VfGH vom 06.03.2009, V373/08
Sammlungsnummer
18732
Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 betreffend die Voraussetzung einer bestimmten Anbauweise für die Gewährung von Direktzahlungen; kein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip; Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung mit dem Ziel der Erhaltung der organischen Substanz des Bodens; Zulässigkeit des Individualantrags von Landwirten infolge Unzumutbarkeit des Zuwartens auf die Erlassung eines bekämpfbaren, negativen Bescheides
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die drei Antragsteller begehrten mit ihrem auf Art 139 B-VG
gestützten, als Beschwerde bezeichneten Antrag die Aufhebung der Ziffer 6 der Anlage zu § 5 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: Landwirtschaftsminister) über die Einhaltung der anderweitigen Verpflichtungen und über das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem im Bereich der Direktzahlungen, BGBl. II 31/2008 (im Folgenden: INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008). Diese Bestimmung steht in folgendem rechtlichen Zusammenhang:
1. Diese Verordnung dient gemäß § 1 der Ausführung mehrerer Verordnungen des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission, darunter auch folgender:
"1. der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001, ABl. Nr. L 270 vom , S. 1,
2. der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl. Nr. L 141 vom , S. 1,
3. der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl. Nr. L 141 vom , S. 18, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 291 vom ,
S. 18, ...".
Die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 legt für die Direktzahlungen im Rahmen der verschiedenen Einkommensstützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik gemeinsame Bestimmungen fest (Erwägungsgrund 1).
Erwägungsgrund 3 sieht Folgendes vor:
"(3) Damit es nicht zur Aufgabe landwirtschaftlicher Flächen kommt und um sicherzustellen, dass die Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten werden, sollten Standards erlassen werden, die sich auf Rechtsnormen der Mitgliedstaaten stützen können oder nicht. Daher ist ein Gemeinschaftsrahmen festzulegen, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, Standards unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Flächen einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, bestehende Bewirtschaftungssysteme (Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen) und Betriebsstrukturen zu erlassen."
Art 3 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 bindet Direktzahlungen unter anderem an die Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand. Diese Bestimmung lautet:
"Grundlegende Anforderungen
(1) Ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen bezieht, muss die Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Anhang III gemäß dem in diesem Anhang festgelegten Zeitplan und für die Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Artikel 5 einhalten."
Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 verpflichtet die Mitgliedstaaten, auf nationaler und regionaler Ebene entsprechend dem in Anhang IV vorgegebenen Rahmen Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand festzulegen. Diese Bestimmung lautet:
"Guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle landwirtschaftlichen Flächen, insbesondere diejenigen, die nicht mehr für die Erzeugung genutzt werden, in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten bleiben. Die Mitgliedstaaten legen auf nationaler oder regionaler Ebene entsprechend dem in Anhang IV vorgegebenen Rahmen Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand fest; sie berücksichtigen dabei die besonderen Merkmale der betreffenden Flächen, einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, Bewirtschaftungssysteme, Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen und Betriebsstrukturen. Davon unberührt bleiben die im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 geltenden Standards für die gute landwirtschaftliche Praxis und die Agrarumweltmaßnahmen, die über das Richtmaß der guten landwirtschaftlichen Praxis hinausgehen.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Flächen, die zu dem für die Beihilfenanträge "Flächen" für 2003 vorgesehenen Zeitpunkt als Dauergrünland genutzt wurden, als Dauergrünland erhalten bleiben. Jedoch können die Mitgliedstaaten in ausreichend begründeten Fällen von Unterabsatz 1 abweichen, sofern sie Maßnahmen ergreifen, um eine erhebliche Abnahme ihrer gesamten Dauergrünlandfläche zu verhindern. Unterabsatz 1 gilt nicht für Dauergründland, das aufgeforstet werden soll, sofern diese Aufforstung umweltverträglich ist; ausgenommen sind Anlagen von Weihnachtsbäumen und schnell wachsenden Arten, die kurzfristig angebaut werden."
Im Anhang IV ist als Gegenstand des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands die "Erhaltung des Anteils der organischen Substanz im Boden durch geeignete Praktiken" genannt. Die Standards werden wie folgt bezeichnet:
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"- | Gegebenenfalls Standards für die Fruchtfolgen | |||||||||
- | Weiterbehandlung von Stoppelfeldern". |
Werden diese Grundforderungen an die Betriebsführung oder der gute landwirtschaftliche und ökologische Zustand nicht erfüllt, so kommt es zu Kürzungen, unter Umständen zum Ausschluss von Direktzahlungen (Art6 der Verordnung [EG] Nr. 1782/2003).
Die Detailregelung über das Verfahren bei der Gewährung von Direktzahlungen und über die Kontrolle findet sich in der Verordnung (EG) Nr. 796/2004.
2. Die INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 erwähnt als deren Grundlage die §§6 Abs 2, 12, 22, 27 und 28 Marktordnungsgesetz 2007, Art 1 des Agrarrechtsänderungsgesetzes, BGBl. I 55/2007, (im Folgenden: MOG 2007).
Die Verfassungsbestimmung des § 6 Abs 2 MOG 2007 ermächtigt den Landwirtschaftsminister, geeignete Rechtsträger für die Durchführung einzelner Akte der Vollziehung heranzuziehen.
§ 12 Abs 1 und 2 MOG 2007 bestimmen Folgendes:
"(1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann durch Verordnung, soweit die jeweiligen Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts eine Durchführung hinsichtlich der technischen Abwicklung bei anderweitigen Verpflichtungen, die bei Direktzahlungen gemäß § 8 einzuhalten sind, vorsehen und soweit diese in den zugrunde liegenden Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts bestimmt, bestimmbar oder begrenzt ist, die näheren Vorschriften erlassen. Insbesondere können innerhalb der in Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts vorgegebenen Grenzen Bagatellgrenzen für die Nichtanwendung der Kürzungen und das Absehen von Sanktionen bei geringfügigen Verstößen vorgesehen werden.
(2) Die gemäß Art 5 in Verbindung mit Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 festzulegenden Mindestanforderungen an den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand sind durch Verordnung festzulegen."
§ 22 MOG 2007 ermächtigt den Landwirtschaftsminister durch Verordnung Vorschriften über Überwachungs-, Duldungs- und Mitwirkungspflichten zu erlassen. § 27 MOG 2007 regelt die Zulässigkeit der Verwendung von Daten. § 28 MOG 2007 enthält eine "generelle Verordnungsermächtigung" betreffend bestimmte Verfahrensvorschriften.
Ferner enthält § 8 MOG 2007, der Direktzahlungen regelt, eine Verordnungsermächtigung. § 8 Abs 1 leg.cit. lautet:
"(1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann durch Verordnung, soweit die jeweiligen Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts eine Durchführung hinsichtlich der technischen Abwicklung bei Direktzahlungen im Sinne des Art 2 litd) der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, ABl. Nr. L 270 vom , S. 1 vorsehen und soweit diese in den zugrunde liegenden Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts bestimmt, bestimmbar oder begrenzt ist, die näheren Vorschriften erlassen."
3. Gestützt auf die Ermächtigung des § 12 in Verbindung mit den §§6 Abs 2, 22, 27 und 28 MOG und in Ausführung jener Bestimmungen der genannten Verordnungen (EG) Nr. 1782/2003 und 796/2004, erließ der Landwirtschaftsminister die INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008, BGBl. II 31/2008. § 5 Abs 1 dieser Verordnung lautet:
"Die Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand sind in der Anlage und in den Absätzen 2 bis 4 festgelegt".
In der Anlage lautet die in diesem Verfahren angefochtene Bestimmung der Ziffer 6 samt Einleitungssatz:
"Die Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand sind:
...
6. Betriebe mit einer Besatzdichte von weniger als 0,5 GVE/ha, die über mehr als 5 ha Ackerfläche verfügen, dürfen auf höchstens 85% der Ackerflächen Getreide (Dinkel, Durum, Gerste, Hafer, Roggen, Triticale und Weichweizen) und Mais anbauen.
...".
Die Abkürzung GVE bedeutet "Großvieheinheiten".
4. Über Anträge auf Gewährung von Direktzahlungen (so genannte Beihilfeanträge gemäß Art 22 der Verordnung [EG] Nr. 1782/2003) entscheidet in erster Instanz die Agrarmarkt Austria (im Folgenden: AMA) und in zweiter Instanz der Landwirtschaftsminister (§6 Abs 1 und § 19 Abs 1 MOG 2007 und § 29 Abs 1 und 3 des AMA-Gesetzes 1992, BGBl. 376/1992 idF BGBl. I 55/2007, im Folgenden: AMA-Gesetz).
§ 6 Abs 1 und § 19 Abs 1 MOG 2007 lauten:
"§6. (1) Zuständige Marktordnungs-, Interventions- und Zahlstelle im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Agrarmarkt Austria (AMA), soweit sich nicht der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Interesse der Wahrung des Gesamtzusammenhangs und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung durch Verordnung Angelegenheiten der Vollziehung des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts vorbehält. Jedenfalls sind dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Erlassung allgemeiner Normen, soweit sie zur Durchführung von Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts erforderlich sind, die Abwicklung der Transferzahlungen an die jeweils zuständige Marktordnungs- und Zahlstelle, die Vertretung der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft bei den Organen und Gremien der Europäischen Union sowie hinsichtlich der nach diesem Absatz sowie Abs 2 zuständigen Marktordnungsstellen auch die Aufsicht und Kontrolle vorbehalten.
§19. (1) Für die Durchführung von Verwaltungsverfahren im Bereich des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) anzuwenden, soweit nicht nach § 13 die Vorschriften der Bundesabgabenordnung Anwendung finden."
§ 29 Abs 1 und 3 AMA-Gesetz lauten:
"§29. (1) Die AMA hat bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden, soweit nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist.
...
(3) Soweit auf Grund des Marktordnungsgesetzes 1985 ... oder
des MOG 2007 Berufungen zulässig sind, kann gegen Bescheide des
zuständigen Organs der AMA Berufung an den Bundesminister für Land
und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ... erhoben werden."
5. Ferner sieht die INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 in § 13 die Erlassung von Feststellungsbescheiden vor. Diese Bestimmung lautet:
"§13. Die AMA kann Feststellungsbescheide erlassen, wenn eine Partei wegen der Strittigkeit oder Unsicherheit von Rechtsverhältnissen oder rechtserheblichen Tatsachen - wie insbesondere das Vorliegen eines oder mehrerer Betriebe oder das Bestehen von Zahlungsansprüchen - Gefahr läuft, Nachteile zu erleiden."
II. 1. Die Antragsteller führen in ihrem Antrag aus, dass sie Landwirte seien, deren Betriebe jeweils eine Besatzdichte von weniger als 0,5 GVE pro Hektar aufwiesen und über mehr als 5 Hektar Ackerfläche verfügten. Für solche Betriebe schreibt die Anlage zur INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung vor, dass auf höchstens 85% der Ackerfläche Getreide und Mais angebaut werden darf. Die für Getreide und Mais erzielbaren Preise seien wesentlich höher als die für Soja oder andere Kulturpflanzen am Weltmarkt gezahlten Preise. Die ihnen durch die INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 auferlegten Rechtspflichten würden daher unmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre eingreifen. Im Falle des Zuwiderhandelns hätten sie mit (unter Umständen drastischen) Kürzungen ihrer Förderung zu rechnen, was für ihre wirtschaftliche Existenz bedrohlich wäre.
Da die Kürzungen unmittelbar wirksam wären und die betroffenen Fördergelder bis zu einer anders lautenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht zur Auszahlung gelangen würden, wäre den Antragstellern ein Zuwiderhandeln gegen die Verordnung nicht zumutbar. Ein anderer zumutbarer Weg stünde nicht zur Verfügung.
In der Sache führen die Antragsteller Folgendes aus:
Die Verordnung unterscheide hinsichtlich der Gewährung der Direktzahlungen zwischen tierhaltenden Betrieben und reinen Ackerbaubetrieben, worin eine sachlich nicht begründbare Differenzierung liege, die gegen den Gleichheitssatz verstoße.
Das Legalitätsprinzip sei verletzt, weil bei der Erlassung der Verordnung die Begründungs- und Erhebungspflicht verletzt worden sei.
Das Recht auf Schutz des Eigentums sei verletzt, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet worden sei. Zweck der Verordnung sei es, Standards für die Fruchtfolge festzulegen, um der Bodenermüdung und der Ausbreitung von Schädlingen vorzubeugen. Dieses Ziel werde aber durch die Verordnung nicht erreicht. Die betroffenen Betriebe könnten über Jahre hinweg auf den gleichen Flächen die gleichen Kulturpflanzen anbauen und würden damit die Verordnung vollinhaltlich erfüllen.
Die Verordnung verstoße aus denselben Gründen gegen die Erwerbsfreiheit.
Die Verordnung sei im Gesetz nicht gedeckt. Die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 rege lediglich an, gegebenenfalls Standards für die Fruchtfolge einzuführen.
2. Der Landwirtschaftsminister bestreitet zunächst die Antragslegitimation der Antragsteller. Die in der Anlage zu § 5 Abs 1 der INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 enthaltenen Anforderungen seien lediglich für Direktzahlungen maßgeblich. Die Gewährung von Direktzahlungen erfolge im Bescheidwege, sodass den Antragstellern ein Weg zur Verfügung stehe, über die Anfechtung eines Bescheides die Gesetzmäßigkeit der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Dieser Weg sei auch zumutbar.
In der Sache führt der Landwirtschaftsminister aus:
Die Differenzierung von tierhaltenden Betrieben und Ackerbaubetrieben sei sachlich vor allem dadurch gerechtfertigt, dass tierhaltende Betriebe durch den anfallenden Stallmist über ausreichend organische Substanz verfügten, die sie im Rahmen der innerbetrieblichen Kreislaufwirtschaft wieder in den Boden einbrächten, sodass die Betriebsflächen der tierhaltenden Betriebe dadurch auch einen höheren Humusgehalt aufweisen könnten. Da die Differenzierung zwischen tierhaltenden Betrieben und Ackerbaubetrieben durch Unterschiede im Tatsächlichen begründet seien, liege angesichts des verfolgten Zieles der Erhaltung der organischen Substanz im Boden kein Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vor.
Zur behaupteten Verletzung des Legalitätsprinzips führt der Landwirtschaftsminister aus:
"§12 Abs 2 MOG 2007, BGBl. I Nr. 55, sieht vor, dass die gemäß Art 5 in Verbindung mit Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 festzulegenden Mindestanforderungen an den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand durch Verordnung festzulegen sind. Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 enthält dazu unter dem Gegenstand 'Organische Substanz im Boden' den Standard 'gegebenenfalls Standards für die Fruchtfolgen'. Der Spielraum für den Verordnungsgeber war darin gelegen, unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Flächen, einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, Bewirtschaftungssysteme, Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen und Betriebsstrukturen anhand der in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 festgelegten Mindeststandards z.B. konkrete Standards für die Fruchtfolge auszugestalten. Es kann anhand dieser Vorgaben nicht erkannt werden, worin tatsächlich ein weiter Spielraum für den Verordnungsgeber gelegen sein sollte."
Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Schutz des Eigentums führt der Landwirtschaftsminister aus, dass der Reglementierungsgrad der angefochtenen Verordnung gering sei und bloß wirtschaftliche Chancen beeinträchtigt würden, die vom verfassungsrechtlichen Eigentumsrecht nicht erfasst seien.
Es sei insofern zutreffend, dass auch bei Beachtung der Verordnung eine Fruchtfolge nicht erreicht werde, "als der Betriebsinhaber die spezifisch individuelle Fruchtfolge in seiner jährlichen Anbauplanung vornimmt, wobei gerade auch die Erhaltung der organischen Substanz im Boden sowie die Verhinderung der Bodenmüdigkeit und der Ausbreitung von Schädlingen maßgebende Entscheidungskriterien darstellen." Mit dem nur grob vorgegebenen Rahmen sei bewusst lediglich ein Mindeststandard festgelegt und ein Eingriff mit gelinderen Mitteln gewählt worden.
Auch liege kein Verstoß gegen die Erwerbsfreiheit vor, da mit der Verordnung bloß die Erwerbsausübung beschränkt werde. Von der Beschränkung seien nur 15 % der betrieblichen Ackerflächen betroffen, sodass bloß in diesem Umfang das Risiko bestehe, für die Produkte geringere Preise zu erzielen. Der Eingriff sei daher auch nicht unverhältnismäßig.
3. Auf Anfrage des Verfassungsgerichtshofs hat der Landwirtschaftsminister noch zu einigen Rechtsfragen Stellung genommen.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Anträge erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art 139 Abs 1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art 139 Abs 1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
2. Die angefochtene Verordnungsbestimmung legt eine Voraussetzung für die Gewährung von Direktzahlungen fest. Über die Berechtigung, Direktzahlungen zu erhalten, wird über Antrag durch Bescheid abgesprochen. Würden Direktzahlungen wegen Nichteinhaltung der Verpflichtung zu einer bestimmten Art des Anbaues reduziert, so könnten die Antragsteller gegen den letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG erheben und hiebei die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung rügen. Den Antragstellern steht somit an sich ein anderer Weg als ein Individualantrag zur Verfügung.
3. Das Zuwarten auf die Erlassung eines bekämpfbaren, negativen Bescheides ist jedoch - wie die Antragsteller zu Recht ausführen - unzumutbar. Ein Bescheid, in dem die angefochtene Bestimmung angewendet wurde bzw. anzuwenden war, könnte nur ein abweisender Bescheid sein. Um zu einem derartigen Bescheid zu gelangen, müssten die Antragsteller gegen die Bestimmung verstoßen, indem sie eine Anbauweise verwenden, die der angefochtenen Verordnung widerspricht. Den Antragstellern ist jedoch nicht zumutbar, nur zum Zweck der Bekämpfung der angefochtenen Bestimmung eine beihilfenschädliche landwirtschaftliche Anbauweise zu wählen und damit den Verlust der Direktzahlung zu riskieren, zumal zwischen dem Anbau und der Ernte landwirtschaftlicher Produkte ein längerer Zeitraum liegt und die Anbauweise daher auch nicht kurzfristig geändert werden kann.
Wie sich auch aus der Äußerung des Landwirtschaftsministers zutreffend ergibt, steht auch der Weg über einen Feststellungsbescheid nach § 13 der INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 nicht zur Verfügung, weil die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen für den Fall der zukünftigen Änderung des Verhaltens des Antragstellers nicht einer Feststellung durch Bescheid zugänglich ist.
4. Der Antrag ist somit zulässig.
IV. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof Folgendes erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg. 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg. 15.644/1999, 17.222/2004).
2. Die Antragsteller bringen vor, dass der Landwirtschaftsminister bei Erlassung der Verordnung seiner "Begründungs- und Erhebungspflicht" nicht nachgekommen sei. Dadurch sei das Legalitätsprinzip verletzt.
Keine der Verordnungsermächtigungen des MOG 2007, auf die die INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 verweist, sieht vor, dass bei Erlassung der Verordnung ein besonderes Verfahren zu beachten gewesen wäre. Eine Begründungspflicht wie bei Erlassung eines Bescheides besteht bei der Erlassung von Verordnungen nicht. Ungeachtet dessen ergibt sich aus dem Verordnungsakt, dass der Landwirtschaftsminister ein Begutachtungsverfahren durchgeführt hat, in dem er zahlreichen Stellen, unter anderem auch anderen Ministerien, den Ämtern der Landesregierungen und den beruflichen Interessenvertretungen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
Es sind auch mehrere Stellungnahmen eingelangt, wovon sich lediglich die Landwirtschaftskammer Kärnten gegen die angefochtene Bestimmung ausgesprochen hat. Hingegen hat die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern zur angefochtenen Ziffer 6 der Anlage zu § 5 Abs 1 der INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 bloß eine überjährige Betrachtungsweise angeregt. Gegen den Kern der Bestimmung sprach sich auch die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern nicht aus.
3. Ferner bringen die Antragsteller vor, dass die Verordnung keine Deckung in "den zu Grunde liegenden Gesetzen" finde.
Dem ist zu entgegnen, dass die Verordnung ihre Deckung in § 12 MOG in Verbindung mit Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, findet, die den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auferlegt (Arg.: "Die Mitgliedstaaten stellen sicher..."). Im Anhang IV ist bezüglich der organischen Substanz im Boden die "Erhaltung des Anteils der organischen Substanz im Boden durch geeignete Praktiken" genannt. Das Gemeinschaftsrecht überlässt bloß die Wahl der "geeigneten Praktiken" den Mitgliedstaaten und erwähnt als Beispiel für solche Praktiken "gegebenenfalls Standards für die Fruchtfolgen". Die in Anlage 6 der INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung 2008 getroffene Lösung ist somit durch die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 mit Blick auf § 12 MOG gedeckt. Die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe, mit dem Ziel der Erhaltung der organischen Substanz des Bodens, "gegebenenfalls" eine Fruchtfolge festzulegen, ist auch hinreichend bestimmt, sodass sich eine nähere Regelung durch den österreichischen Gesetzgeber erübrigte. Somit ist das Legalitätsprinzip nicht verletzt.
4. Den Bedenken der Antragsteller, dass die Verordnung gesetzwidrig sei, weil sie verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechten widerspräche, ist Folgendes zu entgegnen:
4.1. Die Unterscheidung in tierhaltende Betriebe und reine Ackerbaubetriebe ist sachlich gerechtfertigt, weil tierhaltende Betriebe durch den anfallenden Stallmist über ausreichende organische Substanz verfügen und damit dem Ziel der Erhaltung organischer Substanz im Boden schon dadurch dienen.
4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Schutz des Eigentums (vgl. dazu VfSlg. 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg. 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zB VfSlg. 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg. 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).
Die angefochtene Verordnungsbestimmung verbietet keine bestimmte Anbauweise, sondern macht die Gewährung der Direktzahlung von dieser abhängig. Ob die Statuierung von Bedingungen für die Einräumung eines solchen öffentlich rechtlichen Anspruches überhaupt in das Eigentum eingreift, kann dahingestellt bleiben, weil die hier angefochtene Bedingung jedenfalls im öffentlichen Interesse liegt und eine Beschränkung auf bloß 15 % der Anbaufläche auch verhältnismäßig ist.
4.3. Aus denselben Gründen ist auch die Erwerbsfreiheit nicht verletzt.
V. 1. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind nicht
gesetzwidrig. Der Antrag war daher abzuweisen.
2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.