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VfGH vom 29.02.1992, V270/91

VfGH vom 29.02.1992, V270/91

Sammlungsnummer

13005

Leitsatz

Aufhebung der Wiener Taxi-Kraftfahrzeug Verhältnis- und Höchstzahl-Verordnung 1990 wegen Gesetzwidrigkeit; unrichtige Feststellung des Auslastungsgrades der Taxis; Nichtberücksichtigung der unterschiedlichen Auslastung der Standplätze

Spruch

Die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom , LGBl. Nr. 51/1990, betreffend die Verhältnis- und Höchstzahl der für das mit Kraftfahrzeugen betriebene Platzfuhrwerks-Gewerbe zuzulassenden Kraftfahrzeuge in Wien (Wiener Taxi-Kraftfahrzeug Verhältnis- und Höchstzahl-Verordnung) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Verordnung ist nicht mehr anzuwenden.

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) aa) Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zlen. B433/91, B434/91, B568/91, B569/91, B570/91, B571/91, B572/91, B573/91, B574/91, B585/91, B591/91, B600/91, B602/91, B609/91, B618/91, B619/91, B648/91, B649/91, B656/91, B658/91, B710/91, B729/91, B822/91 und B1045/91 Verfahren über - auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte - Beschwerden anhängig, denen jeweils folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Der Landeshauptmann von Wien wies mit den in der Zeit zwischen Feber und Juni 1991 (im Instanzenzug) ergangenen Bescheiden die Ansuchen der Beschwerdeführer um Erteilung einer Konzession zum Betrieb des Taxi-Gewerbes mit dem Standort in Wien ab. Er berief sich hiebei auf § 10 Abs 2 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes (GelVerkG), BGBl. 85/1952 idF der Novelle BGBl. 125/1987, iVm der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom , LGBl. Nr. 51/1990, betreffend die Verhältnis- und Höchstzahl der für das mit Kraftfahrzeugen betriebene Platzfuhrwerks-Gewerbe zuzulassenden Kraftfahrzeuge in Wien (im folgenden kurz: TaxiV Wien 1990), und begründete die ablehnenden Entscheidungen damit, daß die in der zitierten Verordnung festgesetzte Höchstzahl der für das Betreiben des Taxigewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeuge bereits erreicht sei.

Gegen diese Bescheide wenden sich die erwähnten Verfassungsgerichtshofbeschwerden.

bb) Der Verfassungsgerichtshof beschloß aus Anlaß dieser Beschwerden, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der TaxiV Wien 1990 von Amts wegen zu prüfen (Näheres s.u. II.2.). Diese Einleitungsbeschlüsse sind unter den Zlen. V270-292/91 und V310/91 protokolliert.

b) Der Verwaltungsgerichtshof hat am zu seinen Zlen. A103/91 (91/03/0124), A104/91 (91/03/0133), A105/91 (91/03/0141), A106/91 (91/03/0167), A107/91 (91/03/0248), A108/91 (91/03/0277), A109/91 (91/03/0279) aus Anlaß von sieben bei ihm anhängiger Beschwerdeverfahren gemäß Art 139 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichshof den Antrag gestellt, die TaxiV Wien 1990 als gesetzwidrig aufzuheben (hg. protokolliert unter V309/91).

Den Verwaltungsgerichtshofbeschwerden liegen jeweils ähnliche Sachverhalte wie den Verfassungsgerichtshofbeschwerden (s. die vorstehende lita) zugrunde.

2.a) Der Landeshauptmann von Wien erstattete in den Verordnungsprüfungsverfahren eine Äußerung, in der er die Gesetzmäßigkeit der TaxiV Wien 1990 verteidigt und beantragt, die in Prüfung gezogene Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben (Näheres s.u. II.3.).

b) Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr verweist in seiner Stellungnahme lediglich auf diese Äußerung des Landeshauptmannes.

II. 1. Die hier in Betracht zu ziehenden Rechtsvorschriften lauten:

a) Gelegenheitsverkehrs-Gesetz (GelVerkG), BGBl. 85/1952 idF der Novelle BGBl. 125/1987:

"§3. (1) Konzessionen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (§2 Abs 1) dürfen nur erteilt werden für folgende Arten des gewerbsmäßigen Gelegenheitsverkehrs:

1. . . . . .

3. für die Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu

jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten werden

oder durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert

werden (mit Kraftfahrzeugen betriebenes Platzfuhrwerks-Gewerbe

(Taxi-Gewerbe)); oder

4. . . . . ."

"§5. (1) Die Konzession darf nur erteilt werden, wenn die

Voraussetzungen für die Ausübung eines konzessionierten Gewerbes

(§25 GewO 1973) erfüllt sind. Wenn es sich nicht um die Erteilung

einer Konzession für das Hotelwagen-Gewerbe handelt, muß die

Leistungsfähigkeit des Betriebes gegeben sein. . . . .

(2) Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Betriebes

hat die Behörde darauf Bedacht zu nehmen, daß die wirtschaftliche

Lage des Bewerbers, insbesondere seine Einkommens- und

Vermögensverhältnisse, die ordnungsgemäße Gewerbeausübung erwarten

läßt.

(3) . . . . ."

"§10. (1) Der Bundesminister für Verkehr (nunmehr Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) kann für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Gewerbe mit Verordnung Vorschriften erlassen über

1. die nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften der im Fahrdienst tätigen Personen hinsichtlich ihrer Ausbildung, Gesundheit und Zuverlässigkeit;

2. die nach der Eigenart des Gewerbes erforderliche Beschaffenheit, Ausrüstung und Kennzeichnung der bei der Gewerbeausübung verwendeten Fahrzeuge hinsichtlich ihrer Betriebssicherheit und Eignung, insbesondere auch für Zwecke des Fremdenverkehrs;

3. die nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Betriebs- und Beförderungsbedingungen; im Platzfuhrwerks-Gewerbe kann Beförderungspflicht und die Anbringung eines Fahrpreisanzeigers ....... vorgeschrieben werden, ......

(2) Erforderlichenfalls hat der Landeshauptmann im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung und im Interesse der die Leistungen des betreffenden Gewerbes in Anspruch nehmenden Personen unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten weitere Vorschriften, insbesondere über ein Verbot oder eine Beschränkung des Auffahrens auf Standplätzen (§96 Abs 4 StVO 1960) einer Gemeinde mit Taxifahrzeugen, die auf Grund von Konzessionen mit einem Standort außerhalb der betreffenden Gemeinde eingesetzt werden, über eine bestimmte Reihenfolge im Auffahren auf Standplätzen, über die Entgegennahme von Fahrtaufträgen mittels Standplatztelefon oder Funk sowie über den Nachtdienst durch Verordnung festzulegen.

(Verfassungsbestimmung) Weiters hat der Landeshauptmann im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unter Berücksichtigung der Anzahl und Lage der in einer Gemeinde vorhandenen Standplätze (§96 Abs 4 StVO) sowie der Anzahl und Dauer der durchschnittlich durchgeführten Fahrten für jeweils drei Jahre durch Verordnung festzulegen, daß in Gemeinden, in denen Standplätze eingerichtet sind und für deren Gebiet ein verbindlicher Tarif gemäß § 10a Abs 1 oder 2 verordnet wurde, Konzessionen zur Ausübung des mit Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerk-Gewerbes nur bis zu jener Höchstzahl erteilt werden dürfen, die einer in der Verordnung bestimmten Verhältniszahl, bezogen auf die Zahl der vorhandenen Auffahrmöglichkeiten auf Standplätzen, entspricht; die sich so ergebenden Höchstzahlen von für das Betreiben des Platzfuhrwerk-Gewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeugen sind entsprechend kundzumachen.

(3) . . . . ."

b) Taxiverordnung Wien 1990:

Die TaxiV Wien 1990 stützt sich auf § 10 Abs 2 GelVerkG idF der Novelle 1987 und ist die Nachfolgenorm der TaxiV Wien 1987, die mit hg. Erkenntnis vom , V101/89, als gesetzwidrig aufgehoben wurde.

Sie hat folgenden Wortlaut:

"Geltungsbereich

§ 1. Die Verordnung gilt für die Ausübung des mit Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerks-Gewerbes in Wien.

Verhältniszahl

§ 2. Im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unter Berücksichtigung der Anzahl und Lage der in Wien vorhandenen Standplätze (§96 Abs 4 StVO) sowie der Anzahl und Dauer der durchschnittlich durchgeführten Fahrten wird die Verhältniszahl der Konzessionen zur Ausübung des mit Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerks-Gewerbes, bezogen auf die Zahl der vorhandenen Auffahrmöglichkeiten auf den Standplätzen im Verhältnis zu der Anzahl der auf Grund von Taxikonzessionen mit Standort in Wien betreibbaren Kraftfahrzeuge, mit 1:2,69789 festgelegt.

Höchstzahl der Kraftfahrzeuge

§ 3. Nach Maßgabe des § 2 beträgt die Höchstzahl der für das Betreiben des Platzfuhrwerks-Gewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeuge 4 340.

Berücksichtigung der Verhältnis- und Höchstzahlen

bei Erteilung von Konzessionen

§ 4. Konzessionen für die Ausübung des mit Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerks-Gewerbes mit dem Standort in Wien dürfen nur insoweit erteilt werden, als die in den §§2 und 3 genannten Verhältnis- und Höchstzahlen nicht überschritten werden.

Geltungsdauer

§ 5. Diese Verordnung tritt mit in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft."

2.a) Der Verfassungsgerichtshof hat in den Einleitungsbeschlüssen (s.o. I.1.a.bb) das Bedenken geäußert, daß die TaxiV Wien 1990 aus folgenden Gründen dem § 10 Abs 2 letzter Satz GelVerkG idF der Novelle 1987 widerspreche:

"a) Aus dem vorgelegten Verordungsakt des Landeshauptmannes von Wien, Zl. MA 63 - Allg. 389/90, ergibt sich, daß die federführende Magistratsabteilung 63 vor Erlassung der TaxiV Wien 1990 verschiedene Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat.

aa) Erhoben wurde, daß in Wien 1609 Auffahrmöglichkeiten auf Taxistandplätzen bestehen.

bb) Der Behörde lag ein vom Unternehmensberater Mag. Dr. H L verfaßter 'Bericht und Datenauswertung zur Fahrtenerhebung vom 6.11.-' vor. Diese 'Erhebung zur Bedarfs- und Angebotsstruktur' wurde über Auftrag der Wiener Handelskammer - Fachgruppe für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen - durchgeführt.

Am fand unter dem Vorsitz des Leiters der Magistratsabteilung 63 eine der Vorbereitung einer neuen TaxiV Wien dienende Besprechung statt, an der Vertreter der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien (samt Unterorganisationen), der Bundespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt und der Magistratsabteilung 46 teilnahmen.

In dem das Ergebnis dieser Besprechung referierenden Aktenvermerk (S 47 ff des Verordnungsaktes) wird ausgeführt, daß der Bericht von Mag. Dr. L ausführlich erörtert wurde. Sodann heißt es:

'Dazu ist festzuhalten, daß hinsichtlich der Einsatzzeit (rund 10,3 Stunden oder genau 619,83 Minuten) und der Stehzeit (rund 4,5 Stunden oder genau 270,29 Minuten) keine gravierenden Abweichungen gegenüber dem Verhandlungsergebnis des Jahres 1987 hervorgekommen sind (vgl. dazu den im Verordnungsakt über die Taxi-Verordnung 1987 einliegenden Aktenvermerk vom ). Deshalb bestehen auch keine Bedenken, diese Durchschnittswerte für die Berechnung der Verhältniszahl heranzuziehen, zumal diese Angaben auch mit den bisherigen Erfahrungswerten aus Verhandlungen über den Taxitarif übereinstimmen.'

cc) Dem Aktenvermerk zufolge wurden in der Diskussion nachstehende Punkte außer Streit gestellt:

'Die Nachtzeit kann bei den Überlegungen völlig außer Betracht gelassen werden, zumal während der Nachtzeit die Auffahrmöglichkeiten immer ausreichend sind und die Problematik des Umherfahrens und einer unnötigen Umweltbelastung von vornherein nicht gegeben ist.

Diese Überlegung gilt im wesentlichen auch für Sonntage und Feiertage; auch an Sonn- und Feiertagen sind nämlich im allgemeinen - im Hinblick auf das geringere Angebot an Taxi-Kraftfahrzeugen - ausreichend Auffahrmöglichkeiten gegeben.'

dd) Sodann wird auf die Frage eingegangen, wie viele der Taxis tagsüber durchschnittlich im Einsatz sind:

'Zur Findung einer diesbezüglichen Meßgröße wurde auf das von der Handelskammer untersuchte Fahrverhalten der Taxifunkzentralen angeschlossenen Fahrzeuge zurückgegriffen. Nach den Ermittlungen liege demnach der Auslastungsgrad aller ständig im Einsatz befindlicher Fahrzeuge bei 87,8 %.

In diesem Zusammenhang ist aber - abgesehen von den bekannten Gründen (z.B. Krankheit, Urlaub, Service), warum ein Taxifahrzeug nicht zum Einsatz kommt - zu berücksichtigen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil von Taxigewerbetreibenden über keinen Funkanschluß verfügt. Schon aus diesem Grund ist der vorhin genannte Prozentsatz von 87,8 % zu relativieren. Außerdem ist ein großer Teil dieser Gewerbetreibenden als Einzelunternehmer tätig, der keine Taxilenker beschäftigt. Unternehmen dieser Art werden zweifelsfrei eine höhere Einsatzbereitschaft von der Person des Gewerbetreibenden verlangen als Unternehmen mit beschäftigten Taxilenkern.

Im Ergebnis wird deshalb davon auszugehen sein, daß diese Gruppe der Einzelunternehmer aufgrund der geforderten persönlichen Einsatzbereitschaft wohl nicht im gleichen Ausmaß ihr Fahrzeug im ständigen Einsatz halten werden wie ein Taxilenker beschäftigendes Unternehmen.

Durch diese Umstände ist der Auslastungsgrund (richtig wohl: Auslastungsgrad) wohl etwas niedriger anzusetzen und wird bei 85 % liegen. Auch vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 46 und vom Vertreter der Bundespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt wird dieser Wert, der sich durchaus mit den Erfahrungen aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmungen deckt, für zutreffend erklärt.'

ee) Schließlich vertrat der Verhandlungsleiter die Meinung, daß auf diesen Grundlagen aufbauend folgende Berechnungen anzustellen seien:

'Taxigewerbetreibende sind im Durchschnitt 10,3 Stunden (genaue Rechengröße 619,83 Minuten) im Einsatz, während dieser Zeit benötigen sie für 4,5 Stunden (genaue Rechengröße 270,29 Minuten) einen Standplatz; der Auslastungsgrad während der etwas mehr als zehnstündigen Einsatzzeit ist mit 85 % zu veranschlagen.

Unter Zugrundelegung der Berechnungsmethode des Verfassungsgerichtshofes (s. ) (85 % x 270,29/619,83) ergibt sich eine Verhältniszahl von 1:2,69789. Bei 1.609 Auffahrmöglichkeiten errechnet sich daraus eine Höchstzahl von 4.340 Taxi-Kraftfahrzeugen.'

b) Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB das zitierte Erk. und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) dargetan, daß § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG idF der Nov. 1987 (auf den die TaxiV Wien 1990 gegründet wird) im Sinne einer weitestmöglichen Erwerbsausübungsfreiheit auszulegen ist und daß diese nur aus schwerwiegenden - durch detaillierte Feststellungen belegten - öffentlichen Interessen (vor allem jenen der Straßenpolizei) eingeschränkt werden darf.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß der im soeben wiedergegebenen Aktenvermerk vom verwendete Begriff 'Auslastungsgrad' dahin zu verstehen ist, daß damit jener (in Prozenten ausgedrückte) Teil aller in Wien vorhandenen Taxis gemeint ist, der sich (durchschnittlich) tatsächlich im Einsatz befindet (also die Taxis, die entweder gerade einen Fahrgast befördern oder bereit sind, einen solchen aufzunehmen).

Es scheint nun, daß der Verordnungsgeber hier ein für die anzustellende Berechnung wesentliches Sachverhaltselement (nämlich wie hoch dieser 'Auslastungsgrad' ist) unrichtig festgestellt hat; zumindest aber dürfte es hiefür keine nachprüfbaren Grundlagen geben. Die Feststellung, daß 85 % aller Wiener Taxis tagsüber in Betrieb sind, ist nämlich anscheinend nicht ordnungsgemäß belegt:

Zunächst dürfte im oben erwähnten Bericht von Mag. Dr. L (von dem der Verordnungsgeber im ersten Schritt seiner Berechnungen ausgeht) ein näher nachgewiesener Befund fehlen, der zu dem für Funktaxis angenommenen 'Auslastungsgrad' von 87,8 % führt. Im übrigen lehnt es die Behörde - wie dargestellt - selbst ab, diesen für Funktaxis angenommenen Auslastungsgrad auf Taxis zu übertragen, die nicht mit Funk ausgerüstet sind. Die deshalb vorgenommene Reduktion des Durchschnittsprozentsatzes von 87,8 auf 85 scheint aber zu gering zu sein.

Der angenommene Prozentsatz ist - zumindest auf den ersten Blick - auch nicht plausibel. Die Behörde selbst weist nämlich darauf hin, daß (auch untertags) nicht alle vorhandenen Taxis eingesetzt sind, so schon wegen Krankheit oder Urlaubs des Lenkers oder deshalb, weil sich das Taxifahrzeug bei der Reparatur oder beim Service befindet. Außerdem erscheint vor allem bei einem Taxi, für das nur ein einziger Lenker vorhanden ist (etwa weil der Konzessionär keine Lenker beschäftigt, sondern selbst das Fahrzeug chauffiert), die angenommene prozentuelle Einsatzzeit unwahrscheinlich.

c) Wenn diese Bedenken zutreffen, wird es entbehrlich sein zu prüfen, ob die sonstigen Sachverhaltsannahmen, von denen die Behörde ausging, zutreffen und ob die Berechnung nicht zu vereinfachend vorgenommen wurde:

Wie aus dem vorgelegten Verordnungsakt hervorgeht, dürften die Taxistandplätze äußerst unterschiedlich ausgelastet sein. Manche Standplätze scheinen überhaupt nicht angenommen zu werden, andere hingegen (permanent) überlastet zu sein. Anscheinend wäre bei Errechnung der Verhältniszahl und der Höchstzahl auch auf diesen Umstand Bedacht zu nehmen gewesen.

Es dürfte bei Erlassung der TaxiV Wien 1990 unberücksichtigt geblieben sein, daß Wiener Taxis auch nach Niederösterreich (zB zum Flughafen Wien-Schwechat) fahren und während dieser Zeit keinen Standplatz in Wien benötigen."

b) Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsantrag vom (s.o. I.1.b) die vorstehenden, im Einleitungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes geäußerten Bedenken übernommen.

3. Der Landeshauptmann von Wien hält in seiner in den Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerung diesen Bedenken entgegen:

"Wie aus dem vorgelegten Verordnungsakt zu ersehen ist, bildete das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. V101/89-10, die Grundlage dafür, daß die von der Sachmaterie berührten Interessenvertretungen und sachverständigen Dienststellen zu einer verstärkten Mitarbeit herangezogen wurden, um darauf eine verfassungskonforme Lösung zur Frage der vom Landeshauptmann festzulegenden Verhältnis- und Höchstzahl-Verordnung zu gründen.

Die dazu eingelangten Stellungnahmen enthielten recht unterschiedliche Meinungen (vgl. dazu die Seiten 22 bis 34 des Verordnungsaktes) und haben somit der verordnungserlassenden Behörde recht deutlich erkennen lassen, wie schwierig die Ausarbeitung einer den Anforderungen der eingangs zitierten Verfassungsbestimmung gerechtwerdenden Verordnung sein wird.

In diesem Zusammenhang wurde auch der grundsätzlichen Frage nachgegangen, ob für den Landeshauptmann überhaupt die Verpflichtung zur Ausschöpfung dieser Verordnungsermächtigung besteht. Der damit befaßte Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt ließ keinen Zweifel daran, daß diese Bestimmung zwingendes Recht enthalte und dem Landeshauptmann in dieser Hinsicht kein Ermessen einräumt.

Es wurde daher für den eine Verhandlung anberaumt, um vor allem im Beisein von Amtssachverständigen das bisher vorliegende Ergebnis aufzuarbeiten.

Von der Ausgangslage her war klar, daß die in der Verordnungsermächtigung des § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG aufgestellten Kriterien mit einer Unschärfe behaftet sind und deshalb der Ermittlung der für die Berechnung erforderlichen Prämissen besonderes Augenmerk zuzuwenden sein wird.

Dabei wurde - wie auch bei der Erlassung der Verhältnis- und Höchstzahlregelung im Jahre 1987 - zunächst davon ausgegangen, daß Nachtzeit, Sonn- und Feiertagszeit wegen der ohnehin ausreichenden Auffahrmöglichkeiten außer Betracht bleiben können.

Im übrigen wurde zur Findung der Verhältniszahl auf die im Bericht von Dr. L festgehaltenen Angaben zurückgegriffen. Die darin erhobenen Durchschnittswerte konnten von der verordnungserlassenden Behörde deswegen übernommen werden, weil sie mit den Erfahrungswerten aus anderen Bereichen (z.B. aus Verhandlungen über den Taxitarif) nicht im Widerspruch standen.

Hinsichtlich des der Berechnung zugrunde gelegten 'Auslastungsgrades' von 85 %, - dieser Umstand bildete auch den Anlaß für die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens - ist vorweg darauf hinzuweisen, daß die Wiener Handelskammer über Aufzeichnungen verfügt, die der Behörde schlüssig und in dieser Hinsicht nachvollziehbar erscheinen. Es handelt sich konkret um die Auswertung ADV-mäßig verarbeiteter Daten, die sich im Zusammenhang mit der Erteilung von Funkaufträgen an Taxilenker durch Funkzentralen ergeben.

Insbesondere hat sich herausgestellt, daß rund drei Viertel aller in Wien betriebenen Taxikraftfahrzeuge an derartige Funkzentralen angeschlossen sind. Durch die ADV-mäßig erfolgte Vergabe von Funkaufträgen läßt sich somit feststellen, wieviele Taxifahrzeuge sich tatsächlich im Einsatz befinden.

Als Durchschnittswert konnten dabei 87,8 % eruiert werden. In diesem Prozentsatz sind jedoch jene Taxis nicht enthalten, die ohne Funkeinrichtung unterwegs sind. Auf diesen Umstand ist die verordnungserlassende Behörde auch eingegangen. Diese insgesamt als durchaus repräsentativ zu bezeichnende Datenerfassung - immerhin sind damit drei Viertel aller Taxis erfaßt - mußte also in diesem Punkt relativiert werden. Da sich zwischen Taxifahrzeugen mit Funkausstattung und solchen, die über eine derartige Einrichtung nicht verfügen, nur geringfügige Abweichungen etwa im Bereich der Auftragsstruktur (vgl. dazu besonders Punkt 2,5 ff des Berichtes von Dr. L) - und zwar zugunsten der mit Funk ausgestatteten Taxis - bekannt geworden sind, wurde ein Durchschnittswert angesetzt, der nur geringfügig unter dem Auslastungsgrad der effektiv ermittelten 87,8 % liegt.

Eine noch weiter gehende Relativierung - und diese Feststellung wurde auch von den anwesenden Sachverständigen aufgrund der von ihnen gemachten Erfahrungen bekräftigt - wäre sachlich nicht vertretbar gewesen, zumal derartig gravierende Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen von Gewerbetreibenden sich nicht herausgestellt haben.

Auf eine unterschiedliche Bewertung der Standplätze wurde vor allem deshalb nicht Rücksicht genommen, weil die Erlassung einer darauf abstellenden Verhältnis- und Höchstzahl sich als nicht geeignete Lenkungsmaßnahme in bezug auf Angebot und Nachfrage herausstellen würde. Man bedenke vor allem besondere Ereignisse (z.B. Kultur- und Sportveranstaltungen) mit größeren Menschenansammlungen. Zweifelsohne wird auf solche - eher marktwirtschaftlich - bedingte Verschiebungen in der Standplatzwahl durch Taxigewerbetreibende eine Verordnung der vorliegenden Art nicht reagieren können. Schon deshalb wurde diese Prämisse bei den Überlegungen außer acht gelassen.

Es ist weiters auch nicht anzunehmen, daß derartig viele Taxifahrten zum Flughafen Wien-Schwechat in Auftrag gegeben werden, daß sich daraus nachhaltige Auswirkungen für die in Wien bestehenden Auffahrmöglichkeiten auf Standplätze ergeben. Denn dabei ist auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß ein nicht unwesentlicher Teil dieser Fahrten von zum Mietwagen-Gewerbe Berechtigten übernommen wird (z.B. Beförderung von in den Hotels abgestiegenen Reisegesellschaften).

In diesem Zusammenhang sind daher keine Beschränkungen etwa im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit in die Ermittlungen eingeflossen, sondern der Landeshauptmann von Wien war bemüht, diesem Grundsatz weitestgehend Rechnung zu tragen.

Da somit eine Verfassungswidrigkeit der Wiener Taxi-Kraftfahrzeug Verhältnis- und Höchstzahl-Verordnung nicht vorliegt, wird der Antrag gestellt, der Verfassungsgerichtshof wolle die in Prüfung stehende Verordnung nicht aufheben."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Alle Beschwerden, die Anlaß zur Einleitung der amtswegigen Prüfungsverfahren waren, sind zulässig. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Dabei hätte er die TaxiV Wien 1990 anzuwenden. Diese als Verordnung zu qualifizierende Rechtsvorschrift bildet eine untrennbare Einheit und ist daher zur Gänze präjudiziell.

Sinngemäß Gleiches gilt für den Prüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind alle Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2.a) Die TaxiV Wien 1990 widerspricht dem § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG. Der Verordnungsgeber hat nämlich - wie in den Einleitungsbeschlüssen vorläufig angenommen - wesentliche Sachverhaltselemente unberücksichtigt gelassen, obschon er sich erkennbar um eine dem Gesetz entsprechende Lösung bemühte. Dieses Bemühen schließt aber nicht aus, daß die Verordnung gesetzwidrig ist (vgl. VfSlg. 10090/1984, S 696). Dem Verordnungsgeber ist zuzugestehen, daß ihm das (auf Verfassungsstufe stehende) Gesetz wenig Anhaltspunkte bietet, wie es sinnvoll zu vollziehen ist.

b) Zur in der Äußerung des Landeshauptmannes enthaltenen Andeutung, daß es möglicherweise gar nicht notwendig wäre, für Wien eine Verhältniszahl und eine Höchstzahl verordnungsmäßig festzusetzen, daß ihn aber § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG dazu zwinge, wird bemerkt:

Dieser Verfassungsbestimmung (s.o. II.1.a) ("Weiters hat der Landeshauptmann ...... durch Verordnung festzulegen") ist zwar die Verpflichtung zur Erlassung einer solchen Verordnung zu entnehmen. Diese Verpflichtung besteht aber nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Der aus der Entstehungsgeschichte des § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG idF der Novelle 1987 (siehe hiezu zB , und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) deutlich hervorgehende Sinn des Gesetzes führt nämlich dazu, daß dieses in möglichster Übereinstimmung mit der Erwerbsfreiheit auszulegen ist. Das bedeutet, daß der Landeshauptmann nur dann befugt ist, für eine Gemeinde, in der Taxistandplätze eingerichtet sind und für deren Gebiet ein verbindlicher Tarif verordnet wurde, eine Verhältniszahl- und Höchstzahlverordnung zu erlassen, wenn dies dort im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs geboten ist.

c) Die Äußerung des Landeshauptmannes vermochte nicht, die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken zu zerstreuen:

Dem Verfassungsgerichtshof wurden die in der Äußerung des Landeshauptmannes erwähnten Aufzeichnungen über die ADV-mäßig erfolgte Vergabe von Funkaufträgen vorgelegt. Aus den angeschlossenen Zusammenfassungen ergibt sich lediglich, daß in der Zeit vom 6. bis etwa 88 % der an zwei Funkzentralen angeschlossenen Taxis im Einsatz waren, nicht aufbereitet ist jedoch, wieviele Stunden diese Taxis an den erwähnten Tagen jeweils unterwegs waren. Die erwähnten Unterlagen lassen also nicht mit ausreichender Sicherheit das zur Feststellung der Verhältniszahl erforderliche Zahlenmaterial erkennen. Keinesfalls ist durch sie belegt, daß für alle Wiener Taxis ein Auslastungsgrad von durchschnittlich 85 % vorliegt - nämlich auch für solche, die an eine andere Funkzentrale als jene, deren Unterlagen dem Verfassungsgerichtshof bekanntgemacht wurden, oder aber an überhaupt keine Funkzentrale angeschlossen sind. Bei nicht über Funkverbindung verfügenden Taxis ist vielmehr anzunehmen, daß es sich vielfach um "Einmannbetriebe" handelt, bei denen der Auslastungsgrad wesentlich geringer ist.

Der Landeshauptmann bestreitet nicht, daß die Taxistandplätze in Wien äußerst unterschiedlich ausgelastet sind. Er habe bei Erlassung der TaxiV Wien 1990 darauf deshalb nicht Rücksicht genommen, weil eine Bedachtnahme auf diesen Umstand "sich als nicht geeignete Lenkungsmaßnahme in bezug auf Angebot und Nachfrage herausstellen würde".

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Feststellung einer Verhältniszahl und die Errechnung einer Höchstzahl nicht dazu dient, Angebot und Nachfrage zu regeln und derart in den freien marktwirtschaftlichen Wettbewerb einzugreifen, sondern darauf abzielt, eine geordnete Gewerbeausübung zu sichern und Verkehrsinteressen zu wahren, insbesondere unnötige Leerfahrten von im Dienst befindlichen Taxis dadurch zu vermeiden, daß diese Fahrzeuge wenn möglich auf einem für sie reservierten Standplatz abgestellt werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, sind überlastete und weniger angenommene Standplätze verschieden zu berücksichtigen.

d) Aus diesen Gründen ist die TaxiV Wien 1990 gesetzwidrig. Es erübrigen sich weitere Erörterungen über die richtige Verhältniszahl und die richtige Höchstzahl.

Die Verordnung ist sohin als gesetzwidrig aufzuheben.

3.a) Von einer Fristsetzung iS des Art 139 Abs 5 B-VG wurde abgesehen; vielmehr wurde gemäß Art 139 Abs 6 B-VG ausgesprochen, daß die Verordnung nicht mehr anzuwenden ist. Dies deshalb, weil das Gesetz vollziehbar ist, auch wenn eine Verhältnis- und Höchstzahlverordnung nach § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG nicht besteht; solange eine neue TaxiV nicht erlassen ist, sind nämlich Taxikonzessionen eben ohne Rücksichtnahme auf eine Höchstzahl zu erteilen (vgl. ; , V407,408,410,411/90).

b) Die Verpflichtung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr zur Veröffentlichung der Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG (vgl. zB VfSlg. 7586/1975; ; , V407,408,410,411/90).

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nach § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG entbehrlich.