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VfGH vom 20.06.2007, V38/06

VfGH vom 20.06.2007, V38/06

Sammlungsnummer

18158

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit landesrechtlicher Regelungen betreffend Pauschalgebühren im Vergabeverfahren unter Hinweis auf die Vorjudikatur zum Bundesvergabegesetz 2002

Spruch

I. Die Wortfolge "§4 Abs 1," in Abs 1 des § 18 des Steiermärkischen Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. für die Steiermark Nr. 43/2003, war verfassungswidrig.

Der Landeshauptmann von Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. § 1 Abs 1 Z 10 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über die Höhe und über die Art der Einhebung der Verwaltungsabgaben in Vergabenachprüfungsverfahren (Vergabe-Pauschalgebührenverordnung), LGBl. Nr. 71/2003, war gesetzwidrig.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

III. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist unter der Z 2005/04/0199 die Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (im Folgenden: UVS) vom anhängig, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ersatz der von ihr für einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung hinsichtlich eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich und für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühr in Höhe von € 3.200,-- gemäß § 18 Abs 5 des Steiermärkischen Vergabe-Nachprüfungsgesetzes, LGBl. 43/2003 (im Folgenden: Stmk. VergNPG), abgewiesen wurde. Begründend habe der UVS ausgeführt, dass die Zuschlagsentscheidung vom Auftraggeber aufgehoben und das Vergabeverfahren widerrufen worden sei, weshalb der daraufhin gestellte Antrag auf Gebührenersatz mangels teilweisen Obsiegens des Beschwerdeführers iSd § 18 Abs 5 Stmk. VergNPG abzuweisen gewesen sei.

Aus Anlass dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof den (unter G111/06, V38/06 protokollierten) Antrag auf Aufhebung von § 18 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz Stmk. VergNPG als verfassungswidrig sowie auf Aufhebung von § 1 Abs 1 Z 10 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über Höhe und über die Art der Einhebung der Verwaltungsabgaben in Vergabenachprüfungsverfahren (Vergabe-Pauschalgebührenverordnung), LGBl. 71/2003 (im Folgenden: Stmk. PG-VO), als gesetzwidrig.

2. Ferner ist beim Verwaltungsgerichtshof unter der Z 2006/04/0143 ebenfalls eine Beschwerde gegen einen Bescheid des UVS anhängig, mit dem der Beschwerdeführerin die Entrichtung ausständiger Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt € 3.400,-- für die gestellten Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aufgetragen wurde. Als Begründung habe der UVS ausgeführt, dass es sich bei der bekämpften Auftragsvergabe um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich handle, wogegen die Beschwerdeführerin - in der Annahme des Vorliegens eines Lieferauftrages - nur € 800,-- als Pauschalgebühr entrichtet habe.

Auch aus Anlass dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof den (unter G199/06, V78/06 protokollierten) Antrag auf Aufhebung von § 18 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz Stmk. VergNPG als verfassungswidrig sowie auf Aufhebung von § 1 Abs 1 Z 7 Stmk. PG-VO als gesetzwidrig.

3. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass er diese bei Überprüfung des jeweils in Beschwerde gezogenen Bescheides anzuwenden habe.

4. In der Sache verwies der Verwaltungsgerichtshof auf den Beschluss vom , B1510/04, mit dem der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit von § 18 Abs 1 und 2 zweiter Satz Stmk. VergNPG sowie die Gesetzmäßigkeit des § 1 Abs 1 Z 7 Stmk. PG-VO in Prüfung gezogen habe. Der Verwaltungsgerichtshof teile die in diesem Prüfungsbeschluss erhobenen (und auf das Erk. vom , G154/05, V118/05, gestützten) Bedenken, weshalb die vorliegenden Anträge gemäß Art 139 Abs 1 und Art 140 Abs 1 B-VG zu stellen gewesen seien.

5. Im - mit oben erwähnten Beschluss vom , B1510/04 - eingeleiteten Verfahren G35/06, V24/06 hob der Verfassungsgerichtshof mit Erk. vom die Wortfolge ", 12 Abs 1" in § 18 Abs 1 und den zweiten Satz in § 18 Abs 2 Stmk. VergNPG als verfassungswidrig und § 1 Abs 1 Z 7 Stmk. PG-VO als gesetzwidrig auf. Diese Aussprüche wurden am im LGBl. 136/2006 sowie 137/2006 vom Landeshauptmann bzw. von der Steiermärkischen Landesregierung kundgemacht.

Mit LGBl. 154/2006 wurde das Steiermärkische Vergaberechtsschutzgesetz am kundgemacht. Nach dessen § 29 tritt dieses Gesetz mit in Kraft und das Stmk. VergNPG damit außer Kraft (§30).

6. Die Steiermärkische Landesregierung hat sowohl im Verfahren G111/06 als auch G199/06 von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Die sowohl im Verfahren G35/06, V24/06 als auch für die vorliegenden Prüfungsanträge maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

§ 18 Stmk. VergNPG in der Stammfassung LGBl. 43/2003 ermächtigt die Landesregierung, Pauschalgebühren vorzuschreiben, und lautet folgendermaßen (die als verfassungswidrig erkannte Wortfolge ist hervorgehoben):

"§18

Gebühren

(1) Für Anträge gemäß den §§4 Abs 1, 5 Abs 1, 12 Abs 1 und 15 Abs 1 sowie für Anträge auf Teilnahme am Nachprüfungsverfahren nach § 6 Abs 2 und 4 ist von der Antragstellerin/dem Antragsteller eine Pauschalgebühr zu entrichten.

(2) Die Höhe der zu entrichtenden Gebühren bestimmt sich nach der Art des durchgeführten Vergabeverfahrens und ist durch Verordnung der Landesregierung festzulegen. Die Höhe der Sätze richtet sich nach den in der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002, festgelegten Tarifen. Die Gebührensätze sind entsprechend anzupassen, falls es der mit der Vollziehung dieses Gesetzes verbundene Personal- und Sachaufwand zur Deckung der Kosten der Rechtsschutzeinrichtung erfordert.

(3) Für Anträge auf Teilnahme gemäß § 6 Abs 2 und 4 ist eine Pauschalgebühr in der Höhe von 50 % von den im Nachprüfungsverfahren erhobenen Sätzen festzulegen.

(4) Die Gebühr ist durch Einzahlung mittels Erlagschein bei Antragstellung zu entrichten. Nach Maßgabe der beim Unabhängigen Verwaltungssenat bestehenden Möglichkeiten kann die Bezahlung auch durch Barzahlung, mittels Bankomatkarte oder Kreditkarte erfolgen.

(5) Vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat obsiegende Antragstellerinnen/Antragsteller haben gegen die Antragsgegnerin/den Antragsgegner Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren. Im Falle eines teilweisen Obsiegens hat die Antragstellerin/der Antragsteller nur Anspruch auf Ersatz jenes Teiles der Gebühren, der dem Ausmaß des Obsiegens entspricht.

(6) Die Verwaltung dieser Gebühr obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Die Gebühr fließt dem Land zu."

Die in § 18 Abs 1 genannten Anträge betreffen Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung (§4 Abs 1), Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung oder Widerruf (§5 Abs 1), Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (§12 Abs 1) und Feststellungsanträge (§15 Abs 1).

Auf Grund der Ermächtigung des § 18 Abs 2 erließ die Steiermärkische Landesregierung die Stmk. PG-VO, die bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Oberschwellenbereich für Anträge nach den §§4 Abs 1, 5 Abs 1, 12 Abs 1 und 15 Abs 1 je eine Gebühr vom € 1.600,-- (bei Bauaufträgen im Unterschwellenbereich je € 2.500,--) vorsieht. Der im maßgeblichen Zeitpunkt in der Stammfassung, LGBl. Nr. 71/2003, geltende § 1 Stmk. PG-VO lautet folgendermaßen (die als gesetzwidrig erkannte Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1

Gebührensätze

(1) Die von der Antragstellerin/vom Antragsteller für den Antrag gemäß den §§4 Abs 1, 5 Abs 1, 12 Abs 1 und 15 Abs 1 Steiermärkisches Vergabe-Nachprüfungsgesetz zu entrichtende Pauschalgebühr beträgt für:

1. Direktvergaben .................................... 200 Euro

2. Verhandlungsverfahren ohne vorherige

Bekanntmachung betreffend Bauaufträge im

Unterschwellenbereich ............................. 400 Euro

3. Verhandlungsverfahren ohne vorherige

Bekanntmachung betreffend Liefer- und

Dienstleistungsaufträge im Unterschwellenbereich .. 300 Euro

4. Verhandlungsverfahren ohne vorherige

Bekanntmachung betreffend geistig-schöpferische

Dienstleistungen im Unterschwellenbereich ......... 350 Euro

5. Nicht offene Verfahren ohne vorherige

Bekanntmachung betreffend Bauaufträge im

Unterschwellenbereich ............................. 600 Euro

6. Nicht offene Verfahren ohne vorherige

Bekanntmachung betreffend Liefer- und

Dienstleistungsaufträge im Unterschwellenbereich .. 350 Euro

7. Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich

betreffend Bauaufträge .......................... 2.500 Euro

8. Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich

betreffend Liefer- und Dienstleistungsaufträge .... 800 Euro

9. Verfahren im Oberschwellenbereich betreffend

Bauaufträge ..................................... 5.000 Euro

10. Verfahren im Oberschwellenbereich betreffend

Liefer- und Dienstleistungsaufträge ............. 1.600 Euro.

(2) Die von der Antragstellerin/vom Antragsteller für einen Antrag auf Teilnahme am Nachprüfungsverfahren gemäß § 6 Abs 2 und 4 Steiermärkisches Vergabe-Nachprüfungsgesetz zu entrichtende Pauschalgebühr beträgt 50 % der in Abs 1 festgesetzten Pauschalgebühr."

2. Zur Zulässigkeit:

2.1 Im Verfahren G35/06, V24/06 wurden folgende Bestimmungen als verfassungs- bzw. gesetzwidrig aufgehoben:


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-
Im Stmk. VergNPG
-- in § 18 Abs 1 die Wortfolge "§12 Abs 1"
-- in § 18 Abs 2 der zweite Satz


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-
In der PG-VO § 1 Abs 1 Z 7

Im Verfahren G111/06, V38/06 begehrt der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung:


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-
Im Stmk. VergNPG
-- in § 18 Abs 1 der ganze Absatz
-- in § 18 Abs 2 der zweite Satz


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-
In der PG-VO § 1 Abs 1 Z 10

Im Verfahren G199/06, V78/06 begehrt der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung:


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-
Im Stmk. VergNPG
-- in § 18 Abs 1 der ganze Absatz
-- in § 18 Abs 2 der zweite Satz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
In der PG-VO § 1 Abs 1 Z 7

2.2 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung des ganzen Abs 1 des § 18 sowie Abs 2 zweiter Satz Stmk. VergNPG beantragt. In § 18 Abs 1 ist die Gebührenpflicht für eine ganze Reihe von Anträgen normiert. In den Anlassverfahren des Verwaltungsgerichtshofes sind aber gemäß seinen Ausführungen in den Anträgen Pauschalgebühren für Nachprüfungsanträge vor Zuschlagserteilung sowie für Anträge auf einstweilige Verfügung angefallen, sodass offensichtlich nicht der ganze § 18 Abs 1 präjudiziell ist, sondern nur die solche Anträge betreffenden Wortfolgen (§4 Abs 1 und § 12 Abs 1).

2.3 Da der Verfassungsgerichtshof mit Erk. vom , G35/06, V24/06, aber bereits die Wortfolge ", § 12 Abs 1" im Abs 1 des § 18 und den zweiten Satz des § 18 Abs 2 Stmk. VergNPG aufgehoben hat, waren die Gesetzesprüfungsanträge in diesem Umfang zurückzuweisen. Präjudiziell und von der Aufhebung mit Erk. vom nicht erfasst ist somit lediglich die Wortfolge "§4 Abs 1," in § 18 Abs 1 Stmk. VergNPG.

Im Verordnungsprüfungsverfahren zu V38/06 ist der Antrag auf Aufhebung des § 1 Abs 1 Z 10 PG-VO zulässig. Hingegen ist der zu V78/06 gestellte Antrag auf Aufhebung des § 1 Abs 1 Z 7 PG-VO im Hinblick auf die Aufhebung dieser Bestimmung im Verfahren zu V24/06 unzulässig.

Zur Zulässigkeitsfrage ist noch zu bemerken, dass der Antrag des Verwaltungsgerichtshofs zu G199/06, V78/06 in der Zeit zwischen der Beschlussfassung des Verfassungsgerichtshofs zu G35/06, V24/06 und der Zustellung des Erkenntnisses eingelangt ist.

Da die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes im oben beschriebenen Umfang zulässig.

3. In der Sache:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erk. vom 4. März

2006, G154/05, V118/05, die Wortfolge "und 175 Abs 1" in § 177 Abs 1

sowie die Wortfolge "Bauaufträge ... 2500 €" in der fünftletzten

Zeile des Anhanges X des Bundesvergabegesetzes, BGBl. I 99/2002, für

verfassungswidrig sowie die Wortfolge "Bauaufträge ... 2500 €" in der

fünftletzten Zeile des § 1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II 324/2002, für gesetzwidrig erklärt. Er begründete dies wie folgt:

"2.1 Die Festsetzung einer Pauschalgebühr in gleicher Höhe für jeden der in § 177 Abs 1 BVergG genannten Anträge ist unsachlich:

[...]

Die Bedenken richteten sich [...] dagegen, dass die (im Anlassverfahren präjudizielle) Pauschalgebühr für Bauaufträge im Unterschwellenbereich vom Antragsteller nicht nur einmal (etwa für einen Nachprüfungsantrag gemäß § 163 Abs 1 BVergG), sondern in gleicher Höhe auch für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie für jeden weiteren Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung (solche werden oft befristet gewährt und können ohne Verlängerung noch vor Entscheidung in der Hauptsache ablaufen) und weiters noch für einen allenfalls nachfolgenden Feststellungsantrag zu entrichten ist. Im Anlassfall etwa hatte der Beschwerdeführer auch den Feststellungsantrag gemäß § 175 Abs 1 BVergG in gleicher Höhe wie den bereits vergebührten Nachprüfungsantrag, der durch den späteren Widerruf der angefochtenen Ausschreibung durch den Auftraggeber unzulässig wurde, erneut zu vergebühren. Der Gerichtshof nahm in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig an, dass diese mehrfache Gebührenpflicht für Anträge betreffend dieselbe Vergabe in keinem auch nur annähernden Verhältnis zum jeweiligen Verfahrensaufwand, der zur Entscheidung über die Anträge erforderlich ist, steht.

Die Vergebührung eines Feststellungsantrages nach § 175 Abs 1 BVergG kann mit der Vergebührung eines Nachprüfungsantrages und eines Antrages auf Erlassung oder Verlängerung einer einstweiligen Verfügung kumulieren. Verstärkt kommt es zu einer Kumulierung beim Widerruf der Ausschreibung, der nicht ganz selten bei ein und derselben Auftragsvergabe mehrfach erfolgt, was dann zu mehreren Vergabekontrollverfahren und damit zu einem neuerlichen Anfallen der Pauschalgebühr führt.

Zu einer weiteren Kumulierung führt auch das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen. Der Gerichtshof teilt zwar die Ansicht der Bundesregierung, dass das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen regelmäßig zu einer raschen Abwicklung von Rechtsschutzverfahren im Vergabewesen dient. Er folgt auch dem Argument der Bundesregierung, dass die jeweils angefochtenen Entscheidungen einen eigenen Verfahrensgegenstand betreffen, sodass im Prinzip auch eine Vergebührung jedes der Anträge an sich sachlich ist.

Der Umstand, dass Entscheidungen des Auftraggebers aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht bloß gemeinsam mit der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bekämpft werden können, ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller mehrfach hohe Pauschalgebührensätze bei derselben Auftragsvergabe zu entrichten hat, ohne dass die Multiplizierung der Gebühr einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes gegenübersteht, weil bei jedem weiteren Verfahrensschritt in der Regel auf vorherige Verfahrensschritte zumindest teilweise zurückgegriffen werden kann, was sich etwa zeigt, wenn auf ein Nachprüfungsverfahren ein Feststellungsverfahren folgt. Gerade im Unterschwellenbereich stehen die kumulierten Gebühren häufig in einem groben Missverhältnis zu der erwarteten Gewinnspanne, sodass die Gebühren im Ergebnis zu einer Beeinträchtigung der Effizienz des Rechtsschutzes führen. Auch erhöht sich das Nutzenäquivalent, also das wirtschaftliche Interesse des Unternehmers an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, nicht mit der Notwendigkeit mehrfacher Antragstellung.

2.2 Die Bundesregierung versucht dieses System damit zu rechtfertigen, dass es der Hintanhaltung völlig aussichtsloser oder mutwilliger Anträge diene.

Nun ist dem Gesetzgeber an sich überlassen, ein Gebührensystem so zu gestalten, dass dem rechtspolitisch legitimen Ziel der Schaffung einer angemessenen Verfahrensbarriere Rechnung getragen wird. Dabei darf aber nicht gleichzeitig das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Effizienz des Rechtsschutzes verletzt werden.

Die Bundesregierung versucht das Bedenken ferner zu entkräften, indem sie auf die Möglichkeit eines Gebührenersatzes im Falle des Obsiegens verweist. Der Verfassungsgerichtshof bestätigt seine bereits in seinem Prüfungsbeschluss vertretene Auffassung, dass ein möglicher Gebührenersatz weder die Unsachlichkeit einer jedenfalls vorläufig zu bestreitenden (und allenfalls auch endgültig zu tragenden) Gebühr zu rechtfertigen vermag, noch die durch eine hohe Verfahrensgebühr beeinträchtigte Effektivität des Rechtsschutzes wiederherstellt. Ein verfassungswidriges Gebührensystem wird nicht dadurch verfassungsmäßig, dass die Gebühr letztlich unter Umständen von einer anderen Partei zu tragen ist.

Im Übrigen tritt der den Rechtsschutz beeinträchtigende Effekt einer Gebühr bereits mit der vorläufigen Entrichtung der hohen Gebühren ein. Jeder Bieter und Rechtsschutzwerber hat - nicht nur bei aussichtslosen oder mutwilligen Prozessführungen - ein Verfahrensrisiko zu kalkulieren. Der Erfolg eines Rechtsmittels ist fast nie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar, sodass jeder Rechtsmittelwerber das Risiko der Tragung auch der Gebühr der (allenfalls obsiegenden) Gegenpartei in Betracht zu ziehen hat. Dabei wird er das Gebührenrisiko und den möglichen Nutzen (erzielbare Gewinnspanne) gegeneinander abwägen. Gerade bei Vergaben im Unterschwellenbereich, an denen sich auch kleinere Unternehmen beteiligen, wird diese Abwägung bei sorgfältiger kaufmännischer Überlegung zum Verzicht auf einen (vielleicht durchaus aussichtsreichen) Rechtsschutz führen.

Der Umstand, dass es Fälle gibt, in denen der Antragsteller die ausgelegte Pauschalgebühr nicht ersetzt erhält, obwohl er nicht als Unterliegender anzusehen ist, verstärkt nur noch die Wirkung der Gebührenhöhe. Soweit die Bundesregierung meint, dass derartige Konstellationen nicht vorkommen, sei darauf hingewiesen, dass beim Verfassungsgerichtshof derartige Fälle anhängig sind.

Die Möglichkeit des Ersatzes einer vorläufig zu bestreitenden hohen Verfahrensgebühr verhindert also nicht deren Wirkung als Verfahrensbarriere, selbst bei aussichtsreichen Anträgen von der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes abzuhalten.

Auch das von der Bundesregierung zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2004/04/0081, vermag ihren Prozessstandpunkt nicht zu stützen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof seine verfassungsrechtliche Beurteilung ausdrücklich aus der Sicht des zugrunde liegenden Verfahrens vorgenommen und die Existenz einer Gebührenersatzregelung lediglich als einen (für die Frage der Effizienz des Rechtsschutzes) weiteren hinzutretenden Aspekt gewürdigt, nicht aber als einzig entscheidenden Umstand gewertet.

2.3 Zum Vorbringen der Bundesregierung, dass die Einnahmen aus der Entrichtung von Pauschalgebühren den Aufwand des BVA im Jahr 2005 nur zu einem Drittel gedeckt haben, sei darauf hingewiesen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz gibt, wonach Rechtsschutz nur dann gewährt werden muss, wenn die Parteien dessen Kosten zu tragen gewillt sind. Im Gegenteil: Das gesetzgeberische Anliegen der Deckung des durchschnittlichen Verfahrensaufwandes darf jedenfalls nicht dazu führen, dass die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt wird.

3. Die Bedenken haben sich als gerechtfertigt erwiesen. Die Kumulierung und Multiplizierung der (hohen) Gebühren ist unsachlich und behindert die Effizienz des Rechtsschutzes."

Ferner hat der Verfassungsgerichtshof mit Erk. vom , G124/06, V44/06, ausgesprochen, dass u.a. die Wortfolge "Liefer- und Dienstleistungsaufträge ... 1600 €" in der letzten Zeile des § 1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes gesetzwidrig war und dabei insbesondere auf das Erk. vom verwiesen.

Der Verfassungsgerichtshof vermag dem Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten, wenn er davon ausgeht, dass die Grundsätze des Erk. vom , G154/05, V118/05, auch im vorliegenden Fall anzuwenden sind: Auch die angefochtenen Regelungen stehen aufgrund der mehrfachen Gebührenpflicht für Anträge betreffend dieselbe Vergabe in keinem auch nur annähernden Verhältnis zum jeweiligen Verfahrensaufwand und können die Effizienz des Rechtsschutzes beeinträchtigen. Da sich sohin die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes als zutreffend erwiesen haben, war - nach Außerkrafttreten des Stmk. VergNPG - auszusprechen, dass die Wortfolge "§4 Abs 1," in § 18 Abs 1 Stmk. VergNPG verfassungswidrig und § 1 Abs 1 Z 10 PG-VO gesetzwidrig war.

4. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes bzw. der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche erfließt aus Art 139 Abs 5 und Art 140 Abs 5 B-VG.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.