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VfGH vom 19.06.1987, V40/86

VfGH vom 19.06.1987, V40/86

Sammlungsnummer

11374

Leitsatz

Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Güssing vom betreffend Änderung des Flächenwidmungsplanes (Widmungsänderung); restriktive Beurteilung der dem Verordnungsgeber zustehenden Änderungsmöglichkeiten, va. auch aus dem Grunde der Rechtssicherheit; hier keine wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen iS des § 19 Bgld. RaumplanungsG - Gesetzwidrigkeit der vom Aufhebungsantrag betreffenden Verordnungsstellen; kein Kostenersatz für einen Schriftsatz an den Beteiligten - nach § 61a VerfGG Kostenersatz nur für den obsiegenden Individualantragsteller iS des Art 139 B-VG

Spruch

1. Die V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Güssing vom über die Änderung des Flächenwidmungsplanes, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis , wird, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr. 264 und 265, EZ 274 KG Glasing, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Burgenländische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

2. Der Antrag der Beteiligten E und F W auf Zuspruch von Verfahrenskosten wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der VwGH beantragt gemäß Art 139 Abs 1 B-VG iVm Art 89 Abs 2 B-VG, die V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Güssing vom , Protokoll Nr. 351/7, "mit der der rechtskräftige Flächenwidmungsplan für die Stadtgemeinde Güssing geändert wird", insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als damit für die Grundstücke Nr. 264 und 265 in der Liegenschaft EZ 274 des Grundbuches über die Kat. Gemeinde Glasing, an Stelle der Widmung Bauland-Dorfgebiet ("BD") die Widmung Aufschließungsgebiet-Dorfgebiet ("AD") festgelegt worden ist.

Diesem Antrag liegt eine beim VwGH anhängige Beschwerde zugrunde, in welcher die Bf. geltend machten, daß der Gemeinderat der Stadtgemeinde Güssing über ihre Berufung gegen die Abweisung des Ansuchens um Bauplatzerklärung der Grundstücke Nr. 264 und 265 innerhalb der Frist des § 27 VwGG nicht entschieden habe.

Der VwGH begründet seinen Antrag wie folgt:

"Nach der Aktenlage (vgl. Beilage A des Verwaltungsaktes der Gemeinde Güssing) wurde die Widmung in dem in Rede stehenden Bereich vom Gemeinderat 'auf Grund der in der Stellungnahme des Planers und der Raumplanungsstelle aufgezeigten Gründe' geändert. In dieser Stellungnahme des Planers wurde ausgeführt, daß der in Rede stehende Ortsteil westlich von Glasing zwischen den Güterwegen Glasing - St. Nikolaus und der Landesstraße Glasing St. Nikolaus liege. 'Die Grundstücksstruktur weist in Teilbereichen für eine Bebauung ungünstige Eigenschaften auf und weiters ist eine Erschließung äußerst schwierig (auf Grund der derzeitigen Besitzverhältnisse). Es könnte entlang des Güterweges die Widmung BD bleiben, max. 35 m tief. Entlang der Landesstraße soll die Widmung von BD in AD zurückgeführt werden (60 m tief bestehende Baulandgrenze). Die Verbindungsfläche soll von BD in Gl vorgenommen werden. Der Teilbereich an der Landesstraße könnte bei geänderten Besitzverhältnissen (Zufahrt) durch Gemeinderatsbeschluß für eine Bebauung freigegeben werden.'

Die Raumplanungsstelle gab folgende Äußerung ab: 'Die auf Grund der für eine Bebauung ungünstigen Grundstücksstruktur und der in Teilbereichen schwierigen Erschließung angestellten Überlegungen einer Rück- bzw. Umwidmung werden grundsätzl. begrüßt. Als Ergebnis dieser Beratungen und des Lokalaugenscheines wird nunmehr der an der Landesstraße L 3600 befindliche Streifen Bauland-Dorfgebiet in Aufschließungsgebiet-Dorfgebiet zurückgewidmet, da die derz. Grundstücksstruktur eine sinnvolle Bebauung nicht zuläßt. Der südl. daran anschließende Bereich wird wegen der ebenfalls ungünstigen Grundstücksstruktur und einer in jedem Falle unwirtschaftl. und schwierigen Erschließung in landwirtschaftl. genutzte Grünfläche zurückgewidmet. Der entlang des Güterweges Glasing - St. Nikolaus befindl. derzeit ca. 80 m tiefe Baulandstreifen wird auf ca. 40 m Baulandtiefe zurückgewidmet, um die Bebauung so nah wie mögl. entlang des Güterweges zu gewährleisten. Dadurch wird eine negative Beeinträchtigung des Landschaftsbildes in diesem Bereich so weit als möglich vermieden.'

Aus diesen Erläuterungen ergibt sich also, daß die beschlossene Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht infolge der Aufstellung oder Abänderung des Entwicklungsprogrammes oder der Vollziehung anderer Landesgesetze oder von BG notwendig geworden ist (vgl. § 19 Abs 1 des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes). Sie ist aber auch nicht die Folge davon, daß sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten in der Gemeinde wesentlich geändert haben (vgl. Absatz 2 dieser Gesetzesstelle). Die in den wiedergegebenen Stellungnahmen des Planers und der Planungsstelle dargestellten Motive für die Änderung des Flächenwidmungsplanes, welchen sich der Verordnungsgeber angeschlossen hat, beruhen nämlich einerseits nicht auf neu aufgetretenen Tatsachen, welche eine Änderung der Planungsgrundlagen herbeigeführt haben, weil die ins Treffen geführte Grundstücksstruktur und die eine Erschließung schwierig gestaltenden Besitzverhältnisse offensichtlich bereits bei der Festsetzung der ursprünglichen Widmung Bauland-Dorfgebiet gegeben waren, und andererseits haben sich die Planungsabsichten der Gemeinde offenkundig schon deshalb nicht wesentlich geändert, weil die in Rede stehenden Grundflächen nach wie vor als Dorfgebiete im Sinne des § 14 Abs 3 litb des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes gelten, für welche allerdings zufolge § 20 Abs 2 leg. cit. Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen erst zulässig sein werden, wenn der Gemeinderat durch V feststellt, daß der widmungsgemäßen Verwendung dieser Gebiete keine öffentlichen Interessen wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Natur entgegenstehen und die Erschließung durch Straßen und Versorgungsleitungen gesichert ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die erfolgte Änderung des Flächenwidmungsplanes in bezug auf die Umwidmung der Liegenschaft der Bf. scheinen dem VwGH sohin nicht gegeben zu sein."

2. Die Stadtgemeinde Güssing verteidigt in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Widmung und führt im wesentlichen aus, die (frühere) Widmung des betreffenden Gebietes zu Bauland-Dorfgebiet sei anläßlich der zweiten Änderung des Flächenwidmungsplanes mit V des Gemeinderates Güssing vom 26. Feber 1980 erfolgt. Der Verordnungsgeber sei damals von der Überlegung ausgegangen, daß Verhandlungen zwischen den einzelnen Grundstückseigentümern in diesem Bereich hoffen hätten lassen, daß eine strukturelle Bereinigung (Aufteilung auf geeignete Bauplätze mit ordnungsgemäßer Erschließung durch Straßen, Wasser, Kanal usw.) erreichbar wäre. Leider seien die Verhandlungen an der Uneinsichtigkeit der einzelnen Eigentümer gescheitert, es habe keine gänzliche, zufriedenstellende Einigung erzielt werden können, sodaß der Gemeinderat schließlich nunmehr die Änderung der seit 1980 bestehenden Widmung Bauland-Dorfgebiet in Aufschließungsgebiet-Dorfgebiet als zweckmäßig erachtet habe.

Daher habe der Gemeinderat die (nunmehr angefochtene) dritte Änderung beschlossen. Selbst einzelne Grundstücksbereinigungen (Zusammenlegungen zu geeigneten Bauplätzen) hätten diese Meinung des Gemeinderates nicht ändern können, da eine geordnete Verbauung dadurch nicht gesichert erscheine, sondern eher eine das Landschaftsbild störende Zersiedelung. Die weiterhin bestehende ungünstige Grundstücksstruktur, die für Einzelbauten besonders kostspieligen und schwierigen Aufschließungsmaßnahmen und die angespannte Budgetlage der Gemeinde hätten den Gemeinderat zu der Überzeugung gebracht, daß gewichtige Gründe für die Notwendigkeit einer "Rückwidmung" vorlägen.

Sollte aber eine zufriedenstellende Einigung erreicht werden und somit die Erschließung durch Straßen und die notwendigen Versorgungsleitungen gesichert sein, werde der Gemeinderat nach § 20 Abs 2 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes durch V feststellen, daß dieses Gebiet als Bauland verwendet werden kann. Derzeit sei jedenfalls aufgrund der topographischen Situation, dem Mangel einer Zufahrt sowie aufgrund der Besitzverhältnisse eine Bebauung dieses Gebietes nicht möglich.

3. Auch die Burgenländische Landesregierung erachtet in einer Äußerung die angefochtene Widmung als gesetzmäßig. Die Landesregierung weist im wesentlichen darauf hin, Änderungen der Planungsabsichten könnten sich durch Änderung in den Erkenntnissen über die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit raumordnender Maßnahmen ergeben. Es werde einer Gemeinde unbenommen bleiben, diesen Erkenntnissen entsprechend die Widmungen den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen. In diesem Zusammenhang gewännen die Ausführungen der Landesamtsdirektion-Raumordnung Bedeutung, wonach die seinerzeitige bzw. die nunmehrige Widmung dieses Gebietes als Aufschließungsgebiet-Dorfgebiet aus fachlicher Sicht als richtig anzusehen sei. Der in Frage stehende Bereich umfasse nämlich insgesamt 11 Grundstücke, wobei jedes für sich nicht bebaubar sei, da entweder die erforderliche Grundstücksbreite nicht gegeben bzw. eine entsprechende Zufahrtsmöglichkeit nicht vorhanden sei. Die Bebauung von zwei Grundstücken inmitten von anderen nicht bebaubaren Grundstücken könne nicht als befriedigende Lösung angesehen werden und wäre nur im Zuge einer Gesamtlösung der Grundstücksstruktur und des Erschließungsproblemes möglich.

4. Die Bf. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren haben sich in einem Schriftsatz für den Antrag des VwGH ausgesprochen.

II. Der VfGH hat über den Antrag erwogen:

1. Es besteht kein Zweifel, daß der VwGH bei Entscheidung über die Berufung gegen die Versagung der Erklärung der Grundstücke Nr. 264 und 265 zum Bauplatz den Flächenwidmungsplan, soweit er diese Grundstücke betrifft, anzuwenden haben wird.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. Der Antrag ist - wobei sich der VfGH auf die geltend gemachten Bedenken zu beschränken hat - auch berechtigt.

a) Nach § 19 des Gesetzes vom , LGBl. 18, über die Raumplanung im Burgenland (Burgenländisches Raumplanungsgesetz) ist der Flächenwidmungsplan abzuändern, wenn dies infolge der Aufstellung oder Abänderung des Entwicklungsprogrammes oder der Vollziehung anderer Landesgesetze oder von BG notwendig wird (Abs1); der Flächenwidmungsplan darf im übrigen nur abgeändert werden, wenn sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten in der Gemeinde wesentlich geändert haben (Abs2).

Der VfGH ist im Erkenntnis VfSlg. 9361/1982 (betreffend eine Änderung des Flächenwidmungsplanes Illmitz) von dem Grundgedanken ausgegangen, daß unter einer neuen Planungsabsicht im Sinne des § 19 Abs 2 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes nicht jede Änderungsabsicht schlechthin, sondern vielmehr nur neue Zielsetzungen allgemeiner Art zu verstehen sind, welche eine Änderung der Planungsgrundlagen mit sich bringen. Eine darüber hinausgehende Auslegung würde bedeuten, daß die Änderung von Flächenwidmungsplänen bereits dann zulässig wäre, wenn der Gemeinderat zur Auffassung gelangt, eine andere Widmung als die von ihm seinerzeit festgelegte wäre die bessere, vernünftigere und zweckmäßigere. Derartige oder ähnliche Motive des Verordnungsgebers liegen aber wohl jeder Änderung einer V zugrunde; die dem Verordnungsgeber in § 19 Abs 2 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes auferlegten Beschränkungen wären dann weitgehend sinnlos.

b) In den Äußerungen der Stadtgemeinde Güssing und der Burgenländischen Landesregierung wird nicht in Abrede gestellt, daß die topographische Situation, insbesondere die ungünstige Grundstücksstruktur und der Mangel an entsprechenden Zufahrtsmöglichkeiten bereits zu dem Zeitpunkt gegeben waren, als (unter anderem) die Grundstücke Nr. 264 und 265 anläßlich der zweiten Änderung des Flächenwidmungsplanes am 26. Feber 1980 zu Bauland-Dorfgebiet gewidmet worden sind. Als einziger Grund für die bekämpfte Widmungsänderung wird angeführt, die "Erwartungen" des Gemeinderates auf eine sinnvolle Gestaltung des Baulandes hätten sich nicht erfüllt.

Damit wird schon deshalb keine Änderung, geschweige denn die in § 19 Abs 2 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes geforderte wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen dargetan, weil die Stadtgemeinde Güssing in ihrer Äußerung selbst darauf hinweist, daß dann, wenn eine zufriedenstellende Einigung erreicht werden sollte, der Gemeinderat mittels V nach § 20 Abs 2 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes die Verwendung dieses Gebietes als Bauland zulassen werde. Nach den Planungsgrundlagen der Gemeinde ist somit eine Bebauung des hier maßgeblichen Gebietes an sich nach wie vor vorgesehen. Dem Argument der Stadtgemeinde Güssing, "derzeit" sei jedenfalls aufgrund der topographischen Situation, des Mangels einer Zufahrt und der Besitzverhältnisse eine Bebauung dieses Gebietes nicht möglich, ist entgegenzuhalten, daß genau diese Situation bereits im Jahre 1980 anläßlich der Widmung zu Bauland-Dorfgebiet gegeben war.

c) Aus diesen Erwägungen ergibt sich insgesamt, daß der bekämpften Umwidmung nicht die Änderung von allgemeinen Zielsetzungen des Gemeinderates, sondern offenkundig lediglich die Auffassung zugrunde lag, die im Jahre 1980 festgelegte Widmung sei - vielleicht vorschnell ausgesprochen - nicht zweckentsprechend gewesen. Wenn aber der Gemeinderat - bei mehr als einer ihm im Rahmen seines Planungsermessens offenstehenden Möglichkeit - sich für eine bestimmte Lösung entschlossen hat, dann genügt es für eine Änderung des Planes im Sinne der oben unter Punkt

a) wiedergegebenen Interpretation des § 19 Abs 2 leg.cit. nicht, wenn sich in der Folge herausstellt, eine andere Widmung wäre die bessere und sinnvollere (gewesen). Für eine solche restriktive Beurteilung der dem Verordnungsgeber zustehenden Änderungsmöglichkeiten sprechen vor allem auch Aspekte der Rechtssicherheit:

Es fällt hiebei nämlich entscheidend ins Gewicht, daß mit der verbindlichen Festlegung der Widmung durch den Verordnungsgeber auch jenes Maß an Rechtssicherheit einzutreten hat, welches es dem Rechtsunterworfenen ermöglichen soll, im Vertrauen auf die Rechtslage seine individuellen Planungsabsichten zu gestalten und mit der Rechtslage zu koordinieren (s. Fröhler-Oberndorfer, Österr. Raumordnungsrecht II, Linz 1986, S. 122). Gerade das Verwaltungsgeschehen im vorliegenden Fall beleuchtet dies treffend: Als die beim VwGH bf. Grundeigentümer ihre Anträge auf der Basis des geltenden Flächenwidmungsplanes eingebracht hatten, änderte der Gemeinderat die Widmung.

So gesehen liegen unter den hier gegebenen Umständen die Voraussetzungen für eine Planänderung im Sinne des § 19 Abs 2 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes nicht vor. Die Widmungsänderung wurde hier - anders als im Falle des einen Bebauungsplan betreffenden Erkenntnisses VfSlg. 7595/1975, S. 560 - auch keineswegs nur zu dem Zweck vorgenommen, um einen der V anhaftenden Ausdrucksmangel zu beheben.

3. Dem Antrag des VwGH ist daher Folge zu geben und die bekämpfte Bestimmung als gesetzwidrig aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art 139 Abs 5 B-VG.

Der von den Beteiligten gestellte Antrag auf Kostenzuspruch für einen eingebrachten Schriftsatz ist abzuweisen, weil ein solcher nach § 61 a VerfGG nur für den obsiegenden Individualantragsteller im Sinn des Art 139 Abs 1 B-VG vorgesehen ist.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.