VfGH vom 02.10.1985, V36/84
Sammlungsnummer
10594
Leitsatz
AutomatenV des Bürgermeisters der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf vom ; keine Deckung des (weiten) Untersagungsbereiches der V in § 52 Abs 4 GewO - zum Schutzzweck des Gesetzes unverhältnismäßige Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten; sprachliche Trennbarkeit der V - Aufhebung von Teilen der V
Spruch
I. Die Worte "Etsdorf und" in der lita, "Etsdorf," in der litb, "des Kirchenplatzes und der Aufbahrungshalle in Etsdorf," in der litd sowie die gesamte litc der Z 1 der V des Bürgermeisters der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf vom , durch welche die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten aufgrund der Bestimmungen der §§39, 59 Nö. Gemeindeordnung, LGBl. 1000-3, iVm. § 52 Abs 4 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619, untersagt wird, werden als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im BGBl. kundzumachen.
III. Im übrigen wird das Verordnungsprüfungsverfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Beim VfGH ist zu Z B457/83 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom richtet. Mit diesem Bescheid wurde ein Straferk. der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom bestätigt, mit welchem der Bf. wegen der Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 15 iVm.
§52 Abs 4 der GewO 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. 619 (künftig: GewO), und der V des Bürgermeisters der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf vom (künftig AutomatenV) zu einer Geldstrafe von 500 S, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Arreststrafe von 18 Stunden verurteilt wurde.
2.1. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der AutomatenV von Amts wegen zu prüfen.
2.2. Die in Prüfung gezogene Regelung lautet:
"Auf Grund der Bestimmungen der §§39, 59 NÖ. GO, LGBl. 1000-3, in Verbindung mit § 52 Abs 4 Gewerbeordnungs-Novelle 1981 erläßt der Bürgermeister der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf folgende
Verordnung
1. Gemäß § 52 Abs 4 der Gewerbeordnungs-Novelle 1981 ist die Ausübung gewerblicher Tätigkeit mittels Automaten (Süßigkeiten, Kaugummiautomaten etc.) im Gebiet der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf, im Umkreis von 300 Meter auf folgenden Stellen untersagt.
a) im Umkreis der Schulen in Etsdorf und Haitzendorf,
b) im Umkreis der Kindergärten in Etsdorf, Haitzendorf und Engabrunn,
c) im Umkreis vom sämtlichen Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs und der Schulbushaltestellen,
d) im Umkreis des Kirchenplatzes Engabrunn, der Aufbahrungshalle Engabrunn, des Kirchenplatzes und der Aufbahrungshalle in Etsdorf, des Spielplatzes beim Feuerwehrheurigen Etsdorf in der Trift, des Kirchenplatzes Haitzendorf, des Sportplatzes Kamp und des Kapellenplatzes in Kamp.
2. Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung werden als Verwaltungsübertretung bestraft.
3. Diese Verordnung tritt mit dem Monatsersten, der auf die Kundmachungsfrist zunächst folgt, in Kraft."
3. Der Bürgermeister der Gemeinde Etsdorf-Haitzendorf und der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie haben im Verordnungsprüfungsverfahren Äußerungen erstattet.
4. Der VfGH ist in dem das Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß vorläufig davon ausgegangen, daß er den Einleitungssatz und alle in Punkt 1 der in Prüfung gezogenen V genannten literae, soweit Verbotsbereiche für Etsdorf festgelegt werden, bei der Prüfung des bei ihm angefochtenen Bescheides anzuwenden hat. Wenn auch die V Verbotszonen für mehrere andere Orte, die in der Marktgemeinde liegen, festlegt und die V nur hinsichtlich der Verbotszonen in Etsdorf anzuwenden ist, schien dem VfGH aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen Untrennbarkeit des Verordnungstextes vorzuliegen, sodaß er vorläufig davon ausging, daß er die V zur Gänze zu prüfen hat.
Diesen Annahmen ist im Verordnungsprüfungsverfahren weder der Bürgermeister noch der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie entgegengetreten.
Da auch sonst nichts hervorgekommen ist, das gegen die Überlegungen des Einleitungsbeschlusses spricht, ist das Verordnungsprüfungsverfahren an sich zulässig (zum Umfang vgl. 6.4.).
5.1. Der VfGH hat seine Bedenken gegen die AutmatenV wie folgt umschrieben:
"Wie sich aus dem Verordnungstext ergibt, werden Verbotszonen unterschiedslos in einem Umkreis von 300 m von in den Punkten 1 bis 4 des § 52 Abs 4 GewO bezeichneten öffentlichen Einrichtungen, Plätzen und Haltestellen verfügt. Die Verordnung, und zwar deren Einleitungssatz in Verbindung mit deren litc scheint § 52 Abs 4 GewO somit schon insofern zu widersprechen, als die Festlegung 'eines näheren Umkreises' als Verbotszone nur nach den Z 1 und 4 des § 52 Abs 4 GewO, also für Schulen und Plätze, die von unmündigen Minderjährigen frequentiert werden, vorgesehen ist, nicht aber nach dessen Z 2 und 3, die Aufnahmehaltestellen des öffentlichen Verkehrs und Schulbushaltestellen betreffen.
Der VfGH hat aber auch das weitere Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Verordnung dem Einleitungssatz des Abs 4 des § 52 GewO widerspricht, wonach die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten nur untersagt werden darf, soweit dies für bestimmte Zielsetzungen 'erforderlich' ist (vgl. hiezu ). Es ist nämlich nicht einsichtig, daß ein solches Erfordernis im Umkreis von 300 m der näher bezeichneten Stellen gegeben ist; die Verbotszonen sind hiedurch so weit gezogen, daß sie sich mehrfach überlappen und praktisch den gesamten Ortsbereich abdecken dürften.
Der VfGH hegt das Bedenken, daß eine solche Vorgangsweise des Verordnungsgebers mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht in Einklang zu bringen ist. Die Verordnung scheint daher mit Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes belastet zu sein."
5.2. In den Äußerungen wird zu diesen Bedenken ausgeführt:
5.2.1. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie nimmt wie folgt Stellung:
"Dieses Bedenken gegen Z 1 litc der Verordnung wird vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie grundsätzlich geteilt. Die Worte 'bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs' und 'bei Schulbushaltestellen' des § 52 Abs 4 Z 2 und 3 GewO 1973 schließen zwar nach Ansicht des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie nicht aus, daß ein bestimmtes räumliches Umfeld dieser Haltestellen in die Verbotszone einbezogen wird. Dies geht zweifellos aus dem Wort 'bei' sowie aus dem mit dieser Verordnungsermächtigung verfolgten Zweck hervor. Denn derartige Verordnungen wären sinnlos, wenn die Verbotszone nur den unmittelbarsten Haltestellenbereich abdecken würde. In dem dem Erkenntnis des GZ B410/83, zugrunde gelegenen Fall wurde übrigens die Verbotszone bei bestimmten Autobushaltestellen mit einem Umkreis von 40 m festgelegt, wobei die Entfernung von den Aufstellungsorten der Haltestellentafeln zu messen war. Die Festlegung eines Umkreises von 300 m dürfte aber nicht mehr die Festlegung einer Verbotszone bei den in Rede stehenden Haltestellen darstellen, wobei sich allerdings das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie mangels konkreter Kenntnis der in Betracht kommenden Situation an Ort und Stelle eines abschließenden Urteils darüber enthalten möchte.
2. Ein weiteres Bedenken gegen diese Verordnung hat der VfGH in seinem bereits zitierten Beschluß in der Richtung geäußert, die Verordnung widerspreche dem Einleitungssatz des § 52 Abs 4 GewO 1973, wonach die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten nur untersagt werden dürfe, soweit dies für bestimmte Zielsetzungen 'erforderlich' sei (vgl. hiezu VfGH-Erkenntnis vom , GZ B410/83). Es sei nämlich nicht einsichtig, daß ein solches Erfordernis im Umkreis von 300 m der näher bezeichneten Stellen gegeben sei; die Verbotszonen seien hiedurch so weit gezogen, daß sie sich mehrfach überlappen und praktisch den gesamten Ortsbereich abdecken dürften.
Die hier aufgeworfene Frage, ob es in den von der Verordnung festgelegten konkreten Fällen iS des § 52 Abs 4 Einleitungssatz GewO 1973 'erforderlich' ist, die Verbotszonen mit einem Umkreis von 300 m einzugrenzen, kann vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie mangels konkreter Ortskenntnis nicht beurteilt werden. Es erscheint aber durchaus denkbar, daß bestimmte konkrete Situationen Verbotszonen mit einem größeren Umkreis als in dem dem zitierten VfGH-Erkenntnis zugrunde gelegenen Fall, wo hinsichtlich der Schulen ein Umkreis von 150 m festgelegt war, notwendig bzw. iS des § 52 Abs 4 Einleitungssatz GewO 1973 erforderlich erscheinen lassen."
5.2.2. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf erstattete folgende Äußerung:
"c) Den Bedenken des VfGH gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf vom ist teilweise Berechtigung nicht abzusprechen:
aa) Zutreffend ist, daß lediglich Ziffer 1 und 5 des § 52 Abs 4 Gewerbeordnung die Festlegung eines 'näheren Umkreises' als Verbotszone kenne, die Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf jedoch im Gegensatz zu § 52 Abs 4 Gewerbeordnung die Verbotszone undifferenziert auch für Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs und Schulbushaltestellen festgelegt wurde.
bb) Es trifft weiters zu, daß die Aufbahrungshalle Engabrunn und die Aufbahrungshalle in Etsdorf keineswegs als Räume anzusehen sind, 'die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden', sodaß jedenfalls im Umkreis dieser Gebäude die Festlegung einer Verbotszone unberechtigt ist.
d) Im übrigen sind jedoch allfällige Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf nicht zu teilen:
aa) Völlig unzutreffend ist die Vermutung, daß die durch die Verordnung festgelegten Verbotszonen so weit gezogen sind, daß sie sich mehrfach überlappen und praktisch den gesamten Ortsbereich abdecken. Richtig ist, daß sich die Verbotszonen mehrfach überlappen, und es trifft zu, daß die Verbotszonen jeweils das Zentrum der in der Verordnung genannten Ortschaften abdecken, worin aber ein Widerspruch mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht erblickt werden kann.
Es darf nicht verkannt werden, daß es sich bei der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf um eine Großgemeinde mit ausgeprägter ländlicher Struktur seiner Katastralgemeinden handelt. Erfahrungsgemäß ist es gerade in Orten mit ausgeprägter ländlicher Struktur üblich, daß auch unmündige Minderjährige einen Großteil ihrer Freizeit außer Haus im Freien verbringen und auf Wegen und Straßen sowie Plätzen der Ortschaft spielen. Gerade im ländlichen Bereich, wo noch dazu durch Bundesstraßen (wie im gegenständlichen Fall) geeignete Umfahrungsmöglichkeiten geschaffen sind und weitgehende Verkehrsarmut vorliegt, hat sich an dieser Gepflogenheit auch in den letzten Jahren nur wenig geändert. Offensichtlich war der Gesetzgeber bei der Abfassung des § 52 Gewerbeordnung darüber im klaren, daß es von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und Gepflogenheiten abhängig ist, insoweit Schutzmaßnahmen zugunsten unmündiger Minderjähriger vonnöten sind. Dies bringt der Gesetzgeber durch Einfügung des Wortes 'erfahrungsgemäß' in Ziffer 2 und 4 des § 52 Abs 4 Gewerbeordnung zum Ausdruck.
bb) Wenn daher konzediert wird, daß die in der Verordnung genannten Aufbahrungshallen nicht unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung subsumiert werden können, so ergibt sich doch, daß die übrigen in der Verordnung genannten Gebäude, Örtlichkeiten und Plätze den Schutzvorschriften der Gewerbeordnung entsprechen.
Die in der Verordnung genannten Schulen sind unter Ziffer 1, die Kindergärten unter Ziffer 4, die Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs unter Ziffer 2, die Schulbushaltestellen unter Ziffer 3, der Kirchenplatz, der Sportplatz und der Kapellenplatz (Ziffer 1 litd. der Verordnung) unter Ziffer 4 des § 52 Abs 4 Gewerbeordnung zu subsumieren.
cc) Der VfGH meint, es sei nicht einsichtig, daß die Verhängung einer Verbotszone in einem Umkreis von 300 m erforderlich sei, um dem Gedanken des Gesetzes zu entsprechen. Dem ist jedoch zu widersprechen. Es wird auf obige Ausführungen verwiesen und wiederholt, daß gerade die genannten Plätze und Orte beliebte Treffpunkte von Kindern sind, und allein schlechte Witterung vermag die Kinder der Ortschaften abhalten, sich im Freien zum Spiel zu treffen, sodaß es geradezu regelmäßige Zusammenkünfte der Jugendlichen gibt, und es wäre gar nicht im Sinn naturverbundener Kindererziehung, wollte man diesbezüglich (im schlecht verstandenen Sinn) eingreifen; vielmehr sind die Verantwortlichen der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf froh darüber, daß die örtlichen Gegebenheiten den Kindern noch erlauben, relativ gefahrlos ohne besondere Beaufsichtigung im Freien zu spielen, ohne daß es generell erforderlich wäre, die Kinder auf speziellen Spielplätzen 'zusammenzufassen' und dergestalt eine Reglementierung der Freizeitgestaltung vorzunehmen. Unter diesem Gesichtspunkt ist aber die Festlegung einer Verbotszone im Umkreis von 300 m durchaus gerechtfertigt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß den Kindern nicht etwa bestimmte Plätze zugewiesen werden bzw. keine Anordnungen existieren, wo Kinder spielen dürften oder nicht. Daraus ergibt sich aber auch zwangslos, daß es notwendig ist, den 'Umkreis' der Verbotszone nicht zu eng zu halten, da ansonsten der Absicht des Gesetzgebers nicht entsprochen werden kann. Die Kinder bewegen sich im Spiel durchaus über größere Entfernungen, und wenn in der Verordnung ohnehin eine Beschränkung des 'Umkreises' auf 300 m statuiert wurde, ist damit ohnehin schon dem Umstand entsprochen, daß die Bestimmungen der Gewerbeordnung kein generelles Verbot der Ausübung der verpönten gewerblichen Tätigkeiten ermöglichen.
dd) Dem Gesetz erscheint auch entsprochen zu sein, insoweit die Verbotszone in Ansehung sämtlicher Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs und der Schulbushaltestellen im erwähnten Umfang festgesetzt wurden. In Anbetracht der bestehenden Verkehrsverbindungen ist es bisweilen unumgänglich, daß die Kinder längere Zeit (bis zu einer Stunde und mehr) an den Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs bzw. Schulbushaltestellen warten, und es ergibt sich zwangsläufig, daß in dieser Zeit ein gewisser Bewegungsdrang realisiert wird, wobei im einzelnen auf obige Ausführungen zu verweisen ist.
e) Wenn daher der VfGH Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung zu haben glaubt, dürfen all diese Erwägungen nicht außer acht gelassen werde. Der Bürgermeister der Gemeinde Etsdorf-Haitzendorf hat die Schutzvorschriften des § 52 Abs 4 Gewerbeordnung in gutmeinendem Sinn zur Anwendung gebracht und die gegenständliche Verordnung erlassen, um den Gegebenheiten in seiner Gemeinde hinreichend gerecht zu werden. Es wäre nicht einsichtig, wollte man diesen Bemühungen der Gemeindevertretung nicht das erforderliche Verständnis entgegenbringen. Gerade die jeweilige Gemeindevertretung ist in der Lage, die spezifischen Erfordernisse, ihren ureigensten Bereich betreffend, wahrzunehmen und danach die politischen und verwaltungsrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Es würde daher auch einen nicht unerheblichen Widerspruch zum Grundsatz der Gemeindeautonomie bilden, wollte man die Selbstbestimmungsrechte und -möglichkeiten der Gemeindeorgane über Gebühr einschränken.
f) Abgesehen von den als zutreffend zugegebenen Bedenken, die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung bestehen, erachtet daher der Bürgermeister der Marktgemeinde Etsdorf-Haitzendorf die von ihm erlassene Verordnung vom als gesetzeskonform und vertritt er darüber hinaus die Auffassung, daß mit einer bloßen Teilaufhebung wegen Gesetzwidrigkeit in Ansehung der von berechtigten Bedenken getroffenen Punkten das Auslangen gefunden werden kann."
6. Der VfGH hat in der Sache selbst erwogen:
6.1. Die in Prüfung gezogene V stützt sich auf § 52 Abs 4 der GewO.
Diese Bestimmung lautet:
"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,
1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,
2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,
3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,
4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder
5. im näheren Umkreis der in Z 4 angeführten Plätze und Räume
untersagen."
6.2. Wortlaut und Sinn des Einleitungssatzes des § 52 Abs 4 leg. cit. erweisen, daß das Gesetz den Bürgermeister zur Erlassung einer V, die die Ausübung gewerblicher Tätigkeit mittels Automaten untersagt, nur dann ermächtigt, wenn dies zum Schutz unmündiger Mj. vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist. Der Formulierung der Z 1 bis 4 ist zusätzlich zu entnehmen, daß der Gesetzgeber die Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen hinsichtlich der aufgezählten Örtlichkeiten - nämlich Schulen, Schulbushaltestellen, Aufnahmestellen und andere Plätze und Räume - unterschiedlich wertet. Aufbau und Inhalt des Gesetzes erweisen schließlich, daß der Gesetzgeber den Zuckerlvertrieb durch Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Mj. ausgerichtet sind, nicht zur Gänze unterbinden will. Sein Ziel war es offensichtlich nur, dem Bürgermeister die Möglichkeit zu geben, durch Erlassung von V zu verhindern, daß durch eine allzu leichte Erreichbarkeit einschlägiger Automaten ein besonderer Anreiz zu unüberlegten Geldausgaben stattfindet und damit unmündige Mj. aus den Automaten gleichsam spielerisch Waren beziehen (vgl. insbesondere VfSlg. 10050/1984, aber auch 798 BlgNR XV. GP). Das Gesetz untersagt damit eine - zum Schutzzweck - unverhältnismäßige Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten durch V.
6.3. Ausgehend von diesem Gesetzesinhalt erweisen sich die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken gegen die in Prüfung gezogene V als begründet.
6.3.1. Auch der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie teilt diese Bedenken, soweit die V (Z1 litc) den Automatenvertrieb im Umkreis von 300 m von sämtlichen Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs oder Schulbushaltestellen untersagt; er gibt jedoch zu erwägen, daß § 52 Abs 4 Z 2 und 3 GewO (arg. "bei Aufnahmestellen" und "bei Schulbushaltestellen") den Verordnungsgeber bei der Erlassung von Verboten nicht auf den unmittelbaren Haltestellenbereich beschränkt. Der VfGH sieht keine Veranlassung, diesen Überlegungen des Bundesministers entgegenzutreten, zumal er im Erk. VfSlg. 10050/1984 keine Bedenken gegen eine UntersagungsV hegte, die eine Verbotszone von 40 m bei Haltestellen anordnete. Der VfGH verschließt sich auch nicht den Überlegungen des Bürgermeisters, daß die konkreten Umstände dafür maßgeblich sind, ob ein Untersagungsbereich weiter oder enger zu ziehen ist. Der VfGH ist jedoch der Meinung, daß für Haltestellen im Ortsbereich die Festlegung eines Umkreises von 300 m im Gesetz keinesfalls Deckung findet; das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, da bei einer größeren Distanz als 50 m nicht mehr davon gesprochen werden kann, daß sich ein Warenautomat "bei einer Haltestelle" befindet.
6.3.2. Hinsichtlich der Verbotszonen nach den lita, b und d der V enthält sich der Bundesminister mangels Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten jeglicher Stellungnahme. Der Bürgermeister verteidigt diese Verordnungsstellen im wesentlichen mit der Begründung, daß es in verkehrsarmen ländlichen Gebieten Kinderart wäre, alle Plätze einer Ortschaft beim Spiel abwechselnd aufzusuchen; er konzediert lediglich, daß die in der V auch genannte Aufbahrungshalle zu Unrecht aufgezählt worden wäre. Der Bürgermeister vermeint jedoch, daß aus den bereits gesagten Gründen ein Umkreis von 300 m um die in der V genannten sonstigen Örtlichkeiten gerechtfertigt wäre.
Was zur Verteidigung der V vorgebracht wird, erweist jedoch gerade deren Gesetzwidrigkeit. Die Ansicht des Bürgermeisters würde nämlich dazu führen, dem Gesetz den Inhalt zu unterstellen, daß der Warenvertrieb an Jugendliche mit Automaten durch V der Bürgermeister ohne weitere Beurteilung der Notwendigkeit untersagt werden kann. Ein solcher Inhalt kommt dem Gesetz aber - wie bereits unter 6.2. dargelegt wurde - nicht zu. Sicher wird an die Einschätzung einer Gemeinde, in welchem Ausmaß eine UntersagungsV erforderlich ist, kein allzu strenger Maßstab anzulegen sein, solange die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß Kinder, um deren Schutz es dem Gesetzgeber geht, den Aufstellungsort eines Warenautomaten von den im Gesetz genannten Orten aus, an denen sie sich erfahrungsgemäß häufig aufhalten, leicht, also ohne besondere Mühe und ohne besonderen Zeitaufwand, (was einer Distanz von höchstens 200 m entspricht) erreichen können. Die Festlegung eines Umkreises von 300 m scheint dem VfGH in jedem Fall als zu weitgehend, da sich der Automat in einem solchen Fall nicht mehr in einer solchen Nahebeziehung zu den von Kindern am häufigsten frequentierten Plätzen befindet. Damit widerspricht auch die Festlegung eines Umkreises von 300 m für die in den lita, b und d der V genannten Örtlichkeiten dem Gesetz.
6.4. Dennoch war die in Prüfung gezogene V nicht zur Gänze aufzuheben, da sich die Annahme des Einleitungsbeschlusses, die V sei schon aus sprachlichen Gründen untrennbar, nicht als richtig erweist. Mit der Aufhebung der im Spruch genannten Worte konnten vielmehr die gesetzwidrigen Verordnungsteile beseitigt werden, was bewirkt, daß der verbleibende Rest der V im Beschwerdefall nicht mehr präjudiziell ist.
6.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.