VfGH vom 24.11.2016, V41/2016
Leitsatz
Abweisung des Antrags des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg auf Aufhebung der Campingverordnung der Stadt Dornbirn
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 Z 6 B VG iVm Art 148i B VG sowie Art 60 Abs 2 Vorarlberger Landesverfassung, LGBl 9/1999, idF LGBl 89/2012, gestützten Antrag begehrt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg die Aufhebung der Campingverordnung der Stadt Dornbirn, von der Stadtvertretung beschlossen am und verlautbart durch Anschlag an der Amtstafel vom bis zum zur Gänze.
II. Rechtslage
1. Das Vorarlberger Gesetz über die Errichtung und den Betrieb von Campingplätzen (Vbg. Campingplatzgesetz), LGBl 34/1981, idF LGBl 44/2013, lautet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen) auszugsweise wie folgt:
"1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§1
(1) Dieses Gesetz regelt die Errichtung und den Betrieb von Campingplätzen sowie das Kampieren außerhalb von Campingplätzen.
(2)–(4) […]
[…]
4. Abschnitt
Kampieren außerhalb von Campingplätzen
§14[…]
(1) Die Aufstellung von Zelten, Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünften außerhalb von Campingplätzen ist vom Bürgermeister mit Bescheid zu untersagen, wenn Interessen der Sicherheit, der Gesundheit, des Schutzes der örtlichen Gemeinschaft, der Landwirtschaft, der Fremdenverkehrswirtschaft oder des Schutzes des Naturhaushaltes sowie des Landschafts- und Ortsbildes gröblich verletzt werden.
(2) Die Gemeindevertretung kann aus den im Abs 1 genannten Gründen durch Verordnung bestimmen, dass Zelte, Wohnwagen und ähnliche bewegliche Unterkünfte außerhalb von Campingplätzen nur an bestimmten Orten oder an bestimmten Orten nicht aufgestellt werden dürfen.
[…]"
2. Die zur Gänze angefochtene Campingverordnung der Stadt Dornbirn, von der Stadtvertretung beschlossen am , verlautbart durch Anschlag an der Amtstafel vom bis zum , in Kraft getreten am , abrufbar auf der Homepage der Stadt Dornbirn, lautet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen) wie folgt:
"§1
Im Gebiet der Stadt Dornbirn dürfen Zelte, Wohnwagen und ähnliche bewegliche Unterkünfte außerhalb von Campingplätzen nicht aufgestellt werden.
§2
Davon ausgenommen sind Liegenschaften, die in ihrem unmittelbaren Nahebereich über ausreichende und hygienisch einwandfreie, für die Bewohner der Unterkünfte frei zugängliche Sanitäranlagen verfügen. Dort dürfen solche Unterkünfte mit Zustimmung des Grundeigentümers für die Dauer von höchstens zwei Wochen aufgestellt werden, wenn eine geordnete Abfallentsorgung sichergestellt ist. Der Ablauf der Frist wird durch kurze Unterbrechung der Aufstellung nicht beeinflusst.
Diese Verordnung tritt an dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Gegen die angefochtene Verordnung hegt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg im Wesentlichen die Bedenken, dass jene keine Deckung in der gesetzlichen Grundlage des § 14 Abs 2 Vbg. Campingplatzgesetz finde, unverhältnismäßig in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum eingreife sowie unzureichend determiniert sei. Wörtlich bringt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg u.a. Folgendes vor:
"[Zur Behauptung der fehlenden Ermächtigungsgrundlage:]
Vorab ist festzuhalten, dass in den Erläuternden Bemerkungen zum Campingplatzgesetz dargelegt wird, dass 'Camping' sich als das 'Wander-Freizeitleben unter Verwendung von Zelt oder Wohnwagen' definiert (Brockhaus). Weiters ergibt sich aus den Erläuternden Bemerkungen, dass 1981 der Grund für die Erlassung des Campingplatzgesetzes der Anstieg des Campings als Form der Freizeitgestaltung und des Tourismus war (vgl dazu Erl. RV 9 BlgNr XXIII GP 5f). Vor diesem Hintergrund wird bezweifelt, dass das Campingplatzgesetz die richtige Rechtsgrundlage für die Erlassung eines Campingverbotes ist, welches vorrangig darauf abzielt Armutsreisenden das Aufstellen von Zelten als eine Form der (unbefristeten) Wohnsitzbegründung im gesamten Stadtgebiet zu verbieten. Dem Amtsbericht kann eindeutig entnommen werden, dass Grund für die Erlassung der Campingverordnung nicht das Campieren als eine Form der Freizeitgestaltung und des Tourismus ist, vielmehr zielt das Campingverbot darauf ab der Stadtpolizei ein Instrument zur Verfügung zu stellen, um gegen das (allenfalls dauerhafte) Aufstellen von Zelten durch armutsreisende Personen vorzugehen.
[…]
Die Gemeinde wird durch § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz ermächtigt das Campieren außerhalb von Campingplätzen an bestimmten Orten zu erlauben bzw zu verbieten. Die Gesetzesstelle verbietet es dem Verordnungsgeber grundsätzlich im gesamten Ortsgebiet das Campieren außerhalb von Campingplätzen zu untersagen (Erl RV 9 BlgNr XXIII GP 9).
[…] Gemäß § 1 der Campingverordnung dürfen im Gebiet der Stadt Dornbirn Zelte, Wohnwagen und ähnliche bewegliche Unterkünfte außerhalb von Campingplätzen nicht aufgestellt werden. § 1 der Verordnung erfasst grundsätzlich das gesamte Gemeindegebiet der Stadt Dornbirn und normiert ein Verbot des Campierens außerhalb von Campingplätzen im gesamten Stadtgebiet. Das Verbot des Campierens außerhalb von Campingplätzen im gesamten Ortsgebiet findet in § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz keine Deckung und ist überschießend.
§2 Campingverordnung normiert eine zeitlich befristete Ausnahme zu § 1 Campingverordnung. […] In der in § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz geregelten Verordnungsermächtigung sind jedoch weder Bestimmungen über eine Befristung der Aufstellung von Zelten, Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünften, noch Bestimmungen betreffend die Verknüpfung der Aufstellung der genannten Unterkünfte an Auflagen bzw Voraussetzungen enthalten. Eine Befristung der Aufstellung (bis zu zwei Wochen) und/ oder verknüpft mit Auflagen bzw Voraussetzungen (frei zugängliche hygienisch einwandfreie Sanitäranlagen im Nahbereich; gesicherte Abfallentsorgung) findet in § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz keine Deckung und ist somit ebenfalls überschießend.
[…]
Die Erlassung einer Verordnung iSd § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz setzt [zudem] ein Ermittlungsverfahren betreffend die in § 14 Abs 1 Campingplatzgesetz angeführten Interessen voraus. Auch wenn im Einzelfall konkret ermittelte, bereits bestehende Missstände per Bescheid beseitigt werden sollen und ein Campingverbot per Verordnung den Zweck hat das Campieren für die Zukunft zu verbieten bzw regulieren um das Entstehen von Missständen von vornherein zu verhindern, sind im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung der Verordnung umfassende und objektiv nachvollziehbare Ermittlungen seitens der Stadt Dornbirn zur Frage, ob für die Zukunft das Erlauben bzw das Verbieten des Campierens an bestimmten Orten im Gebiet der Stadt Dornbirn außerhalb eines Campingplatzes im Interesse der Sicherheit, der Gesundheit, des Schutzes der örtlichen Gemeinschaft, der Landwirtschaft, des Fremdenverkehrs, des Schutzes des Naturhaushaltes sowie des Landschafts- und Ortsbildes liegt, durchzuführen.
[…]
Dem Amtsbericht kann nicht entnommen werden, ob zur Feststellung eines (drohenden), wie im Amtsbericht beschrieben, hygienischen Missstandes, der allenfalls eine Verletzung eines Interesses iSd § 14 Abs 1 iVm § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz begründen könnte, ein Sachverständiger zur Befundaufnahme und Begutachtung beigezogen wurde. Dies ist jedoch nach Ansicht des Landesvolksanwaltes zur Klärung der Frage, ob ein hygienischer Missstand durch das wilde Campieren einer Person bzw mehrerer Personen hervorgerufen werden kann, erforderlich, da davon auszugehen ist, dass dem mit der Willensbildung betrauten Organ die erforderliche Sachkompetenz (hygienetechnisches Fachwissen) fehlt. […]
Im Amtsbericht der Stadt Dornbirn wird aufgezeigt, dass in Zeltlager reisender Großfamilien bis zu 75 Personen gelebt haben. Für das Vorliegen eines hygienischen Missstandes wird die Anzahl der wild campierenden Personen jedenfalls eine wesentliche Rolle spielen. Es wurden weder Erhebungen zur Problematik des allfälligen hygienischen Missstandes im Zusammenhang mit einer großen Anzahl an Personen, noch wurden Erhebungen im Hinblick auf allfällige hygienische Probleme[,] die das Campieren einzelner Personen verursachen soll, durchgeführt. Die Verordnung der Stadt Dornbirn differenziert diesbezüglich nicht und verbietet generell das Campieren außerhalb von Campingplätzen.
[Zur Behauptung der Unverhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs:]
[…]
§1 der Verordnung erfasst sowohl Liegenschaften, die im Eigentum von Privatpersonen stehen, als auch den kompletten öffentlichen Raum der Stadt Dornbirn. Zwischen Privateigentum und öffentlichem Raum wird keinerlei Differenzierung vorgenommen. § 1 der vorliegenden Verordnung dient vorrangig dazu Grundeigentum vor Eingriffen Dritter zu schützen und allfällige Eigentumseingriffe, die der Grundeigentümer jedenfalls mit privatrechtlichen Mitteln zu verfolgen hat, auf die öffentlich-rechtliche Ebene zu heben. Auch wenn es grundsätzlich legitim und auch in gewissen Maße auch nachvollziehbar erscheint, dass die Stadt Dornbirn öffentlichen Raum vor campierenden Personen schützen möchte, so stellt dies im Bereich der privaten Liegenschaften ein[en] massive[n] Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Eigentum dar. […] Die von der Stadt Dornbirn im Amtsbericht dargelegten Probleme bestehen nur punktuell.
[…]
Widerrechtliche Müllablagerungen und Verunreinigungen der freien Natur als Argument für ein öffentliches Interesse an dem weitreichenden Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Eigentum gehen ins Leere. Auch eine allfältige Verletzung des Landschafts- und Ortsbildes ist kein geeignetes Argument zur Rechtfertigung eines derart massiven Eingriffes in das Grundrecht auf Eigentum. Dies deshalb, da im Hinblick auf Abfälle und Abfallablagerungen das Landes-Abfallwirtschaftsgesetz jedenfalls ausreichend Regelungen trifft um das Landschaftsbild zu schützen. Dem Amtsbericht k[ann] hinsichtlich der Verletzung des Landschafts- und Ortsbildes ansonsten keine Ausführungen entnommen werden, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass diesbezüglich keinerlei Problematik besteht. […]
Das Aufstellen von Zelten außerhalb von Campingplätzen impliziert grundsätzlich das Fehlen von Sanitäranlagen. Das Fehlen von Sanitäranlagen führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem hygienischen Missstand (Stichwort 'TrockenWC, Latrine'). Der Amtsbericht thematisiert lediglich die mit der Aufstellung von Zelten verbundene allfällige Problematik. Ausführungen hinsichtlich der Aufstellung von Wohnwagen oder ähnlichen beweglichen Unterkünften können dem Amtsbericht nicht entnommen werden, werden jedoch von § 1 Campingverordnung miterfasst. Es ist auch nicht erkennbar[,] inwiefern Wohnwagen, die sogar oftmals mit einfachen Sanitäranlagen ausgestattet sind, einen hygienischen Missstand verursachen sollen. Die in § 1 der gegenständlichen Verordnung normierte Eigentumsbeschränkung hat zur Folge, dass Grundstückseigentümern auf der eigenen Liegenschaft, die nicht dem § 2 Campingverordnung entspricht, das reine Aufstellen von Zelten, und dazu zählen auch die beliebten Partyzelte oder Pavillons sowie das reine Aufstellen von Wohnwagen (zB zum Zweck der Abstellung zw den einzelnen Campingurlauben) gänzlich untersagt wird. […]
Selbst wenn die in § 2 Campingverordnung geregelten Bedingungen, die eine Ausnahme von § 1 Campingverordnung begründen, erfüllt sind, kann das Campieren, das Aufstellen von Zelten (Partyzelte, Pavillons, etc) nicht länger als zwei Wochen gestattet werden.
Das gelindeste Mittel im Vergleich zu den in der Verordnung normierten unverhältnismäßigen Auflagen[…] wäre eine in der Verordnung geregelte Verpflichtung zur Einholung einer schriftlichen Zustimmungserklärung des Grundeigentümers durch die campierende Person ohne die Vorschreibung weiterer Auflagen.
[…]
[Zur Behauptung der Verletzung des Determinierungsgebotes:]
[…]
Die Stadt Dornbirn verwendet in § 2 Campingverordnung durch die Wortfolge 'in ihrem unmittelbaren Nahebereich' unbestimmte Gesetzesbegriffe.
[…]
Die Wortfolge 'unmittelbaren Nahebereich' widerspricht dem Determinierungsgebot des Art 18 B VG, da nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, wann sich Sanitäranlagen im 'unmittelbaren Nahebereich' einer Liegenschaft befinden. Bei öffentlichen, genehmigten Campingplätzen muss der Campierende mitunter einige Minuten gehen um vom Standplatz zu den Toiletten und den Duscheinrichtungen zu gelangen. Es kommt durch den Begriff 'unmittelbaren Nahebereich' nicht mit Deutlichkeit zum Ausdruck, wann Sanitäranlagen noch im unmittelbaren Nahbereich der Zelte, Wohnwagen, etc sind. Völlig unklar ist auch, ob die Sanitäranlagen auf der Liegenschaft, auf der beabsichtigt wird zu campieren, bereits vorhanden sein müssen, oder ob es ausreichend ist, wenn die Sanitäranlagen im Wohnwagen, etc bereits vorhanden sind.
[…]
Weiters verwendet die Stadt Dornbirn […] in § 2 der gegenständlichen Verordnung durch die Wortfolge 'über ausreichende und hygienisch einwandfreie, für die Bewohner der Unterkünfte frei zugängliche Sanitäranlagen verfügen' abermals unbestimmte Gesetzesbegriffe.
[…] Dem Normunterworfenen ist es nicht möglich den Unrechtsgehalt seines Handel[n]s eindeutig zu erkennen, da nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, wann Sanitäranlagen in ausreichender Anzahl vorhanden und Sanitäranlagen vor dem Hintergrund des Campierens außerhalb von Campingplätzen hygienisch einwandfrei sind.
Ergänzend dazu wird ausgeführt, dass es zudem völlig unangebracht scheint und unverhältnismäßig weitreichend in die Privatsphäre des Einzelnen eingreift, wenn beim Campieren auf Privatgrundstücken die Sauberkeit der zur Verfügung gestellten und nachweislich jederzeit für den Campierenden zugänglichen Sanitäranlagen im Privathaushalt durch die Behörde auf die ausreichende Sauberkeit und Einhaltung der Hygiene kontrolliert wird.
Auch ist der Begriff 'Sanitäranlagen' zu unbestimmt. Auch wenn in § 7 Verordnung der Landesregierung über die Gestaltung sowie die Anlagen und Einrichtungen von Campingplätzen, LGBl Nr 23/1982, idgF, die Anforderungen an sanitäre Einrichtungen im Zusammenhang mit einem Campingplatz näher definiert werde[n], so wird diese Bestimmung zur Auslegung des Wortes 'Sanitäranlagen' in der Campingverordnung der Stadt Dornbirn nicht heranzuziehen sein, da derartige Anforderungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Campierens außerhalb von Campingplätzen zu überschießend sind. Somit ist auch völlig unklar, was unter dem Begriff 'Sanitäranlagen' zu verstehen ist: eine einfache Feldlatrine (wie es zum Beispiel auch bei Bundesheerübungen üblich ist), ein sogenanntes 'Plum[p]sklo' oder [eine] Trockentoilette im Haus oder in einer separaten Hütte (wie es in manchen alten Häusern immer noch vorzufinden ist), geruchsdichte Standausgüsse, eine Toilette mit Wasserspülung mit oder ohne Handwaschbecken oder ist auch das Vorhandensein einer Dusche oder Badewanne erforderlich um dem Begriff 'Sanitäranlagen' gerecht zu werden[?] Auch wenn im Rahmen des Vollzuges allenfalls sanitäre Anlagen, die bereits im Wohnwagen vorhanden sind[,] als ausreichend gewertet werden, so ist dies für den der Campingverordnung der Stadt Dornbirn Normunterworfenen nicht eindeutig erkennbar. […]"
2. Die Stadt Dornbirn legte die Akten zur Erlassung der bekämpften Verordnung vor und erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken u.a. wie folgt entgegentritt:
"Anlass [für die Erlassung der Campingverordnung] waren verschiedene konkrete Vorfälle des 'wilden' Kampierens in verschiedenen Teilen der Gemeinde in den vergangenen Jahren.
Zuletzt sorgten insbesondere im Bereich des städtischen Naherholungsgebietes Achauen und entlang der Bahnlinie entstandene größere Zeltlager für erheblichen Unmut in der Bevölkerung; kleinere Lager gab es auch in anderen Teilen des Stadtgebietes. Die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Natur und Landschaft machten die Notwendigkeit eines Campingverbots an Orten ohne Sanitärinfrastruktur zur Vermeidung von künftigen Missständen offenkundig.
Die umfangreiche Bilddokumentation im Verordnungsakt zeigt dies sehr deutlich auf.
Die von der Stadtvertretung im November 2015 beschlossene Verordnung hat zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation in der Stadt Dornbirn geführt. Bis dato wurden bei laufenden Kontrollen durch die Stadtpolizei keine weiteren Zeltlager festgestellt.
Zum Antrag des Landesvolksanwaltes, wonach die Verordnung verfassungswidrig sein soll, wird festgehalten:
1. Das Argument, wonach sich aus dem Gesetz ergebe, dass eine Verordnung, die sich auf das gesamte Gemeindegebiet bezieht, nicht zulässig sein soll, ist nicht zutreffend — vielmehr kommt es darauf an, ob die im Gesetz genannten Interessen gefährdet sind; Letzteres ist klar zu bejahen. Da in der Vergangenheit Zeltlager in ganz unterschiedlichen Teilen des Gemeindegebietes entstanden sind und befürchtet werden musste, dass diese auch weiterhin entstehen[,] musste die Stadtvertretung davon ausgehen, dass eine gebietsmäßige Beschränkung auf die zum Zeitpunkt des Beschlusses bekannten Orte zu einer Verlagerung auf andere, bisher nicht in Erscheinung getretene Gebiete erfolgen wird — somit war ein Missstand zu befürchten, der durch die beschlossene Regelung verhindert werden kann.
In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, dass die Verordnung selbst vom absoluten Verbot eine Ausnahme für befristetes Campieren mit Zustimmung des Grundeigentümers und bei entsprechendem Zugang zu Sanitäreinrichtungen vorsieht.
2. Vom Landesvolksanwalt wird außerdem in Kritik gezogen, dass der Erlassung der Verordnung keine Ermittlungen vorangegangen seien. Dass dies nicht zutrifft[,] ergibt sich aus dem beiliegenden Verwaltungsakt und ist insbesondere auch dem Amtsbericht zu entnehmen, aus dem hervorgeht, welcher Sachverhalt Grundlage für den Beschluss der Stadtvertretung war.
[…]
Wenn solche Zustände im von allen Teilen der Bevölkerung auf vielfältige Weise genutzten Naherholungsgebiet einer Stadt herrschen[,] ist damit zweifellos eine gröbliche Verletzung der Interessen der Wohnbevölkerung verbunden und ist es Aufgabe der Stadt, diese zu schützen. Nicht außer Acht zu lassen sind die zahlreichen Beschwerden aus der Bevölkerung dazu.
3. Auch die Meinung des Landesvolksanwaltes, dass das Erfordernis des Zugangs der Bewohner von befristet aufgestellten beweglichen Unterkünften zu Sanitäreinrichtungen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellt, ist nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil ist diese Anforderung im Interesse der Gesundheit und zum Schutz des Naturhaushaltes sowie des Landschafts- und Ortsbildes unbedingt notwendig, wie nicht zuletzt die Erfahrungen mit den oben beschriebenen Lagern ohne Sanitäranlagen zeigen.
Wohnwagen und Wohnmobile, die solche Einrichtungen haben, können befristet zum Wohnen aufgestellt werden und bei Zelten braucht es eine zumindest provisorische Sanitäranlage.
Das Campingplatzgesetz sieht auch für Campingplätze Auflagen bzg. Sanitäreinrichtungen vor. Die Auffassung des Landesvolksanwalts, wonach die Verordnung für das Kampieren auf Privatgrund strengere Rege[…]lungen normiert als auf Campingplätzen ist daher unzutreffend.
Aus dem Schutzzweck der Regelung — nämlich der Wahrung der im Campinggesetz genannten Interessen — ergibt sich weiters, dass das Abstellen von Wohnwagen und Wohnmobilen, dh das bloße Parkieren dieser Fahrzeuge, ohne dass diese bewohnt werden, nicht unter das Campingverbot fällt."
3. Die Vorarlberger Landesregierung erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie u.a. wie folgt ausführt (Wiedergabe ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"[Zur Behauptung der fehlenden Ermächtigungsgrundlage:]
[…]
Der Landesvolksanwalt bezweifelt, dass das Campingplatzgesetz die richtige Rechtsgrundlage für die Erlassung eines Campingverbotes sei, welches vorrangig darauf abziele, Armutsreisenden das Aufstellen von Zelten als eine Form der (unbefristeten) Wohnsitzbegründung im gesamten Stadtgebiet zu verbieten. […]
Dem ist zu entgegnen, dass das Campingplatzgesetz selbst grundsätzlich nicht auf den Zweck abstellt, zu dem die Zelte, Wohnwagen oder sonstigen beweglichen Unterkünfte aufgestellt werden.
§1 Abs 3 Campingplatzgesetz bestimmt lediglich, dass das Aufstellen von Zelten, Wohnwagen oder ähnlichen beweglichen Unterkünften im Rahmen von Einsätzen und Übungen des Katastrophenhilfsdienstes, des Rettungsdienstes und beauftragter Rettungsorganisationen sowie des Bundesheeres (alles Tätigkeiten, die nicht unter das oben genannte enge Begriffsverständnis von 'Camping' fallen) nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. […]
Des Weiteren ist den Erläuternden Bemerkungen zu § 1 (9. Beilage im Jahre 1981 des XXIII. Vorarlberger Landtages) zu entnehmen, dass bereits das Dauercamping, zu dem die in § 1 Abs 2 litb Campingplatzgesetz definierten Dauerstandplätze genutzt werden, nicht mehr der ursprünglichen Form des Campierens als eines 'Wanderer-Freiluftlebens' entsprechen, sondern hinsichtlich Zweck und Auswirkungen mit Ferienwohnhäusern vergleichbar sind. Dauercamping auf Dauerstandplätzen unterliegt jedoch trotzdem dem Geltungsbereich des Campingplatzgesetzes.
Auch der oben zitierte § 14 Campingplatzgesetz spricht nur allgemein vom Aufstellen von Zelten, Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünften außerhalb von Campingplätzen, ohne auf den Zweck des Aufstellens abzustellen. […]
Der Wortlaut des § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz legt den Schluss nahe, dass per Verordnung nur bestimmt werden kann, an welchen Orten campiert werden darf oder an welchen nicht. Ein absolutes Campingverbot erscheint ebenso ausgeschlossen wie das Campieren auf bestimmten Flächen von Voraussetzungen abhängig zu machen bzw. zeitlich zu befristen.
Es ist jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass die gegenständliche Verordnung das Campieren außerhalb von Campingplätzen nicht allgemein verbietet, sondern bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen erlaubt und daher gegenüber einem bedingungslosen Verbot einen gelinderen Eingriff ins Eigentumsrecht darstellt. Zum anderen entspricht die Verordnung dem Telos der Verordnungsermächtigung, nämlich dem Schutz der in § 14 Campingplatzgesetz genannten öffentlichen Interessen. Unter Berücksichtigung des Eigentumsrechts und des daraus abzuleitenden Gebotes, die gelindest mögliche Form eines zur Erreichung des Regelungszweckes erforderlichen Eigentumseingriffs zu wählen, erscheint daher die Ansicht vertretbar, dass die gegenständliche Verordnung in der Verordnungsermächtigung des § 14 Abs 2 Campingplatzgesetz Deckung findet.
[…]
Aus dem Amtsbericht der Stadt Dornbirn ergibt sich, dass die Verordnung beschlossen wurde, um konkret vorgefallene, massive Missstände, welche im Besonderen das öffentliche Interesse der Gesundheit und des Schutzes des Naturhaushaltes sowie des Landschafts- und Ortsbildes durch mangelnde Wasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung sowie durch Abfallablagerungen verletzt hatten, zu verhindern. Diese Missstände wurden von der Stadt Dornbirn dokumentiert (Berichte der Stadtpolizei Dornbirn, von Bediensteten der Stadt Dornbirn aufgenommene Lichtbilder).
Dass es bereits konkrete Missstände gegeben hat, lässt solche auch für die Zukunft befürchten. Die Stadt Dornbirn ist daher vertretbar davon ausgegangen, dass die Voraussetzung für die Verordnungserlassung gemäß § 14 Abs 2 iVm Abs 1 Campingplatzgesetz vorlag.
Der Vorwurf des Landesvolksanwaltes, die Stadtvertretung hätte aufgrund ihres mangelnden 'hygienetechnischen' Fachwissens einen entsprechenden Sachverständigen beiziehen müssen, ist unbegründet. Es wird nicht dargelegt, weshalb der Stadtvertretung die erforderliche Sachkompetenz fehlen soll.
[…]
[Zur Behauptung der Unverhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs:]
[…]
Zur Verhältnismäßigkeit der Voraussetzung ausreichender und hygienisch einwandfreier Sanitäranlagen im unmittelbaren Nahebereich, welche frei zugänglich sein müssen, ist festzuhalten, dass diese Voraussetzung von Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünften (darunter fallen beispielsweise Mobilheime) problemlos erfüllt werden, da Wohnwagen und ähnliche bewegliche Unterkünfte in der Regel über eingebaute Sanitäranlagen verfügen.
Der Landesvolksanwalt ist richtigerweise der Auffassung, dass das Aufstellen von Zelten außerhalb von Campingplätzen grundsätzlich das Fehlen von Sanitäranlagen impliziert. Zelte (sowie Wohnwagen und ähnliche bewegliche Unterkünfte, die über keine Sanitäranlagen verfügen) dürfen daher nur im Nahebereich von frei zugänglichen Sanitäranlagen aufgestellt werden bzw. müssen umgekehrt im Nahebereich der Unterkünfte provisorische Sanitäranlagen aufgestellt werden. Dabei handelt es sich um das gelindeste Mittel, welches zur Erreichung der Regelungsziele erforderlich ist. Ohne die Möglichkeit der Benutzung von Sanitäranlagen (mit einer entsprechenden Abwasserbeseitigung) kann das Ziel des Schutzes der Interessen der Gesundheit und der einschlägigen Umweltinteressen nicht erreicht werden.
Des Weiteren ist anzumerken, dass die Sanitäranlagen nur dann Voraussetzung für das Aufstellen von Zelten, Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünften sind, wenn diese auch bewohnt werden (arg. 'über ausreichende und hygienisch einwandfreie, für die Bewohner der Unterkünfte frei zugängliche Sanitäranlagen verfügen'). Es ist deshalb davon auszugehen, dass die vom Landesvolksanwalt angeführten Partyzelte diese Voraussetzung nicht erfüllen müssen.
[…]
[Zur Behauptung der Verletzung des Determinierungsgebotes:]
[…]
Die Wortfolge 'in ihrem unmittelbaren Nahebereich' darf aufgrund des provisorischen Charakters des Campierens außerhalb von Campingplätzen nicht zu streng interpretiert werden. Es erscheint jedenfalls ausreichend, dass die Sanitäranlagen zu Fuß in kurzer Zeit, also innerhalb weniger Minuten, erreichbar sind.
Unter 'ausreichende und hygienisch einwandfreie, für die Bewohner der Unterkünfte frei zugängliche Sanitäranlagen' sind solche zu verstehen, die im Interesse der Gesundheit (und der Hygiene) der Benützer erforderlich sind (vgl. § 2 Abs 5 Campingplatzgesetz).
Für die Frage, was zu den für das Campieren außerhalb eines Campingplatzes notwendigen 'Sanitäranlagen' zählt, ist mit Blick auf den Zweck der Regelung die Dauer des Campierens sowie die Anzahl der aufgestellten Zelte, Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünfte wesentlich.
Ein Umfang an Sanitäranlagen, wie ihn § 7 der Verordnung der Landesregierung über die Gestaltung sowie die Anlagen und Einrichtungen von Campingplätzen für Campingplätze fordert, wird aufgrund des grundsätzlich vorübergehenden Charakters des Campierens außerhalb von Campingplätzen nicht erforderlich sein. Können Sanitäranlagen in Gebäuden (wie insbesondere Toiletten und Einrichtungen zur Körperreinigung) von den Bewohnern mitbenützt werden, sind diese jedenfalls ausreichend. Das gleiche gilt für die in Wohnwagen vorhandenen sanitären Einrichtungen.
[…]"
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
Gemäß Art 139 Abs 1 Z 6 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag einer Einrichtung gemäß Art 148i Abs 2 B VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Landesbehörde. Gemäß Art 148i Abs 2 B VG kann durch Landesverfassungsgesetz eine dem Art 148f B VG entsprechende Regelung geschaffen werden, wenn die Länder für den Bereich der Landesverwaltung Einrichtungen mit gleichartigen Aufgaben wie die Volksanwaltschaft schaffen. Gemäß Art 60 Abs 2 Vorarlberger Landesverfassung, LGBl 9/1999, idF LGBl 89/2012, erkennt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Landesvolksanwaltes über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die im Bereich der Verwaltung des Landes ergangen sind.
Der Antrag des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg ist somit zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 13.335/1993, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist nicht begründet:
2.2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof zu § 14 des Vbg. Campingplatzgesetzes im Zusammenhang mit dem Antrag des Landesvolksanwaltes auf Aufhebung des § 2 der Verordnung der Marktgemeinde Nenzing über die Regelung des Campierens auf dem Gemeindegebiet von Nenzing außerhalb von Campingplätzen bereits erkannt hat, bestehen grundsätzlich keine Bedenken, zur Unterbindung "wilden" Kampierens eine Verordnung gemäß § 14 Abs 2 des Vbg. Campingplatzgesetzes zu erlassen, wenn das intendierte Ziel der Hintanhaltung das örtliche Zusammenleben störender Verhaltensweisen durch die Erlassung von Bescheiden gemäß § 14 Abs 1 des Vbg. Campingplatzgesetzes anscheinend nicht erreicht werden kann (). Diese Aussage ist auf den vorliegenden Antrag betreffend die Campierverordnung der Stadt Dornbirn übertragbar.
Wie sich – anders als im oben zitierten Erkenntnis – vorliegend sowohl aus dem Amtsbericht der Stadt Dornbirn vom als auch aus dem vorgelegten Aktenmaterial ergibt, ist es in der Vergangenheit an verschiedenen Orten des Stadtgebietes wiederholt zu belegten derartigen hygienischen Missständen gekommen, denen keine wirksame Handhabe entgegengesetzt werden konnte. Insoferne vermag die Auffassung des Landesvolksanwaltes nicht zu überzeugen, dass ausreichend Anhaltspunkte für die Erlassung der Campingverordnung von vornherein fehlten.
2.2.2. Anders als der Landesvolksanwalt behauptet, verbietet die Campingverordnung der Stadt Dornbirn "wildes" Kampieren nicht generell. § 2 der Campingverordnung ermöglicht das Kampieren auch im Stadtgebiet unter den der gesetzlichen Grundlage entsprechenden Bedingungen. Dazu kommt, dass – wie die Vorarlberger Landesregierung überzeugend darlegt – etwa das bloße Abstellen eines Wohnwagens oder die Errichtung eines nicht bewohnten Partyzeltes nicht in den Anwendungsbereich der Campingverordnung fallen. Schon deshalb liegt auch kein unverhältnismäßiger Eingriff vor.
2.2.3. Soweit der Landesvolksanwalt die hinreichende Determinierung in der Campingverordnung verwendeter Rechtsbegriffe in Zweifel zieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese einer Interpretation im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes – auch im Hinblick auf die einschlägigen landesgesetzlichen Grundlagen – zugänglich sind.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2016:V41.2016