VfGH vom 24.11.2016, V39/2016
Leitsatz
Aufhebung einer Verordnung der Gemeinde Grins über den Mindestabstand zwischen baulichen Anlagen und Gemeindestraßen wegen fehlender gesetzlicher Grundlage
Spruch
I. Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Grins ("Der Gemeinderat beschließt mit 12 dafür Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, dass Bauten, die lt. TBO an die Grundgrenze zu Gemeindestraßen gebaut werden können, einen Abstand von 1 m zur Gemeindestraße aufweisen müssen"), beschlossen am , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von bis , wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 Z 1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, "die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Grins vom , wonach folgende Regelung verfügt wird: 'Der Gemeinderat beschließt mit 12 dafür Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, dass Bauten, die lt. TBO an die Grundgrenze zu Gemeindestraßen gebaut werden können, einen Abstand von 1 m zur Gemeindestraße aufweisen müssen'" als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung der Gemeinde Grins, Gemeinderatsbeschluss vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von bis , lautet wie folgt:
"Der Gemeinderat beschließt mit 12 dafür Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, dass Bauten, die lt. TBO an die Grundgrenze zu Gemeindestraßen gebaut werden können, einen Abstand von 1 m zur Gemeindestraße aufweisen müssen."
2. Die §§5 und 20 Tiroler Bauordnung 2011 ("Tir. BauO"), LGBl 57/2011, idF LGBl 94/2016, lauten:
"§5
Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen
(1) Der Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen wird durch die in einem Bebauungsplan festgelegten Baufluchtlinien bestimmt, soweit in den Abs 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.
(2) Nebengebäude und Nebenanlagen, deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Verkehrsfläche zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, untergeordnete Bauteile, frei stehende Werbeeinrichtungen, Einfriedungen einschließlich Schutzdächer bei den Eingängen, Freitreppen, Stützmauern, Geländer, Brüstungen und dergleichen dürfen vor die Baufluchtlinie ragen oder vor dieser errichtet werden, wenn dadurch weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden. Jedenfalls dürfen vor die Baufluchtlinie ragen bzw. vor dieser errichtet werden:
a) Vordächer bis zu 2 m und erdgeschoßige Windfänge bis zu 1,50 m;
b) offene Balkone und dergleichen bis zu 1,50 m;
c) fassadengestaltende Bauteile wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen bis zu 0,50 m;
d) unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte Schutzdächer und an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen bis zu 2,50 m;
e) Erker bis zu 1,50 m;
f) Terrassen und dergleichen;
g) unterirdische bauliche Anlagen wie Keller, Tiefgaragen, Verbindungsgänge und dergleichen.
§59 Abs 2 vierter und fünfter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 bleibt unberührt.
(3) Schutzdächer bei Eingängen in Einfriedungen mit einer Höhe von höchstens 3 m und die im Abs 2 lita bis e und g genannten baulichen Anlagen und Bauteile dürfen auch vor die Straßenfluchtlinie ragen, wenn dadurch das Orts- und Straßenbild nicht beeinträchtigt wird und die Zustimmung des Straßenverwalters vorliegt. § 59 Abs 2 vierter und fünfter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 bleibt unberührt.
(4) Besteht für einen Bauplatz kein Bebauungsplan, so müssen bauliche Anlagen von den Verkehrsflächen mindestens so weit entfernt sein, dass weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden. Soweit bestehende Gebäude einen einheitlichen Abstand von den Verkehrsflächen aufweisen, ist auch bei weiteren baulichen Anlagen mindestens dieser Abstand einzuhalten. Zu Landesstraßen hin ist ein Abstand von mindestens 5 m, gemessen von der maßgebenden Bezugslinie nach § 49 Abs 3 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl Nr 13/1989, in der jeweils geltenden Fassung, einzuhalten; mit Zustimmung des Straßenverwalters kann dieser Abstand verringert werden, wenn die Schutzinteressen der Straße nach § 2 Abs 9 des Tiroler Straßengesetzes nicht beeinträchtigt werden. Weiters sind allfällige Festlegungen im örtlichen Raumordnungskonzept nach § 31 Abs 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 über die Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen einzuhalten. Abs 2 ist anzuwenden.
(5) Verkehrsflächen überspannende bauliche Anlagen sind zulässig, wenn dadurch das Orts- und Straßenbild nicht beeinträchtigt wird und die Zustimmung des Straßenverwalters vorliegt.
(6) Steht in den Fällen der Abs 3 und 5 der Straßenverwalter noch nicht fest, so ist anstelle seiner Zustimmung die Zustimmung der Gemeinde erforderlich.
(7) Die in den Abs 3 und 5 genannten baulichen Anlagen und Bauteile dürfen sich über die Grenzen des Bauplatzes zu den Verkehrsflächen hinweg erstrecken.
[…]
§20
Örtliche Bauvorschriften
Die Gemeinde kann durch Verordnung örtliche Bauvorschriften erlassen. Darin können zum Schutz des Orts- oder Straßenbildes oder im Interesse einer das Orts- oder Straßenbild prägenden geordneten baulichen Entwicklung nähere Bestimmungen getroffen werden über:
a) die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen in Gebieten mit erhaltenswerten Orts- oder Straßenbildern oder erhaltenswerten Gebäudegruppen;
b) die Art und die Gestaltung von Einfriedungen; dabei kann auch bestimmt werden, dass Einfriedungen nur eine geringere als die im § 6 Abs 3 litc festgelegte Höhe aufweisen dürfen;
c) die Art, die Gestaltung, die Größe und die Lichtwirkung von Werbeeinrichtungen;
d) die Zulässigkeit, die Art und das Ausmaß von Bodenversiegelungen bei Zufahrten, Stellplätzen, Vorplätzen, Innenhöfen und dergleichen;
e) die Notwendigkeit und das Ausmaß von Bepflanzungen bei großflächigen baulichen Anlagen, die im Orts- oder Straßenbild besonders wirksam werden, wie Parkplätze, Spielplätze und dergleichen."
3. § 31 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 ("TROG 2016"), LGBl 101/2016, lautet:
"2. Abschnitt
Örtliches Raumordnungskonzept
§31
Inhalt
(1) Im örtlichen Raumordnungskonzept sind unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme und der Daten der Baulandbilanz Festlegungen über die geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde im Sinn der Ziele der örtlichen Raumordnung zu treffen. Das örtliche Raumordnungskonzept ist auf einen Planungszeitraum von zehn Jahren auszurichten. Im örtlichen Raumordnungskonzept sind jedenfalls festzulegen:
a) die Gebiete und Grundflächen, die insbesondere im Interesse der Ziele der örtlichen Raumordnung nach § 27 Abs 2 lith, i, j und k von einer diesen Zielen widersprechenden Bebauung oder von jeglicher Bebauung mit Ausnahme der nach den §§41 Abs 2, 42, 42a und 42b im Freiland zulässigen Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen freizuhalten sind,
b) die angestrebte Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung in der Gemeinde unter Bedachtnahme auf den vorhandenen Siedlungsraum,
c) die angestrebte wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde unter besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftszweige und Betriebsformen mit erheblichen Auswirkungen auf die sonstige Entwicklung der Gemeinde, insbesondere der Tourismuswirtschaft sowie der Großformen von Handel, Gewerbe und Industrie,
d) das Höchstausmaß jener Grundflächen, die im Hinblick auf die Festlegungen nach litb für Zwecke der Deckung des Wohnbedarfes als bauliche Entwicklungsbereiche ausgewiesen werden dürfen, sowie die Grundflächen, die zu diesem Zweck entsprechend gewidmet werden dürfen, und die zeitliche Abfolge der Widmung dieser Grundflächen,
e) das Höchstausmaß jener Grundflächen, die im Hinblick auf die Festlegungen nach litc für Zwecke der Wirtschaft als bauliche Entwicklungsbereiche ausgewiesen werden dürfen, sowie die Grundflächen, die zu diesem Zweck entsprechend gewidmet werden dürfen, und die zeitliche Abfolge der Widmung dieser Grundflächen,
f) im Fall, dass das Ausmaß des bereits gewidmeten Baulandes im Widerspruch zu einer Festlegung nach litd oder e über die zeitliche Abfolge der Widmung steht, jene noch unbebauten, als Bauland gewidmeten Grundflächen, die für eine Bebauung innerhalb des Planungszeitraumes grundsätzlich in Betracht kommen, die jedoch erst bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen bebaut werden dürfen,
g) die Anordnung der baulichen Entwicklungsbereiche, insbesondere unter Berücksichtigung der Vermeidung von Nutzungskonflikten, der Verkehrserfordernisse einschließlich der Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr sowie der Potenziale zur Einsparung von Energie,
h) die Grundzüge der Gliederung der baulichen Entwicklungsbereiche, insbesondere hinsichtlich der Intensität und Dichte der Bebauung und der Erhaltung von unbebauten Flächen im Bereich der baulichen Entwicklungsbereiche,
i) die für den fließenden und ruhenden Verkehr erforderlichen Verkehrsflächen und ihre großräumige Führung, insbesondere auch zur Lösung bestehender Verkehrsprobleme,
j) die erforderlichen Einrichtungen zur Wasser-, Löschwasser- und Energieversorgung und zur Abwasserbeseitigung,
k) die erforderlichen Bildungseinrichtungen sowie sozialen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen,
l) die Maßnahmen zum Schutz bzw. zur Sanierung von Gebieten nach § 28 Abs 3 lite.
(2) Als Grundflächen, die als Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau in Betracht kommen (Abs1 litd), sind soweit wie möglich Grundflächen heranzuziehen, die im Eigentum der Gemeinde, des Tiroler Bodenfonds (§98) und von Bauträgern stehen, die geförderte Wohnbauten errichten.
(3) Sofern Grundflächen im Sinn des Abs 2 nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, sind unbebaute Grundflächen, die im Eigentum anderer Personen oder Rechtsträger stehen, heranzuziehen. Bei der Auswahl dieser Grundflächen ist auf den Grad ihrer Eignung für den geförderten Wohnbau, insbesondere im Hinblick auf die Lage, die Möglichkeiten einer verdichteten Bebauung und die erschließungsmäßigen Voraussetzungen Bedacht zu nehmen. Bei Grundflächen im Bauland ist überdies der Zeitraum seit dem Inkrafttreten der Widmung als Bauland zu berücksichtigen. Vorrangig sind solche Grundflächen heranzuziehen, deren erstmalige Widmung als Bauland mindestens 15 Jahre zurückliegt. Grundflächen im Bauland dürfen weiters nur im Ausmaß von höchstens 50 v. H. der im Eigentum ein und derselben Person oder ein und desselben Rechtsträgers stehenden Grundflächen im Sinn des Abs 1 litd herangezogen werden, wobei Grundflächen im Ausmaß von mindestens 1.500 m² unberührt bleiben müssen. Grundflächen im Bauland, die im Eigentum ein und derselben Person oder ein und desselben Rechtsträgers stehen und deren Ausmaß insgesamt 2.000 m² nicht übersteigt, dürfen nicht herangezogen werden.
(4) Bei der Festlegung der Grundflächen nach Abs 1 litf ist insbesondere der Zeitraum seit dem Inkrafttreten der Widmung der betreffenden Grundflächen als Bauland zu berücksichtigen. Vorrangig sind jene Grundflächen heranzuziehen, deren erstmalige Widmung als Bauland mindestens 15 Jahre zurückliegt. Weiters ist der Grad der Eignung der betreffenden Grundflächen für eine Bebauung, insbesondere im Hinblick auf die Lage und die erschließungsmäßigen Voraussetzungen, zu berücksichtigen.
(5) Im örtlichen Raumordnungskonzept sind weiters jene Gebiete und Grundflächen festzulegen, für die Bebauungspläne zu erlassen sind (§54 Abs 2 und 3). Die Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen ist jedenfalls für größere, im Wesentlichen noch unbebaute Gebiete und Grundflächen sowie für sonstige Gebiete und Grundflächen vorzusehen, bei denen dies im Hinblick auf die bestehende Grundstücksordnung oder den Stand der Erschließung oder Bebauung zur Gewährleistung einer (weiteren) geordneten verkehrsmäßigen Erschließung oder einer (weiteren) geordneten und Boden sparenden Bebauung erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn die Erlassung von Bebauungsplänen aufgrund der Größe der Gemeinde, der Siedlungs- und der Grundstücksstrukturen oder der aktuellen und der in absehbarer Zeit zu erwartenden Bautätigkeit zur Gewährleistung dieser Zielsetzungen nicht erforderlich ist. Die Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen kann auch hinsichtlich jener Gebiete und Grundflächen vorgesehen werden, bei denen dies zur Gewährleistung einer (weiteren) geordneten verkehrsmäßigen Erschließung oder einer (weiteren) geordneten und Boden sparenden Bebauung, insbesondere zur Verwirklichung verdichteter Bauformen einschließlich der nachträglichen Verdichtung bestehender Bauformen, zweckmäßig ist.
(6) Im örtlichen Raumordnungskonzept können ferner für Gebiete und Grundflächen, für die ein Bebauungsplan nicht besteht, hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung textliche Festlegungen über die Fahrbahnbreiten und hinsichtlich der Bebauung textliche Festlegungen über die Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen, die Mindest- und Höchstnutzflächen, die Mindest- und Höchstbaudichten, die Bauhöhen, die Fassadengestaltung, die Gestaltung der Dachlandschaften und dergleichen sowie textliche Festlegungen über das zulässige Ausmaß von Geländeveränderungen getroffen werden. Mit der Erlassung von Bebauungsplänen treten bestehende textliche Festlegungen hinsichtlich der vom jeweiligen Bebauungsplan umfassten Gebiete bzw. Grundflächen außer Kraft.
(7) Im örtlichen Raumordnungskonzept sind jene Gebiete festzulegen, für die eine Baulandumlegung (§77) erforderlich ist."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Tirol liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol zeigte am bei der Gemeinde Grins die Errichtung einer Einfriedungsmauer entlang der östlichen Grundgrenze seines Baugrundstückes an. Mit Bescheid vom untersagte der Bürgermeister die Ausführung des Bauvorhabens. Begründend führte der Bürgermeister dazu aus, für das Baugrundstück bestehe kein Bebauungsplan. Ausschlaggebend für die Untersagung seien die Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes und die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs sowie die nach gängiger Vollzugspraxis gegebene Beachtlichkeit der Einhaltung eines Abstandes von 1,0 m in der östlichen Straßenfluchtlinie. Ferner sei der Gemeinderatsbeschluss vom , wonach Bauten, die laut Tiroler Bauordnung an die Grundgrenze zu Gemeindestraßen gebaut werden können, einen Abstand von mindestens 1,0 m zur Gemeindestraße aufweisen müssen, zu beachten. Dieser Bescheid ist nun vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol in Beschwerde gezogen.
2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Prozessvoraussetzungen des Antrages und die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebung im Original):
"[…]
1. Prozessvoraussetzungen:
[…]
Besteht für einen Bauplatz kein die Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen bestimmender Bebauungsplan, bestimmt sich gemäß § 5 Abs 4 TBO 2011 der maßgebliche Abstand nach den Interessen des Orts- und Straßenbildes bzw der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs, wobei diese Interessen im Einzelfall, so der beweisbedürftige und maßgebliche Sachverhalt nicht schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrungen zu beurteilen ist, sachverständig abzuklären sind.
Hat nun der Gemeinderat für Bauten einen absoluten Abstand von 1 m von Gemeindestraßen verordnet, wäre derartige Abstandsvorgabe verbindlich einzuhalten und verbliebe damit für die (bei Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes) gesetzlich vorgesehene Interessensprüfung im Einzelfall kein weiterer Raum. An die in Geltung stehende Verordnung des Gemeinderates vom wäre auch das Landesverwaltungsgericht Tirol in seiner Entscheidung gebunden. Die gemäß § 5 Abs 4 TBO 2011 vorgesehene Einzelfallprüfung bliebe bei nicht vorliegendem Bebauungsplan während des aufrechten Bestandes der Verordnung verwehrt.
Gegen diese Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Grins vom bestehen seitens des Landesverwaltungsgerichtes Tirol Bedenken ob ihrer Gesetzmäßigkeit. […]
2. In der Sache:
Der Gemeinderat der Gemeinde Grins hat mit Beschluss vom zwingende Abstandsvorschriften hinsichtlich der an der Grenze zu Gemeindestraßen zulässigen Bauten beschlossen. Nach Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol handelt es sich bei diesem administrativen Akt um einen administrativen Rechtssetzungsakt, es liegt eine bindende Rechtsverordnung vor. Dies aus folgenden Gründen:
Nach allgemeiner Begriffsumschreibung ist unter einer Verordnung jede von einer (staatlichen) Verwaltungsbehörde im Bereich der Hoheitsverwaltung erlassene generelle außenwirksame Norm zu verstehen (etwa VfSlg 17023/2003, 17869/2006, ). Der vorliegende Verwaltungsakt weist sämtliche Merkmale einer Rechtsverordnung auf. Er erlangte ein Mindestmaß an Publizität, er wurde einem außerhalb des betroffenen Organs (Gemeinderat) stehenden Personenkreises bekannt gegeben. Kundgemacht wurde der Verwaltungsakt in gehöriger Weise. Er wurde entsprechend den Bestimmungen der Tiroler Gemeindeordnung 2001 während zweier Wochen durch entsprechenden Anschlag öffentlich gemacht. Beim beschließenden Gemeinderat (kollegiales Verwaltungsorgan) handelt es sich um ein staatliches Organ als Urheber des Aktes. Erlassen wurde der Akt im Bereich der Hoheitsverwaltung. Entsprechend dem Charakter einer Rechtsverordnung hat die Regelung Rechtsverhältnisse zu Rechtsunterworfenen zum Gegenstand, gestaltet sie also die allgemeine Rechtslage. Sie wirkt daher insoweit nach außen, dh sie schafft Außenrecht. Der Adressantekreis, an den sich die Regelung richtet, ist nach Gattungsmerkmalen (hier: Bauwerber von an Grenzen zu Gemeindestraßen geplanter Bauten) bestimmt. Die Regelung weist damit einen generell umschriebenen persönlichen Anwendungsbereich im Sinne des Begriffsverständnisses des Verfassungsgerichtshofes auf. Der Verwaltungsakt besteht in einer Regelung normativen Inhalts. Der normierte Inhalt ist in der Gestaltung bzw verbindlichen Festlegung der Rechtslage betreffend die Zulässigkeit von an der Grundgrenze zu Gemeindestraßen geplanten Bauten zu sehen. Wenngleich auch die Regelung nicht ausdrücklich als Verordnung bezeichnet wird, weist sie doch sämtliche maßgebliche Merkmale auf, um als außenwirksame Rechtsverordnung im Sinne des Gesetzes zu gelten.
In materieller Betrachtungsweise kommt der Regelung Außenwirkung zu. Eine solche ist in der imperativen Formulierung einer Enuntiation, im Anstreben einer bindenden Gesetzesauslegung in einer bestimmten Richtung und damit in einer beanspruchten Geltung für eine in allgemeiner Weise bestimmten Vielzahl von Personen zu sehen. Die materielle Außenwirkung bestätigt sich auch im konkret vorliegenden Vollzugsverhalten der belangten Behörde, als diese die Verordnung in ständiger Vollzugspraxis tatsächlich anwendete und sich auch auf diese in der Begründung des angefochtenen Bescheides als maßgebliche Entscheidungsgrundlage berief.
Gemäß Art 18 Abs 2 B VG kann jede Verwaltungsbehörde auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Der vorliegenden Verordnung des Gemeindesrates der Gemeinde Grins vom fehlt es jedoch an der gemäß Art 18 Abs 2 B VG erforderlichen gesetzlichen Grundlage.
Bei der Anordnung der Einhaltung eines 1 m breiten Abstandes von Bauten zu Gemeindestraßen handelt es sich um eine Abstandsvorschriften regelnde Bestimmung.
Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen werden durch § 5 TBO 2011 erschöpfend geregelt. In dieser Bestimmung erfährt der Gemeinderat als Verordnungsgeber lediglich in der Weise Beachtlichkeit, als er mittels der Festlegungen Bauflucht- bzw Straßenfluchtlinien in einem Bebauungsplan Abstände zu den Verkehrsflächen (mit ausdrücklich normierten Ausnahmen) vorgeben kann. Darüber hinaus ist der Gemeinderat auch gemäß § 31 Abs 6 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 berechtigt, im örtlichen Raumordnungskonzept (Verordnung des Gemeinderates) für Gebiete und Grundflächen, für die ein Bebauungsplan nicht besteht, hinsichtlich der Bebauung textliche Festlegungen über die Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen zu treffen. Auch derartige Festlegungen sind gemäß § 5 Abs 4 TBO 2011 bei der Errichtung von Bauten zu Verkehrsflächen hin einzuhalten.
Ein Bebauungsplan besteht für das Baugrundstück erwiesener Maßen nicht. Der verfahrensgegenständlichen Verordnung kommt auch nicht für sich der Charakter eines Bebauungsplanes zu. Festlegungen im örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde Grins im Sinne des § 31 Abs 6 TROG 2011 bestehen ebenfalls nicht. Weitere Verordnungsermächtigungen enthält § 5 TBO 2011 nicht.
Auch in der Bestimmung des § 20 TBO 2011 kann keine geeignete gesetzliche Grundlage für die gegenständliche Verordnung gesehen werden. Diese Bestimmung ermächtigt zur Erlassung von Verordnungen ausschließlich unter den Interessen des Schutzes des Orts- oder Straßenbildes oder des Interesses an einer das Orts- oder Straßenbild prägenden geordneten baulichen Entwicklung, nicht hingegen zu Regelungen unter Gesichtspunkten einzuhalt[e]nder Abstände. Unter zulässigen Orts- und Straßenbildinteressen erschöpft sich der Regelungsspielraum in Art, Gestaltung und Größe näher bezeichneter Bauten, nicht jedoch berechtigt die Ermächtigung – läge so auch unzulässige Konkurrenz zur Bestimmung des (hier maßgeblich) § 5 TBO 2011 vor – zur Regelung der (örtlichen) Situierung dieser Bauten. Zudem erfasst insbesondere die litc des § 20 TBO 2011 eingeschränkt Einfriedungen als Regelungsgegenstand, nicht erfasst sind hingegen Stützmauern (als eigenständige Bauvorhaben in diesem Sinne unterschieden etwa in § 21 Abs 2 litb und Abs 3 litc, § 6 Abs 3 litc TBO 2011).
Ergänzend wird angeführt, dass auch etwa im Tiroler Straßengesetz keine zur Erlassung der gegenständlichen Verordnung ermächtigende[n] Bestimmungen enthalten sind.
Indem der Gemeinderat der Gemeinde Grins die gegenständliche Verordnung ohne entsprechende gesetzliche Grundlage erlassen hat, ist diese sohin gesetzeswidrig."
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Grins legte die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vor und erstattete eine Äußerung, in der er den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebung im Original):
"Der Gemeinderat der Gemeinde Grins hat in der Sitzung vom beschlossen, dass bauliche Anlagen, die laut TBO bis an die Grundgrenzen von Gemeindestraßen gebaut werden können, einen Abstand von 1 m zur Gemeindestraße aufweisen müssen. Damit wollte der Gemeinderat dem Bürgermeister als Baubehörde diesbezüglich eine Hilfestellung bei Bauangelegenheiten im Hinblick auf die Problematik der sehr beengten Straßenräume geben.
In der Gemeinde Grins weisen nämlich sehr viele Straßen, die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegen, sehr geringe Straßenbreiten von 4,0 m und weniger auf. Ein Heranbauen von baulichen Anlagen, wie beispielsweise Garagen, Lagergebäude mit einer mittleren Wandhöhe bis 2,80 m auf der der Verkehrsfläche zugewandten Seite, und vor allem auch Einfriedungen, bis unmittelbar an die Straßengrenze, die gemäß § 5 TBO 2011 vor einer Baufluchtlinie errichtet werden dürfen, würde zum einen das Orts- und Straßenbild und zum anderen die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs stark beeinträchtigen. Ein beidseitiges Heranbauen von Nebengebäuden und die Errichtung von Einfriedungen unmittelbar an der Straßengrenze bewirken ein kanalartiges Erscheinungsbild im Straßenverlauf. Zudem ist die Sicherheit von Fußgängern bei beidseitiger Eingrenzung der engen Straßen durch bauliche Anlagen selbst bei Begegnung mit einem Kraftfahrzeug nicht gegeben. Die Begegnung von zwei Kraftfahrzeugen ist aufgrund der geringen Fahrbahnbreiten ohnedies kaum, beziehungsweise nur im Bereich privater Zufahrten und fallweisen Straßenausweitungen gegeben. Ein großes Problem besteht auch im Winter bei der Schneeräumung. Bei beidseitigen baulichen Anlagen entlang der Straßengrenze wird bei der notwendigen Schneeräumung der verfügbare Straßenquerschnitt zusätzlich eingeengt.
Die Möglichkeit, allgemeine Bebauungsregeln im Rahmen des örtlichen Raumordnungskonzeptes für Gebiete und Grundflächen, für die ein Bebauungsplan nicht besteht, rechtlich verbindlich festzulegen, wurde erst durch die Erlassung des TROG 2011 im § 31 Abs 6, geschaffen. Zum Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses im Jahr 2004 konnte der Gemeinderat nur den Beschluss für eine allgemeine Regelung der Abstände baulicher Anlagen von der Straßengrenze als Unterstützung des Bürgermeisters bei Entscheidungen als Baubehörde in Bauangelegenheiten fassen.
Es wird daher beantragt die getroffene Einwendung gegen den Gemeinderatsbeschluss im Prüfungsverfahren abzuweisen. Im Falle einer Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses wird ersucht, einen zukünftigen Zeitpunkt für die Aufhebung zu bestimmen, der es der Gemeinde ermöglicht, die raumordnungsfachlich begründete Maßnahme hinsichtlich der Abstände baulicher Anlagen von den Straßen rechtskonform im örtlichen Raumordnungskonzept umzusetzen."
4. Die Tiroler Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter einer Verordnung eine von einer Verwaltungsbehörde erlassene, generelle – dh. an einen durch Gattungsmerkmale bezeichneten Personenkreis adressierte – Rechtsnorm zu verstehen (vgl. etwa VfSlg 2071/1950, 10.882/1986). Für die normative Wirkung eines Verwaltungsaktes ist ausschließlich sein Inhalt, nicht aber die äußere Bezeichnung oder die Art der Verlautbarung entscheidend. Wird durch eine generelle Norm die Rechtslage der Betroffenen gestaltet, wendet sich diese ihrem Inhalt nach an die Allgemeinheit und stellt daher eine Verordnung dar (VfSlg 17.869/2006).
Gemessen an diesen Kriterien ist der Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde Grins vom als Verordnung im Sinne des Art 139 B VG zu qualifizieren: Durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde erlangte der Rechtsakt das erforderliche Mindestmaß an Publizität. Entsprechend dem Charakter einer Rechtsverordnung hat der Gemeinderatsbeschluss Rechtsverhältnisse zu Rechtsunterworfenen zum Gegenstand. Der normierte Inhalt ist in der Gestaltung bzw. verbindlichen Festlegung der Rechtslage, konkret in der Festlegung von Mindestabständen zwischen baulichen Anlagen und Verkehrsflächen, zu sehen. Die fehlende Bezeichnung als Verordnung ist angesichts der tatsächlichen Rechtsnatur als Verordnung ohne rechtliche Bedeutung.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, das an der Präjudizialität der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Grins vom zweifeln ließe. Da der Bürgermeister der Gemeinde Grins seinen vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol bekämpften Bescheid (auch) auf den Gemeinderatsbeschluss vom stützte, erscheint es nicht denkunmöglich, dass das antragstellende Gericht die angefochtene Verordnung anzuwenden hat.
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.
2. In der Sache
Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
Der Antrag ist begründet:
2.1. Das Landesverwaltungsgericht Tirol führt in seinem Gerichtsantrag aus, der vorliegenden Verordnung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Abstände baulicher Anlagen zu Verkehrsflächen würden durch § 5 Tir. BauO 2011 umfassend geregelt. § 5 Abs 4 Tir. BauO 2011 verweise hierbei auf die Ermächtigung zur Festlegung von Mindestabständen im örtlichen Raumordnungskonzept gemäß § 31 Abs 6 TROG 2016. Im gegenständlichen Fall liege jedoch keine Festlegung im örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde Grins vor. § 5 Tir. BauO 2011 enthalte selbst keine Verordnungsermächtigung. Ebenso könne in der Bestimmung des § 20 Tir. BauO 2011 keine geeignete gesetzliche Grundlage gesehen werden.
2.2. Gemäß Art 18 Abs 2 B VG kann jede Verwaltungsbehörde "auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen". Dieser Vorschrift zufolge bedarf es zur Erlassung einer Verordnung keiner ausdrücklichen einfachgesetzlichen Ermächtigung; eine Verordnung darf vielmehr unmittelbar auf Grund der zitierten Verfassungsbestimmung erlassen werden (vgl. zB VfSlg 11.653/1988, 12.781/1991), wenn nur das Gesetz eine inhaltlich ausreichend bestimmte Grundlage dafür abgibt (VfSlg 14.146/1995).
Entsprechend der Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol besteht keine die Voraussetzungen des Art 18 Abs 2 B VG erfüllende gesetzliche Grundlage für die Erlassung der angefochtenen Verordnung:
Gemäß § 5 Tir. BauO 2011 wird der Abstand baulicher Anlagen von Verkehrsflächen grundsätzlich durch die in einem Bebauungsplan festgelegten Baufluchtlinien bestimmt. In Bezug auf Bauplätze, für die – wie im gegenständlichen Fall – kein Bebauungsplan besteht, ist § 5 Abs 4 Tir. BauO 2011 maßgebend. Diesem zufolge müssen bauliche Anlagen so weit von Verkehrsflächen entfernt sein, dass weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden. In diesem Sinn bietet § 5 Tir. BauO keine Grundlage für eine pauschale Festlegung des Abstandes, den bauliche Anlagen zu Verkehrsflächen einhalten müssen.
Weitergehend verweist § 5 Abs 4 Tir. BauO 2011 auf § 31 Abs 6 TROG 2016, wonach im örtlichen Raumordnungskonzept Festlegungen über Mindestabstände baulicher Anlagen von Straßen getroffen werden können. Dem Landesverwaltungsgericht Tirol ist beizupflichten, dass die angefochtene Verordnung im vorliegenden Fall allerdings nicht als textliche Festlegung im örtlichen Raumordnungskonzept qualifiziert werden kann. Dieser Ansicht tritt die Gemeinde Grins in ihrer Äußerung auch nicht entgegen. Vielmehr führt die Gemeinde Grins lediglich aus, dass im Zeitpunkt der Erlassung der betreffenden Verordnung die Möglichkeit, für Gebiete und Grundflächen, für die ein Bebauungsplan nicht besteht, in rechtlich verbindlicher Weise allgemeine Bebauungsregeln im Rahmen des örtlichen Raumordnungskonzeptes festzulegen, noch nicht bestanden habe.
Wie das Landesverwaltungsgericht Tirol zutreffend darlegt, stellt auch § 20 Tir. BauO 2011 keine geeignete Grundlage für die gegenständliche Verordnung dar. § 20 Tir. BauO 2011 ermächtigt die Gemeinde, in taxativ genannten Fällen örtliche Bauvorschriften durch Verordnung zu erlassen. Regelungszweck des § 20 Tir. BauO 2011 ist der Schutz des Orts- und Straßenbildes bzw. das Interesse an einer das Orts- und Straßenbild prägenden geordneten baulichen Entwicklung. Im Rahmen der taxativen Aufzählung erlaubt § 20 Tir. BauO 2011 nur Vorgaben hinsichtlich Art, Größe und Gestaltung baulicher Anlagen sowie Bodenversiegelungen bzw. Bepflanzungen, lässt jedoch keinen Raum für etwaige Abstandsregelungen.
Da auch sonst keine gesetzliche Grundlage für die angefochtene Verordnung ersichtlich ist, erweist sich die Verordnung als gesetzwidrig.
V. Ergebnis
1. Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Grins ("Der Gemeinderat beschließt mit 12 dafür Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, dass Bauten, die lt. TBO an die Grundgrenze zu Gemeindestraßen gebaut werden können, einen Abstand von 1 m zur Gemeindestraße aufweisen müssen"), beschlossen am , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von bis , ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B VG und § 59 Abs 2 VfGG iVm § 2 Abs 1 litj Tir. Verlautbarungsgesetz.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2016:V39.2016
Fundstelle(n):
ZAAAE-29450