VfGH vom 11.06.2018, V3/2018
Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Fußgängerzonenverordnung in Tirol wegen gesetzwidriger Kundmachung; Text der Zusatztafeln nicht dem Verordnungstext entsprechend
Spruch
I.Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom , mit der die Fußgängerzone gemäß § 76a iVm § 94d Z 8 StVO 1960 eingerichtet wird, war im Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung am bis gesetzwidrig.
II.Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Antrag
1.Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol,
"der Verfassungsgerichtshof möge ein Verordnungsprüfungsverfahren in Bezug auf die nicht gehörige Kundmachung der in der Sitzung des [Gemeinderates] der Gemeinde Ischgl vom beschlossenen Verordnung einer Fußgängerzone gemäß Art 139 Abs 4 B-VG einleiten und feststellen, dass die Verordnung im Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung vom bis zum gesetzwidrig war.
[I]n eventu wird beantragt,
der Verfassungsgerichtshof möge ein in Bezug auf die in der Sitzung des [Gemeinderates] der Gemeinde Ischgl vom beschlossene Verordnung einer Fußgängerzone gemäß Art 139 Abs 4 B-VG feststellen, dass die Verordnung im Zeitraum vom bis zum nicht kundgemacht worden war".
II.Rechtslage
1.Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom lautet:
"VERORDNUNG
Fußgängerzone
Die Gemeinde Ischgl verfügt gem. § 76 a STVO in Verbindung mit § 94 d Zif 8 STVO und nach Durchführung des Anhörungsverfahrens gemäß § 94 f STVO 1960 im eigenen Wirkungsbereich zur Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs in der Gemeinde Ischgl nachstehende Verkehrsregelung:
§1
Die Dorfstraße im Bereich von Haus Nr 49 (Raiffeisenbank) bis zum Hotel Salnerhof – Dorfstraße 98, der Kirchenweg ab Kreuzung Kirchenweg/Oberer Kirchenweg, der Bachweg, der Persuttweg und der Silvrettaplatz (ausgenommen abgezäunte Privatgrundstücke) werden vom jeweils ersten Donnerstag einer jeden Wintersaison bis zum letzten Sonntag der jeweiligen Wintersaison durchgehend von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr zur Fußgängerzone erklärt und ist jeglicher Fahrzeugverkehr innerhalb dieses Bereiches verboten.
§2
Ausgenommen von diesem Verbot sind:
a) Fahrten von innerhalb der Fußgängerzone beherbergten Gästen bei der An- und Abreise auf dem kürzesten Weg zum oder vom Unterkunftsort.
b) Fahrten von innerhalb der Fußgängerzone wohnhaften oder beschäftigten Personen mit Berechtigungskarte, auf dem kürzesten Weg zum oder vom Ort der Unterkunft oder Arbeitsstätte soweit hauseigene Parkplätze vorhanden sind.
c) Zustellung von Frischwaren zwischen 06.00 – 09.00 Uhr (nur mit Berechtigung der Gemeinde), alle übrigen Zustelldienste zwischen 07.00 – 09.00 Uhr und 11.00 - 14.30 Uhr (nur mit Berechtigung der Gemeinde).
d) Fahrräder
e) landwirtschaftliche Fahrzeuge mit Standort Ischgl
f) Kutschen im Zuge der Gästebeförderung
g) Zufahrt zu den 3 Behindertenparkplätzen am Silvrettaplatz
§3
Für die in § 2 aufgezählten Ausnahmen, die in der Fußgängerzone fahren dürfen, gilt Einbahnregelung – Fahrtrichtung taleinwärts vom Haus Dorfstraße 50 bis zum Hotel Silvretta – Dorfstraße 74.
§4
Die Verordnung ist auf folgende Weise kundzumachen:
a) Durch Anschlag der Verordnung an der Gemeindetafel.
b) Durch das Aufstellen der Verkehrszeichen gem. § 53 Zif. 9 a STVO 1960 Zusatztafel gem. § 54 STVO 1960 und die Auflistung der unter § 2 aufgezählten Ausnahmen an folgenden Orten:
Von der Dorfstraße aus gesehen taleinwärts vor dem Haus Nr 49
Im Bereich des Hauses Mutta und bei der Auffahrt neben der Kegelbahn – Beginn Bachweg und Beginn Persuttweg -
An der Kirche im Bereich des Kriegerdenkmales außerhalb der Friedhofsmauer
Am Beginn des Silvrettaplatzes
An der Dorfstraße talauswärts gesehen beim Haus Dorfstraße 97.
c) Durch das Anbringen des Hinweiszeichens gem. § 53 Zif. 9 b STVO 1960 'Ende der Fußgängerzone' auf der Rückseite der unter Punkt b) beschriebenen Verkehrszeichen.
d) Durch das Anbringen des Vorschriftszeichens gem. § 52 Zif. 2 STVO 1960 ('Einfahrt verboten') in Fahrtrichtung talauswärts vor dem Hotel Yscla.
e) Durch Anbringen des Hinweiszeichens gem. § 53 Zif. 10 STVO 1960 ('Einbahn' mit Fahrtrichtungspfeil taleinwärts) bei der Kreuzung Persuttweg/Dorfstraße und der Auffahrt beim Haus Dorfstraße 60.
Der Gemeinderat
i.V. Der Bürgermeister […]"
2.Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom , mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159 idF BGBl I 30/2018, lauten – auszugsweise –wie folgt:
"§24. Halte- und Parkverbote.
(1) Das Halten und das Parken ist verboten:
[a) - h) …]
i) in Fußgängerzonen.
1. Während der Zeit, in der eine Ladetätigkeit vorgenommen werden darf, ist das Halten für die Dauer einer solchen Ladetätigkeit erlaubt.
2. Während der Zeit, in der das Befahren der Fußgängerzone mit Fahrzeugen des Taxi-, Mietwagen- oder Gästewagen-Gewerbes oder Fiakern jeweils erlaubt ist, ist das Halten mit solchen Fahrzeugen im Zusammenhang mit dem Aus- und Einsteigenlassen der Fahrgäste erlaubt.
3. Mit Fahrzeugen, die nach § 76a Abs 2 Z 3 und 4 und Abs 5 die Fußgängerzone befahren dürfen, ist das Halten und Parken für die Dauer der Tätigkeit in der Fußgängerzone erlaubt.
[j) - p) …]
[(2)-(8) …]
[…]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im § 43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des § 8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
[(1a)-(5) …]
[…]
§53. Die Hinweiszeichen
(1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen:
[1. - 8d. …]
9a. 'FUSSGÄNGERZONE' [Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt den Beginn einer Fußgängerzone an. Es bedeutet gleichzeitig, dass hier jeglicher Fahrzeugverkehr verboten ist, sofern sich aus § 76a nichts anderes ergibt. Dieses Zeichen darf auch nur auf der Fahrbahn angebracht werden.
9b. 'ENDE EINER FUSSGÄNGERZONE' [Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt das Ende einer Fußgängerzone an. Es darf auch nur auf der Fahrbahn angebracht werden.
[9c. - 29 …]
(2) […]
§54. Zusatztafeln.
(1) Unter den in den §§50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den in § 38 genannten Lichtzeichen können auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.
(2) Die Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln müssen leicht verständlich sein. Insbesondere kann auch durch Pfeile in die Richtung der Gefahr oder des verkehrswichtigen Umstandes gewiesen werden.
(3) Die Zusatztafeln sind Straßenverkehrszeichen. Sie sind, sofern sich aus den Bestimmungen des § 53 Z 6 nichts anderes ergibt, rechteckige, weiße Tafeln; sie dürfen das darüber befindliche Straßenverkehrszeichen seitlich nicht überragen.
(4) Zusatztafeln dürfen nicht verwendet werden, wenn ihre Bedeutung durch ein anderes Straßenverkehrszeichen (§§50, 52 und 53) zum Ausdruck gebracht werden kann.
(5) […]
[…]
§76a. Fußgängerzone
(1) Die Behörde kann, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgängerverkehrs, die Entflechtung des Verkehrs oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines Gebäudes oder Gebietes erfordert, durch Verordnung Straßenstellen oder Gebiete dauernd oder zeitweilig dem Fußgängerverkehr vorbehalten (Fußgängerzone). Vor Erlassung einer solchen Verordnung ist die Eisenbahnbehörde anzuhören, wenn auf der betroffenen Straßenstelle oder in dem betroffenen Gebiet Schienenfahrzeuge verkehren. In einer solchen Fußgängerzone ist jeglicher Fahrzeugverkehr verboten, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt; das Schieben eines Fahrrades ist erlaubt. Die Bestimmungen des § 45 über Ausnahmen in Einzelfällen bleiben unberührt.
(2) Sind in einer Fußgängerzone Ladetätigkeiten erforderlich, so hat die Behörde in der Verordnung nach Abs 1 nach Maßgabe der Erfordernisse die Zeiträume zu bestimmen, innerhalb deren eine Ladetätigkeit vorgenommen werden darf. Ferner kann die Behörde in der Verordnung nach Abs 1 nach Maßgabe der Erfordernisse und unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten bestimmen, daß mit
1. Kraftfahrzeugen des Taxi- und Mietwagen-Gewerbes und Fiakern jeweils zum Zubringen oder Abholen von Fahrgästen,
2. Kraftfahrzeugen des Gästewagen-Gewerbes zum Zubringen oder Abholen von Fahrgästen von Beherbergungsbetrieben,
3. Fahrrädern und
4. Kraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3 500 kg, die zur Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter dienen und die mit einer Tafel mit der Aufschrift 'Bundesgremium der Handelsvertreter, Kommissionäre und Vermittler' und mit dem Amtssiegel des Landesgremiums, dem der Handelsvertreter angehört, gekennzeichnet sind, die Fußgängerzone dauernd oder zu bestimmten Zeiten befahren werden darf.
(2a) Die Behörde kann weiters in der Verordnung nach Abs 1 nach Maßgabe der Erfordernisse (wie insbesondere der Erreichbarkeit von Ärztezentren, Ambulatorien, Sozialversicherungseinrichtungen und dgl.) und unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten auch bestimmen, dass Inhaber eines Ausweises gemäß § 29b Abs 1 oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß § 29b Abs 1 befördern, die Fußgängerzone dauernd oder zu bestimmten Zeiten befahren dürfen. Hat die Behörde in der Verordnung nach Abs 1 Zeiträume bestimmt, innerhalb derer eine Ladetätigkeit vorgenommen werden darf, dürfen Inhaber eines Ausweises gemäß § 29b Abs 1 oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß § 29b Abs 1 befördern, zu diesen Zeiten jedenfalls die Fußgängerzone befahren.
(3) Für die Kundmachung einer Verordnung nach Abs 1 gelten die Bestimmungen des § 44 Abs 1 mit der Maßgabe sinngemäß, daß am Anfang und am Ende einer Fußgängerzone die betreffenden Hinweiszeichen (§53 Z 9a bzw. 9b) anzubringen sind.
(4) An Stelle einer Zusatztafel können die vorgesehenen Angaben im blauen Feld des Hinweiszeichens angebracht werden, wenn dadurch die Erkennbarkeit des Zeichens nicht beeinträchtigt wird.
(5) […]
(6) Die Lenker von Fahrzeugen dürfen in eine Fußgängerzone nur an den hiefür vorgesehenen Stellen einfahren. Sie haben von ortsgebundenen Gegenständen oder Einrichtungen (wie Häusern, Brunnen, Laternen, Bänken, Bäumen u. dgl.) einen der Verkehrssicherheit entsprechenden seitlichen Abstand einzuhalten und dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Schienenfahrzeuge ist nach den eisenbahnrechtlichen Vorschriften festzusetzen.
(7) […]
[…]
§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:
[1. - 7. …]
8. die Bestimmung von Fußgängerzonen und die Bewilligung von Ausnahmen für Fußgängerzonen (§76a),
[8a. - 20. …]
[…]"
III.Antragsvorbringen und Vorverfahren
1.Beim Landesverwaltungsgericht Tirol ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom anhängig, mit dem der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung gemäß § 76a Abs 1 StVO 1960 sowie § 24 Abs 1 liti StVO 1960 iVm § 99 Abs 3 lita StVO 1960 bestraft worden ist. Er habe am einerseits durch das Befahren des Silvrettaplatzes – und somit der Fußgängerzone – mit einem PKW mit näher bezeichnetem amtlichen Kennzeichen, obwohl dies verboten sei, und durch das Halten von 23.06 Uhr bis 23.07 Uhr in Ischgl, Silvrettaplatz 7, obwohl die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 liti Z 1 bis 3 StVO 1960 nicht gegeben gewesen seien, gegen die Bestimmungen der StVO 1960 verstoßen. Über den Beschwerdeführer wurden Geldstrafen in Höhe von € 50,– bzw. € 60,– (jeweils 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und ihm die Zahlung von € 20,– als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens aufgetragen.
2.Aus Anlass dieses Verfahrens stellte das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, er möge feststellen, "dass die Verordnung im Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung vom bis zum gesetzwidrig war" sowie den Eventualantrag, der Verfassungsgerichtshof möge "in Bezug auf die in der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom beschlossene Verordnung einer Fußgängerzone gemäß Art 139 Abs 4 B-VG feststellen, dass die Verordnung im Zeitraum vom bis zum nicht kundgemacht worden war".
Das Landesverwaltungsgericht Tirol führt zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnung aus, dass die genannte Verordnung auf Grund der angewendeten §§76a, 24 Abs 1 liti StVO 1960 die rechtliche Grundlage des Straferkenntnisses der der Bezirkshauptmannschaft Landeck und somit eine Voraussetzung für die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol im anhängigen Beschwerdeverfahren bilde; diese Verordnung sehe für den angeführten Ort (Silvrettaplatz, Ischgl) eine Fußgängerzone – und damit verbunden grundsätzlich ein Fahr-, Halte- und Parkverbot (§24 Abs 1 liti StVO 1960) – vor. An diese Verordnung wäre auch das Landesverwaltungsgericht Tirol in seiner Entscheidung gebunden.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt den bisherigen Verfahrensgang sowie die Bedenken hinsichtlich der nicht ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung wie folgt dar:
"In der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom wurde gemäß § 76a StVO iVm § 94d Z 8 StVO eine Fußgängerzone beschlossen. In § 2 dieser Verordnung sind unter lita bis litg mehrere Ausnahmeregelungen festgelegt worden. Allerdings entsprachen die am aufgestellten Verkehrszeichen bis zum insofern nicht dem beschlossenen Text der Verordnung, als an vier von fünf Zufahrten (bzw an den in § 4 litb der Verordnung festgelegten Aufstellungsorten) auf der Zusatztafel gemäß § 54 StVO jeweils lediglich die Ausnahmeregelungen lita bis litf (des § 2 der Verordnung), nicht jedoch jene laut litg ('Zufahrt zu den 3 Behindertenparkplätzen am Silvrettaplatz') angeführt waren.
Legt die Verordnung selbst die Textierung der sie kundmachenden Hinweiszeichen fest, so ist dem Straßenerhalter bei der Gestaltung der Hinweiszeichen kein Spielraum überlassen. Die tatsächlich aufgestellten Hinweisschilder müssen die in der Verordnung festgelegte Textierung wiedergeben ( ZlV122/10, uHa ). Daraus folgt, dass die gegenständliche Verordnung nicht in der in der Verordnung festgelegten Weise kundgemacht wurde. Ihre Kundmachung erfolgte im Zeitraum vom bis zum (dem Tag der Anbringung der alle Ausnahmeregelungen umfassenden Zusatztafeln an in der Verordnung festgelegten Orten) in gesetzwidriger Weise." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3.Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers (Landesverwaltungsgericht Tirol) wurde die in der Gemeinderatsitzung der Gemeinde Ischgl vom beschlossene Verordnung 'Fußgängerzone' ordnungsgemäß kundgemacht und war die Verordnung im Geltungszeitraum vom bis zum gesetzeskonform. Die entsprechenden Verkehrszeichen wurden am an den in der Verordnung angeführten Orten angebracht und ist die Verordnung jedenfalls ordnungsgemäß kundgemacht worden.
Die vom Antragsteller herangezogenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes (AZV122/10 sowie AZV82/10) sind mit dem gegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar. In der Entscheidung zu AZV82/10 hat der Verfassungsgerichthof erwogen, dass – sofern vom Verordnungsgeber bereits in der Verordnung die Textierung (hier: 'Gries') festgelegt wurde – das Aufstellen der Hinweiszeichen mit der Aufschrift 'Gries im Pinzgau' keine gesetzmäßige Kundmachung ist. Hier ist anzuführen, dass diese Entscheidung keinesfalls auf den gegenständlichen Sachverhalt umzuwälzen ist, da es sich zum einen bei der Ortstafel um eine Hinweistafel gehandelt hat und nicht wie im vorliegenden Sachverhalt um eine 'bloße' Zusatztafel und zum anderen der Text auf der Ortstafel ergänzt wurde und nicht wie im vorliegenden Sachverhalt der Text aus Platzgründen bei 4 von 5 Tafeln weggelassen wurde.
Auch mit der Entscheidung des Verfassungsgerichthofes zu AZV122/10 ist für den Antragsteller nichts gewonnen. In dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichthof erwogen, dass – sofern die Verordnung die Textierung der sie kundmachenden Hinweistafel festlegt – dem Straßenerhalter bei der Gestaltung der Hinweiszeichen kein Spielraum überlassen ist. Dieser Entscheidung liegt der Sachverhalt zugrunde, dass für die Zusatztafel zum Hinweiszeichen 'Fußgängerzone' in der Verordnung nachstehender Text festgelegt wurde:
'Befahren gestattet für:
- Ladetätigkeit wktgs. 6:00-10:30 Uhr
- Taxi
- Fahrrad (Symbol)'
Tatsächlich wurde auf der Zusatztafel unterhalb des Hinweiszeichens 'Fussgängerzone' nachstehender Text angebracht:
'Ausgenommen:
- Ladetätigkeit
- wktgs. 6:00-10:30 Uhr
- Taxi
- Fahrrad (Symbol)
Schrittgeschwindigkeit'
Hier ist anzumerken, dass zum einen die Zusatztafel textuell mit dem Wort 'Schrittgeschwindigkeit' ergänzt wurde und zum anderen der Text 'Ausgenommen' durch 'Befahren gestattet für:' geändert wurde. Im Gegensatz dazu wurde die Zusatztafel im gegenständlichen Sachverhalt weder textuell ergänz[t] noch verändert. Vielmehr wurde ausschließlich eine Ausnahme nicht abgedruckt.
Zudem wird darauf hingewiesen, dass auf einem Verkehrszeichen sämtliche Ausnahmen mitaufgenommen wurden (siehe Bild Nr 9 der Lichtbildanlage der PI Ischgl vom ). Festzuhalten ist weiters, dass es sich bei der 'fehlenden' Ausnahme (§2 litg der Verordnung) nicht um eine Umtextierung handelt und der Straßenerhalter bei der Gestaltung der Hinweiszeichen den Verordnungstext 1:1 übernommen hat und nur aus Platzgründen (da nicht alle Zusatztafeln geliefert wurden) § 2 litg) der Verordnung nicht aufgenommen wurde (siehe Bild Nr 4 der Lichtbildanlage der PI Ischgl vom ).
Weiters wird ausgeführt, dass die Ausnahme 'Zufahrt zu den 3 Behinderten[park]plätzen am Silvrettaplatz' gemäß § 2 litg) der Verordnung auf dem Verkehrszeichen, welches dem Silvrettaplatz am nächsten gelegen ist, angebracht wurde. Die restlichen Verkehrszeichen sind von den drei Behinderten[park]plätzen weit entfernt und auch nicht einsehbar. Die Verordnung wurde daher ausreichend kundgemacht.
Zusammengefasst wurde die in der Gemeinderatsitzung der Gemeinde Ischgl vom beschlossene Verordnung 'Fußgängerzone' ordnungsgemäß kundgemacht und war die Verordnung im Geltungszeitraum vom bis zum gesetzeskonform." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
4.Die Tiroler Landesregierung und der am Verfahren beteiligte Beschwerdeführer des beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängigen Verfahrens haben von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
IV.Erwägungen
1.Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1.Der Verfassungsgerichtshof vertritt in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung zu Art 89 Abs 1 B-VG seit dem Erkenntnis vom , V4/2017, die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (vgl. zB VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003, 19.058/2010, 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; vgl. auch , sowie die Rechtsprechung zu nicht ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen VfSlg 16.152/2001, 16.848/2003 und die darin zitierte Vorjudikatur). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art 139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich ().
1.2.Die angefochtene Verordnung ist durch – in einem Aktenvermerk festgehaltene – Anbringung der Hinweiszeichen samt Zusatztafeln am jedenfalls kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.
1.3.Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Verordnungsprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl. VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001; vgl. zu Gesetzen auch VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; ). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; ).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach § 57 Abs 1 VfGG bzw. § 62 Abs 1 VfGG nicht offen bleiben, welche Norm oder welcher Teil einer Norm nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN ua.; vgl. auch ; , G103104/2016 ua.). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als gesetz- bzw. verfassungswidrig auf, so führt dies – wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen – im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; ua.).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; ; , G183/2016 ua.).
Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.
1.4.§1 und § 2 der angefochtenen Verordnung normieren ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, bei dem Regel und Ausnahme als eine Einheit anzusehen sind (idS etwa VfSlg 14.805/1997 und 16.223/2001). Auf Grund der unmittelbaren Verknüpfung von Regel und Ausnahme sowie der damit in Zusammenhang stehenden Einbahnregelung (§3) und der Kundmachungsanordnung (§4) stehen all diese Bestimmungen jedenfalls in einem einem so konkreten Regelungszusammenhang, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass im Fall des Zutreffens der Bedenken eine Feststellung der Gesetzwidrigkeit der gesamten Verordnung erforderlich sein könnte (vgl. auch VfSlg 20.086/2016, 20.111/2016; ; , G227/2017).
1.5.Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag betreffend die Rechtswidrigkeit der Kundmachung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl über eine Fußgängerzone als zulässig.
2.In der Sache
2.1.Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2.Der Antrag ist begründet.
2.3.Der Gemeinderat der Gemeinde Ischgl bringt in seiner Äußerung lediglich vor, dass die vom Landesverwaltungsgericht Tirol zur Begründung seines Antrages herangezogene Judikatur nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar sei, weil die Verkehrszeichen an allen angeführten Orten angebracht worden seien, es sich bloß um Abweichungen auf den Zusatztafeln, nicht auf dem Hinweiszeichen selbst handle, und daher eine ordnungsgemäße Kundmachung gegeben sei. Anders als in VfSlg 19.410/2011 sei nichts ergänzt worden, sondern habe bis lediglich eine Ausnahme (§2 litg der Verordnung) auf vier von fünf Zusatztafeln gefehlt.
2.4.Gemäß § 44 Abs 1 StVO 1960 sind die in § 43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl. VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011). § 44 Abs 1 StVO 1960 gilt gemäß § 76a Abs 3 StVO 1960 für die Kundmachung einer Fußgängerzone mit der Maßgabe sinngemäß, dass am Anfang und Ende einer Fußgängerzone die betreffenden Hinweiszeichen (§53 Z 9a bzw. 9b StVO 1960) anzubringen sind.
2.4.1.Der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom ist ein – keinen integrierenden Bestandteil bildender – Plan angeschlossen; der Text der an den Hinweiszeichen iSd § 53 Z 9a bzw. 9b StVO 1960 anzubringenden Zusatztafeln lautet wie folgt:
"a) Fahrten von innerhalb der Fußgängerzone beherbergten Gästen bei der An- und Abreise auf dem kürzesten Weg zum oder vom Unterkunftsort.
b) Fahrten von innerhalb der Fußgängerzone wohnhaften oder beschäftigten Personen mit Berechtigungskarte, auf dem kürzesten Weg zum oder vom Ort der Unterkunft oder Arbeitsstätte soweit hauseigene Parkplätze vorhanden sind.
c) Zustellung von Frischwaren zwischen 06.00 – 09.00 Uhr (nur mit Berechtigung der Gemeinde), alle übrigen Zustelldienste zwischen 07.00 – 09.00 Uhr und 11.00 - 14.30 Uhr (nur mit Berechtigung der Gemeinde).
d) Fahrräder
e) landwirtschaftliche Fahrzeuge mit Standort Ischgl
f) Kutschen im Zuge der Gästebeförderung
g) Zufahrt zu den 3 Behindertenparkplätzen am Silvrettaplatz"
2.4.2.Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf ein Verordnungsbeschluss im Zuge der Kundmachung weder ergänzt noch sonst verändert werden. Jede Änderung des Inhalts des Verordnungsbeschlusses obliegt allein der zur Willensbildung zuständigen Behörde (vgl. VfSlg 13.910/1994 mwN; vgl. auch VfSlg 7451/1974). Eine Verordnung ist gesetzwidrig, wenn die vom Verordnungsgeber beschlossene normative Festlegung nicht mit dem kundgemachten Text übereinstimmt (VfSlg 15.192/1998, 19.980/2015).
Dass die ab der Kundmachung am durch Anbringung der Hinweiszeichen bis zum Austausch der Zusatztafeln von vier der in der Verordnung vorgesehenen fünf Hinweiszeichen am angebrachten Zusatztafeln diesem Wortlaut nicht entsprachen, steht nach Durchführung des Verordnungsprüfungsverfahrens und nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensparteien fest. Legt aber die Verordnung selbst die Textierung der sie kundmachenden Hinweiszeichen fest, so ist dem Straßenerhalter bei der Gestaltung der Hinweiszeichen kein Spielraum überlassen. Die tatsächlich aufgestellten Hinweisschilder müssen die in der Verordnung festgelegte Textierung wiedergeben (vgl. VfSlg 19.409/2011, 19.410/2011; vgl. auch VfSlg 8658/1979). Daraus folgt, dass die Verordnung nicht in der in der Verordnung festgelegten Weise kundgemacht wurde. Ihre Kundmachung erfolgte daher – im relevanten Geltungszeitraum – gesetzwidrig.
2.5.Der Verfassungsgerichtshof darf eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als ihre Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als er sie in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Gelangt der Verfassungsgerichtshof jedoch zur Auffassung, dass die ganze Verordnung der gesetzlichen Grundlage entbehrt, von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde oder in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, so hat er die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Dies gilt nicht, wenn die Aufhebung der ganzen Verordnung offensichtlich den rechtlichen Interessen der Partei zuwiderläuft, die einen Antrag gemäß Abs 1 Z 3 oder 4 gestellt hat oder deren Rechtssache Anlass für die amtswegige Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben hat (Art139 Abs 3 B-VG).
V.Ergebnis
1.Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom , mit der die Fußgängerzone gemäß § 76a iVm § 94d Z 8 StVO 1960 eingerichtet wird, war im Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung am bis gesetzwidrig.
2.Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung des Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes erfließt aus Art 139 Abs 5 B-VG und § 59 Abs 2 VfGG iVm § 2 Abs 1 litj Tir. Landes-VerlautbarungsG 2013.
3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2018:V3.2018 |
Schlagworte: | Straßenpolizei, Straßenverkehrszeichen, Fußgängerzone, Verordnung Kundmachung |
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