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VfGH vom 29.06.1985, V35/84

VfGH vom 29.06.1985, V35/84

Sammlungsnummer

10518

Leitsatz

Art139 Abs 1 B-VG; Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom betreffend Stempelgebühren für Schriften auf dem Gebiete des Gewerberechtes - eine Rechtsverordnung; Abschn. I Z 1 lita und litc sublitaa betreffend erhöhte Eingaben- bzw. Ausfertigungsgebühr bei freien Gewerben in Widerspruch zum GebührenG; mangelnde Kundmachung im BGBl. - Aufhebung der gesamten V

Spruch

Der Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom , Z 1106000/1-IV/11/78, betreffend Stempelgebühren für Schriften auf dem Gebiete des Gewerberechtes (kundgemacht im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung 1978/273) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Erlaß ist nicht mehr anzuwenden.

Der Bundesminister für Finanzen ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist zu B90/80 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Bf. des Anlaßverfahrens meldete mit Eingabe vom beim Magistrat der Stadt Wien ein freies Gewerbe an. Über Verlangen des Magistrates brachte sie für die Gewerbeanmeldung 250 S und für den Gewerbeschein 400 S in Stempelmarken bei. Am beantragte sie gemäß § 241 Abs 2 BAO beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien die Rückerstattung der nach ihrer Ansicht zuviel entrichteten Gebühren von 180 S (Anmeldung) und von 330 S (Gewerbeschein); nach ihrer Meinung wäre nämlich für die Anmeldung nur die einfache Eingabegebühr von 70 S und für den Gewerbeschein eine Zeugnisgebühr von 70 S zu entrichten gewesen.

Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom das Rückerstattungsbegehren ab. Dieser Bescheid ist Gegenstand der einleitend erwähnten VfGH-Beschwerde.

2. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens beschloß der VfGH am , gemäß Art 139 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Abschn. I Z 1 lita und litc sublitaa des Erlasses des Bundesministers für Finanzen vom , Z 1106000/1-IV/11/78, betreffend Stempelgebühren für Schriften auf dem Gebiete des Gewerberechtes, (kundgemacht im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung 1978/273) (im folgenden kurz: Gebührenerlaß 1978) einzuleiten. Der Gerichtshof nahm vorläufig an, daß dieser Erlaß als V zu qualifizieren sei. Er äußerte das Bedenken, daß es sich um eine Rechtsverordnung handle, die gesetzwidrigerweise nicht im BGBl. kundgemacht wurde, und daß die in Prüfung gezogenen Erlaßstellen inhaltlich dem Gebührengesetz 1957 (GebG) widersprächen.

3. Der Bundesminister für Finanzen erstattete eine Äußerung, in der er den Verordnungscharakter des Erlasses in Abrede stellt und die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Vorschrift verteidigt.

II. 1. Die hier bedeutsamen Bestimmungen des Gebührenerlasses 1978 finden sich in dem besonderen, die Gebührenpflicht auslösende Fälle regelnden Abschn. I des Gebührenerlasses 1978. Sie lauten iZm. den Überschriften und der Einleitung (die geprüften Vorschriften sind hervorgehoben):

"I

Pflichtig nach Gebühr in

Schriften § 14 GebG Schilling

1. Erlangung einer Gewerbeberechtigung

für ein Anmeldungsgewerbe oder ein

konzessioniertes Gewerbe:

a) Anmeldung (Ansuchen) TP6 Abs 2 250

b) Bescheid TP2 Abs 1 400

c) Gewerbeschein, Konzessionsdekret

aa) soweit diese als Bescheid gelten TP2 Abs 1 400

bb) in allen anderen Fällen TP14 Abs 1 70

2. ................"

2. Maßgeblich sowohl zum Zeitpunkt der Herausgabe des Gebührenerlasses 1978 als auch des angefochtenen Bescheides war das GebG 1957 idF der Nov. BGBl. 668/1976.

Danach betrug gemäß § 14 TP6 Abs 1 GebG die Eingabengebühr grundsätzlich 70 S.

Eine erhöhte Eingabengebühr von 250 S sah § 14 TP6 Abs 2 Z 1 für "Ansuchen um Erteilung einer Befugnis oder die Anerkennung einer Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit" vor.

Nach § 14 TP14 Abs 1 Z 1 unterlag im allgemeinen die Ausstellung eines "Zeugnisses" einer Gebühr von 70 S. Für eine "amtliche Ausfertigung" über die "Erteilung einer Befugnis oder Anerkennung einer Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit" war hingegen gemäß § 14 TP2 Abs 1 Z 1 - von hier nicht in Betracht zu ziehenden besonderen Gebührensätzen abgesehen - eine Gebühr von 400 S zu entrichten.

Die materielle Frage, um die es hier geht, ist, ob hier die gewöhnlichen Gebühren von 70 S oder die erhöhten Gebühren von 250 S und 400 S vorgesehen sind.

III. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens erwogen:

1. Der Bundesminister für Finanzen meint, beim Gebührenerlaß 1978 handle es sich um keine imperative Anordnung der Behörde, sondern bloß um eine Wiedergabe der Gesetzeslage. Von einem Willensakt, der die Rechtsunterworfenen durch normative Anordnung binden solle - dies wäre Voraussetzung für die V -, könne keine Rede sein.

Es sei anzunehmen, daß dem Verordnungsgeber die Judikatur des VfGH zur Frage der Rechtswidrigkeit nicht gehörig kundgemachter RechtsV bekannt gewesen sei und daß er sich dieser Judikatur entsprechend rechtmäßig verhalten habe.

Ob der Erlaß einen Hinweis enthalte, daß er nur die unverbindliche Rechtsmeinung der Oberbehörde bekannt gebe oder ob dieser Hinweis fehle, könne an seiner Rechtsqualität nichts ändern. Es sei nämlich dem hierarchischen Behördenaufbau immanent, daß sich die nachgeordneten Behörden selbst an als unverbindlich bezeichnete Rechtsmeinungen der obersten Behörden gebunden fühlten, wollten sie nicht Gefahr einer aufsichtsbehördlichen Maßnahme laufen.

Dem Erlaß sei nicht zu entnehmen, daß der Bundesminister für Finanzen die Handhabung des Gesetzes in einem bestimmten Sinn verlange; er hindere demnach die nachgeordneten Behörden rechtlich nicht, das Gesetz gegebenenfalls in einem anderen Sinn auszulegen. Es handle sich beim Gebührenerlaß 1978 daher um keine RechtsV, sodaß er auch nicht im BGBl. zu publizieren gewesen sei.

Im übrigen trage es wesentlich zur Rechtssicherheit bei, wenn Weisungen, die naturgemäß nicht unverbindlich sein könnten und nach Art 20 Abs 1 B-VG an eine Mehrheit bestimmter Organe ergehen könnten, durch Verlautbarung in einem Amtsblatt der Allgemeinheit zur Kenntnis gelangten, sodaß jeder einzelne sich die Chancen eines verwaltungsbehördlichen Rechtsmittelverfahrens ausrechnen könne, ohne deshalb in seiner Rechtsverfolgung bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes eingeschränkt zu sein.

2. Diese Ausführungen vermögen den VfGH nicht von seiner bisherigen Judikatur abzubringen (vgl. zB VfSlg. 9353/1982, 9416/1982, 10170/1984) und davon zu überzeugen, daß es sich beim Gebührenerlaß 1978 um eine RechtsV handle.

Der Erlaß kann nur als Gesamtheit betrachtet werden; er ist eine normative Einheit und seinem Inhalt nach imperativ. Er legt detailliert fest, welche ziffernmäßig angeführten Gebühren für bestimmte, genau bezeichnete Schriften zu entrichten sind. Wie der Bundesminister für Finanzen selbst in seiner Äußerung einräumt, werden damit die nachgeordneten Behörden gebunden, die Entrichtung dieser - und keiner anderen - Gebühren von den Gebührenpflichten zu begehren. Zu dieser - richtigen - Ansicht steht die Auffassung des Bundesministers für Finanzen in unlösbarem Widerspruch, die nachgeordneten Behörden könnten rechtlich auch anders entscheiden.

Wenn im Erlaß bestimmte Beträge ziffernmäßig genannt werden, wird damit keineswegs bloß der Gesetzestext wieder- oder eine höchstgerichtliche Judikatur bekanntgegeben; vielmehr stellen diese Ausführungen den Willensakt des Bundesministers für Finanzen dar, daß in den dort näher umschriebenen Fällen die dort genannten Gebühren eingehoben werden sollen.

Der Erlaß engt den vom Gesetz den nachgeordneten Finanzbehörden eingeräumten Spielraum entscheidend ein, indem er bestimmten (wesentlich konkreter als im Gesetz bezeichneten) Schriften ziffernmäßig bestimmte Gebührensätze zuweist. Dies hat rechtliche Auswirkungen für die Gebührenpflichtigen.

Es handelt sich beim Gebührenerlaß 1978 also um eine RechtsV.

3. Das Verfahren hat keine Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde ergeben. Der VfGH wird also im Beschwerdeverfahren in der Sache selbst zu entscheiden haben. Hiebei hätte er die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Gebührenerlasses 1978 anzuwenden. Diese Verordnungsbestimmungen sind daher präjudiziell in der Bedeutung des Art 139 Abs 1 B-VG.

4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

IV. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:

1. Die V des Bundesministers wurde entgegen dem Gebot des § 2 Abs 1 litf des BG über das BGBl., BGBl. 293/1972 (jetzt: BGBl. 200/1985), nicht im BGBl. kundgemacht.

Sie ist daher schon aus diesem (formellen) Grund mit Gesetzwidrigkeit belastet.

2. Aber auch die inhaltlichen Bedenken treffen zu:

a) Der VfGH äußerte im Einleitungsbeschl. in dieser Hinsicht das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Erlaßstellen aus folgenden Gründen inhaltlich dem GebG widersprächen:

"Gemäß § 14 TP6 Abs 2 Z 1 bzw. § 14 TP2 Abs 1 Z 1 war die erhöhte Gebühr (Eingaben- bzw. Ausfertigungsgebühr) von 250 S bzw. 400 S (statt der normalen Gebür von 70 S) nur für 'Ansuchen um Erteilung einer Befugnis oder die Anerkennung einer Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit' bzw. für die Erteilung einer derartigen Befugnis vorgesehen.

Der Abschnitt I Z 1 des Gebührenerlasses 1978 schreibt nun unterschiedslos für alle Gewerbe (also sowohl für die konzessionierten als auch für die Anmeldungsgewerbe - d.s. nach § 6 der Gewerbeordnung 1973 Handwerke, gebundene Gewerbe und freie Gewerbe) die erhöhten Gebühren vor.

Im Hinblick auf § 5 Z 2 GewO 1973, wonach konzessionierte Gewerbe erst nach Erteilung der Bewilligung (Konzession) ausgeübt werden dürfen, scheint für diese Art von Gewerben der Gebührenerlaß 1978 die erhöhten Gebühren zu Recht vorzusehen.

Anmeldungsgewerbe hingegen dürfen dem § 5 Z 1 GewO zufolge bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen (bereits) aufgrund der Anmeldung ausgeübt werden. Es scheint, daß es hiezu keines Ansuchens iS des § 14 TP6 GebG bedarf; dann aber sieht Abschnitt I Z 1 lita des Gebührenerlasses 1978 die erhöhte Eingabengebühr zu Unrecht vor.

Ähnliches gilt für die (erhöhte) Ausfertungsgebühr für die auf Anmeldungsgewerbe bezughabende Gewerbescheine, für die Abschnitt I Z 1 litc sublitaa des Gebührenerlasses 1978 dann die erhöhte Ausfertigungsgebühr vorschreibt, wenn die Gewerbescheine als Bescheide gelten. Unter bestimmten Voraussetzungen (nämlich dann, wenn die Behörde keinen vorangehenden gesonderten Feststellungsbescheid erlassen hat) gilt dem § 340 Abs 4 GewO zufolge ein solcher Gewerbeschein als Bescheid und unterliegt dann nach der zitierten Erlaßstelle der (erhöhten) Ausfertigungsgebühr, obgleich mit dem Gewerbeschein - wie der VfGH vorläufig annimmt - in diesen Fällen weder eine Befugnis erteilt noch damit normativ (ausdrücklich) die Befähigung zur Ausübung des Gewerbes festgestellt wird, von einer derartigen - allerdings bloß indirekten - Feststellung könnte allenfalls noch bei handwerksmäßigen und gebundenen Gewerben gesprochen werden, keinesfalls aber bei freien Gewerben. Im Hinblick auf die unterschiedslose Behandlung der Ausfertigungsgebühr für alle als Bescheide geltenden Gewerbescheine und Konzessionsdekrete ist anscheinend auch diese Erlaßbestimmung inhaltlich gesetzwidrig."

b) Dem hält der Bundesminister für Finanzen folgendes entgegen:

Zu § 14 TP2:

"Gemäß § 5 der GewO 1973 sind Anmeldungsgesetze solche Gewerbe, die bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen aufgrund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes ausgeübt werden dürfen. Gem. § 6 leg. cit. sind handwerkliche und gebundene Gewerbe Anmeldungsgewerbe, für deren Ausübung neben den allgemeinen Voraussetzungen auch besondere Voraussetzungen (Meisterprüfung oder Befähigungsnachweis anderer Art) erfüllt sein müssen, während für die Ausübung freier Gewerbe nur die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Allgemeine Voraussetzungen sind gem. §§8 ff. leg. cit. ua. die Eigenberechtigung der natürlichen Person (mit Ausnahmen), die Bestellung eines Geschäftsführers oder Pächters bei juristischen Personen, die Staatsbürgerschaft, die Ausübung an einem nichtverbotenen Standort usf.

Gem. § 339 leg. cit. hat, wer ein Anmeldungsgewerbe ausüben will, die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten. Die Anmeldung hat die genaue Bezeichnung des Gewerbes und des für die Ausübung in Aussicht genommenen Standortes zu enthalten; der Anmeldung sind die Nachweise über die allgemeinen Voraussetzungen (Geburtsurkunde, Meldeschein, Staatsbürgerschaftsnachweis usw.) und allenfalls erforderlicher besonderer Voraussetzungen (Meisterprüfung ua.) anzuschließen. Aufgrund der Anmeldung hat die Bezirksverwaltungsbehörde gem. § 340 leg. cit. zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen und über das Ergebnis ihrer Feststellung einen Bescheid zu erlassen. Unter bestimmten Voraussetzungen, wenn nämlich die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind und ein gesonderter Bescheid nicht ergeht, gilt dem § 340 Abs 4 zufolge der Gewerbeschein als Bescheid. Mit diesem Bescheid wird das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes festgestellt. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies mit Bescheid festzustellen (§340 Abs 7 leg. cit.). Zu den gesetzlichen Voraussetzungen, die vor Erlassung des Bescheides zu prüfen sind, gehören sowohl die allgemeinen (§§8 ff. leg. cit.) wie auch die besonderen Voraussetzungen (§6 leg. cit.). Letzere jedoch nur bei den handwerksmäßigen und gebundenen Gewerben. Mit dem positiven Bescheid (Gewerbeschein) wird daher bei freien Gewerben das Vorhandensein der allgemeinen und bei handwerksmäßigen und gebundenen Gewerben auch der besonderen Voraussetzungen festgestellt.

Der Gebühr gem. § 14 TP2 Abs 1 Z 1 GebG unterliegt die amtliche Ausfertigung betreffend die Anerkennung einer Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Der VfGH geht in seinem Beschluß vorläufig davon aus, daß diese Bestimmung sich allenfalls auf das Vorliegen der besonderen Voraussetzung der fachlichen Befähigung (Meisterprüfung ua.) bei handwerksmäßigen und gebundenen Gewerben bezieht, keinesfalls aber auf die freien Gewerbe, weil für diese eine besondere Voraussetzung der fachlichen Befähigung nicht erforderlich ist.

Nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen kann der Begriff 'Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit' nicht auf die besonderen Voraussetzungen für die Ausübung eines Gewerbes (fachliche Befähigung) eingeschränkt werden, sondern dieser Begriff umfaßt auch die allgemeinen persönlichen Voraussetzungen zur Ausübung eines Gewerbes. Die Gewerbeordnung nennt in den §§8 ff. die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines Anmeldungsgewerbes. Diese Bedingungen müssen bei allen Anmeldungsgewerben erfüllt sein, auch bei denen, die an einen fachlichen Befähigungsnachweis gebunden sind. Der fachliche Befähigungsnachweis ist nur eine der Voraussetzungen, die zur Ausübung eines Gewerbes befähigen. Wer zwar die fachlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines handwerklichen oder gebundenen Gewerbes erfüllt, aber nicht die allgemeinen Voraussetzungen, ist zur Ausübung des Gewerbes nicht befähigt. Unter 'Befähigung' im Sinne des Gebührengesetzes ist daher die Erfüllung aller von der Gewerbeordnung für die Berechtigung zur Ausübung des Anmeldungsgewerbes vorgesehenen Bedingungen zu verstehen.

Da der Bescheid nach § 340 GewO über das Vorliegen sowohl der allgemeinen als auch der besonderen Voraussetzungen abspricht, stellt dieser die Bestätigung der Kenntnisnahme der Gewerbeanmeldung nach erfolgter Überprüfung der Befähigung (der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen) und damit eine der Gebühr gem. § 14 TP2 Abs 1 Z 1 GebG unterliegende Anerkennung der Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit dar. Das Bundesministerium für Finanzen kann daher in der unterschiedslosen Behandlung der Ausfertigungsgebühr Gesetzwidrigkeit nicht erblicken.

Die vom VfGH ebenfalls aufgeworfene Frage der bloß indirekten Feststellung der Befähigung zur Ausübung der Erwerbstätigkeit stellt sich nur, wenn man unter dem Begriff 'Befähigung' bloß die fachliche Befähigung und nicht auch die persönliche Befähigung subsumiert. Aber selbst unter der Voraussetzung der vorläufigen Annahme des VfGH kann dem Umstand der bloß indirekten Feststellung der Befähigung keine Bedeutung zukommen. Im gesamten Bereich der Gewerbeordnung ist ein Fall der direkten Feststellung bzw. Anerkennung der fachlichen Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht bekannt. Soll daher die Bestimmung des Gebührengesetzes einen Sinn haben - und ein solcher muß ihr ja nach den Auslegungsregeln beigemessen werden -, dann muß sie wohl auch die indirekte Feststellung bzw. Anerkennung der Fähigkeiten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit umfassen.

Zu § 14 TP6

Anmeldungsgewerbe dürfen bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen aufgrund der Anmeldung ausgeübt werden. Nach Ansicht des VfGH bedarf es hiezu keines Ansuchens im Sinne des § 14 TP6 GebG.

Der VwGH bezeichnet Eingaben als Anbringen, wodurch ein bestimmtes Verhalten einer Privatperson zur amtlichen Kenntnis gebracht oder im Interesse einer Privatperson eine Anordnung oder Verfügung der Behörde innerhalb ihres gesetzlichen Wirkungskreises veranlaßt werden soll (Erk. vom , Z 288, 289/75 und die dort zitierte Vorjudikatur). Der Eingabenbegriff des Gebührengesetzes umfaßt neben Ansuchen nach Anmeldungen, Anzeigen usw. Auch der Gesetzgeber verwendet im Zusammenhang mit dem Tatbestand der gebührenpflichtigen Eingabe die verschiedensten Begriffe wie 'Ansuchen' (§14 TP6 Abs 2 Z 1 - 4 und 6, Abs 5 Z 10, 11 litb - g), 'Anmeldungen' (§14 TP6 Abs 2 Z 5), 'Anträge' (§14, TP6 Abs 3, Abs 5 Z 11 lita, Z 14), 'Gesuche' (§14 TP6 Abs 5 Z 3), 'Erklärungen' (§18 Abs 4), wobei diese Begriffe weitestgehend austauschbar sind. Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt es für die gebührenrechtliche Beurteilung nicht auf die äußere Erscheinungsform des Anbringens an, sondern auf den Zweck desselben. Ein sich bloß als Meldung (Anzeige) darstellendes Anbringen kann daher gegebenenfalls durchaus als Ansuchen zu werten sein (Erk. vom , Z 82/15/0116). Selbst in der Gesetzessprache findet der Begriff 'Anmeldung' Verwendung, wenn es sich zweifelsfrei um Ansuchen oder Anträge handelt. So können zB nach § 2 des Bundesgesetzes über die Bereinigung der Eigentumsverhältnisse des im Gewahrsam des Bundesdenkmalamtes befindlichen Kunst- und Kulturgutes, BGBl. 294/1969, Personen, die das Eigentumsrecht an einem bestimmten Kunst- und Kulturgut behaupten, ihren Anspruch auf Herausgabe 'anmelden'. Die Anmeldung des Anspruches auf Herausgabe ist ohne Zweifel - wie sich auch aus dem übrigen Gesetzesinhalt ergibt - als Geltendmachung des Anspruches und Antrag auf Herausgabe zu werten. So verhält es sich auch mit der Anmeldung eines Anmeldungsgewerbes. Der VwGH hat im Erk. vom , Z 2512/50 und 187/51, Slg. 2086 (A), zu der Regelung des Anmeldungsverfahrens nach der GewO 1859, die inhaltlich weitgehend von der GewO 1973 übernommen worden ist (EB: Mache - Kinscher, GewO, 5. Auflage, § 339 FN 2) ausdrücklich festgehalten, daß mit der Anmeldung des Gewerbes ein Parteibegehren verbunden ist, einerseits nach Überprüfung der in der Gewerbeanmeldung gemachten Angaben in der Richtung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes vorliegen und andererseits - bei Zutreffen der Voraussetzungen - nach Ausstellung eines Gewerbescheines (Bescheides). Mit dem Bescheid (Gewerbeschein) nach § 340 GewO wird die Befähigung zur Ausübung des Gewerbes, dh. das Vorliegen aller hiezu erforderlichen Voraussetzungen festgestellt und damit anerkannt. Die Anmeldung eines Anmeldungsgewerbes ist daher im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH als Ansuchen um Anerkennung der Befähigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu werten. Bei dieser Rechtslage kann das Bundesministerium für Finanzen in der Erhebung der erhöhten Eingabengebühr gem. § 14 TP6 Abs 2 Z 1 GebG für die Anmeldung von Anmeldungswerbern - ohne Unterschied, ob es sich um handwerkliche, gebundene oder freie Gewerbe handelt - eine Gesetzwidrigkeit nicht erblicken."

c) Diese Ausführungen des Bundesministers für Finanzen vermögen die Bedenken des VfGH nicht zu widerlegen:

Daß bei Anmeldungswerbern der Gebührentatbestand der "Erteilung einer Befugnis" von vornheren nicht in Betracht kommt, räumt der Bundesminister für Finanzen selbst ein.

Die "Anerkennung zur Befähigung einer Erwerbstätigkeit" umfaßt - wie sich aus dem klaren, eine andere Auslegung ausschließenden - Wortlaut der GewO 1973 ergibt, keinesfalls die freien Gewerbe, für die dem § 6 Z 3 GewO 1973 zufolge eben kein Befähigungsnachweis vorgeschrieben ist. Unter der "Befähigung" iS des § 14 TP2 Abs 1 und des § 14 TP6 Abs 2 Z 1 GebG, die iZm. der Ausübung einer Gewerbetätigkeit steht, kann nur dasselbe verstanden werden wie unter der "Befähigung" iS der GewO 1973 (so insbesondere des § 16), also jedenfalls nicht die allgemeinen Voraussetzungen, wie sie für freie Gewerbe genügen. Nach dem Gesagten wird demnach mit einem nach § 340 Abs 4 GewO 1973 ausgestellten Gewerbeschein zumindest bei freien Gewerben keinesfalls die "Befähigung" zur Ausübung eines Gewerbes festgestellt.

Diese Interpretation des GebG wird durch folgende Überlegungen bekräftigt.

Die erhöhte Eingabengebühr und die erhöhte Zeugnisgebühr finden ihre sachliche Rechtfertigung darin, daß - bei einer (zulässigen) Durchschnittsbetrachtung - bei derartigen Amtshandlungen der Arbeitsaufwand der Behörde größer ist als bei Amtshandlungen, für die die normalen Gebühren vorgesehen sind. Im Regelfall ist nun die Erledigung der Anmeldung eines freien Gewerbes mit wesentlich geringerem Arbeitsaufwand verbunden als etwa das Ansuchen um Erteilung einer Gewerbekonzession, muß doch im letzteren Fall wesentlich mehr geprüft werden als die Frage, ob die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen. Eine am Sinn des Gesetzes orientierte, verfassungskonforme Auslegung gebietet daher die Annahme, daß das Gesetz jedenfalls für freie Gewerbe die gewöhnlichen (niedrigeren) Gebühren festsetzt.

Jedenfalls bei freien Gewerben sehen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Gebührenerlasses 1978 sohin zu Unricht die erhöhte Eingaben- bzw. Ausfertigungsgebühr vor. Im Hinblick auf die unterschiedslose Behandlung dieser Gebühren für alle Gewerbe sind die in Prüfung gezogenen Erlaßbestimmungen inhaltlich gesetzwidrig.

Da der unter IV.1. konstatierte Kundmachungsmangel offenkundig die ganze V erfaßt, war nicht nur ihr in Prüfung gezogener (präjudizieller) Teil, sondern die gesamte V aufzuheben (Art139 Abs 3 litc B-VG).

4. Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art 139 Abs 5 und 6 B-VG.