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VfGH vom 14.07.2020, V395/2020 ua

VfGH vom 14.07.2020, V395/2020 ua

Leitsatz

Keine Bedenken gegen § 1 COVID-19-MaßnahmenG im Hinblick auf Art 18 Abs 2 B VG; hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für die Festlegung von Betretungsverboten für Betriebsstätten zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19; Feststellung der maßgebenden Umstände durch den zuständigen BM bei Erlassung des Betretungsverbots; Gesetzwidrigkeit des § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung betreffend das Betretungsverbot für bestimmte Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen, deren Kundenbereich 400 m2 übersteigt; Entscheidung des zuständigen BM aus Verordnungsakt nicht nachvollziehbar; Ungleichbehandlung von Betriebsstätten des Handels, deren Kundenbereich im Inneren 400 m² übersteigt, und insbesondere Bau- und Gartenmärkten sachlich nicht gerechtfertigt; Zulässigkeit des Individualantrags trotz Außerkrafttretens der angefochtenen Bestimmung im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH

Spruch

I.1. Die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie der vierte Satz – "Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." – in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020, idF BGBl II Nr 151/2020 waren gesetzwidrig.

2. Die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

3. Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

II.Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, den antragstellenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.005,80 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Gestützt auf Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG und Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG begehren die antragstellenden Parteien, die § 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 als gesetzwidrig sowie § 1 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 als verfassungswidrig aufzuheben. Weiters stellen sie mehrere Eventualanträge.

II. Rechtslage

1. Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (im Folgenden: COVID-19-Maßnahmenverordnung), BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.

§2. (1) § 1 gilt nicht für folgende Bereiche:

1. öffentliche Apotheken

2. Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerlichen Direktvermarktern

3.. Drogerien und Drogeriemärkte

4. Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln

5. Gesundheits- und Pflegedienstleistungen

6. Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe–, Sozialhilfe–, Teilhabe– bzw Chancengleichheitsgesetze erbracht werden

7. veterinärmedizinische Dienstleistungen

8. Verkauf von Tierfutter

9. Verkauf und Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten

10. Notfall-Dienstleistungen

11. Agrarhandel einschließlich Schlachttierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel

12. Tankstellen und angeschlossene Waschstraßen

13. Banken

14. Postdiensteanbieter einschließlich deren Postpartner, soweit diese Postpartner unter die Ausnahmen des § 2 fallen sowie Postgeschäftsstellen iSd § 3 Z 7 PMG, welche von einer Gemeinde betrieben werden oder in Gemeinden liegen, in denen die Versorgung durch keine andere unter § 2 fallende Postgeschäftsstelle erfolgen kann, jedoch ausschließlich für die Erbringung von Postdienstleistungen und die unter § 2 erlaubten Tätigkeiten, und Telekommunikation.

15. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege

16. Lieferdienste

17. Öffentlicher Verkehr

18. Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske

19. Hygiene und Reinigungsdienstleistungen

20. Abfallentsorgungsbetriebe

21. KFZ- und Fahrradwerkstätten

22. Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte

23. Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen.

(2) Die Ausnahmen nach Abs 1 Z 3, 4, 8, 9, 11, 22 und 23 sowie Abs 4 gelten an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(3) Die Ausnahmen nach Abs 1 Z 2 gilt an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr, sofern es sich nicht um eine Verkaufsstelle von Lebensmittelproduzenten handelt. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(4) § 1 gilt unbeschadet Abs 1 nicht für den Kundenbereich von sonstigen Betriebsstätten des Handels, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt. Als sonstige Betriebsstätten des Handels sind Betriebstätten zu verstehen, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird. Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.

(5) Abs 1 gilt nur, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

1. Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion tragen; dies gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr.

2. ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen eingehalten wird.

(6) Abs 4 gilt nur, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen nach Abs 5 der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m² der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 20 m², so darf jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten.

(7) In den Bereichen nach Abs 1 Z 5 und 6 gelten

1. abweichend von Abs 5 Z 1 die einschlägigen berufs- und einrichtungsspezifischen Vorgaben und Empfehlungen, und

2. Abs 5 Z 2 und 3 nicht.

§3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

(2) Abs 1 gilt nicht für Gastgewerbetriebe [Gastgewerbebetriebe], welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Kranken-und Kuranstalten;

2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;

4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.

(3) Abs 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

(4) Abs 1 gilt nicht für Campingplätze und öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Gäste des Campingplatzes bzw öffentlicher Verkehrsmitteln verabreicht und ausgeschenkt werden.

(5) Abs 1 gilt nicht für Lieferservice.

(6) Die Abholung vorbestellter Speisen ist zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und sichergestellt ist, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird.

§4. (1) Das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung ist untersagt.

(2) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.

(3) Abs 1 gilt nicht für Beherbergungen

1. von Personen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits in Beherbergung befinden, für die im Vorfeld mit dem Beherbergungsbetrieb vereinbarte Dauer der Beherbergung,

2. zum Zweck der Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen,

3. aus beruflichen Gründen oder

4. zur Stillung eines dringenden Wohnbedürfnisses.

§5. (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des außer Kraft.

(2) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 112/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(3) § 4 dieser Verordnung in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 130/2020 tritt mit Ablauf des in Kraft. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bestehende Verordnungen eines Landeshauptmannes oder einer Bezirksverwaltungsbehörde über Betretungsverbote von Beherbergungsbetrieben bleiben unberührt.

(4) Die § 1 bis 3 treten mit Ablauf des außer Kraft.

(5) § 4 tritt mit Ablauf des außer Kraft.

(6) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 151/2020 treten mit Ablauf des in Kraft."

2. Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 lautet (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.

Betreten von bestimmten Orten

§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§2a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.

(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch

1. Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,

2. Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und

3. die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§50 VStG).

(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der jeweiligen Gesundheitsbehörde im Rahmen der nach Abs 1 vorgesehenen Mitwirkung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die Gesundheitsbehörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.

Strafbestimmungen

§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß § 2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

Inkrafttreten

§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft.

(1a) Abs 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

(5) § 1, 2 und § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

Vollziehung

§5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellenden Parteien führen zu ihrer Antragslegitimation im Wesentlichen aus:

1.1. Die antragstellenden Parteien betreiben jeweils einen Autohandel mit Verkaufsräumlichkeiten. Die Kundenbereiche der Verkaufsräumlichkeiten hätten jeweils eine Fläche von über 400 m2. Als Rechtsfolge der angefochtenen Teile der Verordnung sei ein Betreten der Kundenbereiche der Verkaufsräumlichkeiten der antragstellenden Parteien untersagt. Auch sei es nicht zulässig, zumindest einen Teil der Verkaufsfläche durch nachträglich durchgeführte Verkleinerung, wie etwa Abgrenzungen oder Absperrungen, nutzbar zu machen. Diese Rechtsfolge trete unmittelbar auf Grund der Verordnung ein. Die beschriebene Rechtsfolge greife unmittelbar in die subjektive Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein, konkret in deren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung, Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz. Ein anderer zumutbarer Weg, diese Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, liege nicht vor.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei von einem Gesetz unmittelbar betroffen, wer von einer auf diesem Gesetz basierenden Verordnung unmittelbar betroffen sei. Das sei vorliegend der Fall. Dasselbe gelte für die Unzumutbarkeit des Umweges. Damit seien die antragstellenden Parteien auch hinsichtlich § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz antragslegitimiert.

2. Ihre Bedenken in der Sache legen die antragstellenden Parteien wie folgt dar:

2.1. Die angefochtenen Regelungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 verstießen gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz sowie gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Unversehrtheit des Eigentums.

Die angefochtene Verordnung diene dem Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung durch einen unkontrollierten Anstieg von Infektionsfällen mit COVID-19. Um dieses Ziel zu erreichen, seien in der Verordnung Maßnahmen vorgesehen, welche das Infektionsrisiko in Betrieben senken sollen. Die Verordnung untersage in § 1 pauschal das Betreten des Kundenbereiches von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben. Davon seien auch die antragstellenden Parteien erfasst. In § 2 der angefochtenen Verordnung seien von diesem generellen Verbot Ausnahmen für gewisse Betriebsarten (Abs1) vorgesehen. Zusätzlich gebe es unter näher genannten Voraussetzungen Ausnahmen für Betriebe, deren Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 betrage (Abs4). Der Verordnungsgeber sei offenbar der Ansicht, dass durch die in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen die Übertragungsrate gering gehalten werden könne. So hätten gemäß § 2 Abs 5 der angefochtenen Verordnung Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion zu tragen, was für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr nicht gelte, und sei ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen einzuhalten. Gemäß § 2 Abs 6 der angefochtenen Verordnung hätten sonstige Betriebsstätten des Handels zusätzlich durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhielten, dass pro Kunde 20 m2 der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stünden; sei der Kundenbereich kleiner als 20 m2, so dürfe jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten. Neben der Schutzmaskenpflicht des § 2 Abs 5 Z 1 der angefochtenen Verordnung sehe der Verordnungsgeber somit Regelungen vor, welche Abstand zwischen Personen gewährleisten sollten, einmal durch eine ausdrückliche Abstandsregelung, einmal durch Festlegung einer maximalen Kundendichte pro Fläche.

Eine sachliche Begründung, weshalb in sonstigen Betriebstätten des Handels, wie sie auch von den antragstellenden Parteien betrieben würden, pro 20 m2 Verkaufsfläche sich nur jeweils ein Kunde aufhalten dürfe, während dies in den unter § 2 Abs 1 der angefochtenen Verordnung genannten Betrieben, insbesondere denen der Z 22 (Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte) und Z 23 (Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen) nicht gelte, sei nicht ersichtlich und stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

Dass für sonstige Betriebsstätten des Handels, sofern der Verkaufsraum im Inneren mehr als 400 m2 betrage, keine Ausnahme vom allgemeinen Betretungsverbot des § 1 der angefochtenen Verordnung eingeräumt sei, sei unsachlich. Bei Einhaltung der Schutzmaskenpflicht des § 2 Abs 5 der angefochtenen Verordnung und der Bestimmungen über die Kundendichte nach § 2 Abs 6 der angefochtenen Verordnung sei nicht ersichtlich, weshalb die Größe der Verkaufsfläche eine besondere zusätzliche Gefährdung hervorrufen könne. Im Gegenteil: Gerade kleine Verkaufsflächen, auf denen bei gleicher Kundenzahl weniger Abstand herrsche, würden ein stärkeres Ansteckungsrisiko durch geringes Atemluftvolumen und geringeren Abstand der Personen bedingen. Selbst wenn auch durch die genannten Maßnahmen ein Ansteckungsrisiko nicht auf null reduziert werden könne, so könne es dadurch aber derart reduziert werden, dass der Verordnungsgeber bei Abwägung der Interessen des Gesundheitsschutzes mit den als Folge der Schließung beeinträchtigten wirtschaftlichen Interessen zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, dass eine Schließung unverhältnismäßig sei.

Zudem sei es eine unsachliche Ungleichbehandlung, wenn gewisse Märkte, wie etwa Baumärkte oder Pfandleihanstalten, ohne dass es auf die Größe des Kundenbereiches ankomme, geöffnet haben dürften, während andere Handelsbetriebe, wie etwa vorliegend Autohändler, selbst bei Einhaltung der in der Verordnung vorgesehenen Bedingungen nicht betreten werden dürften. Selbst im Vergleich zu Unternehmen, welche auf Grund ihrer besonderen Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung eine hervorgehobene Stellung hätten, wie etwa Lebensmittelhändler, sei die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt, da auch der Bedarf der Bevölkerung an Lebensmitteln alleine durch solche Märkte unter 400 m2 Kundenbereichsfläche gedeckt werden könne. Die Verfassungswidrigkeit lasse sich beseitigen, indem die angefochtenen Bestimmungen aufgehoben würden. Der Sinn der verbleibenden Regelung werde nicht wesentlich verändert. Insbesondere blieben die sonstigen Maßnahmen zur Reduktion des Infektionsrisikos weiter anwendbar.

Nach Ansicht des Verordnungsgebers sei es offenbar möglich, durch eine kleinere Verkaufsfläche sicherzustellen, dass Übertragungsraten niedrig gehalten würden. Gleichzeitig sei in der angefochtenen Verordnung vorgesehen, dass eine nach dem vorgenommene Verkleinerung der Verkaufsfläche nicht zu berücksichtigen sei. Die Bestimmungen zielten darauf ab, Verkleinerungen auszuschließen. Die Rationalität dieser Beschränkung sei nicht nachvollziehbar. Wenn durch eine kleinere Verkaufsfläche Übertragungsraten niedrig gehalten werden könnten, sei zu fragen, wieso dies nicht auch für eine vorübergehende Verkleinerung der Verkaufsfläche gelte (etwa durch Absperrung), die im Hinblick auf die neue Regelung vorgenommen worden sei. Durch die Regelung des § 2 Abs 6 der angefochtenen Verordnung wäre auch bei verkleinerter Verkaufsfläche sichergestellt, dass sich nur eine geringe Anzahl an Kunden gleichzeitig im Kundenbereich befinde und so das Übertragungsrisiko niedrig gehalten werde.

2.2. § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz sei wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot des Art 18 B-VG sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Erwerbsfreiheit und das Eigentumsgrundrecht verfassungswidrig. Diese Gesetzesbestimmung ermächtige den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in bisher beispielloser Weise, das wirtschaftliche Leben zu regulieren und zu beschränken. Gleichzeitig sei die Norm unbestimmt und enthalte keinerlei Ermessensdeterminanten. Das Gesetz sehe zudem auch im Falle eines Sonderopfers keine Entschädigungsleistungen vor.

Mit der angefochtenen Gesetzesbestimmung werde der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ermächtigt, weitreichende und umfassende Grundrechtsbeschränkungen zu verfügen, weshalb nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein hoher Determinierungsgrad zu fordern sei. Das Gegenteil sei aber der Fall.

Unklar sei zunächst, was die Wortfolge "beim Auftreten von COVID-19" meine. Fraglich sei, ob damit schon alleine das Auftreten eines Falles im Bundesgebiet gemeint sei oder ob es einer gewissen Häufung bedürfe. Der Gesetzeswortlaut unterscheide nicht und gewähre die Ermächtigung daher unterschiedslos. Gleichzeitig enthalte das Gesetz keine Ermessensdeterminanten dahingehend, ob überhaupt und mit welcher Intensität Maßnahmen zu ergreifen seien. So enthalte das Gesetz keine Kriterien, anhand derer entschieden werden könnte, ob Schließungen von Betriebsstätten oder von bestimmten Betriebstätten zu verfügen seien, oder ob alleine durch andere Voraussetzungen oder Auflagen die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern sei.

Aus diesen Gründen sei auch der letzte Satz der angefochtenen Bestimmung verfassungswidrig. Dieser ermächtige den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu regeln, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürften. Nicht nur bleibe offen, unter welchen Bedingungen "bestimmte Voraussetzungen oder Auflagen" zu verfügen seien, sondern es sei auch völlig unklar, welche Voraussetzungen oder Auflagen dies sein könnten.

§1 COVID-19-Maßnahmengesetz folge alleine dem Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ("soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist"). Die Abwägung mit anderen Interessen, welche bei der Ermächtigung zur Verfügung derart weitreichender Grundrechtsbeschränkungen zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips jedenfalls erforderlich wäre, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes seien die Kriterien der Interessenabwägung dem Grunde nach in der Rechtsordnung vorzuzeichnen. Die Kriterien würden sich aus den jeweils anwendbaren Materiengesetzen bzw aus damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Staatszielbestimmungen ergeben. Enthalte das Gesetz keine Ermessensdeterminanten, sei es dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bei Erlassung der Verordnung daher verwehrt, andere Interessen zu berücksichtigen. Dies bewirke einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und (damit) einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folge aus dem Gleichheitsgrundsatz die Verpflichtung zum Ausgleich unverhältnismäßiger Eigentumsbeschränkungen durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung. In Fällen, in denen eine Eigentumsbeschränkung dem Eigentümer ein besonders gravierendes Opfer zugunsten der Allgemeinheit abverlange, ihn also in unverhältnismäßiger Weise stärker belaste, als im Allgemeinen Personen zugunsten des öffentlichen Wohls belastet seien, habe dies vor dem Gleichheitsgrundsatz nur Bestand, wenn diese Sonderbelastung ausgeglichen werde. Nach dem Gleichheitsgrundsatz habe eine Regelung, die eine rechtliche Ungleichbehandlung bewirke, nicht nur auf einem vernünftigen Grund zu beruhen, sondern müsse auch sonst sachlich gerechtfertigt, das heißt verhältnismäßig sein. Könne die Eigentumsbeschränkung ohne Schaden für das Ziel der Regelung durch eine Entschädigung gelindert werden, sei der Eingriff ohne angemessene Entschädigung unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art 1 1. ZPEMRK seien Regelungen über die Nutzung des Eigentums einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sei bei sonst unverhältnismäßiger Belastung eine Entschädigung erforderlich. Im Ergebnis verlange die Eigentumsfreiheit einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen und denjenigen des Gemeinwohls. Eine entschädigungslose und damit unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Eigentums verletze das Grundrecht auf Eigentum. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sonst zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Nachteilen für den Betroffenen käme. Eigentumsbeschränkungen unterlägen auch nach Art 5 StGG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Werde Eigentum beschränkt und sei eine Entschädigung ohne Beeinträchtigung des Ziels der Beschränkung möglich, so sei eine entschädigungslose Beschränkung nicht das gelindeste Mittel und erfülle damit nicht die Anforderungen des Art 5 StGG. Auch nach dieser Bestimmung sei somit im Falle der Beschränkung der Eigentumsausübung die Leistung einer Entschädigung geboten.

Das Grundrecht auf Eigentum nach Art 1 1. ZPEMRK und Art 5 StGG sowie das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art 7 B-VG wiesen weitgehend parallele Wertungen auf. So habe der VfGH ausgeführt, dass das Eigentumsgrundrecht einen billigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denen des Grundrechtsschutzes des Einzelnen gebiete, der verfehlt würde, wenn den bisherigen Eigentümern ein gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßendes Sonderopfer in Form einer unangemessen niedrigen Entschädigung zugemutet würde. Verfassungsrechtlich sei somit sowohl auf Grundlage des Grundrechtes auf Gleichheit nach Art 7 B-VG als auch auf Basis der Eigentumsfreiheit nach Art 1 1. ZPEMRK und Art 5 StGG eine Entschädigung bei Eigentumsbeschränkungen geboten, und zwar immer dann, wenn es ansonsten zu einem Missverhältnis zwischen Allgemein- und Individualinteressen kommen würde und so eine unverhältnismäßige Belastung eines Einzelnen entstünde. Die angefochtene Bestimmung des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlaube es in ähnlicher Weise, wie das bereits im Zeitpunkt der Erlassung bestehende Epidemiegesetz 1950, Betriebe zu schließen und zu beschränken. Im Unterschied zum COVID-19-Maßnahmengesetz sei in § 20 iVm § 32 Epidemiegesetz 1950 im Falle von Betriebsschließungen aber die Leistung von Entschädigungszahlungen vorgesehen. Wesentliche Motivation bei der Erlassung des COVID-19-Maßnahmengesetzes dürfte es gewesen sein, diese Entschädigungsleistung zu umgehen. Für diese Entschädigungsleistung biete das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) iVm dem Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) keinen adäquaten Ersatz, da darin keine Kriterien der Mittelvergabe enthalten seien und gemäß § 3b Abs 2 ABBAG-Gesetz ausdrücklich kein Rechtsanspruch auf Gewährung von Finanzmitteln bestehe. Selbst unter der Annahme, dass im Falle einer umfassenden Schließung oder Beschränkung von Betrieben Entschädigungsleistungen verfassungsrechtlich nicht geboten seien, gelte dies jedenfalls dann, wenn nur bestimmte einzelne Betriebe zum Wohl der Allgemeinheit beschränkt würden und ihnen so ein Sonderopfer abverlangt würde. Die Ermächtigung, nur einzelne Betriebe zu schließen, sei in der angefochtenen Norm enthalten, wodurch jedenfalls ein Sonderopfer bewirkt würde. Gleichzeitig sehe das Gesetz auch für diesen Fall keine Entschädigung vor und verstoße somit gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Freiheit des Eigentums und die Erwerbsfreiheit.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er, teilweise unter Bezugnahme auf seine, in dem zur Zahl V408/2020 geführten Verordnungsprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erstattete Äußerung, den Bedenken der antragstellenden Parteien wie folgt entgegentritt:

3.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt der BMSGPK insbesondere aus (ohne Hervorhebungen im Original):

"[Zur aktuellen und unmittelbaren Betroffenheit:]

[…]

Die aktuelle Betroffenheit muss sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vorliegen (statt vieler mwN VfSlg 14.712/1996; VfSlg 19.391/2011). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung (VfSlg 9868/1983, 11.365/1987, 12.182/1989, 12.413/1990, 12.999/1992, 14.033/1995, 15.116/1998, 16.224/2001; 17.266/2004). Mit dem Außer-Kraft-Treten ist das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art 139 und 140 B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, fortgefallen (vgl nur VfGH V8/00, , V11/2013; vgl auch VfSlg 16.618/2002, 17.400, 17653).

[…] Das Außer-Kraft-Treten schadet im Hinblick auf die Antragslegitimation nur dann nicht, wenn die angefochtene Bestimmung auch nach dem Außer-Kraft-Treten noch eine nachteilige rechtliche Wirkung für den Antragsteller hat (s nur VfSlg 12.227/1989, VfSlg 16.229/2001), wenn also der 'Rechtsfolgenbereich' über den zeitlichen 'Bedingungsbereich' hinausreicht (vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 1023 und 437). Diesfalls trifft den Antragsteller eine besondere Darlegungspflicht (vgl etwa VfSlg 15.116/1998, VfSlg 12.634/1991 und 11.365/1987).

[…] Die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 ist mit außer Kraft getreten (§13 Abs 2 Z 1 Lockerungsverordnung BGBl II Nr 2020/197). Eine auch nach dem Außer-Kraft-Treten weiter bestehende nachteilige Wirkung behaupten bzw legen die Antragsteller nicht dar. Solche fortbestehenden rechtlichen Wirkungen der aufgehobenen Verordnung sind auch nicht ersichtlich. Mit Außer-Kraft-Treten der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 fielen die darin vorgesehenen Betretungsverbote weg.

[…] Mangels aktueller Betroffenheit ist der Antrag nach Ansicht des BMSGPK daher zur Gänze zurückzuweisen."

3.2. In der Sache tritt der BMSGPK den Bedenken der antragstellenden Parteien wie folgt entgegen (ohne Hervorhebungen im Original):

"[…] Die Antragsteller behaupten eine unsachliche Ungleichbehandlung von Betriebsstätten des Handels im Sinne des § 2 Abs 1 und des § 2 Abs 4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020.

[…]

Die Differenzierung zwischen Betriebsstätten des Handels im Sinne des § 2 Abs 1 und 'sonstigen Betriebsstätten des Handels' im Sinne des § 2 Abs 4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Rechtslage seit Erlassung der Stammfassung der Verordnung zu beurteilen: Aufgrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung […] war es zum Schutz der Gesundheit und des Lebens notwendig, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund normierte die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 weitreichende Betretungsverbote für Betriebsstätten von Waren- und Dienstleistungsunternehmen auf der Grundlage des § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz. Gemäß § 2 Abs 1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 waren vom allgemeinen Betretungsverbot Bereiche ausgenommen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienen.

[…] Die gewählte Regelungstechnik eines zeitlich befristeten, umfassenden Verbots mit Ausnahmen gewährleistete dabei unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit (vgl § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz: 'soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist') eine kontinuierliche Überprüfung der Erforderlichkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der epidemiologischen Entwicklungen und etwaiger neuer Erkenntnisse über die Krankheit: So wurde die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 zunächst mit einer Woche befristet (§4 Abs 3), mit der Verordnung BGBl II Nr 110/2020 wurde die Geltungsdauer unter Berücksichtigung des weiteren Infektionsanstiegs bis verlängert. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurde die Befristung bis verlängert, wobei erste Lockerungen der Betretungsverbote gemäß § 1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 (im Sinne weiterer Ausnahmen) mit erfolgten. Die jeweiligen Maßnahmen erfolgten unter ständiger Beobachtung der epidemiologischen Situation und ermöglichten eine stets angemessene, schrittweise Reaktion auf die tatsächlichen Verhältnisse. So konnte eine stete Abwägung der Gefahren für Leben und Gesundheit mit den entgegenstehenden Grundrechtspositionen vorgenommen werden, entsprechende Einschränkungen konnten auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert werden.

[…] Im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 151/2020 erlaubte es die epidemiologische Situation noch nicht, alle Betriebsstätten des Einzelhandels gleichzeitig wieder zu öffnen (dazu verweist der BMSGPK auf die Stellungnahme zum Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof V408/2020-2). Angesichts der weiterbestehenden Gefährdungslage galt es, die sozialen Kontakte zum Schutz der Gesundheit einerseits nach wie vor möglichst niedrig zu halten, andererseits einen Ausgleich mit den entgegenstehenden Grundrechten insbesondere der Erwerbsfreiheit zu schaffen. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurden daher zunächst weitere Ausnahmen vom Betretungsverbot in § 2 Abs 1 Z 22 und 23 sowie die Ausnahme des § 2 Abs 4 normiert.

[…] § 2 Abs 1 Z 22 und 23 dienten der Gleichstellung mit vergleichbaren Betriebsstätten wie den bisher in § 2 Abs 1 der Verordnung taxativ aufgezählten: So ist das angebotene Warensortiment insbesondere der Baumärkte mit jenem der Z 9 vergleichbar (Instandhaltungs- und Notfallprodukte), jenes der Baustoff-, Eisen- und Holzhandels sowie der Baumärkte diente der dringenden Versorgung des (unbeschränkt weiter ausgeübten) Bau-Nebengewerbes und trug damit der Bedeutung des Warensortiments für die weiter ungehinderte Grundversorgung Rechnung. Mit der Z 22 wurde auch der Bedeutung der Gartenmärkte für Verrichtungen des täglichen Lebens Rechnung getragen. Auch § 2 Abs 1 Z 23 diente der Gleichstellung mit vergleichbaren Leistungen der Banken (vgl § 2 Abs 1 Z 13).

[…] Anders als die Ausnahme für sonstige Betriebsstätten im Sinne des § 2 Abs 4 knüpfen die auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse ausgerichteten Ausnahmen des § 2 Abs 1 knüpfen nicht an die Größe des Kundenbereichs an und enthalten auch keine dem § 2 Abs 6 entsprechende Einschränkung auf 20 m² Gesamtverkaufsfläche pro Kunde. Wiewohl auch für sie besondere Vorkehrungen gelten (§2 Abs 5), lässt damit der Verordnungsgeber bei Betriebsstätten im Sinne des § 2 Abs 1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 eine erhöhte Kundenfrequenz zu. Die sachliche Rechtfertigung dafür liegt in der Bedeutung der Waren oder Dienstleistungen für die Grundversorgung bzw für Verrichtungen des täglichen Lebens. Die Erfahrungen aus dem EU-Ausland (insbesondere aus Italien), zu Beginn der Maßnahmen aber auch in Österreich, haben gezeigt, dass es bei Einschränkungen in diesen Bereichen besonderer Vorsicht bedarf, zumal alleine die Befürchtung von Beschränkungen in der Bevölkerung den gegenteiligen Effekt eines Kundenandrangs ('Hamsterkäufe') auslöst. Eine Einschränkung der erlaubten Kundenanzahl im Bereich der kritischen Infrastruktur stünde damit aber im diametralen Gegensatz zum Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

[…] Die Differenzierung zwischen Betriebsstätten im Sinne des § 2 Abs 1 und 'sonstigen Betriebsstätten' des Handels ist daher nach Ansicht des BMSGPK sachlich gerechtfertigt. Sie sichert im Sinne des Ziels der Verhinderung der Verbreitung eine vertretbare Kundenfrequenz und ist insbesondere auch im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Maßnahmen verhältnismäßig."

"[Anmerkung Auszug aus Äußerung zu V408/2020] […] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art2 StGG; Art 7 B-VG):

[…] Die Antragstellerin ortet in der Flächenbegrenzung des § 2 Abs 4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 eine willkürliche Grenzziehung ohne sachliche Rechtfertigung. Auch in der Nichtberücksichtigung von Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden (von der Antragstellerin als 'Zonierungsverbot' bezeichnet) sieht sie einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

[…]

Die Beschränkung des § 2 Abs 4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 auf einen Kundenbereich im Inneren von maximal 400 m² ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Rechtslage seit Erlassung der Stammfassung der Verordnung zu beurteilen: Aufgrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung […] war es zum Schutz der Gesundheit und des Lebens notwendig, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund normierte die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 weitreichende Betretungsverbote für Betriebsstätten von Waren- und Dienstleistungsunternehmen auf der Grundlage des § 1 Covid-19-Maßnahmengesetz. Gemäß § 2 Abs 1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 waren vom allgemeinen Betretungsverbot Bereiche ausgenommen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienen.

[…]

Die Ausnahme des § 2 Abs 4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 für sonstige (nicht im Sinne des § 2 Abs 1 der Befriedigung der Grundbedürfnisse bzw der für Verrichtungen des täglichen Lebens notwendigen) Betriebsstätten des Handels wurde mit BGBl II Nr 151/2020 geschaffen. Im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 151/2020 erlaubte es die epidemiologische Situation noch nicht, alle Betriebsstätten des Einzelhandels gleichzeitig wieder für den Kundenverkehr zu öffnen: Mit Stand gab es in Österreich 13.138 bestätigte Fälle (gemäß Einlangedatum) und 262 Todesfälle (ohne bestätigte Fälle mit anderer Todesursache, gemäß Einlangedatum). Die Zuordnung der Todesfälle erfolgt nach dem Todesdatum; Todesfälle aus anderem Grund als SARS-CoV-2 werden exkludiert […].

Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) unterstützt die EU-Mitgliedstaaten bei ihrer Risikoeinschätzung und damit einhergehenden Maßnahmenplanung. Österreich berücksichtigt Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und der ECDC bei der Weiterentwicklung der Strategie zur Krisenbewältigung. In die Risikobewertung des ECDC fließen verschiedene zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbare internationale Quellen mit ein; diese geben einen Überblick zum jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft hinsichtlich der Erforschung der Erkrankung als auch hinsichtlich der Optionen zur Maßnahmensetzung.

Es ist zu betonen, dass die Situation eine dynamische ist und diese auf nationaler und internationaler Ebene ständig neu bewertet werden muss. Als Grundlage für politische Entscheidungen zur Maßnahmensetzung fließen neben Empfehlungen der WHO, der ECDC die Einschätzungen und Erkenntnisse der nationalen Expertinnen und Experten sowie die jeweils aktuelle Datenlage und Prognosen mit ein.

In der Risikobewertung des ECDC vom […] werden Fieber, Husten, Halsweh Abgeschlagenheit als häufigste Symptome genannt. Darüber hinaus mehrten sich weiterhin die Berichte über asymptomatische Fälle. Erste Schätzungen zur Schwere der Erkrankungen basierend auf damals vorhandenen epidemiologischen Daten aus EU/EWR-Staaten und UK ergaben:

•32 % aller Fälle wurden hospitalisiert (Daten von 26 Ländern)

•2,4 % aller Fälle verliefen kritisch (Daten von 16 Ländern)

•11 % der hospitalisierten Fälle (Daten von 21 Ländern) verliefen tödlich

•Die vorhandenen Daten zeigten ein erhöhtes Risiko der Hospitalisierung für über Sechzigjährige.

•Die Anzahl der Todesfälle bei der Altersgruppe 65-79 Jahre lag bei 44 % und bei der Altersgruppe ab 80 bei 46 %.

Die ECDC Risikobewertung vom ergab folgende Ergebnisse:

•Das Risiko einer schweren Erkrankung im Zusammenhang mit einer
COVID-19-Infektion für Menschen in der EU / im EWR und im Vereinigten Königreich wurde für die allgemeine Bevölkerung als moderat und für ältere Erwachsene und Personen mit definierten Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische respiratorische Erkrankungen, Übergewicht) als sehr hoch angesehen.

•Das Risiko des zunehmenden Auftretens einer 'Community Transmission' von COVID-19 in der EU/EWR und UK wurde mit gesetzten Eindämmungsmaßnahmen als moderat, jedoch ohne Implementierung von Eindämmungsmaßnahmen als sehr hoch angesehen.

•Das Risiko einer Überlastung der Gesundheits- und Sozialsysteme in der EU/EWR und UK wurde mit gesetzten Eindämmungsmaßnahmen als hoch und ohne ausreichende Implementierung von Eindämmungsmaßnahmen als sehr hoch angesehen.

Die Implementierung von strengen Maßnahmen konnte in mehreren Ländern (darunter auch Österreich) beobachtet werden, was zu einer wesentlichen Reduktion der Transmission von Covid-19 geführt hat. In der damaligen Situation sollte weiterhin ein starker Fokus auf konsequentes Testen, Überwachungsstrategien (inkl. Kontaktpersonennachverfolgung), allgemeine Maßnahmen in der Bevölkerung (physical distancing), Stärkung des Gesundheitssystemes und Information der Öffentlichkeit sowie des Gesundheitspersonales gesetzt werden.

Des Weiteren wurde festgehalten, dass solch strenge Maßnahmen gravierende gesellschaftliche Auswirkungen (ökonomisch und sozial) mit sich bringen. Laut dem Rapid Risk Assessment vom hätte eine frühzeitige Lockerung der Maßnahmen eine anhaltende Übertragung zur Folge gehabt. Bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs sind gewisse Maßnahmen im Bereich physical distancing für mehrere Monate notwendig, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Etwaige Lockerungen müssten behutsam und evidenzbasiert geplant werden. Die Lockerung aller Maßnahmen wurde zum damaligen Zeitpunkt als zu früh eingestuft.

[…] Angesichts der weiterbestehenden Gefährdungslage galt es, die sozialen Kontakte zum Schutz der Gesundheit einerseits nach wie vor möglichst niedrig zu halten, andererseits einen Ausgleich mit den entgegenstehenden Grundrechten insbesondere der Erwerbsfreiheit zu schaffen.

[…] Bei der Verfolgung seiner Ziele kommt dem Normsetzer ein rechtspolitischer Spielraum zu. Im Rahmen der Verfolgung des Ziels der Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 liegt es insbesondere bei der schrittweisen 'Lockerung' der Betretungsverbote im Wertungsspielraum des Verordnungsgebers, ob entsprechende Beschränkungen in kürzeren Zeitintervallen, aber dafür in kleinerem Ausmaß oder in längeren Zeitabständen, aber dafür in größerem Ausmaß zurückgenommen werden. Mit den Novellen zur Verordnung wurden (im Vergleich etwa mit Deutschland) Lockerung in kleineren, dafür aber häufigeren Schritten gesetzt: So wurde die Ausnahme vom Betretungsverbot gemäß § 2 Abs 4 mit normiert, also 29 Tage nach Inkrafttreten der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 am , wobei die Verordnung insgesamt bis befristet war (alle übrigen Betriebsstätten des Handels durften mit wieder betreten werden).

[…] Vor dem Hintergrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung ist bei der Normierung schrittweiser Ausnahmen von den Betretungsverboten für sonstige, nicht in § 2 Abs 1 aufgezählte (versorgungskritische) Betriebsstätten des Handels das Abstellen auf die Größe des Kundenbereichs ein taugliches Differenzierungsmerkmal: Gemeinsam mit der erforderlichen Beschränkung auf 20 m² pro Kunde gewährleistet die Größenbeschränkung des § 2 Abs 4 der zitierten Verordnung im Hinblick auf das Ziel der Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 insgesamt eine vertretbare Kundenfrequenz.

[…] Die Festsetzung der Grenze von 400 m² liegt dabei im Wertungsspielraum des Verordnungsgebers (vgl wieder VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002): Zur Gewährleistung einer vertretbaren Kundenfrequenz sollten zunächst Klein- und Kleinstbetriebe vom Betretungsverbot ausgenommen werden. Die Grenze von 400 m² findet sich etwa in § 1 Abs 1 Z 13 der Verordnung des BMWFW über genehmigungsfreie Arten von Betriebsanlagen (2. Genehmigungsfreistellungsverordnung) auf der gesetzlichen Grundlage des § 74 Abs 7 GewO (Betriebsanlagen von einzelnen Gewerbetreibenden mit einer Betriebsfläche von bis zu 400 m2, die innerhalb einer rechtkräftig genehmigten Gesamtanlage gemäß § 356e Abs 1 GewO 1994 gelegen sind). Auch wenn die betriebsanlagenrechtlichen Bestimmungen andere Zwecke verfolgen als die seuchenrechtlichen Maßnahmen des Covid-19-Maßnahmengesetzes und der Verordnung BGBl II Nr 96/2020, sind sie tauglicher Orientierungspunkt für die gesetzgeberische Vorstellung von kleinen Handelsgeschäften (vgl AB 761 20. GP 8; AB 1149 BlgNR 21. GP 4). Mit dem Abstellen auf die Z 13 (und nicht Z 1) wurde die – aus epidemiologischer Sicht erforderliche – Gleichbehandlung von Betriebsstätten in verbundenen Bauwerken erzielt, die auch im Einklang mit der Kundenbereichsregelung in § 2 Abs 4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 steht.

[…] Die Differenzierung nach der Größe ist ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels der weiteren Verhinderung der Verbreitung von Covid-19: Je größer diese Grenze vom Verordnungsgeber festgelegt wird, desto größer ist insgesamt die Zahl der sozialen Kontakte (nicht nur in oder vor der Betriebsstätte selbst, sondern insgesamt im öffentlichen Raum). Dabei steht weniger die Problematik des ausreichenden Abstands in der Betriebsstätte, sondern die damit bewirkte Erhöhung der Mobilität und damit der sozialen Kontakte insgesamt im Vordergrund. Damit wäre aber auch die von der Antragstellerin monierte Einhaltung der Hygienebestimmungen in der Betriebsstätte kein taugliches gelinderes Mittel zur Zielerreichung gewesen. Vor dem Hintergrund des gewichtigen öffentlichen Interesses des Gesundheitsschutzes und der engen zeitlichen Befristung (14. 4. bis ) wiegt im Ergebnis die Ungleichbehandlung der sonstigen Betriebsstätten des Handels untereinander im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung weniger schwer als das damit verfolgte Ziel des Gesundheitsschutzes.

[…] Auch dass bauliche Veränderungen nach dem nicht berücksichtigt wurden, ist sachlich gerechtfertigt: Größere Betriebsstätten ziehen mehr Kunden an als kleine; ihre Anziehungskraft verringert sich aber nicht dadurch, dass der Kundenbereich verkleinert wird: Eine solche Verkleinerungsmöglichkeit schafft für den Inhaber der Betriebsstätte zwei Möglichkeiten. Entweder er belässt sein Produktsortiment wie es ist und verkleinert nur den Kundenbereich (der restliche Bereich wäre dann zum Lagerraum umfunktioniert), oder er verkleinert sein Produktsortiment entsprechend.

Im ersten Fall kann eine derartige Verkleinerung zur unerwünschten Folge von Kundenstaus vor den Betriebsstätten und zu einer 'Nadelöhrsituation' an den Eingangsbereichen führen, die im diametralen Gegensatz zum verfolgten Ziel der Eindämmung der sozialen Kontakte steht. Im zweiten Fall ist zu bedenken, dass Kunden größere Betriebsstätten in Erwartung eines bestimmten Sortiments aufsuchen, dessen Bereitstellung bei Verkleinerung des Kundenbereichs nicht in seinem vollen Umfang gewährleistet werden kann. Auch die fehlende Vorhersehbarkeit des tatsächlich angebotenen Warenumfangs ist ein Faktor zur unnötigen Erhöhung der Kundenfrequenz, wenn die Erwartungen des Kunden an das Produktsortiment enttäuscht wird. Das Datum trägt dem Umstand Rechnung, dass die auf Kleinbetriebe abzielende Kundenbereichsbeschränkung von 400 m² nicht gezielt im Hinblick auf die Verordnung BGBl II Nr 151/2020 umgangen werden sollte.

[…] Aus diesen Gründen sind nach Ansicht des BMSGPK sowohl die Größenbeschränkung auf maximal 400 m² als auch die Nichtberücksichtigung baulicher Veränderungen nach dem in § 2 Abs 4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 sachlich gerechtfertigt."

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie, unter Bezugnahme auf ihre, in den zu den Zahlen G180/2020 und G195/2020 geführten Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erstatteten Äußerungen, den Bedenken der antragstellenden Parteien wie folgt entgegentritt:

4.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt die Bundesregierung unter anderem aus:

"[Anmerkung: Auszug aus Äußerung zu G180/2020] Zum Vorliegen eines zumutbaren Umwegs:

[…] Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes auf Antrag einer Person, die durch diese Verfassungswidrigkeit unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das angefochtene Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 18.891/2003). Für die Frage der Zulässigkeit des Individualantrags kommt es dabei nicht auf die Erfolgsaussichten des zu Gebote stehenden Verfahrens, sondern bloß darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken an den Verfassungsgerichtshof zu tragen (VfSlg 19.533/2011 mwN).

[…] Ein solcher zumutbarer Umweg steht der Antragstellerin nach Auffassung der Bundesregierung aber offen:

Die Antragstellerin hat die Möglichkeit, einen Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Abs 1 Z 5 des Epidemiegesetzes 1950 bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (vgl dazu § 36 Abs 2 des Epidemiegesetzes 1950) zu stellen und kann im Falle eines abweisenden Bescheides Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erheben. Bereits in diesem Verfahren könnte die Antragstellerin einen Antrag des Landesverwaltungsgerichts gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG anregen. Darüber hinaus stünde ihr gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts die Beschwerde gemäß Art 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof offen. Ins Gewicht fallende Nachteile, insbesondere einer besonderen Härte für die Antragstellerin aufgrund der behauptetermaßen zu erwartenden langen Verfahrensdauer (vgl VfSlg 12.227/1989, 13.738/1994, 14.591/1996), sind der Bundesregierung im vorliegenden Fall – insbesondere auch im Vergleich zu sonstigen Entschädigungsverfahren nach dem Epidemiegesetz 1950 – nicht ersichtlich, wenn sie auf den erörterten Weg verwiesen wird (vgl idS VfSlg 10.200/1984, 12.096/1989, 13.686/1994).

[…] Daher ist der Antrag nach Auffassung der Bundesregierung bereits aus diesem Grund zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen."

Weiters erachtet die Bundesregierung, wie der BMSGPK, den Antrag deswegen für unzulässig, weil den antragstellenden Parteien die aktuelle Betroffenheit fehle, weil die angefochtenen Verordnungsbestimmungen mit außer Kraft getreten seien.

4.2. In der Sache hält die Bundesregierung den Bedenken gegen § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz insbesondere entgegen (ohne Hervorhebungen im Original):

"[Anmerkung: Auszug aus Äußerung zu G180/2020] […] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art7 B-VG, Art 2 StGG):

[…] Zur behaupteten Ungleichbehandlung:

[…] Mit ihrer Behauptung, dass nach dem Epidemiegesetz 1950 und nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz gleiche Tatbestände unsachlicherweise ungleich behandelt würden, verkennt die Antragstellerin die Rechtslage:

Bei den § 1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz handelt sich gegenüber den Anordnungen des Epidemiegesetzes 1950 um inhaltlich neue Regelungen, die auf die besondere Natur des Virus SARS-CoV-2 und auf die sich daraus ergebenden besonderen Herausforderungen abgestimmt sind. Zu diesem Zweck sind sie – im Gegensatz zu den Regelungen des Epidemiegesetzes 1950 – nur befristet bis zum Ende des Jahres 2020 in Kraft und nur insoweit anwendbar, als dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Insoweit gehen die Regelungsinhalte des COVID-19-Maßnahmengesetzes aber über jene des Epidemiegesetzes 1950 wesentlich hinaus:

Im Besonderen ermöglicht § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes bundesweite Verbote für das Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte, die unabhängig von der Gefährlichkeit des einzelnen Betriebes angeordnet werden können. Demgegenüber können aufgrund des § 20 des Epidemiegesetzes 1950 (bloß) für bestimmte Gebiete Betriebsbeschränkungen oder Schließungen von Betriebsstätten angeordnet werden. Darüber hinaus setzt letztere Bestimmung voraus, dass in der betreffenden Betriebsstätte ein Gewerbe ausgeübt werden muss, das eine besondere Gefahr für die Ausbreitung von COVID-19 mit sich bringt, und dass durch die Aufrechterhaltung des Betriebs eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde.

Zwar ermöglicht § 20 Abs 2 des Epidemiegesetzes 1950 auch, das Betreten von Betriebsstätten zu untersagen, doch ist ein solches Betretungsverbot auf einzelne Personen zu beschränken, die mit Kranken in Berührung kommen.

[…] Ähnlich verhält es sich mit den Betretungsverboten bestimmter Orte nach § 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes im Vergleich mit den Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften nach § 24 des Epidemiegesetzes 1950. Betretungsverbote nach § 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes können sich auf das gesamte Bundesgebiet, auf einzelne oder mehrere Länder oder auch nur auf einen politischen Bezirk oder Teile desselben erstrecken. Im Gegensatz dazu können gemäß § 24 des Epidemiegesetzes 1950 Verkehrsbeschränkungen nur für Bewohner von Epidemiegebieten vorgesehen werden; diese Bestimmung kann jedoch keine Rechtsgrundlage für allgemeine, bundesweite Verbote des Betretens bestimmter Orte bilden.

[…] Die § 1 und 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes stellen demnach nicht auf Gefahren ab, die mit einer konkreten Betriebsstätte oder einem bestimmten Ort verbunden sind; vielmehr sind die Regelungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes vor dem Hintergrund zu verstehen, dass sich das Virus durch das bloße Zusammenkommen von Menschen in einer Betriebsstätte oder an einem Ort verbreiten kann (und nicht von diesem ausgeht). Durch die auf Grund des COVID-19-Maßnahmengesetzes zu ergreifenden Maßnahmen soll demnach (anders als bei einer Schließung von Betrieben, von denen eine Gefahr ausgeht) durch eine Minimierung der Mobilität und der damit verbundenen Einschränkung von sozialen Kontakten die Verbreitung des Virus verhindert werden. Schon aus diesen Gründen liegt die behauptete Ungleichbehandlung gleicher Tatbestände nach dem Epidemiegesetz 1950 und nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz nicht vor.

[…] Zur Sachlichkeit:

[…] Die angefochtenen Bestimmungen sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht unsachlich: Bei COVID-19 handelt es sich um eine Erkrankung, die leicht und vor allem unbemerkt vor Beginn der Symptome von Mensch zu Mensch übertragen werden kann und für die es noch keine ausreichende Immunität in der Bevölkerung gibt. Zu den häufigsten Symptomen zählen Fieber, trockener Husten, Halsschmerzen und Abgeschlagenheit. Die Krankheitsverläufe variieren sehr stark, von symptomlosen Verläufen bis hin zu schweren Lungenentzündungen mit Lungenversagen und Todesfolge.

Nach dem erstmaligen Auftreten von COVID-19 in Österreich am kam es zu einem rasanten Anstieg der Krankheitsfälle: Während in der 10. Kalenderwoche (2. bis ) die Zahl der nachgewiesenen Neuerkrankungen mit durchschnittlich 17 pro Tag (in Summe 119 in dieser Woche) anstieg, waren es in der 11. Kalenderwoche (9. bis 15. März) durchschnittlich 140 pro Tag (in Summe 982), wobei alle Bundesländer betroffen waren und COVID-19 nicht mehr lokal eingrenzbar war. Somit nahm die Gesamtzahl der Erkrankten in dieser Woche täglich im Durchschnitt um 25 % zu. Eine derartige Zunahme bedeutet ein exponentielles Wachstum, bei dem sich die Fallzahlen in etwas mehr als drei Tagen verdoppeln. Auch weltweit gesehen waren die Wachstumsraten zu diesem Zeitpunkt in der EU am höchsten. Am wurde der Ausbruch von COVID-19 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft.

In der Risikobewertung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) vom […] flossen insbesondere Daten und Erfahrungen aus anderen betroffenen Ländern ein. In China wurden damals in 80 % der Fälle milde bis moderate Verläufe registriert. In fast 14 % der Fälle kam es zu schweren Verläufen und 6 % aller Fälle mündeten in einem kritischen Zustand. Die Fallsterblichkeit lag für China bei 2,3 % und für Italien bei 2,8 %. Die höchste Fallsterblichkeit trat bei älteren Personen insbesondere in der Altersgruppe von über 80 Jahren auf. Besonders bei Personen mit Vorerkrankungen (Bluthochduck, Diabetes, Krebs etc.) wurden schwere Verläufe beobachtet. Kinder waren genauso gefährdet wie Erwachsene, sich anzustecken. Bei diesen wurden überwiegend milde Verläufe beobachtet. Das Risiko einer schweren Erkrankung im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion für Menschen in der EU/im EWR und im Vereinigten Königreich wurde von dem ECDC für die allgemeine Bevölkerung als moderat und für ältere Erwachsene und Personen mit chronischen Grunderkrankungen als hoch angesehen. Darüber hinaus wurde das Risiko einer Überlastung der nationalen Gesundheitssysteme und das mit der Übertragung von COVID-19 verbundene Risiko in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen mit großen gefährdeten Bevölkerungsgruppen als hoch eingestuft.

Das Robert Koch-Institut (Berlin) nimmt – ausgehend von mehreren verschiedenen Studien – bei einer ungehinderten Verbreitung von SARS-CoV-2 eine Basisreproduktionszahl von zwischen 2,4 und 3,3 an. Das bedeutet, dass von einem Fall durchschnittlich 2,4 bis 3,3 Zweitinfektionen ausgehen. Das bedeutet aber auch, dass bei einer Basisreproduktionszahl von ca. 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen.

Angesichts dieser Datenlage und der Risikoabschätzung der damaligen epidemiologischen Situation und Risikobewertung, sowie der erwarteten Entwicklungen wurden durch das ECDC sowie die Experten im Beraterstab der Taskforce Corona beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz insbesondere Maßnahmen im Bereich des 'social distancing' (Minimierung körperlicher Kontakte, zeitlich später auch als 'physical distacing' bezeichnet; zB durch Absagen von Veranstaltungen, Schließen von Schulen, Einstellen von nicht notwendigen zwischenmenschlichen Kontakten und von Reisetätigkeiten) als erforderlich angesehen, um das exponentielle Fortschreiten der Pandemie einzubremsen und die reale Gefahr einer Überlastung des österreichischen Gesundheitssystems aufgrund der großen Anzahl der Erkrankten einerseits und der Infizierung des medizinischen und die krankenpflegerischen Personals andererseits zu verhindern.

Um der schnellen Ausbreitung der Erkrankung effektiv entgegenzuwirken, war daher die Verbreitung des Virus durch eine deutliche Reduzierung der Anzahl der zwischenmenschlichen Kontakte und die Einhaltung eines Abstandes von mindestens einem Meter bei nicht vermeidbaren Kontakten einzubremsen, wobei dies aufgrund der bestehenden Ausbreitung von SARS-CoV-2 rasch, gleichzeitig und in ganz Österreich geschehen musste. Die Wirksamkeit von des 'social distancing' ist nämlich am größten, wenn gleich zu Beginn der Pandemie eine deutliche Verminderung der Kontakte erfolgt.

Für eine rasche und bundesweite Umsetzung von 'social distancing' sind die Maßnahmen des Epidemiegesetzes 1950, wie in den Erläuterungen zum entsprechenden Initiativantrag eines COVID-19-Maßnahmengesetzes (IA 396/A XXVII. GP, 11) dargelegt, 'nicht ausreichend bzw zu kleinteilig' […]. Die rechtlichen Vorkehrungen, die im Epidemiegesetz 1950 vorgesehen sind, waren auch gar nicht darauf ausgelegt, österreichweit zwischenmenschliche Kontakte schlagartig zu reduzieren. Insbesondere geht von den meisten Betriebsstätten gar keine besondere Gefahr für die Ausbreitung von COVID-19 aus, die eine Betriebsbeschränkung oder -schließung gemäß § 20 des Epidemiegesetzes 1950 rechtfertigen würde. Auch Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 des Epidemiegesetzes 1950 können nur verfügt werden, wenn sich in einem bestimmten Gebiet eine Häufung von Infizierungen ergibt. Diese Bestimmung kann jedoch nicht als ausreichende gesetzliche Grundlage für die erforderliche bundesweite, generelle Reduzierung der Anzahl der Kontakte zwischen Menschen angesehen werden.

[…] Vor diesem Hintergrund war es daher nach Auffassung der Bundesregierung geboten, die in Rede stehenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 zu ergreifen, um den soeben dargestellten spezifischen Herausforderungen bei der Bekämpfung von COVID-19 bestmöglich begegnen zu können. In diesem Zusammenhang wird abermals darauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen sowohl in ihrem sachlichen als auch zeitlichen Anwendungsbereich auf das unbedingt Notwendige begrenzt sind, indem sie nur insoweit anwendbar sind, als dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist, und lediglich befristete Geltung bis Ende des Jahres 2020 haben.

Die Erforderlichkeit der zur Eindämmung der Pandemie ergriffenen Maßnahmen spiegelt sich auch in ihrem Erfolg wieder, wie sich aus der […] Datenlage ergibt: Nachdem am Tag des Inkrafttretens des COVID-19-Maßnahmengesetzes () über 200 Neuerkrankungen pro Tag bei einer geschätzten effektiven Reproduktionszahl von über 2,5 zu verzeichnen waren, liegt die Anzahl der Neuerkrankungen pro Tag, die am mit über 1.000 Neuerkrankungen ihren Höhepunkt erreicht hatte, seit dem bei unter hundert Personen […]; die Reproduktionszahl liegt seit zwischen 1 und 0,5 […]. Auch ein internationaler Vergleich der Fallzahlen in Österreich mit jenen in anderen Ländern […] zeigt, dass durch die auf Grund des COVID-19-Maßnahmengesetzes getroffen[en] Maßnahmen eine ungebremste Verbreitung des Virus verhinder[t]n werden konnte, sodass das Gesundheitssystem zu keinem Zeitpunkt an seine Belastungsgrenzen gestoßen ist.

[…] Daneben wurden mit dem 'Corona-Hilfspaket' zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen getroffen, um die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bei den betroffenen Unternehmen auszugleichen, wie etwa die Ausweitung der Kurzarbeit, finanzielle Maßnahmen zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen, Zuschüsse aus dem Härtefallfonds sowie Entlastungen und Erleichterungen für Unternehmen aus abgaben- und steuerlicher Sicht. […]

[…] Nach Auffassung der Bundesregierung erweisen sich daher die angefochtenen Bestimmungen insgesamt als sachlich gerechtfertigt."

"[Anmerkung: Auszug aus Äußerung zu G195/2020] […] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art7 B-VG, Art 2 StGG):

[…]

Auch die behauptete Ungleichbehandlung von Unternehmern, deren Betriebe auf Grund der Verordnung gemäß § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes 'geschlossen' wurden (gemeint wohl: von den Betretungsverboten betroffen sind), liegt nicht vor, da in den durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkten Beschränkungen kein entschädigungspflichtiges 'Sonderopfer' im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu sehen ist:

[…] Ein Sonderopfer setzt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs eine unsachliche Ungleichbehandlung voraus (VfSlg 20.186/2017), was etwa der Fall ist, wenn durch eine entschädigungslose Enteignung mehreren Personen zwar gleiche Vorteile, aber nicht auch gleiche Vermögenseinbußen entstehen. Es muss eine Belastung des Eigentums vorliegen, die andere Eigentümer in einer vergleichbaren Situation so nicht trifft (vgl Berka, Grundrechte² 456). Ein Sonderopfer liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur dann vor, wenn eine Last nur einem Einzelnen oder einer (kleinen) Gruppe von Personen auferlegt wird, deren Rechte im Interesse der Allgemeinheit beschränkt werden müssen (VfSlg 13.006/1992).

[…] Durch die angefochtenen Bestimmungen sind aber nicht nur einzelne, sondern alle durch Verordnung bezeichneten Betriebsstätten gleichermaßen betroffen (vgl VfSlg 19.687/2012, 20.156/2017).

[…] Anders als von der Antragstellerin behauptet, trifft dies auch auf die Ermächtigung zu 'Betriebsschließungen' (gemeint wohl: Betretungsverboten) zu: § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ermächtigt nicht dazu, Betretungsverbote für individuell-konkrete Betriebsstätten anzuordnen, sondern dazu, das Betreten von nach Gattungsmerkmalen bestimmten Betriebsstätten zu untersagen. Auch diesfalls trifft die Last im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht einzelne, sondern alle Betreiber von Betriebsstätten gleichermaßen.

[…]

Zusammenfassend ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes einschließlich des Sachlichkeitsgebots nicht vorliegt.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf die Eigentumsfreiheit (Art5 StGG):

[…]

Die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkten Eigentumsbeschränkungen dienen dem Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und liegen damit zweifelsohne im öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes.

[…] Eine gesetzliche Regelung ist verhältnismäßig, wenn sie unter Bedachtnahme auf die Intensität der Grundrechtsbeschränkung eine angemessene Relation der Erfordernisse des Allgemeininteresses zu den Grundrechtsschutzinteressen des Einzelnen bewirkt (vgl VfSlg 13.964/1994). Nach herrschender Lehre folgt auch die Entschädigungspflicht aus dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit (vgl Korinek in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, Art 5 StGG, Rz. 50; vgl auch Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 Rz. 878).

[…] Im Gegensatz zu Enteignungen besteht jedoch im Falle von Eigentumsbeschränkungen eine Entschädigungspflicht nur bei besonders gravierenden, einer Enteignung gleichkommenden Eingriffen (vgl Korinek in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, Art 5 StGG, Rz. 49 ff; siehe auch VfSlg 19.687/2012).

[…] Die angefochtenen Bestimmungen bewirken keine Enteignung im formellen Sinn, weil es an der Übertragung einer zwangsweise entzogenen Rechtsposition auf ein anderes Rechtssubjekt bzw an einer sonst vergleichbaren Begründung fremder Rechte fehlt (vgl VfSlg 17071/2003 mwN).

[…] Auch eine einer Enteignung gleichkommende Eigentumsbeschränkung ('materielle Enteignung') liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, da die Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 zeitlich eng befristet sind. Ebensowenig sind die Kriterien für eine 'de facto-Enteignung' im Sinne der Rechtsprechung des EGMR erfüllt (vgl dazu Korinek in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, Art 1 1. ZPEMRK Rz. 10), da die Betretungsverbote zum einen die Nutzung der davon betroffenen Betriebe nicht völlig unterbinden und zum anderen auf das absolut notwendige Ausmaß zeitlich befristet sind (vgl in diesem Sinne EGMR , Papamichalopoulos gegen Griechendland, Appl 14556/89).

[…] Außerdem besteht im gegenständlichen Fall keine Ungleichbehandlung der durch die Betretungsverbote betroffenen Unternehmer im Sinne eines 'Sonderopfers'. Hierzu wird auf die Ausführungen zum Gleichheitssatz […] verwiesen.

[…] Im Übrigen verweist die Bundesregierung zur Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen, insbesondere zum Gewicht des öffentlichen Interesses des Gesundheitsschutzes im Zusammenhang mit COVID-19 und auf das Bestehen umfassender Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen, die mit dem 'Corona-Hilfspaket' getroffen wurden, sinngemäß auf die Ausführungen zur Sachlichkeit […] ihrer Äußerung […] im Verfahren G180/2020.

[…] Zusammenfassend ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die behauptete Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums nicht vorliegt.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf die Erwerbsfreiheit (Art6 StGG):

[…] Hierzu bringt die Antragstellerin dieselben Bedenken vor, aus denen sie auch die Eigentumsfreiheit als verletzt erachtet.

[…] Es kann daher [auf die Ausführungen zur Eigentumsfreiheit] verwiesen werden.

[…] Eine Verletzung der Erwerbsfreiheit liegt somit nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art18 B-VG):

[…] Die Antragstellerin behauptet, dass § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes den Anforderungen des Art 18 B-VG nicht gerecht werde, weil dadurch dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 'eine in keiner Weise an konkrete, nachvollziehbare und nachkontrollierbare Voraussetzungen gebundene Ermächtigung zu Betriebsschließungen in unbegrenztem Umfang erteilt' werde. Damit werde de facto ein Regieren mittels Notverordnungen ermöglicht.

[…] Es ist jedoch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verfassungsgesetzlich zulässig, dass die Gesetzgebung den Organen der Vollziehung in Bezug auf die von ihnen zu erlassenden Rechtsakte Ermessen einräumt (vgl zB VfSlg 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass die Gesetzgebung bei der Umschreibung der Kriterien, die für die Vollziehung zu beachten sind, auf unbestimmte Gesetzesbegriffe zurückgreift, wodurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf genommen werden, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich im Einklang mit Art 18 Abs 1 B-VG.

[…] Dieser der Gesetzgebung zukommende Spielraum, der Vollziehung einen Raum zu situationsbedingten Regelungen zu überlassen, wurde hier nach Ansicht der Bundesregierung nicht überschritten: Das Seuchenrecht dient der Beherrschung bedrohlicher Gefahrensituationen in potenziell großem Ausmaß, die rascher und der jeweiligen Krankheitsentwicklung angemessener Maßnahmen bedürfen. Es ist geprägt von der Reaktion auf vornehmlich medizinisch-epidemiologische, im Falle neu auftretender Krankheiten zudem unvorhersehbare Entwicklungen. Eine weitere Besonderheit des seuchenrechtlichen Regelungsgegenstands liegt im grundrechtlichen Spannungsfeld, in dem es sich bewegt: So stehen den empfindlichen Grundrechtsbeschränkungen durch seuchenpolizeiliche Maßnahmen die gewichtigen Grundrechte auf Gesundheit und Leben entgegen. Welches Gewicht den gegenläufigen Grundrechten im Rahmen der erforderlichen Güterabwägung jeweils zukommt, hängt aber gerade von den dargelegten dynamischen, äußeren Faktoren ab.

[…] Gerade im Seuchenrecht bedarf es daher im Hinblick auf die Anforderungen des Art 18 B-VG einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem rechtsstaatlichen Anliegen der Vorherbestimmtheit und der Bewahrung der – auch im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips grundrechtlich erforderlichen – Flexibilität für die Verwaltungsbehörden (zum Erfordernis flexibler Handlungsspielräume vgl Kopetzki, Der Rechtsstaat funktioniert sehr gut, CuRe 2020/21; vgl in diesem Sinn auch allgemein Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 Rz 610). Auch das Anliegen der Rechtssicherheit kann nicht dazu führen, dass den Verwaltungsbehörden eine Flexibilität vorenthalten wird, die eine sinnvolle Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles ermöglicht, oder dass die Gesetzgebung zu extremer Kasuistik oder gar zu einem Regelungsverzicht verhalten wird (vgl Rill in Rill/Schäffer, Kommentar zum B-VG, Art 18 B-VG Rz. 56). Zwar ist das COVID-19-Maßnahmengesetz auf eine bestimmte Krankheit abgestimmt, nämlich die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen; doch ist es auch für die Verhinderung der Verbreitung dieser Krankheit erforderlich, der Behörde Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen, insb. auf aktuelle Entwicklungen (wie etwa der Fallzahlen) möglichst rasch zu reagieren. Dass diese Möglichkeit praktisch auch erforderlich ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die auf Grund des COVID-19-Maßnahmengesetzes gesetzten Rechtsakte bereits mehrfach geändert und der jeweils aktuellen Situation der Verbreitung der Krankheit angepasst wurden.

[…] Vor diesem Hintergrund wird § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes den Anforderungen des Art 18 B-VG gerecht:

[…] Was die Wortfolge 'Auftreten von COVID-19' betrifft, so handelt es sich um einen seuchenrechtlich üblichen Terminus (vgl etwa die § 4 – 6, 10, 12, 13, 15, 17- 24, 26a, 27 und 43 des Epidemiegesetzes 1950). Das Anknüpfen an das 'Auftreten' (und nicht etwa erst an das 'Umsichgreifen') ermöglicht – dem seuchenrechtlichen Auftrag der Verhinderung der Ausbreitung entsprechend (vgl auch Hummelbrunner, Recht der Infektionskrankheiten [2016] 21) – eine frühzeitige Eindämmung übertragbarer Krankheiten. Dieses Ziel ergibt sich schon aus der nicht nur repressiven, sondern auch präventiven Stoßrichtung des Seuchenrechts (die vorausschauende Gefahrenkontrolle ist seit dem Epidemiegesetz 1913 Standard der Seuchenbekämpfung: vgl 88 Blg StenProt HH 18. Sess 1908, 20; 48 Blg StenProt HH 19. Sess 1909 1, 2).

[…] Mit der Wendung 'soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist' bindet § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes den zuständigen Bundesminister an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Abstellen auf die Erforderlichkeit verlangt die Wahl des zur Zielerreichung (Verhinderung der Verbreitung von COVID-19) notwendigen, d.h. gelindesten Mittels (vgl dazu allgemein Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 Rz. 645). Die Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sichert auch eine Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechtspositionen (vgl etwa zum ähnlichen Beispiel des § 68 AVG mwN aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz. 106).

[…] Das Vorbringen der Antragstellerin ist daher nach Auffassung der Bundesregierung unzutreffend: § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes zeichnet die wesentlichen Voraussetzungen ('Auftreten von COVID-19') und die zu verhängenden Maßnahmen ('Untersagung des Betretens von Betriebsstätten oder bestimmter Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz') bestimmt vor. Die Regelung wird damit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu Art 18 Abs 2 B-VG gerecht, wonach alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung aus dem Gesetze ersehen werden können müssen (vgl VfSlg 19.530/2011 mwN).

[…] Die Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ermöglicht dem zuständigen Bundesminister jeweils ein Vorgehen entsprechend den medizinisch-epidemiologischen Notwendigkeiten (dies auch unter Berücksichtigung etwaiger neuer Erkenntnisse über die Krankheit) und eine Abwägung mit entgegenstehenden Grundrechtspositionen. Zu Beginn der pandemischen Ausbreitung einer neuen Krankheit ist es unmöglich, alle denkbaren Entwicklungsmöglichkeiten und Fallvarianten präzise vorherzubestimmen. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Materie belässt § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes dem zuständigen Bundesminister die notwendige Flexibilität zur bestmöglichen Beherrschung der tatsächlichen Herausforderungen, was sich auch daran erkennen lässt, dass § 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes den Bundesminister dazu ermächtigt, das Betreten von Betriebsstätten an Voraussetzungen und Auflagen zu binden, also gelindere Mittel im Vergleich zu Betriebsschließungen zu ergreifen.

[…] Der behauptete Widerspruch der angefochtenen Bestimmungen zu Art 18 B-VG liegt daher nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor."

IV. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit

1. Mit ihren auf Art 139 Abs 1 Z 3 und Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG gestützten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien, die § 1 und 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 als gesetzwidrig sowie § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz als verfassungswidrig aufzuheben. Im Zeitpunkt der Einbringung dieser Anträge beim Verfassungsgerichtshof, dem , standen die angefochtenen Bestimmungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in der Fassung BGBl II 151/2020 in Kraft. § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz stand zu diesem Zeitpunkt und steht seitdem in der Fassung BGBl I 23/2020 in Kraft.

Die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 und damit auch deren § 1 und 2 sind auf Grund des § 13 Abs 2 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung), BGBl II 197/2020, mit Ablauf des außer Kraft getreten.

2. Die antragstellenden Parteien erheben zunächst insbesondere Bedenken gegen die Einschränkung in § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, idF BGBl II 151/2020, derzufolge nur sonstige Betriebsstätten des Handels vom allgemeinen Betretungsverbot des § 1 der Verordnung ausgenommen sind, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt. Weil die Verkaufsräume der antragstellenden Parteien regelmäßig einen Kundenbereich von mehr als 400 m2 aufweisen, hätte § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 zur Folge, dass für die antragstellenden Parteien weiterhin das Betretungsverbot des § 1 der Verordnung gelte. Dadurch und durch den Umstand, dass nach § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 mit den Betriebsstätten der antragstellenden Parteien vergleichbar große Betriebe, noch dazu, ohne der Beschränkung nach § 2 Abs 6 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 zu unterliegen, vom Betretungsverbot ausgenommen seien, seien die antragstellenden Parteien in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, Erwerbsfreiheit und Schutz des Eigentums verletzt. Diese Verletzung liege auch darin, dass die angefochtenen Regelungen ein Betretungsverbot für die Betriebsstätten der antragstellenden Parteien anordneten, ohne dafür einen angemessenen Ausgleich in Form einer Entschädigung vorzusehen. Ein anderer zumutbarer Weg, die Frage der Rechtswidrigkeit der bekämpften Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, bestünde nicht.

3. Gemäß Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist daher, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Nach § 57 Abs 1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden.

4. Die Anträge sind zulässig:

4.1. Durch § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 wird den antragstellenden Parteien – anders als sonstigen Unternehmen des Handels, bei deren Betriebsstätten der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt – weiterhin, also über den Ablauf des hinaus, gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 untersagt, dass Kunden ihre Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen betreten. Dieses Verbot greift unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein und es steht ihnen – im Hinblick darauf, dass § 3 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz Inhaber einer Betriebsstätte, die eine verbotene Betretung nicht untersagen, mit Verwaltungsstrafe von bis zu € 30.000,– bedroht – kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die behauptete Rechtswidrigkeit des Eingriffes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

4.2. Entgegen der Auffassung des BMSGPK ist in einer Konstellation wie der vorliegenden der Antrag auch nicht deswegen mangels aktueller Betroffenheit unzulässig, weil die angefochtenen Bestimmungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten sind:

4.2.1. Aus dem Wortlaut des Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG ("verletzt zu sein behauptet") ergibt sich, dass die angefochtenen Verordnungsbestimmungen zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreifen müssen (siehe statt vieler zu Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.634/1991, 13.585/1993, 14.033/1995; zu Gesetzesbestimmungen VfSlg 9096/1981, 12.447/1990, 12.870/1991, 13.214/1992, 13.397/1993).

Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl für Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.413/1990, 12.756/1991, 12.877/1991, 14.712/1996, 14.755/1997, 15.852/2000, 16.139/2001, 19.391/2011; für Gesetzesbestimmungen VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007; ), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind und damit das Ziel des Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG schon erreicht ist (zB VfSlg 17.653/2005, 18.284/2007, 18.837/2009; 15.491/1999, 19.391/2011). Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragstellers aktuell berühren (vgl zB VfSlg 16.581/2002, 18.235/2007; 10.313/1984, 15.888/2000, 17.798/2006; allgemein auch zB 15.116/1998, 17.826/2006; 12.976/1992). Solches hat der Verfassungsgerichtshof bislang insbesondere dann angenommen, wenn es sich um einen auf einzelne Kalenderjahre bezogenen Anspruch handelt (VfSlg 16.581/2002), oder wenn die außer Kraft getretene Bestimmung die Rechtssphäre des Antragstellers weiterhin etwa in Beziehung auf privatrechtliche Verträge, die der Anfechtende während des Zeitraums der Geltung abgeschlossen hat, unmittelbar berührt (VfSlg 12.976/1992).

Insbesondere erachtet der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Wirksamkeit angefochtener Verordnungsbestimmungen und damit die Antragslegitimation ungeachtet des Umstandes, dass die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, bei zeitraumbezogenen Regelungen für gegeben, weil diese für den entsprechenden Zeitraum weiterhin anzuwenden sind (siehe VfSlg 10.820/1986 sowie insbesondere die Rechtsprechung zu sogenannten Systemnutzungstarifen im Energierecht VfSlg 15.888/2000, 15.976/2000, 17.094/2003, 17.266/2004, 17.798/2006, 19.840/2013).

4.2.2. Wie Art 139 Abs 4 (und ebenso Art 140 Abs 4) B-VG deutlich macht, kann bzw muss dem Rechtsschutzziel eines Antrages nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG in bestimmten Konstellationen auch durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen werden, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen gesetzwidrig waren.

Die von den antragstellenden Parteien bekämpften Verordnungsbestimmungen sind Teil eines gesetzlichen und verordnungsmäßigen Regelungssystems, das zur Bewältigung einer krisenhaften Situation, der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Auswirkungen, dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesetzgeber Ermächtigungen für die Verwaltung erlassen hat, auf die Verordnungen gestützt werden, die Ge- und Verbote enthalten, die unmittelbar (verfassungsgesetzlich gewährleistete) Rechte einschränken und die Nichteinhaltung dieser Anordnungen unter Strafe stellen. Anlass und Zielsetzung dieses Regelungssystems verlangen von der Vollziehung eine laufende Beobachtung und Anpassung ihrer Maßnahmen, was eine rasche Abfolge von Bestehen und Änderung einzelner Verordnungen und Verordnungsbestimmungen bewirkt.

Ein Antrag nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG soll (wie auch ein solcher nach Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG) Rechtsschutz gewährleisten, wenn dieser gegen individuelle Rechtseingriffe durch (Gesetzes- oder) Verordnungsbestimmungen sonst nicht oder nur auf unzumutbarem Weg (zur diesbezüglichen Subsidiarität des Individualantrages vgl Rohregger, Art 140 B-VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2003, Rz 163) erlangt werden kann. Insofern hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach festgestellt, dass der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin gipfelt, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet (VfSlg 11.196/1986, 16.245/2001).

Dem Rechtsschutzinteresse der antragstellenden Parteien an der Klärung, ob der durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in ihre (Grund-)Rechtssphäre, den zunächst hinzunehmen sie unter Strafsanktion verpflichtet sind, recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte, kann angesichts des Umstandes, dass ansonsten Rechtsschutz nur bei Setzen einer strafbaren Handlung zu erlangen (gewesen) wäre, nur in einem Verfahren nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse, das insoweit über den kurzen Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft gestanden sind (vgl das von einem ähnlichen Rechtsschutzgedanken getragene System der Maßnahmenbeschwerde oder die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Versammlungsuntersagungen, zB VfSlg 20.312/2019), bewirkt, dass im vorliegenden Fall die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt wird, und begründet – noch (vgl VfSlg 10.819/1986, 11.365/1987) – die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen, auch wenn diese zwischenzeitig außer Kraft getreten sind.

4.3. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 sind zwar mit Ablauf des außer Kraft getreten. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen greifen sie dennoch unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein und beeinträchtigen ihre rechtlich geschützten Interessen auch noch aktuell. Den antragstellenden Parteien steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (siehe nur VfSlg 20.161/2015 mwN), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

5.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzes- oder Verordnungsstelle etwa als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 17.512/2005, 19.413/2011, 20.161/2017).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach § 57 Abs 1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN ua; vgl auch ; , G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Gesetzwidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; ; , G183/2016 ua).

5.2. Die Bedenken der antragstellenden Parteien richten sich zunächst gegen jene Anordnungen in § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, durch die ihre Betriebsstätten, weil sie einen Kundenbereich im Inneren von über 400 m2 aufweisen, weiterhin nicht vom Betretungsverbot des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 ausgenommen sind. Weiters wenden sie sich gegen die in § 2 Abs 6 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 vorgesehene Regelung, derzufolge die dort geregelten Voraussetzungen, unter denen sich Kunden im Kundenbereich einer Betriebsstätte aufhalten dürfen, nicht für Betriebsstätten gelten, die nach § 2 Abs 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 vom Betretungsverbot des § 1 der Verordnung ausgenommen sind. Da die Bestimmungen des § 1 und des § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 jedenfalls in einem Regelungszusammenhang stehen, erweist sich die Anfechtung dieser beiden Verordnungsbestimmungen insgesamt als zulässig.

§1 COVID-19-Maßnahmengesetz bildet die Rechtsgrundlage für die zulässigerweise angefochtenen Verordnungsbestimmungen, sodass auch die Anfechtung dieser Gesetzesbestimmung zulässig ist.

Die Anträge sind auch nicht deswegen zu eng gefasst, weil das Bedenken, dass die § 1 und 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 im Vergleich zu den Regelungen des Epidemiegesetzes 1950, insbesondere dessen § 20 iVm 32, unsachliche bzw unverhältnismäßige Betretungsverbote anordneten, weil sie, anders als für vergleichbare Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz, keine Entschädigung vorsehen, gegebenenfalls nur durch Aufhebung (auch) des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz beseitigt werden könnte. Denn, sollte der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken gegen § 1 und 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 teilen, wäre er verhalten, von Amts wegen ein entsprechendes Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten (vgl zB VfSlg 20.235/2018).

6. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge auf Aufhebung der § 1 und 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 und des § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz als zulässig.

B. In der Sache

1. Zu den Bedenken der antragstellenden Parteien hinsichtlich der Gesetzwidrigkeit der Betretungsverbote für den Kundenbereich von sonstigen Betriebsstätten des Handels mit einem Kundenbereich über 400 m2 nach der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96:

Die antragstellenden Parteien bringen im Wesentlichen dieselben Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen vor, wie sie die antragstellende Partei in dem beim Verfassungsgerichtshof zu V411/2020 protokollierten Verfahren dargelegt hat.

Der Verfassungsgerichtshof kann daher auf die diesbezüglichen Erwägungen zur Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen im heutigen Erkenntnis zu dieser Zahl verweisen (siehe Punkte IV.B.5. bis IV.B.10. des heutigen Erkenntnisses zu V411/2020).

2. Zu den Bedenken der antragstellenden Parteien hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit ob einer fehlenden Entschädigung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz:

Die antragstellenden Parteien bringen im Wesentlichen dieselben Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen vor, wie sie die antragstellenden Parteien in den beim Verfassungsgerichtshof zu G202/2020, V408/2020 ua protokollierten Verfahren dargelegt haben.

Der Verfassungsgerichtshof kann daher auf die diesbezüglichen Erwägungen zur Verfassungskonformität der angefochtenen Bestimmungen im heutigen Erkenntnis zu diesen Zahlen verweisen (siehe Punkte III.2.3. bis III.2.5. des heutigen Erkenntnisses zu G202/2020, V408/2020 ua).

V. Ergebnis

1. § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist durch § 13 Abs 2 Z 1 COVID-19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020, mit Ablauf des außer Kraft getreten. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auf die Feststellung zu beschränken, dass die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie der vierte Satz – "Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." – in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 gesetzwidrig waren.

Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

2. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannte Wortfolge sowie der vierte Satz in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht mehr anzuwenden sind, stützt sich auf Art 139 Abs 6 zweiter Satz B-VG.

3. Der Ausspruch, dass der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Gesetzwidrigkeit und des damit in Zusammenhang stehenden Ausspruches verpflichtet ist, kann hier entfallen, weil diese Verpflichtung bereits im heutigen Erkenntnis zu V411/2020 enthalten ist.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 61a VfGG. Da die antragstellenden Parteien nur mit einem von zwei Begehren obsiegt haben, war ihnen bloß die Hälfte des Pauschalsatzes zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 294,30, ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 381,50 sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:V395.2020
Schlagworte:
COVID (Corona), Determinierungsgebot, Legalitätsprinzip, VfGH / Präjudizialität, Rückwirkung, VfGH / Weg zumutbarer, VfGH / Individualantrag

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