VfGH vom 22.06.1995, V42/93

VfGH vom 22.06.1995, V42/93

Sammlungsnummer

14180

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der gesetzlichen Grundlage eines Verordnungsteils; Aufhebung dieses Verordnungsteils mangels gesetzlicher Grundlage

Spruch

Die Z 1 der litb der Ergänzung des Berichts zum Flächenwidmungsplan Lans (Textteil) Punkt 4.3.3., Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Lans vom , genehmigt mit Beschluß der Tiroler Landesregierung vom , an der Amtstafel der Gemeinde kundgemacht vom bis , wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Gemeinde Lans ist schuldig, den Antragstellern die mit S 16.500,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am beschloß der Gemeinderat der Gemeinde Lans (Tirol) gemäß § 28 Abs 2 und 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, wiederverlautbart als Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. 4, (TROG 1984), folgende Ergänzung des Flächenwidmungsplanes Lans:

"Ergänzung des Berichts zum Flächenwidmungsplan Lans (Textteil) Punkt 4.3.3):

a)Auf den gegenständlichen Grundflächen ist nur die Errichtung solcher Gewerbe- und Industriebetriebe zulässig, welche nachstehende Emissionen nicht erwarten lassen:


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Stäube, Schwefeldioxyde, Stickoxyde und Kohlenwasserstoffe, soweit sie die nach § 14 TROG für Mischgebiete festgelegten Grenzen überschreiten.
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Schwermetalle wie Arsen, Zinn, Quecksilber, Antimon, Kupfer, Zink, Blei, Kadmium, Chrom, Nickel, Eisen.
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Formaldehyde, Chlorwasserstoffe, Fluorwasserstoffe, chlorierte oder bromierte Dioxine und Furane.


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b)Als zusätzliche Maßnahme wird die unter a) angesprochene Flächenwidmungsplanänderung durch eine Aufzählung konkreter Betriebe ergänzt, die speziell im Sinne des § 13 Abs 2. TROG von einer Ansiedlung ausgeschlossen sind:

1. Betriebsstätten von Transportunternehmen und Erdbewegungsunternehmen;


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2.
Holz- und metallverarbeitende sowie papiererzeugende Gewerbebetriebe, die in der Form eines Industriebetriebes gemäß § 7 der Gewerbeordnung 1973, i.d.F. BGBl. Nr. 101/1986, geführt werden.
3.
Betriebe für die Sammlung, Lagerung, Zwischenlagerung oder Verwertung von Stoffen, die in den ÖNORMEN S 2100 und S 2101 erfaßt sind."

Dieser Beschluß des Gemeinderates, dem auch eine planliche Darstellung des davon betroffenen Gebietes zugrunde lag, wurde mit Beschluß der Tiroler Landesregierung vom genehmigt.

2. Gegen diese Verordnung richtet sich der vorliegende, auf Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG gestützte Antrag der Eigentümer des (von der Verordnung erfaßten) Grundstückes Nr. 716/8, EZ 342, GB 81116 Lans. Es wird beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle die Flächenwidmungsplanänderung vom hinsichtlich des im Eigentum der Antragsteller stehenden Grundstückes zur Gänze, in eventu die litb oder in eventu die Z 1 der litb der bezeichneten Verordnung als gesetzwidrig aufheben. Die Antragsteller erachten die bekämpfte Verordnung - zusammengefaßt ausgedrückt - wegen Widerspruchs zu § 13 TROG 1984 als gesetzwidrig.

Zur Zulässigkeit des Antrags führen die Antragsteller aus, daß ihr Grundstück im Gewerbe- und Industriegebiet liege. Die angefochtene Verordnung mache es den Antragstellern unmöglich, einen LKW-Abstellplatz zu errichten, auf welchem die betriebseigenen Lastkraftwagen des Unternehmens der Antragsteller abgestellt werden könnten. Dadurch werde unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der Antragsteller eingegriffen, ohne daß es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedürfe. Da die - gewerbebehördlich bereits genehmigte - Errichtung der Autoabstellplätze gemäß § 25 g der Tiroler Bauordnung bewilligungspflichtig sei, könne auf Grund der bekämpften Verordnung keine Baubewilligung erteilt werden.

3. Die Tiroler Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Lans haben in ihren Äußerungen die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung verteidigt, die Landesregierung hat auch die Antragslegitimation als nicht im vollen Umfang gegeben erachtet.

II. Zur Antragslegitimation verweist der Verfassungsgerichtshof auf die Begründung des Erkenntnisses G297/94 vom heutigen Tag.

Den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof allerdings so abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der behaupteten Rechtswidrigkeit notwendig ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Normteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (vgl. hiezu VfSlg. 11826/1988 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Da das Grundstück der Antragsteller Nr. 716/8 weder im Text der Verordnung besonders angeführt noch - mangels Benennung - in der planlichen Darstellung abgrenzbar ist (vgl. VfSlg. 11592/1987), ist dem Verfassungsgerichtshof eine Beschränkung der Prüfung auf den das Grundstück der Antragsteller betreffenden Teil des Flächenwidmungsplanes nicht möglich (vgl. VfSlg. 11850/1988).

In Übereinstimmung mit der Äußerung der Tiroler Landesregierung ist aber der Antrag nur hinsichtlich des zweiten Eventualbegehrens betreffend die Aufhebung der Z 1 der litb des Verordnungstextes ("Betriebsstätten von Transportunternehmen und Erdbewegungsunternehmen") zulässig, weil sich die von den Antragstellern geäußerten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung lediglich auf diesen Teil des (gesamten) Flächenwidmungsplanes beziehen. Im übrigen ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

III. Aus Anlaß des vorliegenden

Verfahrens hat der Verfassungsgerichtshof am beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des § 39 Abs 2 des Gesetzes vom über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 - TROG 1994), LGBl. für Tirol 81/1993, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G297/94, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "oder b) bestimmte Arten von Betrieben nicht zulässig" in § 39 Abs 2 TROG 1994 als verfassungswidrig aufgehoben und im übrigen das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

IV. Nach Aufhebung der genannten Wortfolge fehlt es der Z 1 der litb der vom Gemeinderat der Gemeinde Lans am beschlossenen Ergänzung des Berichts zum Flächenwidmungsplan an der gemäß Art 18 Abs 2 B-VG erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Die genannte Verordnungsbestimmung war sohin gemäß Art 139 Abs 1 B-VG wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

V. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 61 a VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.750,-

enthalten.

Dieser Beschluß konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.