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VfGH vom 04.12.2008, V399/08

VfGH vom 04.12.2008, V399/08

Sammlungsnummer

18640

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Bebauungsplanänderung mangels ausreichender Grundlagenforschung

Spruch

Die Verordnung betreffend die Änderung des Bebauungsplanes der Marktgemeinde Vösendorf, Beschluss des Gemeinderates vom , Z Bau 80/06 und 86/06, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis , wird, soweit sie das Grundstück 1431/1, KG Vösendorf, betrifft, als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt für das Land Niederösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit den vorliegenden, auf Art 89 Abs 2 erster Satz und

Art139 Abs 1 erster Satz B-VG gestützten Anträgen begehrt der Verwaltungsgerichtshof

"die Verordnung betreffend die Änderung des Bebauungsplanes der Marktgemeinde Vösendorf, beschlossen vom Gemeinderat der Marktgemeinde Vösendorf am , Zl. Bau 80/06 und 86/06, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel am , geprüft von der NÖ Landesregierung gemäß § 88 NÖ Gemeindeordnung 1973 am , Zlen. RU1-BP-653/017-2006 und RU1-BP-653/016-2006,


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1.
soweit sie das Grundstück Nr. 1431/1 der KG Vösendorf betrifft, wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben,


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in eventu


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2.
insoweit die Festlegung der neuen Einzelheiten der Bebauung der einzelnen Grundflächen in den von der ...architekten ZT GmbH verfassten Schwarz-Rot-Plandarstellung vom September 2006, GZ: 900215/09-06, Blätter 13, 19 und 20 (Nrn. gemäß Übersichtsplan: 5.2, 6.1 und 6.2) enthalten ist, aufzuheben,


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in eventu


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3. zur Gänze aufzuheben."


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2. Den Anträgen liegt folgende beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Rechtssache zugrunde:


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"[...] Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-760/001+002-2007, wurden die dagegen erhobenen Berufungen der beschwerdeführenden Marktgemeinde Vösendorf und der S GmbH als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertritt in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, dass der Baubewilligungsbescheid an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide, weil das bewilligte Bauvorhaben auf Grund der geplanten Gebäudehöhe gegen § 53 Abs 6 NÖ Bauordnung 1996 verstoße und die im bestehenden Bebauungsplan angeordnete geschlossene Bebauungsweise nicht einhalte. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der geschlossenen Bebauungsweise, der Gebäudehöhe und der Bestimmungen über die Ausgestaltung der Einreichpläne sei höher zu bewerten als das Interesse der Bauwerberin an der Aufrechterhaltung der Baubewilligung, zumal mit dem Bau noch nicht begonnen worden sei und somit keine frustrierten Investitionen zu erwarten seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben."

3. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass er bei der Überprüfung des in Beschwerde gezogenen Bescheides der belangten Behörde diese Bebauungsplanänderung zu Grunde zu legen hat und legt seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung wie folgt dar:

"[...] Die mit der angefochtenen Verordnung vorgenommene Dnderung des Bebauungsplanes erfolgte ohne die zunächst vorgesehene und damit in Verbindung stehende Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes. Die mit Widmungsänderungen verbundene projektierte Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes war auf Grund der Ermittlungsergebnisse (siehe das in der Niederschrift vom enthaltene Gutachten des Amtssachverständigen für Raumordnung zu einer beabsichtigten 'Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes', Änderung Nr. 02/2006) Voraussetzung für die hier relevante Änderung des Bebauungsplanes. Auf Grund welcher Erwägungen von der im Rahmen der Grundlagenforschung als erforderlich angesehenen Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes Abstand genommen und trotz der dadurch fehlenden Ergebnisse der verkehrstechnischen Auswirkungen die hier maßgebliche Änderung des Bebauungsplanes beschlossen wurde, ist nicht nachvollziehbar.

[...] Die mit der angefochtenen Verordnung vorgenommene Änderung des Bebauungsplanes erscheint auch deshalb gesetzwidrig, weil nicht ersichtlich ist, dass der herangezogene Grund des § 73 Abs 1 Z. [gemeint wohl Z. 1] NÖ Bauordnung 1996 für die vorliegende Änderung gegeben ist.

Der abgeänderte Bebauungsplan wurde erst im März 2006 erlassen. Es ist nicht erkennbar, inwiefern sich die dem damals erlassenen Bebauungsplan zu Grunde gelegten Planungsgrundlagen innerhalb des relevanten Zeitraumes bis zur Erlassung der nunmehr angefochtenen Verordnung vom Oktober 2006 wesentlich geändert haben sollen. Ein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung innerhalb eines derart kurzen Zeitraumes geändert hätten, ist den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen.

[...] Worauf sich die als Grundlage der vollzogenen Änderung des Bebauungsplanes gestützte fachkundige Äußerung der '...architekten' vom stützt und welche Entscheidungsgrundlagen für diese fachkundige Äußerung herangezogen worden sind, ist den Bezug haben[den] Verordnungsakten nicht zu entnehmen. Die Aussage in diesem Gutachten, es seien 'deutliche Eingriffe zur Hebung der gesamträumlichen Qualität hinsichtlich der Dimensionierung und Gestaltung der Bebauungsstruktur im gesamten Verlauf der Triester Straße vorzunehmen', ist mangels entsprechender Befunde ebensowenig nachvollziehbar wie die Ausführungen, dass 'Einschränkungen hinsichtlich der Erweiterungsmöglichkeiten der angrenzenden Fachmarktzentren' 'flexible Umsetzungskonzepte' erforderten, 'die sich am gesellschaftlichen Wandel orientieren'. Inwiefern die offenbar auf Wien bezogene 'stadtplanerische Entwicklung' zu einer strukturellen Entwicklung im Bereich der Marktgemeinde Vösendorf geführt hat, die als eine wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen zu beurteilen ist, wird in diesem Gutachten nicht erörtert, vielmehr nur auf eine nicht näher beschriebene 'Realisierung einer deutlichen Verbesserung des vorhandenen Gestaltungsraumes unter Berücksichtigung der gegebenen räumlichen Situation' bei Änderung der Bebauungsplanes verwiesen.

Wesentliche Änderungen der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung sind daher für den Verwaltungsgerichtshof aus dem vorliegenden Verordnungsakt nicht zu entnehmen."

4. Die Niederösterreichische Landesregierung legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Stellungnahme, wohingegen der Gemeinderat der Marktgemeinde Vösendorf von der Möglichkeit einer Stellungnahme abgesehen hat.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Der Verfassungsgerichtshof geht im vorliegenden Fall davon aus, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bebauungsplan in dem unter I.2. genannten Beschwerdeverfahren bei Überprüfung des Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung vom anzuwenden hat. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Hauptantrag zulässig.

2. In der Sache:

Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gegen die bekämpfte Bebauungsplanänderung sind begründet:

Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verordnungsakten ist die fachkundige Äußerung der "...architekten" vom ersichtlich (siehe I.3.). Nicht ersichtlich jedoch ist, worauf diese grundlegend beruht, obwohl sich die Bebauungsplanänderung auf § 73 Abs 1 Z 1 NÖ Bauordnung 1996 stützt ("wegen wesentlicher Änderung der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung").

Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa VfSlg. 14.780/1997, 13.503/1993, 17.224/2004 ua.), müssen die für eine Änderung des Bebauungsplanes herangezogenen Entscheidungsgrundlagen erkennbar dokumentiert sein. Es ist aber nichts hervorgekommen, was die Auffassung zu begründen vermag, dass sich die Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung oder neuer Tatsachen wesentlich geändert haben, sodass die zu beurteilende Änderung des Bebauungsplanes statthaft wäre.

Wesentliche Änderungen der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung müssen eine aktenmäßige und damit überprüfbare Dokumentation erfahren, weshalb eine fundierte Darstellung unerlässlich ist. Die im an die Niederösterreichische Landesregierung gerichteten Schreiben vom von den "...architekten" angeführten "Änderungen der Planungsgrundlagen" vermögen die erforderliche Grundlagenforschung nicht zu ersetzen und stellen damit keine hinreichende Rechtfertigung der vorgenommenen Bebauungsplanänderung dar.

Daher war die Verordnung betreffend die Änderung des Bebauungsplanes der Marktgemeinde Vösendorf in dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof präjudiziellen Umfang als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Niederösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art 139 B-VG iVm § 60 Abs 2 VfGG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.