VfGH vom 27.02.1986, v32/82

VfGH vom 27.02.1986, v32/82

Sammlungsnummer

10754

Leitsatz

Art139 Abs 1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der V des Gemeinderates Adnet vom betreffend Übernahme eines Weges als Gemeindeweg; in der Natur bereits vorhandener Weg zur öffentlichen Verkehrsfläche erklärt - aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des Grundeigentümers; Zulässigkeit des Antrages

V des Gemeinderates Adnet vom betreffend Übernahme eines Weges als Gemeindeweg; zum Zeitpunkt der V-Erlassung kein Enteignungsverfahren gemäß §§12 - 15 Sbg. LStG 1972 durchgeführt;

auch keine Widmung gemäß § 40 Abs 1 leg. cit. vorgelegen;

Gesetzwidrigkeit der V

Spruch

Die V des Gemeinderates der Gemeinde Adnet vom , mit der der Moosweg (Kirchenweg) als Gemeindeweg von der Gemeinde Adnet übernommen wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Sbg. Landesregierung ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im LGBl. kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Gemeinderat der Gemeinde Adnet beschloß am folgende (in der Zeit vom 17. Juni bis durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel kundgemachte) V:

"Gem. § 27 und § 29 Abs 2 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 wird verordnet, daß der Moosweg (Kirchenweg) in seiner gesamten Länge mit einer Abänderung der Streckenführung durch den Schallmooser-Grund, in seiner gesamten Länge als Gemeindeweg von der Gemeinde Adnet übernommen wird. Die Breite des Weges beträgt 2 m bzw. 1 m und betrifft ein Teilstück der Grundparzelle 902 und 134/4 beide KG Adnet (S A und E, wohnhaft in Hallein) und ein Teilstück der Grundparzelle 144/1 KG Adnet (M B, wohnhaft in Adnet, Schallmoosgut)."

Gleichzeitig wurden für diesen Weg Verkehrsbeschränkungen verfügt.

2.1. Die Antragsteller begehren mit der vorliegenden, offenbar auf Art 139 B-VG gestützten Eingabe vom , diese V als gesetzwidrig aufzuheben. Sie führen dazu aus, daß sie grundbücherliche Eigentümer der Grundparzelle ... der KG Adnet seien, über die ein unbefestigter Wiesenweg führe, auf dem zumindest ab dem Jahre 1940 eine Tafel mit dem sinngemäßen Text "Privatweg, Durchgang verboten" aufgestellt gewesen sei. Durch die bekämpfte V werde dieser Weg als Gemeindeweg von der Gemeinde Adnet gegen den Willen der Antragsteller "übernommen", ohne daß die Voraussetzungen des Sbg. LStG vorlägen. Die Antragsteller seien durch die bekämpfte V in ihrem Eigentumsrecht verletzt, weil seit deren Erlassung jedermann das Recht habe, das Grundstück zu begehen oder mit dem Fahrrad zu befahren. Eine von der Gemeinde gewünschte Übernahme einer Verkehrsfläche als Gemeindestraße könne nur durch Erwerb der Grundfläche durch Kauf oder durch Enteignung erfolgen. Die V bewirke eine Enteignung, ohne daß ein diesbezügliches Verfahren stattgefunden hätte.

2.2. Der Gemeinderat der Gemeinde Adnet hat eine Äußerung erstattet, in welcher darauf verwiesen wird, daß aufgrund eines Grundeinlösungsantrages der Gemeinde Adnet für den von der V betroffenen "Kirchweg" von einem verkehrstechnischen Amtssachverständigen festgestellt worden sei, daß ein öffentliches Verkehrsbedürfnis an einem Fuß- bzw. Fahrweg für Fahrräder vom Ort Adnet bis zur Siedlung Waidach bestehe. Da die Möglichkeit einer Alternative gegeben sei, werde ersucht, das beim VfGH anhängige Verfahren bis zur endgültigen Klärung dieser Möglichkeiten auszusetzen. Die Zustimmung der Antragsteller hiezu möge der - beigelegten - Verhandlungsschrift vom entnommen werden. In dieser Verhandlungsschrift heißt es wörtlich:

"Der Grundeigentümer erteilt seine Zustimmung daß zugunsten der Gemeinde Adnet grundbücherlich ein Geh- und Fahrtrecht letzteres beschränkt auf Radfahrer hinsichtlich der neuangelegten Straße eingeräumt wird, wenn hiefür eine Entschädigung von S 5.000,- von der Gemeinde gezahlt wird und die Gemeinde alle mit der Einräumung der Dienstbarkeit verbundenen Kosten, wie für Vertragsverfassung und Grundbuchseintragung getragen wird.

Sollte wider Erwarten der neue Weg nicht bestehen bleiben oder in seiner Breite eingeschränkt werden müssen, gilt diese Zusage für den alten Weg sofern die Breite des neuen Weges unter 2 m eingeschränkt werden muß. Wird das Geh- und Fahrtrecht auf dem neuen Weg begründet, muß die Gemeinde auf alle Rechte hinsichtlich des alten Weges verzichten. Bis zum Einlangen einer Stellungnahme der Naturschutzbehörde über das rechtmäßige Bestehen des neuen Weges wird zugestimmt, daß das anhängige VfGH-Verfahren ausgesetzt wird.

Einer Enteignung wird nicht zugestimmt, sondern lediglich der Einräumung eines grundbücherlichen Geh- und Fahrtrechtes unter den oben erwähnten Bedingungen."

2.3. Auch die Sbg. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie auf die bereits wiedergegebene Erklärung der Antragsteller laut Verhandlungsprotokoll vom verweist und vermeint, daß seit dem Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung ein Übereinkommen zwischen der Gemeinde Adnet und den Antragstellern hinsichtlich der zukünftigen Verkehrsverbindung für Fußgänger und Radfahrer erzielt worden sei.

3. Der VfGH hat über die Zulässigkeit der Antragstellung erwogen:

Wie der VfGH zu dem insoweit dem Sbg. Landesstraßengesetz 1972 (LStG) gleichartigen Oö. LStVG und zum Ktn. StrG mehrfach dargetan hat, greift eine V, mit der ein in der Natur bereits vorhandener und daher benützbarer Weg zur öffentlichen Verkehrsfläche erklärt wird, in die Rechtssphäre des betreffenden Grundeigentümers aktuell und nicht bloß potentiell ein; zur Konkretisierung der Wirkung der V bedarf es keines weiteren behördlichen Aktes (vgl. VfSlg. 9375/1982, 9377/1982 und 9877/1983 zum Ktn. StrG sowie VfSlg. 8156/1977 und 9532/1982 zum Oö. LStVG).

Es steht fest, daß der den Gegenstand der V des Gemeinderates der Gemeinde Adnet vom bildende Weg zum Zeitpunkt der Erlassung der V bereits in der Natur bestanden hat und daß die für die Wegerrichtung herangezogenen Grundstücksteile nach wie vor im grundbücherlichen Eigentum der Antragsteller stehen.

Weiters steht fest, daß es sich bei dem in Rede stehenden Straßenstück nicht um eine öffentliche Straße handelt. Seine Öffentlicherklärung hat damit die bereits beschriebene Wirkung. Der Antrag ist daher insofern zulässig. In die Rechtssphäre der Antragsteller greift die V wohl nur insoweit ein, als sie sich auf den über das Grundstück der Antragsteller führenden Teil des Weges - also auf die Parzelle ... - bezieht; da es die sprachliche Fassung der bekämpften V - für öffentlich erklärt wird der Moosweg "in seiner gesamten Länge" - jedoch nicht zuläßt, die Wirkung der V für diesen Teil des Weges im Falle ihrer Rechtswidrigkeit anders als durch Aufhebung der gesamten V zu beseitigen, ist der Verordnungsprüfungsantrag zur Gänze zulässig.

4. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:

4.1. § 1 Abs 1 LStG unterscheidet bei den unter das Gesetz fallenden Straßen zwischen Landesstraßen, Eisenbahnzufahrts- und sonstigen Konkurrenzstraßen, Gemeindestraßen, öffentlichen Interessentenstraßen und dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraßen. Gemäß § 29 Abs 2 LStG erfolgt der Bau neuer und die Übernahme bestehender Straßen als Gemeindestraßen aufgrund von V der Gemeindevertretung. Für die Herstellung, Umgestaltung und Erhaltung einer Straße kann gemäß §§12 - 15 LStG Eigentum im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Eine Privatstraße dient gemäß § 40 Abs 1 leg. cit. dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie diesen nicht durch äußere Kennzeichen ausschließt, was nicht erfolgen darf, wenn die Straße durch den Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde oder wenn die Privatstraße in zumindest zwanzigjähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde.

4.2. Die Öffentlicherklärung eines in der Natur bestehenden privaten Weges begründet Gemeingebrauch. Dieser ist jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden (§3 Abs 1 LStG). Der Eigentümer muß also die Benützung des Weges durch jedermann in Kauf nehmen. Durch die V wird daher in das Eigentumsrecht eingegriffen. Dies darf nur in der im LStG vorgesehenen Art geschehen, dh. entweder es liegen bereits die Voraussetzungen des § 40 Abs 1 LStG vor oder es ist ein Enteignungsverfahren nach den §§12 - 15 LStG durchzuführen (s. wieder VfSlg. 9375/1982, 9377/1982, 9877/1983, 8156/1977, 9532/1982). Keiner der beiden Fälle trifft hier zu. Ein Enteignungsverfahren war zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung noch nicht durchgeführt. Das Grundstück steht nach wie vor im Eigentum der Antragsteller. Nach dem Vorbringen der Antragsteller, das nicht bestritten wurde, lag auch keine Widmung gemäß § 40 Abs 1 LStG vor; wenn die Behörde mit ihrem Hinweis auf die Äußerung der Antragsteller in der Verhandlung vom zum Ausdruck bringen will, daß diese Äußerung als - nachträgliche - Widmung gemäß § 40 Abs 1 lita LStG zu werten sei, greift dies nicht, da die Äußerung der Antragsteller vom an sich zu unbestimmt ist, um für das Verordnungsprüfungsverfahren relevante Rechtswirkungen auszulösen. Nach dem Wortlaut der in Frage stehenden Erklärung wird der Gemeinde Adnet nämlich nur eine Dienstbarkeit eingeräumt. Eine Widmung nach § 40 Abs 1 lita LStG setzt aber voraus, daß die Straße für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wird. Die Rechtswidrigkeit der bekämpften V ist somit auch nicht durch die abgegebene Erklärung vom weggefallen.

4.3. Da die Voraussetzungen des Sbg. LStG für die Verordnungserlassung nicht erfüllt waren, ist die bekämpfte V als gesetzwidrig aufzuheben.

5. Die Verpflichtung der Sbg. Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im LGBl. erfließt aus Art 139 Abs 5 B-VG und § 60 Abs 2 VerfGG.