VfGH vom 04.03.1992, V479/90
Sammlungsnummer
13014
Leitsatz
Aufhebung von Teilen einer Flächenwidmungsplanänderung mangels einer die Widmungsänderung rechtfertigenden Entscheidungsgrundlage; Zulässigkeit der Änderung eines Flächenwidmungsplanes betreffend die Umwidmung eines Grundstückes in "Wohngebiet für förderbare Wohnbauten" in Anwendung einer neu eingeführten Ermächtigung auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes
Spruch
1. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Lans in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates vom , genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 5. Juli bis , wird, soweit er die Grundstücke Nr. 15/1 und 15/2, den als Sonderfläche im Bauland gewidmeten Teil des Grundstückes Nr. 14/1 sowie die Grundstücke Nr. 24 und 126 betrifft, als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
2. Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.
3. Die Gemeinde Lans ist schuldig, dem Antragsteller zu Handen seines Vertreters die mit S 33.950,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 15/1, 15/2, 14/1, 24 und 126, alle KG Lans (Tirol). Mit Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Lans vom , genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 5. Juli bis , wurde der bestehende Flächenwidmungsplan der Gemeinde Lans aus dem Jahr 1982 dahin geändert, daß die Grundstücke Nr. 15/1 und 15/2, Teile des Grundstückes Nr. 14/1 sowie die Grundstücke 24 und 126 (bisher Bauland-Wohngebiet bzw. landwirtschaftliches Mischgebiet) zu Sonderfläche im Bauland für Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes gemäß § 16 Abs 1 lita des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. 4/1984 (TROG), sowie (die restlichen) Teile des Grundstücks Nr. 14/1 (bisher Bauland-Wohngebiet) zu Wohngebiet für geförderten Wohnbau gemäß § 12 Abs 3 TROG umgewidmet wurden.
Mit dem vorliegenden Antrag wird gemäß Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG begehrt, den Flächenwidmungsplan, soweit er die Grundstücke Nr. 14/1, 15/1, 15/2, 24 und 126, alle KG Lans, betrifft, als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Antragsteller legt zunächst dar, daß die angefochtene Verordnung unmittelbar in seine Rechtssphäre eingreift. Die Widmung als Sonderfläche gemäß § 16 Abs 1 lita TROG sei gesetzwidrig, weil der hier maßgebliche Bereich als erhaltenswert (offensichtlich im Sinne der §§11ff. Stadtkern- und Ortsbildschutzgesetz) im Flächenwidmungsplan ausgewiesen sei. Es sei daher die Errichtung von Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfs bereits aufgrund des bestehenden Ortsbildschutzes nicht möglich. Außerdem sei bei der Widmung als Sonderfläche im Bauland für Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes darauf Rücksicht zu nehmen, daß in erster Linie im Eigentum der Gemeinde stehende Grundstücke entsprechend gewidmet werden; zwei - näher bezeichnete - im Eigentum der Gemeinde stehende Grundstücke könnten hiefür herangezogen werden. Die Widmung von Teilen des Grundstückes Nr. 14/1 für die Errichtung von förderungswürdigen Wohnbauten widerspreche den Zielen der örtlichen Raumordnung, insbesondere dem Schutz des Ortsbildes. Es sei nämlich die Gefahr der Zerstörung des dörflichen Charakters von Lans gegeben, wenn - wie hier - unmittelbar im Anschluß an den Ortskern sowie den erhaltenswerten Bereich Grundflächen für den sozialen Wohnbau bereitgestellt werden. Die Grundfläche mit der Widmung im Sinne des § 12 Abs 3 TROG weise eine Ausgestaltung von ca. 20 m x 80 m auf. Allein die Form des Grundstückes sei "für eine geordnete Bebauung problematisch". Es seien keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb durch die Widmung einer solchen Baufläche für sozialen Wohnbau den Zielen der örtlichen Raumplanung besser entsprochen werden könne als durch die Widmung als Wohngebiet gemäß § 12 Abs 1 TROG. Schließlich wird vorgebracht, die Voraussetzungen für eine Planänderung nach § 28 TROG seien nicht gegeben (gewesen). Auch ein Verstoß gegen § 8 Abs 4 TROG liege vor, weil "der Wortlaut zum Flächenwidmungsplan betreffend die vorbezeichneten Grundstücke ... nicht existent" sei.
2. Die Tiroler Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Lans haben in Äußerungen begehrt, den Antrag abzuweisen.
Der Antragsteller hat hierauf repliziert.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen (s. die mit VfSlg. 9260/1981 begonnene ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur unmittelbaren Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen in Tirol durch den Grundeigentümer) - Antrag erwogen:
1. Zunächst ist zum Antragsvorbringen, der Wortlaut zum Flächenwidmungsplan betreffend die hier maßgeblichen Grundstücke sei "nicht existent", auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach aus dem zweiten Satz des § 8 Abs 4 TROG keineswegs abzuleiten ist, daß die Widmung der einzelnen vom Plan umfaßten Flächen im Wortlaut enthalten sein muß (VfSlg. 10208/1984 S. 383).
2. Zur Widmung nach § 16 Abs 1 lita TROG:
a) Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TROG lauten:
"(1) Im Bauland und im Freiland können Grundflächen als Sonderflächen
a) für Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes, wie z.B. Schulbauten, Amtsgebäude, Krankenhäuser, kirchliche Bauten, Friedhöfe, Parkanlagen, Sport- und Spielplätze und Ablagerungsstätten, sowie
b) ...
gewidmet werden."
§ 28 Abs 2 lautet:
"Flächenwidmungs- und Bebauungspläne dürfen geändert werden, wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen und die Änderung den Zielen der örtlichen Raumordnung nicht widerspricht. Bei Änderungen, für die ein nur im privaten Interesse gelegener wichtiger Grund vorliegt, ist angemessen zu berücksichtigen, ob durch die Änderung wesentliche private Interessen anderer berührt werden. Die für die Planänderung bedeutsamen Entscheidungsgrundlagen müssen in ausreichendem Maße erkennbar sein."
b) Die Tiroler Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Lans verweisen in ihren Äußerungen darauf, daß - entgegen den Behauptungen des Antragstellers - in der Gemeinde Lans ein Verfahren nach dem Stadtkern- und Ortsbildschutzgesetz nicht stattgefunden hat und keine Schutzzone im Sinne dieses Gesetzes im Flächenwidmungsplan ausgewiesen ist. Die Landesregierung weist darauf hin, daß es Aufgabe der Gemeinde sei, Flächen für den Gemeinbedarf sicher zu stellen. Daß Flächen für öffentliche Einrichtungen und für das Gemeinwesen einer Gemeinde möglichst im Ortszentrum liegen sollten, sei selbstverständlich ein ortsplanerisches Ziel, um den Gemeindebewohnern die "fußläufige Erreichbarkeit" zu ermöglichen.
Der Gemeinderat legt in seiner Äußerung dar, daß die beiden im Antrag angeführten, im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstücke "bedauerlicherweise nicht zur Verfügung" stünden, weil beide Grundstücke bebaut, die Räume vermietet seien und unter dem Kündigungsschutz des Mietrechtsgesetzes stünden.
Im Protokoll über die Gemeinderatssitzung vom heißt es dazu, die Widmung als Sonderfläche für Gemeinbedarf erfolge, da der Gemeinde ansonsten kein geeignetes Grundstück im Dorfzentrum zur Verfügung stehe. Der Gemeinderat hat in seiner Äußerung - ergänzend zu dem Protokoll vom hervorgehenden Bedarf an Gemeinschaftseinrichtungen - darauf hingewiesen, daß die Gemeinde dringend einen Kindergarten, eine Unterkunft für die Feuerwehr, einen Gemeinschaftssaal und Unterkünfte für die örtlichen Vereine benötige.
c) Bei zusammenschauender Betrachtung der hier maßgeblichen Bestimmungen der §§16 Abs 1 lita und 28 Abs 2 TROG kann eine Änderung des Flächenwidmungsplanes zwecks Schaffung von Sonderflächen für Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes dann erfolgen, wenn ein Bedarf an solchen Bauten oder Anlagen auftritt, dieser Bedarf wichtig ist, die Widmung als Sonderfläche den Zielen der örtlichen Raumordnung nicht widerspricht und die für die Planänderung bedeutsamen Entscheidungsgrundlagen in ausreichendem Maß erkennbar sind.
Der Verfassungsgerichtshof stellt nicht in Abrede, daß ein auftretender Bedarf für Bauten oder Anlagen im Sinne des § 16 Abs 1 lita TROG in der Regel auch einen wichtigen Grund für eine Planänderung nach § 28 Abs 2 leg.cit. darstellt. Der Verfassungsgerichtshof hegt im Hinblick auf die Lage der hier maßgeblichen Grundstücke im Ortszentrum auch keinen Zweifel daran, daß die Widmungsänderung mit den Zielen der örtlichen Raumordnung in Einklang steht. Hingegen lassen die im vorliegenden Fall vorhandenen Entscheidungsgrundlagen zwar die Motive für die Vorgangsweise des Gemeinderates erkennen, bilden jedoch keine brauchbare Grundlage für die vorgenommene Planänderung:
Aus den Akten über das Zustandekommen der bekämpften Planänderung ergibt sich kein Hinweis auf einen konkreten Bedarf zur Errichtung bestimmter Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes. Wenn man der - erst im verfassungsgerichtlichen Verfahren hervorgekommenen - Begründung des Gemeinderates folgt, daß die Gemeinde "dringend" einen Kindergarten, eine Unterkunft für die Feuerwehr, einen Gemeinschaftssaal sowie Unterkünfte für die örtlichen Vereine etc. benötige, bleibt offen, ob ein solcher "dringender" Bedarf gerade im Zeitpunkt der Planänderung auftrat oder nicht schon zur Zeit der Erlassung des (nunmehr geänderten) Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Lans im Jahre 1982 gegeben war. Im Protokoll über die Gemeinderatssitzung vom heißt es lediglich: "Der Bürgermeister erklärt, er habe bereits mehrmals mit dem Eigentümer wegen eines eventuellen Verkaufes an die Gemeinde gesprochen. Dieser sei aber nicht dazu bereit gewesen. Der nunmehrige Zeitpunkt der Umwidmung begründet sich auf geäußerte Verkaufsabsichten."
Ausreichend erkennbare Entscheidungsgrundlage für die Widmungsänderung ist also nicht die nunmehr auftretende Dringlichkeit eines bereits vorhandenen oder das Entstehen eines (neuen) Bedarfes an Einrichtungen des Gemeinbedarfes, insbesondere die Erstellung konkreter Pläne der Gemeinde zur Befriedigung eines derartigen Bedarfes, sondern nur Verkaufsabsichten des Grundeigentümers. So gesehen bestand zum Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften Verordnung hier auch kein wichtiger, den Eingriff in fremdes Eigentum rechtfertigender Grund zu einer Widmungsänderung im Sinne des § 28 Abs 2 TROG.
3. Zur Widmung nach § 12 Abs 3 TROG:
a) § 12 Abs 3 TROG lautet:
"Im Flächenwidmungsplan kann für Teile des Wohngebietes festgelegt werden, daß auf den in diesem Gebiet liegenden Grundflächen nur Wohnbauten errichtet werden dürfen, bei denen die darin vorgesehenen Wohnungen hinsichtlich ihrer Größe und ihres Verwendungszweckes nach den wohnbauförderungsrechtlichen Vorschriften förderbar sind. Für diese Teile des Wohngebietes kann im Flächenwidmungsplan überdies im Interesse der Errichtung von Wohngebäuden in verdichteter Bauweise die höchstzulässige Größe neu zu schaffender Bauplätze festgelegt werden."
b) Soweit der Antragsteller meint, die Voraussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß § 28 Abs 2 TROG seien nicht vorgelegen, übersieht er, daß § 12 Abs 3 TROG durch die 4. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. 88/1983, in das TROG eingefügt wurde und ArtIII dieser Novelle vorsieht, daß - abweichend von den Bestimmungen des § 28 Abs 2 - Flächenwidmungspläne auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes geändert werden können, wenn die Änderung - wie hier - in erstmaliger Anwendung einer Ermächtigung erfolgt, die durch diese Novelle neu eingeführt wird und den Zielen der örtlichen Raumordnung nicht widerspricht (vgl. ua.)
Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß hier ein Widerspruch zu diesen Zielen vorliegt. Die vom Antragsteller mehrfach befürchtete "Zerstörung des dörflichen Charakters" erfolgt keineswegs von vorneherein durch die Errichtung eines förderbaren Wohnbaus, zumal durch eine Widmung nach § 12 Abs 3 TROG nur auf die - im Bauverfahren überprüfbaren - objektiven Kriterien des Landes-Wohnbauförderungsrechts hinsichtlich der Größe und des Verwendungszweckes verwiesen wird, nicht aber auf eine bestimmte architektonische Gestaltung oder auf die subjektiven Förderungsvoraussetzungen. Im übrigen verweist der Antragsteller auf die seiner Auffassung nach nicht günstige Konfiguration des Grundstückes (ca. 20 m x 80 m), behauptet aber nicht, daß eine Baulandwidmung dieses Grundstückes deshalb gesetzwidrig sei. Auch sonst ist nicht erkennbar, weshalb das Grundstück für derartige Wohnbauten nicht geeignet sein soll. Mit dem Argument, es sei nicht ersichtlich, weshalb durch die Widmung einer solchen Baufläche nach § 12 Abs 3 TROG den Zielen der örtlichen Raumplanung besser entsprochen werden könne als durch eine Widmung im Sinn des § 12 Abs 1 TROG, tut der Antragsteller nur dar, daß die nunmehrige Widmung nicht "besser" sei als die frühere, beweist aber keineswegs die Gesetzwidrigkeit der hier bekämpften Widmung.
4. Die bekämpfte Planänderung ist daher, soweit eine Widmung als Sonderfläche im Sinne des § 16 Abs 1 lita TROG erfolgte, als gesetzwidrig aufzuheben. Im übrigen ist der Antrag abzuweisen.
Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art 139 Abs 5 B-VG.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 61a VerfGG. Da der Antragsteller zwar nur zum Teil obsiegt hat, aber nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlaßt hat, unterlegen ist, wird ihm in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO (§35 Abs 1 VerfGG) der Ersatz der gesamten Verfahrenskosten zuerkannt. Hierin ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 5.000,-- enthalten.