur Zahlung des Systemdienstleistungsentgelts verpflichtet seien. Es liege daher eine Gleichheitswidrigkeit wegen Inländerdiskriminierung vor.

4.4. Abschließend macht das antragstellende Gericht in seinem zu V57/2013 protokollierten Antrag das zusätzliche Bedenken geltend, § 56 Abs 2 ElWOG 2010 sei unsachlich, weil er lediglich Einspeiser mit einer Anschlussleistung von mehr als fünf Megawatt (im Folgenden: MW) zur Entrichtung des Systemdienstleistungsentgelts verpflichte. Mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand für Kleinanlagen könne dies nicht gerechtfertigt werden, da ohnehin standardisierte Rechnungsabläufe für die Tarifeinhebung existierten. Dies wirke sich negativ auf die von Einspeisern mit einer Anschlussleistung von mehr als fünf MW, zu denen auch die klagende Partei zu zählen sei, zu entrichtenden Tarife aus.

5. Die Regulierungskommission der E-Control erstattete zu diesen Anträgen jeweils eine Äußerung, in der sie zunächst überblicksartig das Verfahren zur Feststellung der Kostenbasis und zur Festlegung der Systemnutzungsentgelte, unter besonderer Berücksichtigung der Systemdienstleistungsentgelte, darlegt.

Die Regulierungskommission der E-Control weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass gemäß § 49 Abs 3 ElWOG 2010 der Verordnungserlassung ein Stellungnahmeverfahren voranzugehen habe, das insbesondere den betroffenen Netzbetreibern, Netzbenutzern und den in § 48 Abs 2 ElWOG 2010 genannten Interessenvertretungen die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gebe.

5.1. Zu den im Rahmen der zu V48/2013 bzw. V57/2013 protokollierten Anträge vorgebrachten Bedenken hält die Regulierungskommission der E-Control im Einzelnen fest:

5.1.2. Bereits vor Inkrafttreten der Novelle BGBl I 174/2013, die eine eindeutige Klarstellung der Zugehörigkeit der Ausfallsreserve zur Sekundärregelung enthalte, habe sich aus § 69 Abs 3 ElWOG 2010 ergeben, dass die Höhe der auszuschreibenden und bereitzustellenden Sekundärregelleistung "den Anforderungen des Europäischen Verbundbetriebes zu entsprechen und […] vom Regelzonenführer festzulegen" ist. Diese "Anforderungen des Europäischen Verbundbetriebes" seien im "ENTSO-E/Operation Handbook" festgelegt, welches "klare Hinweise" enthalte, dass die Ausfallsreserve Teil der Sekundärregelung sei. Das "ENTSO-E/Operation Handbook" sehe vor, dass die Sekundärregelung auch größere Störfälle abdecken solle. Nur in dem Fall, dass die nach dem "ENTSO-E/Operation Handbook" ermittelte Menge an vorzuhaltender Sekundärregelung den Ausfall des größten Blocks nicht abdecke, könne eine Abweichung zusätzlich mit Tertiärregelleistung ausgeglichen werden; vorrangig sei der Ausfall des größten Kraftwerksblocks jedoch durch Sekundärregelleistung auszugleichen. Zusammenfassend könne daher festgehalten werden, dass die "Ausfallsreserve primär als Teil der Sekundärregelung anzusehen" sei. Gemäß § 51 Abs 1 ElWOG 2010 habe der Verordnungsgeber bei der Festsetzung der Systemnutzungsentgelte den Grundsatz der "weitestgehenden" Verursachungsgerechtigkeit zu berücksichtigen. Da der Ausfall des größten Kraftwerksblocks durch Erzeuger (und nicht durch Verbraucher) verursacht werde, seien daraus resultierende Kosten auch von Erzeugern zu tragen. Unter Berücksichtigung der Materie, die an komplexe technische Sachverhalte anknüpfen müsse, sowie der Verwaltungsökonomie beinhalte die Formulierung in § 51 Abs 1 ElWOG 2010 die Möglichkeit für den Verordnungsgeber, die Ausfallsreserve gesamthaft der Sekundärregelung zuzuordnen. Aus diesem Grund flössen die Kosten für die Ausfallsreserve, die zu einem überwiegenden Anteil durch Sekundärregelung abgedeckt werden müssten, in die Bemessungsgrundlage für das Systemdienstleistungsentgelt ein.

Die Definition der Sekundärregelung sei mit BGBl I 174/2013 novelliert worden; sie umfasse nunmehr auch explizit die Ausfallsreserve (§7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 idF BGBl I 174/2013). Mit dieser Novelle sei auch eine Definition der Ausfallsreserve in § 7 Abs 1 Z 2a ElWOG 2010 eingefügt worden. Demnach stelle die Ausfallsreserve jenen Anteil der Sekundärregelung dar, der automatisch oder manuell angesteuert werden könne und vorrangig der Abdeckung des Ausfalls des größten Kraftwerksblocks in der Regelzone diene. Laut der Begründung zum Abänderungsantrag AA-345 24. GP sei der Gesetzgeber auch schon vor der Novelle von einer Zugehörigkeit der Ausfallsreserve zur Sekundärregelung ausgegangen und diene die Novelle der authentischen Klarstellung.

5.1.3. Der behauptete Widerspruch zwischen § 56 ElWOG 2010 und § 69 Abs 1 ElWOG 2010 liege nicht vor: Gemäß § 69 Abs 1 ElWOG 2010 seien 78 % der Gesamtkosten der Sekundärregelung durch das Systemdienstleistungsentgelt, die restlichen Kosten durch Ausgleichsenergie abzudecken. § 56 Abs 1 ElWOG 2010 sehe zunächst vor, dass "[d]urch das Systemdienstleistungsentgelt […] dem Regelzonenführer jene Kosten abgegolten werden, die sich aus dem Erfordernis ergeben, Lastschwankungen durch eine Sekundärregelung auszugleichen". Der zweite Satz dieser Bestimmung konkretisiere dies dahingehend, dass das Systemdienstleistungsentgelt (nur) "die Kosten für die Bereithaltung der Leistung und jenen Anteil der Kosten für die erforderliche Arbeit, der nicht durch die Entgelte für Ausgleichsenergie aufgebracht" werde, enthalte. Durch diesen Satz werde eindeutig klargestellt, dass Sekundärregelkosten nicht ausschließlich durch das Systemdienstleistungsentgelt gedeckt werden, sondern auch durch die Entgelte für Ausgleichsenergie. Aus diesem Grund sei auch nicht von einer Unbestimmtheit der gesetzlichen Grundlage auszugehen.

5.1.4. Das Abstellen auf die Bruttoenergie (samt Eigenverbrauch) bei Berechnung der zu leistenden Systemdienstleistungsentgelte sei dadurch sachlich gerechtfertigt, dass sowohl reine Einspeiser als auch Erzeugungsanlagen zur Abdeckung des Eigenbedarfs von Industrieunternehmen das Systemdienstleistungsentgelt bezahlen. Zudem sei bei Verwendung der Nettoerzeugung als Bemessungsgrundlage das Systemdienstleistungsentgelt höher und würde sich für die klagende Partei bei Heranziehung der Nettoerzeugung als Bemessungsgrundlage des Systemdienstleistungsentgelts eine Mehrbelastung ergeben.

5.1.5. Auch die alleinige Belastung der Einspeiser mit Systemdienstleistungsentgelt sei sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber sei sich bei Erlassung der gerügten Bestimmung des § 56 ElWOG 2010, wonach das Systemdienstleistungsentgelt von Einspeisern mit einer Engpassleistung von mehr als fünf MW zu entrichten sei, darüber im Klaren gewesen, dass gemäß § 53 Abs 1 ElWOG 2010 Einspeiser auch Netzverlustentgelt zu entrichten hätten, habe es jedoch — unter Berücksichtigung des verwaltungsökonomischen Aufwandes — für geboten erachtet, auf die überwiegende Verursachung seitens der Einspeiser abzustellen (Verweis auf den Grundsatz der "weitestgehenden Verursachungsgerechtigkeit" in § 51 Abs 1 ElWOG 2010).

5.2. In ihrer zu dem zu V57/2013 protokollierten Antrag erstatteten Äußerung hält die Regulierungskommission der E-Control den Bedenken des antragstellenden Gerichts weitere Argumente entgegen:

5.2.1. Es handle sich beim regulierten Strommarkt um einen Bereich des Unionsrechts, welcher die schrittweise Verwirklichung eines europäischen Binnenmarkts im Strombereich anstrebe und auch die entsprechenden Einrichtungen und Institutionen, wie etwa den "ENTSO-E", in dessen Rahmen das "ENTSO-E/Operation Handbook" erarbeitet worden sei, zu dessen Umsetzung zur Verfügung stelle. Der Gesetzgeber habe sich bewusst technischer Begriffe bedient und es seien in einem solchen Bereich zur Ermittlung des Begriffsinhalts auch technische Regelwerke heranzuziehen. Nach dem "ENTSO-E/Operation Handbook" seien die technischen Anforderungen für die Ausfallsreserve weniger streng als für die automatisch wirksam werdende Sekundärregelung; es genüge, dass die Ausfallsreserve den Kriterien für die Tertiärregelung entspreche.

5.2.2. Die Novelle BGBl I 174/2013, durch die die Zuordnung der Ausfallsreserve zur Sekundärregelung klargestellt werde, habe zur Folge, dass zum Zeitpunkt der Verordnungsprüfung die maßgebliche Rechtslage idF BGBl I 174/2013 heranzuziehen sei. In VfSlg 11.869/1988 habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass "[j]ede authentische Interpretation in Form eines Gesetzes […] insofern eine Änderung der Rechtslage [bewirke], als das neue Gesetz mit Rückwirkung an die Stelle des alten Gesetzes tritt. Insofern [entspreche] es in seiner Bedeutung einem rückwirkenden Gesetz." Zudem sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nur die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Prüfung maßgeblich. Durch die Rückwirkung der authentischen Interpretation sei die SNE-VO 2012 konvalidiert (Verweis auf VfSlg 12.325/1990).

5.2.3. Zum Bedenken, die Festsetzung des Systemdienstleistungsentgelts sei gesetzwidrig, weil diese anhand eines Feststellungsbescheides der beklagten Partei aus dem Jahr 2011 erfolgt sei, während § 69 Abs 1 ElWOG 2010 den Regelzonenführer, und somit die beklagte Partei, zur Beschaffung der Sekundärregelung per Ausschreibung verpflichte, hält die Regulierungskommission der E-Control fest, dass die Festsetzung des Systemdienstleistungsentgelts auf Basis einer Hochrechnung der bisherigen Kosten auf Grundlage des alten Beschaffungsvertrages und der im Jahresabschluss des Geschäftsjahres 2010 ausgewiesenen Kosten erfolgt sei; diese Kosten seien mit einem Gutachten der beklagten Partei bezüglich der zu erwartenden Kosten abgestimmt worden. Darauf aufbauend sei eine Anpassung des anerkannten Kostenwertes durchgeführt worden. Dies stehe in Einklang mit § 59 Abs 1 ElWOG 2010, wonach "dem Grunde und der Höhe nach angemessene Kosten zu berücksichtigen" seien.

5.2.4. Zum Bedenken, das ElWOG 2010 sei auch aus dem Grund nicht hinreichend determiniert, dass aus dem Gesetz nicht ersichtlich sei, ob die Tertiärregelung nun zur Regel- oder Ausgleichsenergie zu zählen sei und unter welches Abgeltungssystem diese Regelleistung falle, hält die Regulierungskommission der E-Control fest, dass "selbst bei einer vordergründigen widersprüchlichen Bezeichnung den in Rede stehenden Begriffen eine unmissverständliche und ohne Widersprüche nachvollziehbare Regelung in technischer Sicht, und somit eine deutliche Unterscheidbarkeit" zu Grunde liege. Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass bei einer Abweichung von der Prognose in einer Bilanzgruppe Ausgleichsenergie heranzuziehen sei; bei einer Abweichung von der Prognose über alle Bilanzgruppen hinweg in der Regelzone sei hingegen Regelenergie heranzuziehen. Diene ein Produkt der Tertiärregelung dem Ausgleich des Leistungsungleichgewichts durch den Regelzonenführer innerhalb der Regelzone, zähle es zur Regelenergie. Es sei auch in diesem Zusammenhang zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe deren technischer Hintergrund zum Verständnis heranzuziehen. Ein unauflösbarer Widerspruch im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liege nicht vor, weil sich die vom Gericht behauptete mangelnde Determinierung im Wege der Interpretation auflösen lasse.

5.2.5. Die vom antragstellenden Gericht behauptete Inländerdiskriminierung auf Grund des Umstands, dass der Import von Strom ausländischer Erzeugung keiner vergleichbaren Zahlung unterliege, sei schon allein deshalb unzutreffend, weil der Begriff "Inländerdiskriminierung" einen Sachverhalt umschreibe, der "Unionsbürgern in grenzüberschreitenden Konstellationen gemeinschaftsrechtlich günstigere Positionen im Vergleich zu einschränkenderen nationalen Regelungen" verschaffe. Im gegenständlichen Fall liege jedoch keine durch Unionsrecht verursachte Günstigerstellung von Unionsbürgern vor.

5.2.6. Schließlich erwidert die Regulierungskommission der E-Control auf das vom antragstellenden Gericht zu V57/2013 vorgetragene Bedenken, die Ausnahme von Einspeisern mit einer Anschlussleistung bis inklusive fünf MW in § 56 Abs 2 ElWOG 2010 sei unsachlich, dass eine Vorschreibung des Systemdienstleistungsentgelts an alle Klein- bis Kleinsterzeuger mit einem enormen Verwaltungsaufwand zur Verrechnung des Entgelts an alle Erzeuger verbunden wäre.

6. Die in dem dem Verfahren V48/2013 zu Grunde liegenden zivilgerichtlichen Anlassverfahren klagende Partei erstattete zu dem zu dieser Zahl gestellten Verordnungsprüfungsantrag des antragstellenden Gerichts eine Stellungnahme, in der sie im Wesentlichen den Bedenken des antragstellenden Gerichts beitritt und darüber hinaus ausführt:

Die in Prüfung gezogenen SNE-VO 2012 und SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 seien auf Grund der alten Rechtslage erlassen worden; diese sei Prüfmaßstab im Verordnungsprüfungsverfahren. Aus dem "ENTSO-E/Operation Handbook" lasse sich ableiten, dass die Ausfallsreserve zur Kompensation des Ausfalls des größten Kraftwerksblocks als solche weder der Sekundär- noch der Tertiärregelung zuzuordnen sei. Die Miteinbeziehung von Kosten der Ausfallsreserve in das Systemdienstleistungsentgelt verstoße (auch) gegen das Diskriminierungsverbot des § 9 ElWOG 2010, da sich die Netzkosten aus einem erhöhten Betrag zusammensetzen, der die klagende Partei als Erzeuger und Einspeiser gegenüber Mitbewerbern gröblich benachteilige.

7. Die in dem dem Verfahren V57/2013 zu Grunde liegenden zivilgerichtlichen Anlassverfahren klagende Partei erstattete zu dem zu dieser Zahl gestellten Verordnungsprüfungsantrag des antragstellenden Gerichts eine im Wesentlichen dem gerichtlichen Verordnungsprüfungsantrag beitretende Stellungnahme.

8. Die in beiden zivilgerichtlichen Anlassverfahren beklagte Partei erstattete zu den Verordnungsprüfungsanträgen des antragstellenden Gerichts zwei im Wesentlichen gleichlautende Stellungnahmen, in denen sie über das Vorbringen der Regulierungskommission der E-Control hinausgehend insbesondere Folgendes ausführt:

Die aus dem "ENTSO-E/Operation Handbook" resultierenden Vorgaben seien auf Grund des Verweises in § 23 Abs 2 Z 1 ElWOG 2010 und in § 8 Abs 1 Z 1 Sbg. Landeselektrizitätsgesetz, LGBl 75/1999 idF LGBl 32/2013, auf die Pflicht des Regelzonenführers, sohin der beklagten Partei, die Systemdienstleistung entsprechend den technischen Regeln bereitzustellen, zwingend zu berücksichtigen. Diese Auslegung werde auch durch die Erläut. zur RV 994 BlgNR 24. GP gestützt. Dass die Ausfallsreserve zwingend als Sekundärregelung zu qualifizieren sei, gehe auch aus dem Bescheid des Vorstands der E-Control zur Genehmigung der Ausschreibungsbedingungen der beklagten Partei für die Beschaffung der Sekundärregelung und aus dem Bescheid des Vorstands der E-Control, mit welchem die Ausschreibungsbedingungen für die im Rahmen der Tertiärregelung beschafften Anteile der Sekundärregelung (Ausfallsreserve) für die Regelzone der beklagten Partei genehmigt werden, hervor. Die technischen Regeln des "ENTSO-E/Operation Handbook" stünden auf gleicher gesetzlicher Ebene wie die Definition der Sekundärregelung gemäß § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010. Das in dieser Definition enthaltene Wort "automatisch" umfasse auch jene Fälle, in denen Mitarbeiter der beklagten Partei "'automatisch' (ohne weitere unternehmerische Willensentscheidung) Maßnahmen zur Wiederherstellung der Sollfrequenz […] — etwa durch Telefonate — setzen". Überhaupt bestehe ein Unterschied zwischen "den Begriffsinhalten 'automatisch' gemäß § 7 Abs 1 Z 62 und 67 ElWOG 2010".

Folge man den Bedenken des antragstellenden Gerichts, hätte dies zur Folge, dass die Ausfallsreserve zu technisch höherwertigen Bedingungen beschafft werden müsse, als dies nach dem "ENTSO-E/Operation Handbook" erforderlich sei. Dies widerspreche aber dem Zweck der Ausschreibung der Sekundärregelung, die die Kosten auf das Notwendige beschränken solle. Aus den in den Legaldefinitionen des ElWOG 2010 zur Sekundär- und Tertiärregelung enthaltenen zeitlichen Komponenten folge keineswegs, dass die Ausfallsreserve nicht unter die Sekundärregelung zu subsumieren sei. Gemäß Punkt 3.6. des Rahmenvertrags sei der Anbieter der Ausfallsreserve dazu verpflichtet, die angeforderte Energie "innerhalb von 10 Minuten" zur Verfügung zu stellen. Es sei nicht verständlich, warum ein Zeitraum von 10 Minuten nicht als "mehrere Minuten" im Sinne der Legaldefinition des § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 zur Sekundärregelung gelten solle.

Dass die Bemessung des Systemdienstleistungsentgelts auch den Eigenbedarf heranziehe, sei deshalb sachlich gerechtfertigt, weil bei Ausfall eines Kraftwerkes sowohl die ausgefallene Einspeisung als auch der Eigenbedarf der Kraftwerke substituiert werden müsse. Es sei somit die Blockgröße der Kraftwerke ausschlaggebend.

Hinsichtlich der "Heranziehung des Marktpreises" bei Festsetzung der Systemdienstleistungsentgelte hält die in den zivilgerichtlichen Anlassverfahren beklagte Partei fest, dass durch das Regulierungskonto sichergestellt sei, dass es zu keiner Mehrbelastung der zahlungspflichtigen Erzeuger aus Prognoseabweichungen komme, weil Ansprüche und Verpflichtungen, die die Beschaffung der Sekundärregelung betreffen, zu aktivieren bzw. zu passivieren seien. Eine Benachteiligung gegenüber anderen Erzeugern aus dem EU-Ausland liege nicht vor, weil eine Übersicht der Tarife der verschiedenen Übertragungsnetze zeige, dass in mehreren europäischen Staaten auch von Erzeugern Netztarife zu zahlen seien.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 — ElWOG 2010), BGBl I 110/2010, lauten in ihrer Stammfassung:

"Begriffsbestimmungen

§7. (Grundsatzbestimmung) (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Ausdruck

[…]

62. 'Sekundärregelung' automatisch wirksam werdende Wiederherstellung der Sollfrequenz nach Störung des Gleichgewichtes zwischen erzeugter und verbrauchter Wirkleistung mit Hilfe von zentralen oder dezentralen Regeleinrichtungen. Die Wiederherstellung der Sollfrequenz kann im Bereich von mehreren Minuten liegen;

[…]

67. 'Tertiärregelung' das längerfristig wirksam werdende, manuell oder automatisch ausgelöste Abrufen von elektrischer Leistung, die zur Unterstützung bzw. Ergänzung der Sekundärregelung bzw. zur längerfristigen Ablösung von bereits aktivierter Sekundärregelleistung dient (Minutenreserve);

[…]

[…]

2. Hauptstück

Regelzonen

Einteilung der Regelzonen

§23. […]

(2) (Grundsatzbestimmung) Die Ausführungsgesetze haben dem Regelzonenführer folgende Pflichten aufzuerlegen:

1. die Bereitstellung der Systemdienstleistung (Leistungs-Frequenz-Regelung) entsprechend den technischen Regeln, wie etwa der ENTSO (Strom), wobei diese Systemdienstleistung von dritten Unternehmen erbracht werden kann;

[…]

[…]

(5) (Grundsatzbestimmung) Im Rahmen der Berechnung und Zuordnung der Ausgleichsenergie sind vom Bilanzgruppenkoordinator – sofern nicht besondere Regelungen im Rahmen von Verträgen gemäß § 113 Abs 2 bestehen – jedenfalls

[…]

5. Informationen über die zur Sicherung eines transparenten und diskriminierungsfreien und möglichst liquiden Regelenergiemarktes erforderlichen Maßnahmen den Marktteilnehmern zu gewähren. Dazu zählen jedenfalls eine aktuelle Darstellung der eingelangten Angebote für Regelenergie und –leistung (ungewollter Austausch, Primär-, Sekundär-, und Tertiärregelung) oder ähnliche Marktinstrumente sowie eine aktuelle Darstellung der abgerufenen Angebote.

[…]

[…]

Systemnutzungsentgelte und Ausgleichszahlungen

§49. (1) Die Systemnutzungsentgelte werden unter Berücksichtigung einer Kostenwälzung gemäß § 62 auf Basis der festgestellten Kosten und des Mengengerüsts mit Verordnung der Regulierungsbehörde bestimmt.

(2) Erforderlichenfalls werden in der Verordnung Ausgleichszahlungen zwischen Netzbetreibern eines Netzbereiches bestimmt.

(3) Der Verordnungserlassung hat ein Stellungnahmeverfahren voranzugehen, das insbesondere den betroffenen Netzbetreibern, Netzbenutzern und den in § 48 Abs 2 genannten Interessenvertretungen die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist sicherstellt.

(4) Nach Abschluss des Stellungnahmeverfahrens sind über Verlangen sämtliche Unterlagen dem Regulierungsbeirat vorzulegen. Der Vorsitzende kann zur Beratung im Regulierungsbeirat auch Sachverständige beiziehen. Bei Gefahr im Verzug kann die Anhörung durch den Regulierungsbeirat entfallen. Dieser ist jedoch nachträglich unverzüglich mit der Angelegenheit zu befassen.

(5) Die Regulierungsbehörde und Netzbetreiber haben dem Regulierungsbeirat sämtliche für die Beurteilung des Verordnungsentwurfes notwendigen Unterlagen zu übermitteln sowie Auskünfte zu geben.

[…]

2. Hauptstück

Entgeltkomponenten

Bestimmung der Systemnutzungsentgelte

§51. (1) Zur Erbringung aller Leistungen, die von den Netzbetreibern und Regelzonenführe[r]n in Erfüllung der ihnen auferlegten Verpflichtungen erbracht werden, haben die Netzbenutzer ein Systemnutzungsentgelt zu entrichten. Das Systemnutzungsentgelt besteht aus den in Abs 2 Z 1 bis 7 bezeichneten Bestandteilen. Eine über die im Abs 2 Z 1 bis 8 angeführten Entgelte hinausgehende Verrechnung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Netzbetrieb ist, unbeschadet gesonderter Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, unzulässig. Das Systemnutzungsentgelt hat dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Systembenutzer, der Kostenorientierung und weitestgehenden Verursachungsgerechtigkeit zu entsprechen und zu gewährleisten, dass elektrische Energie effizient genutzt wird und das Volumen verteilter oder übertragener elektrischer Energie nicht unnötig erhöht wird.

(2) Das Systemnutzungsentgelt bestimmt sich aus dem

1. Netznutzungsentgelt;

2. Netzverlustentgelt;

3. Netzzutrittsentgelt;

4. Netzbereitstellungsentgelt;

5. Systemdienstleitungsentgelt;

6. Entgelt für Messleistungen;

7. Entgelt für sonstige Leistungen sowie

8. gegebenenfalls dem Entgelt für internationale Transaktionen und für Verträge für den Transport von Energie gemäß § 113 Abs 1.

Die in den Z 1, 2, 4, 5, 6 und 7 angeführten Entgelte sind durch Verordnung der Regulierungsbehörde zu bestimmen, wobei die Entgelte gemäß Z 1, 2, 4, 5 und 7 als Festpreise zu bestimmen sind. Das Entgelt gemäß Z 6 ist als Höchstpreis zu bestimmen. Die Entgelte sind in Euro bzw. Cent pro Verrechnungseinheit angegeben.

(3) Die Regulierungsbehörde hat jedenfalls Systemnutzungsentgelte für Entnehmer und Einspeiser von elektrischer Energie durch Verordnung zu bestimmen, die auf den Netzbereich sowie die Netzebene zu beziehen sind, an der die Anlage angeschlossen ist. Vorgaben hinsichtlich der Netzebenenzuordnung der Anlagen, der Verrechnungsmodalitäten sowie besondere Vorschriften für temporäre Anschlüsse sind in dieser Verordnung festzulegen.

[…]

Netzverlustentgelt

§53. (1) Durch das Netzverlustentgelt werden jene Kosten abgegolten, die dem Netzbetreiber für die transparente und diskriminierungsfreie Beschaffung von angemessenen Energiemengen zum Ausgleich physikalischer Netzverluste entstehen, bei der Ermittlung angemessener Energiemengen sind Durchschnittsbetrachtungen zulässig. Das Netzverlustentgelt ist von Entnehmern und Einspeisern zu entrichten. Einspeiser, einschließlich Kraftwerksparks, mit einer Anschlussleistung bis inklusive fünf MW sind von der Entrichtung des Netzverlustentgelts befreit.

[…]

[…]

Systemdienstleistungsentgelt

§56. (1) Durch das Systemdienstleistungsentgelt werden dem Regelzonenführer jene Kosten abgegolten, die sich aus dem Erfordernis ergeben, Lastschwankungen durch eine Sekundärregelung auszugleichen. Das Systemdienstleistungsentgelt beinhaltet die Kosten für die Bereithaltung der Leistung und jenen Anteil der Kosten für die erforderliche Arbeit, der nicht durch die Entgelte für Ausgleichsenergie aufgebracht wird.

(2) Das Systemdienstleistungsentgelt ist arbeitsbezogen zu bestimmen und ist von Einspeisern, einschließlich Kraftwerksparks, mit einer Anschlussleistung von mehr als fünf MW regelmäßig zu entrichten.

(3) Bemessungsgrundlage ist die Bruttoerzeugung (an den Generatorklemmen) der jeweiligen Anlage bzw. des Kraftwerksparks. Sofern die Verbindungsleitung(en) der Anlage zum öffentlichen Netz eine geringere Kapazität aufweist (aufweisen) als die Nennleistung der Erzeugungsanlagen, so ist die Bemessungsgrundlage die Anzahl der Betriebsstunden der Anlage multipliziert mit der Nennleistung (Absicherung der Zuleitung) der Verbindungsleitung zum öffentlichen Netz.

(4) Die zur Verrechnung des Systemdienstleistungsentgelts notwendigen Daten sind von den zur Zahlung verpflichteten Erzeugern dem Regelzonenführer jährlich bekannt zu geben.

[…]

3. Hauptstück

Grundsätze der Kosten- und Mengenermittlung

Kostenermittlung

§59. (1) Die den Entgelten zugrunde liegenden Kosten haben dem Grundsatz der Kostenwahrheit zu entsprechen und sind differenziert nach Netzebenen zu ermitteln. Dem Grunde und der Höhe nach angemessene Kosten sind zu berücksichtigen. Der Netzsicherheit, der Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien, der Marktintegration sowie der Energieeffizienz ist Rechnung zu tragen. Die Bestimmung der Kosten unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung, die von einem rationell geführten, vergleichbaren Unternehmen ausgeht, ist zulässig. Investitionen sind in angemessener Weise ausgehend von den ursprünglichen Anschaffungskosten sowie den Finanzierungskosten zu berücksichtigen. Außerordentliche Aufwendungen oder Erträge können über einen mehrjährigen Zeitraum anteilig verteilt werden. Die bei einer effizienten Implementierung neuer Technologien entstehenden Kosten sind in den Entgelten unter Berücksichtigung der beschriebenen Grundsätze und der Nutzung von Synergieeffekten angemessen zu berücksichtigen. Internationale Transaktionen und Verträge für den Transport von Energie gemäß § 113 Abs 1 sind bei der Kostenermittlung zu berücksichtigen.

(2) Für die Ermittlung der Kosten sind Zielvorgaben zugrunde zu legen, die sich am Einsparungspotential der Unternehmen orientieren. Dabei sind die festgestellten Kosten sowohl um generelle Zielvorgaben, die sich an Produktivitätsentwicklungen orientieren, als auch um die netzbetreiberspezifische Teuerungsrate anzupassen. Individuelle Zielvorgaben können aufgrund der Effizienz der Netzbetreiber berücksichtigt werden. Die dabei anzuwendenden Methoden haben dem Stand der Wissenschaft zu entsprechen. Bei der Ermittlung der individuellen Zielvorgaben können neben einer Gesamtunternehmensbetrachtung bei sachlicher Vergleichbarkeit auch einzelne Teilprozesse herangezogen werden. Dabei ist sicher zu stellen, dass für die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber Anreize bestehen, die Effizienz zu steigern und notwendige Investitionen angemessen durchführen zu können.

(3) Der Zeitraum zur Realisierung der Zielvorgaben (Zielerreichungszeitraum) kann durch die Regulierungsbehörde im jeweiligen Kostenbescheid in ein- oder mehrjährige Regulierungsperioden unterteilt werden. Zum Ende einer Regulierungsperiode können die unternehmensindividuellen Effizienzfortschritte einer Evaluierung unterzogen werden. Nach einer Regulierungsperiode kann neuerlich ein Effizienzvergleich oder ein alternatives dem Stand der Wissenschaft entsprechendes Regulierungssystem zur Ermittlung der Netznutzungsentgelte umgesetzt werden.

(4) Beeinflusst das vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen die Kosten des Netzbetreibers durch Verrechnungen, muss der Netzbetreiber diese Kosten ausreichend belegen. Auf Verlangen der Regulierungsbehörde hat das vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen die Kalkulationsgrundlage für die Verrechnungen vorzulegen.

(5) Zur Abdeckung der netzbetreiberspezifischen Teuerungsrate ist ein Netzbetreiberpreisindex zu berücksichtigen. Dieser setzt sich aus veröffentlichten Teilindices zusammen, die die durchschnittliche Kostenstruktur der Netzbetreiber repräsentieren.

(6) Zielvorgaben gemäß Abs 2 sowie die netzbetreiberspezifische Teuerungsrate gemäß Abs 5 wirken ausschließlich auf die vom Unternehmen beeinflussbaren Kosten. Nicht beeinflussbare Kosten sind insbesondere Kosten:

1. die mit der Umsetzung von Maßnahmen entstehen, die auf Grund von Netzentwicklungsplänen von der Regulierungsbehörde genehmigt worden sind;

2. für die Nutzung funktional verbundener Netze im Inland;

3. zur Deckung von Netzverlusten auf Basis transparenter und diskriminierungsfreier Beschaffung;

4. für die Bereitstellung von Primär- und Sekundärregelung auf Basis transparenter und diskriminierungsfreier Beschaffung;

5. für Landesabgaben zur Nutzung öffentlichen Grundes (Gebrauchsabgabe);

6. […].

(7) Die Kosten für die Bestimmung der Netzverlust- und Netznutzungsentgelte sind bezogen auf die jeweiligen Netzebenen auf Basis der festgestellten Gesamtkosten abzüglich vereinnahmter Messentgelte, Entgelte für sonstige Leistungen sowie der anteiligen Auflösung von passivierten Netzbereitstellungs- und Netzzutrittsentgelten sowie unter angemessener Berücksichtigung etwaiger Erlöse aus grenzüberschreitenden Transporten zu ermitteln. Die festgestellten Gesamtkosten sind um vereinnahmte Förderungen und Beihilfen zu reduzieren.

[…]

Ausschreibung der Sekundärregelung

§69. (1) Die Beschaffung der Sekundärregelung erfolgt mittels wettbewerblich organisierter Ausschreibungen, die durch den jeweiligen Regelzonenführer regelmäßig durchgeführt werden. Die Bedingungen für die Beschaffung der Sekundärregelung sind von der Regulierungsbehörde bescheidmäßig zu genehmigen. Gegenstand der Ausschreibung ist der Preis für die Vorhaltung der Leistung und für die tatsächliche Erbringung der Arbeit. Für die Reihung der Angebote sind Leistungs- und Arbeitspreis maßgeblich. Durch das Systemdienstleistungsentgelt sind 78% der Kosten für die Sekundärregelung aufzubringen, die restlichen Kosten werden über die Verrechnung der Ausgleichsenergie aufgebracht.

[…]

(3) Die Höhe der auszuschreibenden und bereitzustellenden Leistung hat den Anforderungen des Europäischen Verbundbetriebes zu entsprechen und ist vom Regelzonenführer festzulegen.

[…]

[…]

11. Teil

Überwachungsaufgaben

Überwachungsaufgaben

§88. […]

(3) Im Rahmen ihrer den Elektrizitätsmarkt betreffenden Überwachungsfunktion hat die Regulierungsbehörde die Aufgabe,

[…]

6. von Regelzonenführern aggregierte Informationen aus sämtlichen Beschaffungen von Regelenergieprodukten (dh. Primär-, Sekundär- und Tertiärregelung, ungewollten Austausch), wie periodische Kosten, beschaffte Mengen, Anzahl der Bieter, sowie Informationen über die Ausgleichsenergiesituation in der Regelzone wie Preise der Bilanzgruppen für in Anspruch genommene Ausgleichsenergie, Leistungsabweichung der gesamten Regelzone und Einsatz der Regelenergieprodukte, Abweichungen der Bilanzgruppen zu erheben.

[…]

(8) Die in Abs 2 bezeichneten Meldepflichtigen haben die Daten gemäß Abs 2 der Regulierungsbehörde und der jeweiligen Landesregierung bis spätestens 31. März des jeweiligen Folgejahres in einem von der Regulierungsbehörde definierten Format elektronisch zu übermitteln. Weiters sind unter sinngemäßer Anwendung des vorigen Satzes folgende Daten an die Regulierungsbehörde zu übermitteln:

[…]

2. von den jeweils die Ausschreibung im Zusammenhang mit dem Bezug von Ausgleichsenergie (dh. Primär-, Sekundär- und Tertiärregelung, ungewollten Austausch) vornehmenden Personen: Je Gebot angegebener Leistungspreis (Euro/MW), Arbeitspreis (Euro/MWh), angebotene Leistung (MW), Erteilung des Zuschlags und Regelzonenanbindung."

2. Die durch diese Novelle geänderten, hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 - ElWOG 2010), BGBl I 110/2010 lauten idF BGBl I 174/2013:

"Begriffsbestimmungen

§7. (Grundsatzbestimmung) (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Ausdruck

[…]

2a. 'Ausfallsreserve' jenen Anteil der Sekundärregelung, der automatisch oder manuell angesteuert werden kann und vorrangig der Abdeckung des Ausfalls des größten Kraftwerkblocks in der Regelzone dient;

[…]

62. 'Sekundärregelung' die automatisch wirksam werdende und erforderlichenfalls ergänzend manuell angesteuerte Rückführung der Frequenz und der Austauschleistung mit anderen Regelzonen auf die Sollwerte nach Störung des Gleichgewichtes zwischen erzeugter und verbrauchter Wirkleistung mit Hilfe von zentralen oder dezentralen Einrichtungen. Die Sekundärregelung umfasst auch die Ausfallsreserve. Die Wiederherstellung der Sollfrequenz kann im Bereich von mehreren Minuten liegen;

[…]"

3. § 8 der Verordnung der Regulierungskommission der E-Control, mit der die Entgelte für die Systemnutzung bestimmt werden (Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012, SNE-VO 2012), BGBl II 440/2011, lautet (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Bestimmung des Systemdienstleistungsentgelts

§8. Für das von Einspeisern, einschließlich Kraftwerksparks von mehr als fünf MW zu entrichtende Systemdienstleistungsentgelt werden folgende Entgelte bestimmt:

Österreichischer Bereich: Cent 0,1180/kWh

Bereich Tirol: Cent 0,1180/kWh

Bereich Vorarlberg: Cent 0,1180/kWh"

4. § 8 der Verordnung der Regulierungskommission der E-Control, mit der die Entgelte für die Systemnutzung bestimmt werden (Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012, SNE-VO 2012), BGBl II 440/2011 idF BGBl II 481/2012 (SNE-VO-Novelle 2013), lautet:

"Bestimmung des Systemdienstleistungsentgelts

§8. Für das von Einspeisern, einschließlich Kraftwerksparks, von mehr als fünf MW zu entrichtende Systemdienstleistungsentgelt werden folgende Entgelte bestimmt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

a) Österreichischer Bereich: Cent 0,1790/kWh

b) Bereich Tirol: Cent 0,1790/kWh

c) Bereich Vorarlberg: Cent 0,1790/kWh"

III. Erwägungen

1. Die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen (Haupt-)Anträge sind zulässig:

1.1. Hat ein Gericht gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so hat es gemäß Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Auf Grund eines solchen Antrags erkennt der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit der Verordnung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umfasst der Prüfungsmaßstab der "Gesetzwidrigkeit" nach Art 139 Abs 1 B-VG auch die Verfassungsmäßigkeit einer Verordnung (siehe VfSlg 16.242/2001). Daher erachtet es der Verfassungsgerichtshof in ebenso ständiger Rechtsprechung für zulässig, dass Gerichte einen Verordnungsprüfungsantrag damit begründen, dass die gesetzliche Grundlage der angefochtenen Verordnung(sbestimmung) verfassungswidrig und die auf einer solchen Grundlage erlassene Verordnung(sbestimmung) nach deren Aufhebung mit Gesetzlosigkeit belastet ist (siehe VfSlg 16.538/2002).

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichts in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die — angefochtene — generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003 und zuletzt ua.).

Da vor diesem Hintergrund dem antragstellenden Gericht jedenfalls nicht entgegengetreten werden kann, wenn es davon ausgeht, dass die angefochtene Wortfolge des § 8 SNE-VO 2012 und des § 8 SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 eine Voraussetzung für seine Entscheidungen in den Anlassverfahren bildet (vgl. VfSlg 18.453/2008), eine Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen in § 8 der genannten Verordnungen genügte, um die behaupteten Rechtswidrigkeiten für die gerichtlichen Anlassverfahren zu beseitigen und auch sonst keine Bedenken ob der Zulässigkeit der (Haupt-)Anträge entstanden sind, sind diese zulässig. Auf die Eventualanträge braucht daher nicht eingegangen zu werden (VfSlg 18.422/2011).

2. Die Anträge sind zum Teil auch begründet:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in den Begründungen der Anträge dargelegten Gründen gesetzwidrig ist.

2.2. Der elektrotechnischen Ausbalancierung des Elektrizitätsnetzes kommt zentrale Bedeutung für die Sicherung der Netzstabilität und der Versorgungssicherheit zu. Diese Aufgabe des elektrotechnischen Ausgleichs in der jeweiligen Regelzone nehmen die Übertragungsnetzbetreiber als Regelzonenführer wahr (vgl. § 23 Abs 1 ElWOG 2010). Die in das Netz tatsächlich eingespeiste Leistung, die dem Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch in der Regelzone dient, wird als Regelleistung bzw. Regelenergie bezeichnet. Die Vornahme dieses Leistungsausgleichs ist im sogenannten "Operation Handbook" des Europäischen Verbunds der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO Strom) geregelt, das technische Standards für den Übertragungsnetzbetrieb festlegt. § 23 Abs 2 Z 1 ElWOG 2010 verweist auf dieses Handbuch als "technische Regeln".

Der Ausgleich zwischen eingespeister und entnommener Leistung erfolgt in mehreren zeitlich gestaffelten Stufen. Die sogenannte "Primärregelung" erfolgt binnen Sekunden nach einer großen Leistungsabweichung (etwa durch einen Kraftwerksausfall) durch automatische Änderung der Turbinendrehzahlregler in dafür bestimmten Kraftwerken in sämtlichen Regelzonen des Europäischen Verbundnetzes, die zu diesem Zweck im Normalbetrieb einen Teil ihrer Leistung freihalten (siehe § 7 Abs 1 Z 58 ElWOG 2010: Primärregelung als "automatisch wirksam werdende Wiederherstellung des Gleichgewichtes zwischen Erzeugung und Verbrauch mit Hilfe der Turbinendrehzahlregler gemäß eingestellter Statikkennlinie von Maschinen im Zeitbereich bis höchstens dreißig Sekunden nach Störungseintritt"). Im Fall einer länger andauernden Leistungsabweichung wird nach maximal dreißig Sekunden die "Sekundärregelung" aktiviert, womit die Primärregelleistung wieder frei wird. Die Sekundärregelung erfolgt grundsätzlich automatisch durch Änderung der Turbinendrehzahlregler in Kraftwerken oder durch Zuschaltung schnell startender Reservekraftwerke in der betroffenen Regelzone. Während also die Primärregelung länderübergreifend für eine stabile Frequenz im Verbundnetz sorgen soll, sorgt die Sekundärregelung innerhalb der Regelzone, in der die Leistungsabweichung auftritt, für einen Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch.

Das ElWOG 2010 definiert die Sekundärregelung in § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 in der Stammfassung (BGBl I 110/2010) als "automatisch wirksam werdende Wieder-herstellung der Sollfrequenz nach Störung des Gleichgewichtes zwischen erzeug-ter und verbrauchter Wirkleistung mit Hilfe von zentralen oder dezentralen Regeleinrichtungen. Die Wiederherstellung der Sollfrequenz kann im Bereich von mehreren Minuten liegen". Mit der Novelle BGBl I 174/2013 hat der Gesetzge-ber die Definition des § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 dahingehend abgeändert, dass die Sekundärregelung nunmehr als "die automatisch wirksam werdende und erfor-derlichenfalls ergänzend manuell angesteuerte Rückführung der Frequenz und der Austauschleistung mit anderen Regelzonen auf die Sollwerte nach Störung des Gleichgewichtes zwischen erzeugter und verbrauchter Wirkleistung mit Hilfe von zentralen oder dezentralen Einrichtungen […]" definiert wird. Ausdrücklich ist nunmehr auch bestimmt: "Die Sekundärregelung umfasst auch die Ausfallsreser-ve."

Dauert die Leistungsabweichung in einer Regelzone länger an, wird die Sekun-därregelung durch die sogenannte "Tertiärregelung" abgelöst. Diese wird entwe-der automatisch oder manuell aktiviert und soll spätestens fünfzehn Minuten nach Beginn der Gesamtregelzonenabweichung zum Einsatz kommen (vgl. § 7 Abs 1 Z 67 ElWOG 2010: Tertiärregelung als "das längerfristig wirksam werdende, manuell oder automatisch ausgelöste Abrufen von elektrischer Leistung, die zur Unterstützung bzw. Ergänzung der Sekundärregelung bzw. zur längerfristigen Ablösung von bereits aktivierter Sekundärregelleistung dient").

Die Aufbringung der Primärregelleistung erfolgt durch Ausschreibung durch den Regelzonenführer (§67 ElWOG 2010), der die Kosten Erzeugern, deren maximale Dauerleistung fünf MW übersteigt, unmittelbar verrechnet (§68 ElWOG 2010). Die Beschaffung der Sekundärregelung erfolgt gemäß § 69 ElWOG 2010 (nunmehr) ebenfalls mittels wettbewerblich organisierter Ausschreibungen durch den Regelzonenführer. Die anfallenden Kosten werden dem Regelzonenführer zum Großteil über das Systemdienstleistungsentgelt gemäß § 56 ElWOG 2010 abgegolten. Dabei sind im Prinzip die Kosten der Bereitstellung der Leistung durch das Systemdienstleistungsentgelt abzudecken, während die Kosten für die erforderliche Arbeit teils durch die Systemdienstleistung, teils durch Verrechnung an die Bilanzgruppenverantwortlichen im Rahmen der Entgelte für Ausgleichsenergie gedeckt werden (§56 Abs 1 ElWOG 2010). § 69 Abs 1 ElWOG 2010 konkretisiert dies pauschalierend dahingehend, dass durch das Systemdienstleistungsentgelt 78 % der Kosten für die Sekundärregelung aufzubringen sind, die restlichen Kosten werden über die Verrechnung der Ausgleichsenergie aufgebracht (§69 Abs 1 ElWOG 2010). Die restlichen 22 % der Kosten für die Sekundärregelung sowie die gesamten Kosten der Tertiärregelung werden also — verursachergerecht — jener Bilanzgruppe zugeordnet, der die Leistungsabweichung zugerechnet werden kann.

3. Das antragstellende Gericht hegt nun zunächst in mehrfacher Hinsicht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit jener gesetzlichen Regelungen, insbesondere der §§56 und 69 ElWOG 2010, die die gesetzliche Grundlage der SNE-VO und damit auch der vom antragstellenden Gericht angefochtenen Wortfolgen in § 8 SNE-VO 2012 und § 8 SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 bilden:

3.1. Zunächst sieht das antragstellende Gericht einen — mit Art 18 B-VG nicht vereinbaren — Widerspruch zwischen § 56 Abs 1 erster Satz ElWOG 2010 und § 69 Abs 1 letzter Satz ElWOG 2010, weil erstgenannte Bestimmung anordne, dass die Sekundärregelung zur Gänze durch das Systemdienstleistungsentgelt abzugelten sei, während die zweitgenannte Regelung vorsehe, dass durch das Systemdienstleistungsentgelt bloß 78 % der Kosten für die Sekundärregelung aufzubringen seien. Bei systematischer Interpretation der beiden Bestimmungen ergibt sich freilich, dass durch § 56 Abs 1 ElWOG 2010 nur eine "Zweckbindung" der Systemdienstleistungsentgelte für Maßnahmen der Sekundärregelung angeordnet ist. Damit steht aber nicht in Widerspruch, dass § 69 Abs 1 letzter Satz ElWOG 2010 jenen Anteil der Sekundärregelung definiert, der mit dem Systemdienstleistungsentgelt abzudecken ist, und die restlichen Kosten der Sekundärregelung der Verrechnung über die Ausgleichsenergie zuordnet (siehe schon oben Punkt 2.2.).

Der Verfassungsgerichtshof vermag vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles auch nicht zu erkennen, dass die vom Gesetzgeber in § 56 Abs 1 iVm § 69 Abs 1 ElWOG 2010 getroffene Regelung, die – orientiert am langjährigen Durchschnitt der Arbeits- und Leistungskosten (vgl. AA-152 24. GP, 1) – den in § 56 Abs 1 zweiter Satz ElWOG 2010 aufgestellten Grundsatz für die Aufteilung in § 69 Abs 1 letzter Satz ElWOG 2010 mit einem pauschalierenden Aufteilungsschlüssel konkretisiert (wobei ausweislich der Erläuterungen [AA-152 24. GP, 1] "[g]eringfügige Abweichungen […] systembedingt bei der Festsetzung des Systemdienstleistungsentgelts zulässig" sind), unsachlich wäre.

3.2. Auch, dass § 56 Abs 2 ElWOG 2010 das Systemdienstleistungsentgelt aus-schließlich Einspeisern (mit einer Anschlussleistung von mehr als fünf MW) aufer-legt, ist nicht unsachlich. Der Verfassungsgerichtshof hat zuletzt in VfSlg 19.700/2012 in einem vergleichbaren Zusammenhang festgehalten, dass Sys-temnutzungsentgelte entsprechend sachlich zu differenzieren und die System-nutzer im Hinblick auf ihre jeweilige Kostenverursachung gleich zu behandeln sind. Angesichts des Umstands, dass das Ausmaß der Sekundärregelleistungsbe-reithaltung in direktem Zusammenhang zur Erzeugung steht (vgl. Erläut. zur RV 994 BlgNr 24. GP zu § 56 ElWOG 2010) und unter Berücksichtigung des Umstands, dass andere Bestandteile des Systemnutzungsentgelts insbesondere die Verbraucher belasten, überschreitet der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum unter dem Gleichheitsgrundsatz mit der Regelung des § 56 Abs 2 ElWOG 2010 nicht.

Vergleichbares gilt, wenn er aus verfahrensökonomischen Gründen vorsieht, kleine Erzeuger mit einer Anschlussleistung von bis zu fünf MW von der Verpflich-tung zur Entrichtung des Systemdienstleistungsentgelts auszunehmen. Auch im Hinblick darauf, dass sich die einschlägig vorzuhaltende Ausfallsreserve an eben dieser Messgröße orientiert, ist es nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber in § 56 Abs 3 ElWOG 2010 für die Berechnung des Systemdienstleistungsentgelts auf die Bruttoerzeugung der jeweiligen Anlage bzw. des Kraftwerksparks abstellt.

Eine verfassungsrechtlich unzulässige "Inländerdiskriminierung" ist schließlich — schon mangels unterschiedlicher unionsrechtlich bestimmter und nur innerstaatlich geregelter Systemdienstleistungsentgelte — nicht zu erkennen.

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hegt schließlich, anders als das antragstellende Gericht, auch keine Bedenken dagegen, dass der Verordnungsgeber der SNE-VO die Systemdienstleistungsentgelte für die in Rede stehenden Perioden anhand eines an die in den gerichtlichen Anlassverfahren beklagte Partei adressierten Feststellungsbescheides aus dem Jahr 2011 festgesetzt hat, weil dafür die Neuregelung des § 69 Abs 1 ElWOG 2010, derzufolge die Sekundärregelung durch wettbewerbliche Ausschreibung zu beschaffen ist, noch nicht wirksam sein konnte und das antragstellende Gericht keine Bedenken dahingehend vorgebracht hat, dass die durch ein von der Regulierungskommission der E-Control geprüftes Gutachten bestätigten Kosten den Anforderungen des § 29 Abs 1 ElWOG 2010, wonach dem Grunde und der Höhe nach angemessene Kosten zu berücksichtigen sind, widersprechen würden.

4.1. Das antragstellende Gericht hegt aber auch deswegen Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Wortfolgen in § 8 SNE-VO 2012 bzw. SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013, weil — nach insoweit im Verfahren unbestrittenen Angaben der Regulierungskommission der E-Control — damit in das Systemdienstleistungsentgelt auch die Kosten für die sogenannte "Ausfallsreserve" eingerechnet wurden.

Der Begriff dieser Ausfallsreserve findet sich in der Stammfassung des ElWOG 2010 nicht. Er bezeichnet aber nach der Verkehrsauffassung jene abrufbare Leistung, die den Ausfall des größten Kraftwerksblocks in der Regelzone kompensieren würde. Der Abruf dieser Ausfallsreserve erfolgt nach einem jeweils zwischen den in den gerichtlichen Anlassverfahren beteiligten Parteien abgeschlossenen und von der Regulierungsbehörde der E-Control genehmigten Rahmenvertrag telefonisch.

4.2. Das antragstellende Gericht hält es — auf dem Boden der Gesetzeslage des ElWOG 2010 in der Fassung vor der Novelle BGBl I 174/2013 — für gesetzwidrig, diese telefonisch abgerufene Ausfallsreserve der Sekundärregelung zuzurechnen, was aber notwendig sei, soweit diese durch das Systemdienstleistungsentgelt gemäß § 56 ElWOG 2010 abgegolten werden sollte. Denn § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 definiert in der Stammfassung (also vor BGBl I 174/2013) die Sekundärregelung als die "automatisch wirksam werdende" Wiederherstellung der Sollfrequenz nach Störung des Gleichgewichtes zwischen erzeugter und verbrauchter Wirkleistung mit Hilfe von zentralen oder dezentralen Regeleinrichtungen. Hingegen bestimmt § 7 Abs 1 Z 67 ElWOG 2010 (unverändert seit der Stammfassung) die Tertiärregelung als das längerfristig wirksam werdende, "manuell oder automatisch ausgelöste" Abrufen von elektrischer Leistung, die zur Unterstützung bzw. Ergänzung der Sekundärregelung bzw. zur längerfristigen Ablösung von bereits aktivierter Sekundärregelleistung dient.

4.3. Erst mit der Novelle BGBl I 174/2013 wurde die gesetzliche Definition der Sekundärregelung in § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 dahingehend erweitert, dass die Sekundärregelung nunmehr als "automatisch wirksam werdende und erforderlichenfalls ergänzend manuell angesteuerte Rückführung der Frequenz und der Austauschleistung mit anderen Regelzonen auf die Sollwerte nach Störung des Gleichgewichtes zwischen erzeugter und verbrauchter Wirkleistung mit Hilfe von zentralen oder dezentralen Einrichtungen" definiert wird. Mit derselben Novelle wurde in § 7 Abs 1 ElWOG 2010 auch eine neue Z 2a eingefügt, die nunmehr erstmals die Ausfallsreserve als "jenen Anteil der Sekundärregelung" definiert, "der automatisch oder manuell angesteuert werden kann und vorrangig der Abdeckung des Ausfalls des größten Kraftwerkblocks in der Regelzone dient".

Die Materialien zu dem dieser Neuregelung zu Grunde liegenden Abänderungsantrag für die zweite Lesung des Nationalrats (AA 345 24. GP, S 27f) begründen die Neuregelung wie folgt:

"In der Vollziehung des ElWOG 2010 wurde bislang die Ausfallsreserve stets als Teil der Sekundärregelung verstanden. Im Bewusstsein dieses Umstandes wurden bei der Erlassung des ElWOG 2010 die gesetzlichen Bestimmungen des ElWOG konkretisiert und mit genauerer Textierung in das ElWOG 2010 übergeführt, eine expliziete Erwähnung der Zuordnung der Ausfallsreserve zur Sekundärregelung im Gesetzestext ist jedoch unterblieben. Um Zweifeln und Unklarheiten vorzubeugen, wird mit der nunmehrigen Regelung authentisch klargestellt, dass die Ausfallsreserve — wie in der Vergangenheit — ein Teil der Sekundärregelung ist."

4.4. Darauf aufbauend vertritt die Regulierungskommission der E-Control die Auffassung, dass aufgrund der mit der Novelle BGBl I 174/2013 in § 7 Abs 1 Z 62 und § 7 Abs 1 Z 2a ElWOG 2010 erfolgten "authentischen Interpretation" den Bedenken des antragstellenden Gerichts der Boden entzogen und nunmehr die angefochtenen Verordnungsbestimmungen jedenfalls gesetzlich gedeckt seien. Dies setzt freilich voraus, dass der hier in Rede stehenden Änderung des ElWOG 2010 durch BGBl I 174/2013 insofern rückwirkende Kraft zukommt, als das ElWOG 2010 in dieser Fassung auch für die Beurteilung für die Gesetzmäßigkeit der SNE-VO 2012 (bzw. der SNE-VO 2012 idF der SNE-VO-Novelle 2013) zu Grunde zu legen ist.

4.5. Die Novelle BGBl I 174/2013 enthält bezüglich der hier maßgeblichen Ziffern 2a (Einfügung einer Ziffer 2a in § 7 Abs 1 ElWOG 2010) und 2c (Änderung des § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010) keine spezielle Inkrafttretensregelung. Die Bestimmungen sind daher mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt I, dem , in Kraft getreten. Eine ausdrückliche Rückwirkung hat der Gesetzgeber nicht angeordnet.

Eine rückwirkende Bedeutung könnte den genannten Bestimmungen des § 7 Abs 1 Z 2a und des § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 idF der Novelle BGBl I 174/2013 zukommen, wenn man ihnen die Wirkung beimisst, die in den Schriftsätzen der Parteien als authentische Interpretation bezeichnet wird. Dies wiederum müsste der Gesetzgeber in den einschlägigen Anordnungen ausdrücklich oder erschließbar zum Ausdruck gebracht haben.

4.6. Dies ist allerdings nicht der Fall. Weder verwendete der Gesetzgeber einschlägige Formulierungen (zB dergestalt, dass als "automatisch wirksam werdend" auch eine Rückführung anzusehen ist, bei der ergänzend manuelle Steuerungsbefehle erfolgen), noch bringt er auf sonstige Weise mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die in Rede stehende Neuregelung auch für Abrechnungsperioden des Systemdienstleistungsentgelts bestimmend sein soll, die vor ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossen sind. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ein wesentliches Argument dafür, dass der Gesetzgeber nunmehr die Definition der Sekundärregelung erweitert und dem in dieser Hinsicht bisher einzig maßgeblichen Tatbestandsmerkmal der "automatisch wirksam werdenden" Rückführung (bzw. vormals Wiederherstellung) nunmehr gleichberechtigt auch eine solche zur Seite stellt, die "erforderlichenfalls ergänzend manuell angesteuert" erfolgt.

Dass der Gesetzgeber — ausweislich der zitierten Materialien — das Vollzugsproblem erkannt und darauf reagiert hat, macht deutlich, dass er — auch die Materialien verwenden diesen Begriff — nunmehr auch gesetzlich "klarstellen" wollte, dass eine über telefonische Anforderung manuelle Ansteuerung der Ausfallsreserve nunmehr auch als Teil der Sekundärregelung über das Systemdienstleistungsentgelt abgegolten werden soll. Dies bedeutet, dass dem Gesetzgeber der Novelle BGBl I 174/2013 zuzusinnen ist, dass er das Systemdienstleistungsentgelt, das jahresbezogen abgerechnet wird (vgl. § 56 Abs 4 ElWOG 2010, demzufolge die zur Verrechnung des Systemdienstleistungsentgelts notwendigen Daten jährlich bekannt zu geben sind), für die laufende Abrechnungsperiode des Jahres 2013 auf Grund dieser Neuregelung bestimmt wissen will. Da dem Gesetzgeber die Vollzugsproblematik, nämlich die nach der bislang geltenden Gesetzeslage problematische Einbeziehung der Ausfallsreserve in die Sekundärregelung und damit eine Abgeltung über das Systemdienstleistungsentgelt, wie sich aus den Materialien ergibt, bekannt war, ist zu schließen, dass er das Problem auch schon für die laufende Abrechnungsperiode beseitigen und die Berechnung des Systemdienstleistungsentgelts im Sinne der in der SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 zum Ausdruck kommenden Praxis der zuständigen Vollzugsbehörde Regulierungskommission der E-Control klarstellen wollte. Daraus folgt, dass der Verfassungsgerichtshof die angefochtenen Wortfolgen in § 8 SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 am Maßstab der Bestimmungen des ElWOG 2010 in der Fassung der Novelle BGBl I 174/2013 zu prüfen hat.

5.1. Für die Prüfung der angefochtenen — zeitraumbezogenen und bereits außer Kraft getretenen — Wortfolgen in § 8 SNE-VO 2012 sind freilich die — während des gesamten zeitlichen Wirkungsbereichs der SNE-VO 2012 unverändert in Geltung gestandenen — Bestimmungen des ElWOG in 2010 in der Stammfassung maßgeblich. Denn der Gesetzgeber hätte ausdrücklich anordnen müssen, dass die gesetzliche Neuregelung durch die Novelle BGBl I 174/2013 auch bereits außer Kraft stehende Verordnungen und damit die Berechnung des Systemdienstleistungsentgelts für bereits abgeschlossene Zeiträume bestimmen soll.

Vor diesem Hintergrund ist das antragstellende Gericht hinsichtlich seiner Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Wortfolge in § 8 SNE-VO 2012 im Recht:

Zieht man in systematischer Interpretation die Definition der Tertiärregelung in § 7 Abs 1 Z 67 ElWOG 2010 (die neben dem automatisch ausgelösten Abrufen von elektrischer Leistung auch das manuell ausgelöste Abrufen umfasst) heran und stellt dem die Definition der Sekundärregelung in § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 in der Stammfassung gegenüber (die ausschließlich auf eine "automatisch wirksam werdende" Wiederherstellung der Sollfrequenz abstellt), so ist der Begriff des "automatischen" Abrufens vom "manuellen" Abrufen einer Leistung abzugrenzen. Nach dem Wortsinn handelt es sich dann beim automatisch ausgelösten Abrufen um eine Einspeisung elektrischer Leistung ohne weiteres Zutun des Regelzonenführers oder des Einspeisers, während ein manuell ausgelöstes Abrufen dann vorliegt, wenn die Einspeisung durch Intervention des Regelzonenführers oder des Einspeisers erfolgt.

5.3. Im Anwendungsbereich der SNE-VO 2012 unterliegt somit die jedenfalls auch telefonisch und somit manuell abgerufene Ausfallsreserve auf Grund von § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 in seiner Stammfassung nicht der Definition der Sekundärregelung (und insoweit lässt die Regelung auch keinen Spielraum für den Ausführungsgesetzgeber). Die Einbeziehung der Kosten der Ausfallsreserve in die Bemessungsgrundlage des Systemdienstleistungsentgelts erweist sich somit als gesetzwidrig. Die angefochtene Wortfolge "Österreichischer Bereich: Cent 0,1180/kWh" in § 8 SNE-VO 2012 ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

6. Demgegenüber ist durch § 7 Abs 1 Z 2a und § 7 Abs 1 Z 62 ElWOG 2010 in der Fassung BGBl I 174/2013 den in die gleiche Richtung gehenden Bedenken des antragstellenden Gerichts hinsichtlich der angefochtenen Wortfolge in § 8 SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 der Boden entzogen. Für die in Kraft stehende SNE-VO hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Ausfallsreserve der Sekundärregelung zuzurechnen und daher über das Systemdienstleistungsentgelt abzurechnen ist. Die eine Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Wortfolge in § 8 SNE-VO 2012 idF SNE-Novelle 2013 darin, dass die Ausfallsreserve nicht als Teil der Sekundärregelung abgegolten werden darf, erblickenden Anträge des Gerichts sind daher als unbegründet abzuweisen.

IV. Ergebnis

1. Den Anträgen des Handelsgerichts Wien ist insoferne stattzugeben, als auszusprechen ist, dass die angefochtene Wortfolge in § 8 SNE-VO 2012 als gesetzwidrig aufgehoben wird, da ungeachtet ihres Außerkrafttretens diese zeitraumbezogene Verordnung mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung steht (vgl. zB VfSlg 17.094/2003, 17.266/2004, 17.798/2006, 19.511/2011).

Im Übrigen sind die Anträge als unbegründet abzuweisen.

2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B VG und § 60 Abs 2 VfGG iVm § 4 Abs 1 Z 4 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2013:V48.2013