VfGH vom 08.10.2007, V24/07
Sammlungsnummer
18250
Leitsatz
Gesetzwidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes hinsichtlich der Freigabe eines Aufschließungsgebietes und Umwandlung in vollwertiges Bauland, allgemeines Wohngebiet, mangels Festlegung eines angemessenen Schutzabstandes zwischen einem unter die Seveso II-Richtlinie fallenden Betriebsgebiet und dem Baugebiet; Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Wohngebietes im Bebauungsplan nicht ausreichend; Aufhebung auch des auf dem gesetzwidrigen Flächenwidmungsplan beruhenden Bebauungsplans
Spruch
1. Der Flächenwidmungsplan 4.00, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Trofaiach vom , und , genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , kundgemacht durch Auflage zur öffentlichen Einsicht in der Zeit vom 19. Juli bis , in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates vom , mit dem für die im Folgenden genannten Grundstücke die Festlegung als Aufschließungsgebiet für WA aufgehoben und die Liegenschaft in volles, sofort konsumierbares Bauland, und zwar Allgemeines Wohngebiet mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 0,8 umgewandelt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom
11. bis , wird, soweit er die Flächenwidmung für die Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 Trofaiach in einem Gesamtausmaß von 9.614 m² festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Der Bebauungsplan "Reihenhausanlage Freiensteinerstraße" vom , Projekt Nr. 03/20080-B, Plan Nr. "L 1", für die von der K GmbH erworbenen Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 Trofaiach, Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. bis , wird als gesetzwidrig aufgehoben.
3. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für das Land Steiermark verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B592/05 und B156/06 Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1. Sachverhalt zu B592/05:
1.1. Die mitbeteiligte K GmbH beantragte die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung von 4 Doppelwohnhäusern und 4 Reihenhäusern mit insgesamt 17 Wohneinheiten samt KFZ-Abstellplätzen auf den Grundstücken Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5, 417/7 und den Bauflächen 318 und 319 KG 60362 Trofaiach - im Folgenden als 416 u.a. bezeichnet. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister die Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die nunmehr beschwerdeführenden Gesellschaften Berufung. Zur Begründung brachten die beschwerdeführenden Gesellschaften vor, dass ihr Betrieb auf Grund der Beschaffenheit der dort gelagerten Stoffe (Abfall, Altöl und Tanklager für Heizöl) auch der Richtlinie 96/82/EG
(Seveso II-Richtlinie) unterliege. Sowohl nach der Seveso II-Richtlinie als auch gemäß § 22 Abs 12 Stmk. ROG müsse zwischen dem Unternehmen und einer sich neu ansiedelnden Wohnbevölkerung ein angemessener Schutzabstand gewahrt bleiben. Dieser Schutzabstand sei jedenfalls von einer Verbauung freizuhalten.
1.2. Mit Bescheid des Gemeinderates vom wurde die Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid für die Errichtung der Wohnanlage abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass zum Zeitpunkt der Revision des Flächenwidmungsplanes die Annahme bestanden habe, dass die Betriebsanlage der beschwerdeführenden Gesellschaften nicht in den Anwendungsbereich der Seveso II-Richtlinie falle. Das Vorliegen eines Seveso II-Betriebes verpflichte zwar die Gemeinde als Verordnungsgeber zur Ersichtlichmachung eines Schutzabstandes. Dies bedeute jedoch nicht, dass bestehendes Bauland einer Rückwidmung unterworfen werden müsse; es seien vielmehr Schutzmaßnahmen zu treffen. Das Bauvorhaben liege zu einem kleinen Teil innerhalb des im Ermittlungsverfahren festgestellten Schutzabstandes, wobei durch Auflagen im Baubewilligungsbescheid sichergestellt sei, dass keine Erhöhung des Gefährdungspotentials erfolge.
1.3. Auf Grund der gegen diesen Bescheid von den beschwerdeführenden Gesellschaften erhobenen Vorstellung wurde mit dem zu B592/05 angefochtenen Bescheid der Berufungsbescheid des Gemeinderates vom behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass durch die Vorschreibung nicht ausreichend konkretisierter Auflagen die Wahrung eines angemessenen Abstandes zwischen dem Seveso II-Betrieb einerseits und den Baugrundstücken andererseits nicht gewährleistet sei, sodass diesbezüglich Rechte der beschwerdeführenden Gesellschaften verletzt werden.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
2. Sachverhalt zu B156/06:
2.1. Im fortgesetzten Verfahren wies der Gemeinderat mit Bescheid vom die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaften gegen den Baubewilligungsbescheid als unbegründet ab, konkretisierte jedoch die Auflagen im Baubewilligungsbescheid.
2.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Gesellschaften Vorstellung, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass der der Entscheidung zugrunde liegende Flächenwidmungsplan rechtswidrig sei. Die Raumordnungsbehörde hätte im Hinblick auf die Seveso II-Richtlinie und unter Anwendung des § 22 Abs 12 des Stmk. ROG Vorkehrungen in der Flächenwidmung für ein Überschreiten der Schwellenwerte der Seveso II-Richtlinie treffen müssen. Dies müsse auch für den Bebauungsplan gelten. Mit dem zu B156/06 angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.
2.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die beschwerdeführenden Gesellschaften zunächst der Feststellung der belangten Behörde, die beschwerdeführenden Gesellschaften hätten ihre Einwendung nicht hinreichend konkretisiert, entgegentreten.
Zur Frage eines Bauverbotes im Schutzabstand verweisen die beschwerdeführenden Gesellschaften auf das Ziel der Seveso II-Richtlinie, das Risiko eines Unfalls nicht zu vergrößern. Dieses Ziel werde nicht erreicht, wenn bisher unverbautes Gebiet mit Wohngebäuden bebaut werde. Daran könnten auch die erteilten Auflagen nichts ändern. Die zur Beurteilung eines angemessenen Schutzabstandes nach § 22 Abs 12 Stmk. ROG bisher vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen seien nach wie vor unvollständig und nicht nachvollziehbar.
II. Zur Rechtslage:
1. Art 12 der Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (im Folgenden: Seveso II-Richtlinie), ABl. 1997 L 10 S 13, in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes 4.00 im Jahre 2004 geltenden Fassung lautete:
"Art 12
Überwachung der Ansiedlung
(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihren Politiken der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder anderen einschlägigen Politiken das Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen, Berücksichtigung findet. Dazu überwachen sie
a) die Ansiedlung neuer Betriebe,
b) Änderungen bestehender Betriebe im Sinne des Artikels 10,
c) neue Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender Betriebe wie beispielsweise Verkehrswege, Örtlichkeiten mit Publikumsverkehr, Wohngebiete, wenn diese Ansiedlungen oder Maßnahmen das Risiko eines schweren Unfalls vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder anderen einschlägigen Politiken sowie den Verfahren zur Durchführung dieser Politiken langfristig dem Erfordernis Rechnung getragen wird, dass zwischen den unter diese Richtlinie fallenden Betrieben einerseits und Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebieten und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvollen bzw. besonders empfindlichen Gebieten andererseits ein angemessener Abstand gewahrt bleibt und dass bei bestehenden Betrieben zusätzliche technische Maßnahmen nach Artikel 5 [allgemeine Betreiberpflichten] ergriffen werden, damit es zu keiner Zunahme der Gefährdung der Bevölkerung kommt.
(2) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass alle zuständigen Behörden und alle für Entscheidungen in diesem Bereich zuständigen Dienststellen geeignete Konsultationsverfahren einrichten, um die Umsetzung dieser Politiken nach Absatz 1 zu erleichtern. Die Verfahren haben zu gewährleisten, dass bei diesbezüglichen Entscheidungen unter Berücksichtigung des Einzelfalls oder nach allgemeinen Kriterien auf fachliche Beratung über die von dem Betrieb ausgehenden Risiken zurückgegriffen werden kann."
Die Umsetzung dieser Bestimmungen der Seveso II-Richtlinie erfolgte auf dem Gebiete der Steiermärkischen Raumordnung durch das Gesetz vom , mit dem das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. 127, zuletzt in der Fassung des Gesetzes LGBl. 59/1995, geändert wird, LGBl. 64/2000.
Mit dieser am in Kraft getretenen ROG-Novelle wurden folgende Bestimmungen geändert:
§ 4 Abs 2 lautet:
"(2) Der Bund, die Gemeinden, die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts sowie andere Planungsträger und Unternehmungen von besonderer Bedeutung (Elektrizitätsversorgungsunternehmen, Industrien, Betriebe, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen fallen, u. dgl.) haben der Landesregierung über Ersuchen die für die Bestandsaufnahmen erforderlichen Auskünfte zu erteilen."
§ 21 Abs 5 lautet:
"(5) Zur Erreichung der Entwicklungsziele der Gemeinde können in Ergänzung des örtlichen Entwicklungskonzeptes für einzelne Sachbereiche (Sachbereichskonzepte), wie insbesondere für Energiewirtschaft (z.B. Energiekonzepte), Abwasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Verkehr, Umweltschutz, Zonen im Sinne § 23 Abs 18 sowie die umgebenden Gefährdungsbereiche u. dgl. erlassen werden."
Dem § 22 wurde folgender Abs 12 angefügt:
"(12) Im Flächenwidmungsplan ist darauf Bedacht zu nehmen, dass Gebiete für Betriebe, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen fallen, einerseits und Baugebiete, Vorbehaltsflächen, der Erholung und Freizeitbetätigung dienende Sondernutzungsgebiete, Verkehrsflächen und besonders geschützte Gebiete andererseits einander so zugeordnet werden, dass ein angemessener Schutzabstand zur Verhütung schwerer Unfälle und zur Begrenzung ihrer Folgen gewahrt bleibt."
Dem § 23 wurde folgender Abs 18 angefügt:
"(18) Für Betriebe oder einzelne Arten von Betrieben, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen fallen, können in Industrie- und Gewerbegebieten Zonen festgelegt werden."
2. § 26 Abs 1 Z 1 und Abs 4 des Gesetzes, mit dem Bauvorschriften für das Land Steiermark erlassen werden (Stmk. BauG), LGBl. 59/1995 idF LGBl. 78/2003 lauten:
"§26
Nachbarrechte
(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über
1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist; [...]
(4) Bei Neu- oder Zubauten, die dem Wohnen dienen, sind auch Einwendungen im Sinne § 26 Abs 1 Z 1 zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer genehmigten benachbarten gewerblichen oder landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken (heranrückende Wohnbebauung). Dies gilt jedoch nur in Bezug auf rechtmäßige Emissionen, deren Zulässigkeit vom Nachbarn zu belegen ist."
3. § 3 Abs 1 Z 2 und § 3 Abs 2 Z 6 Stmk. Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. 127 idF LGBl. 20/2003 lauten:
"§3
Raumordnungsgrundsätze
(1) Raumordnungsgrundsätze: [...]
2. Die Nutzung von Grundflächen hat unter Beachtung eines sparsamen Flächenverbrauches, einer wirtschaftlichen Aufschließung sowie weit gehender Vermeidung gegenseitiger nachteiliger Beeinträchtigungen zu erfolgen. Die Zersiedelung der Landschaft ist zu vermeiden. [...]
(2) Hiebei sind folgende Ziele abzuwägen:
[...]
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6. | Freihaltung von Gebieten mit der Eignung für eine Nutzung mit besonderen Standortansprüchen von anderen Nutzungen, die eine standortgerechte Verwendung behindern oder unmöglich machen, insbesondere |
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a) für Wohnsiedlungen, |
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b) Gewerbe- und Industriebetriebe, |
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c) | für Erholung, vor allem im Nahbereich von Siedlungsschwerpunkten, |
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d) | für einen leistungsfähigen Tourismus unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche und soziale Tragfähigkeit, die ökologische Belastbarkeit des Raumes sowie die Erfordernisse des Natur- und Landschaftsschutzes, |
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e) für eine leistungsfähige Land- und Forstwirtschaft, |
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f) mit überörtlich bedeutsamen Rohstoffvorkommen. |
4. § 22 Abs 12 Stmk. ROG: vgl. oben
5. § 23 Abs 1 Z 5 Stmk. ROG lautet:
"§23
Bauland
(1) Als vollwertiges Bauland dürfen, soweit nicht Ausnahmen gemäß Abs 2 vorgesehen werden, nur Grundflächen festgelegt werden, die dem voraussichtlichen Baulandbedarf für die zu erwartende Siedlungsentwicklung in der Gemeinde entsprechen und
[...]
5. sie keiner der beabsichtigten Nutzung widersprechenden Immissionsbelastung (Lärm, Luftschadstoffe, Erschütterungen u. dgl.) unterliegen.
Im Bauland sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert auszuweisen: Auffüllungsgebiete, Aufschließungsgebiete, Sanierungsgebiete und vollwertiges Bauland mit den erforderlichen Baugebieten."
6. § 23 Abs 3 Stmk. ROG lautet:
"(3) Innerhalb des Baulandes sind Grundflächen als Aufschließungsgebiete festzulegen, wenn sie zur Zeit der Planerstellung mangelhaft erschlossen sind oder das öffentliche Interesse (wirtschaftliche und siedlungspolitische Interessen u. dgl.) der Verwendung als Bauland entgegensteht. Die Gründe für die Festlegung sind im Wortlaut anzuführen. Wenn eine bestimmte zeitliche Reihenfolge der Erschließung zweckmäßig ist, kann das Aufschließungsgebiet in verschiedene Aufschließungszonen unterteilt werden. Die Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet hat der Gemeinderat nach Erfüllung der Aufschließungserfordernisse unter Anführung der Gründe für die Aufhebung und der Festlegung, ob eine Bebauungsplanung im Sinne des § 27 Abs 1 notwendig ist, mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen. Diese Änderung des Flächenwidmungsplanes ist nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung 1967 bzw. des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 kundzumachen."
7. § 23 Abs 5 litb Stmk. ROG lautet:
"(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht: [...]
b) allgemeine Wohngebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können;"
8. § 23 Abs 5 lite Stmk. ROG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes geltenden Fassung LGBl. 41/1991 lautete:
"e) Industrie- und Gewerbegebiete II, das sind Flächen, die für solche Betriebe und Anlagen bestimmt sind, die keine unzumutbaren Belästigungen oder gesundheitsgefährdenden Immissionen verursachen, wobei auch die für die Aufrechterhaltung dieser Anlagen in ihrer Nähe erforderlichen Wohnungen, Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet werden können. Innerhalb dieser Gebiete können Flächen mit besonderer Standplatzeignung (z.B. Möglichkeit eines direkten Anschlusses an Eisenbahn- oder Fernstraßenverkehr, Energieversorgung, Beseitigung der Abwässer und sonstiger Schadstoffe) besonders gekennzeichnet werden und sind dann Betrieben und Anlagen, die solche besonderen Anforderungen an die Qualität des Standplatzes stellen, vorzubehalten;"
9. § 28 Stmk. ROG, in der Fassung der Steiermärkischen Raumordnungsgesetznovelle 1994, LGBl. 1/1995 lautet:
"§28
Inhalt der Bebauungsplanung
(1) Mit der Bebauungsplanung ist eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes anzustreben. Im Bebauungsplan sind die Inhalte des Flächenwidmungsplanes ersichtlich zu machen.
(2) In den Bebauungsplänen sind jedenfalls festzulegen:
1. die Bebauung mit den Bebauungsweisen und dem Maß der baulichen Nutzung;
2. die Verkehrsanlagen;
3. die öffentlichen Flächen und Anlagen;
4. die Freiflächen.
(3) Die Landesregierung kann durch Verordnung nach Maßgabe der Abs 1 und 2 nähere Bestimmungen festlegen betreffend
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- | die Bebauungsplanung, insbesondere über die Planungsgrundsätze, die Gestaltung und den Umfang der Bebauungspläne und der Bebauungsrichtlinien, |
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- | die Form und den Maßstab der zeichnerischen Darstellung und Planzeichen, |
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- | die Zonierung gemäß § 27 Abs 1. |
(4) Durch den Bebauungsplan können insbesondere zur Erhaltung und Gestaltung eines erhaltenswerten Orts-, Straßen- oder Landschaftsbildes zusätzliche Angaben gegeben werden, in denen nähere Ausführungen über die äußere Gestaltung (Ansichten, Dachformen, Dachdeckung, Anstrich, Baustoff u. dgl.) von Bauten, Werbeeinrichtungen und Einfriedungen enthalten sind."
III. 1. Aus Anlass der oben erwähnten Beschwerden beschloss der Verfassungsgerichtshof am , die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes 4.00, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Trofaiach vom , und , genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , kundgemacht durch Auflage zur öffentlichen Einsicht in der Zeit vom 19. Juli bis , in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates vom , mit dem für die im Folgenden genannten Grundstücke die Festlegung als Aufschließungsgebiet für WA aufgehoben und die Liegenschaft in volles, sofort konsumierbares Bauland, und zwar Allgemeines Wohngebiet mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 0,8 umgewandelt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom
11. bis , soweit er die Flächenwidmung für die Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 Trofaiach in einem Gesamtausmaß von 9.614 m2 festlegt, und des Bebauungsplans "Reihenhausanlage Freiensteinerstraße" vom , Projekt Nr. 03/20080-B, Plan Nr. "L 1", für die von der K GmbH erworbenen Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 Trofaiach, Beschluss des Gemeinderates vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. bis , zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof hielt die Beschwerden vorläufig für zulässig und hat sie in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden. Der Verfassungsgerichtshof ging weiters davon aus, dass die belangte Behörde die in Prüfung gezogenen Verordnungen angewendet hat und dass auch er diese Verordnungen anzuwenden hätte.
2. Die Entwicklung der Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung für die Grundstücke 416 ua. stellte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"1. In dem am in Kraft getretenen Flächenwidmungsplan 1.00 waren die Grundstücke 416 u.a. als allgemeines Wohngebiet mit der Bebauungsdichte 0,3 - 0,8 gewidmet (WA). Die östlich der Bahnlinie gelegenen Betriebsgrundstücke der beschwerdeführenden Gesellschaften waren teilweise als Industrie- und Gewerbegebiete I und II und teilweise als Aufschließungsgebiet für Industrie- und Gewerbegebiet gewidmet.
2. In dem am in Kraft getretenen Flächenwidmungsplan 2.00 wurde die Wohnbaulandwidmung der Grundstücke 416 u.a. beibehalten. Die Aufschließungsgebiete für Industrie und Gewerbegebiete wurden in vollwertiges Industrie- und Gewerbegebiet I und II (J/1 und J/2) umgewidmet.
3. In dem am in Kraft getretenen Flächenwidmungsplan 3.00 wurden die Grundstücke 416 u.a. in Aufschließungsgebiet - allgemeines Wohngebiet (L(WA)) umgewidmet. Für die im Osten und Nordosten an die Bahnlinie angrenzenden Betriebsgrundstücke wurde die Widmung Industrie- und Gewerbegebiet I und II (J/1 und J/2) beibehalten.
4.1. Mit Kundmachung vom forderte der Bürgermeister gemäß § 30 Abs 2 ROG öffentlich auf, Anregungen auf Änderungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes, der Bebauungspläne und der Bebauungsrichtlinien in der Zeit von bis einzubringen. Am langte bei der Gemeinde eine Stellungnahme der beschwerdeführenden Gesellschaften ein, in der sie darauf hinwiesen, dass sie einen Betrieb zur Zwischenlagerung und Behandlung von Abfallstoffen sowie ein Lager für Mineralölprodukte betreiben und dass vorgesehen sei, die Grundstücke 416 u.a. als allgemeines Wohngebiet auszuweisen. Es liege auf der Hand, dass von jenen Betrieben und Anlagen, welche von den beschwerdeführenden Gesellschaften im Industriegebiet II errichtet wurden, Emissionen ausgehen; es stehe daher mit einer vernünftigen Raumplanung nicht in Einklang, wenn allgemeine Wohngebiete zu nahe an Industriegebiet II herangeführt würden. Die beschwerdeführenden Gesellschaften regten daher an, von einer Wohngebietswidmung der Grundstücke 416 u.a. Abstand zu nehmen.
4.2. Für den beraumte die Gemeinde einen Ortsaugenschein zur Frage der Beurteilung der Anwendbarkeit der SEVESO-Bestimmungen auf die Betriebsanlagen der beschwerdeführenden Gesellschaften an, an der neben Vertretern der beschwerdeführenden Gesellschaften Vertreter verschiedener Abteilungen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung teilnahmen. Ergebnis dieser Verhandlung war die Feststellung, dass 'der Betriebsstandort Trofaiach bezogen auf die Abfallbehandlung (Lagerung) [...] nicht den SEVESO-Bestimmungen zu unterwerfen' ist. Bezüglich der Mineralöllagerungen wurde festgestellt, dass auch das Mineralöltanklager nicht unter die Bestimmungen des Abschnittes 8a der GewO (Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen) fällt. Es könnte aber das Mineralöllager auf Grund geänderter Rechtslage als SEVESO-Betrieb eingestuft werden. In diesem Fall wäre mit einem Schutzabstand bzw. Referenzabstand von ca. 200 Metern rund um das Mineralöllager zu rechnen. Ein festgelegter Referenzabstand würde bedeuten, dass Bebauungen in diesem Bereich unzulässig wären. Der Referenzabstand von ca. 200 Metern beziehe sich nur auf die Mineralöllagerungen. Sollte aus dem Gesichtspunkt der Abfallbehandlung bzw. Abfalllagerung eine Änderung der Rechtslage stattfinden, sodass eine Seveso II Einstufung notwendig wird, könnten sich andere, auch größere Referenzabstände ergeben. In den Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes ist auch eine Stellungnahme der Rechtsabteilung 4 des Amtes der Stmk. LReg. vom enthalten, in der mitgeteilt wurde, dass 'ha. aus der Sicht des Gewerberechtes keine Rechtshindernisse zur Abwicklung von Bauverfahren entgegenstehen, zumal die Betriebsanlage der X AG Trofaiach nicht den Seveso-Bestimmungen der GewO unterliegt'.
4.3. Der Entwurf zum Flächenwidmungsplan Nr. 4.00 wurde vom bis zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Im Auflageverfahren erhoben die beschwerdeführenden Gesellschaften keine Einwendungen.
4.4. Die Flächenwidmung 'Aufschließungsgebiet - allgemeines Wohngebiet (L(WA))' wurde für die Grundstücke Nr. 416 u.a. auch in dem am in Kraft getretenen Flächenwidmungsplan 4.00 beibehalten. Im § 3 Abs 2 des Textteils des Flächenwidmungsplanes ist für die Aufschließungsgebiete gemäß § 23 Abs 3 ROG festgelegt:
'Die Bezeichnung der Aufschließungsgebiete erfolgt entsprechend dem beiliegenden Baulandzonenplan, welcher Bestandteil des Verordnungswortlautes ist.'
Im Plan über die Baulandzonierung gemäß § 27 Abs 1 ROG sind die Grundstücke 416 u.a. mit der Nr. 13 gekennzeichnet. Für das mit der Nr. 13 gekennzeichnete Gebiet ist als Planungsinstrument gemäß dem Baulandzonierungsplan 'zwecks Umsetzung öff. Interessen' ein Bebauungsplan vorgesehen. Als fehlende Aufschließungserfordernisse sind genannt:
'Innere Erschließung (bedeutet innere Verkehrserschließung und Koordination betreffend technischer Infrastrukturleitungen);
Bebauungsplan zwecks Umsetzung siedlungspolitischer Zielsetzungen:
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- | Integration in die bestehende Siedlungsstruktur sowie in das vorherrschende Ortsbild (Höhenentwicklung, Maß der baulichen Nutzung). |
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- | Abstimmung der Bebauungsplanung auf das südwestlich gelegene L(WA) [Aufschließungsgebiet - allgemeines Wohngebiet] 0,2-0,8 (lfde. Nr. 12 der Baulandzonierung). |
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- | Nachweis Lärmfreistellung durch Lärmschutzmaßnahmen auf Eigengrundstück iVm Optimierung der Objektausrichtung aufgrund Nahelage zur B 115a (Donawitzer Straße) im Sinne der für die örtliche Raumplanung maßgebenden Immissionsrichtwerte. |
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- | Berücksichtigung der Bestimmungen nach dem Eisenbahngesetz, BGBl. Nr. 60/1957 i.d.g.F.' |
5.1. In der Zeit vom bis wurde der Entwurf eines Bebauungsplanes für die östlich der Freiensteinerstraße und südlich der Dellachergasse befindlichen Grundstücke Nr. 318, .319, 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 der KG Trofaiach (im Folgenden als Bebauungsplan 'Reihenhausanlage Freiensteinerstraße' bezeichnet) zur Einsicht aufgelegt. Gegen den Entwurf erhoben die beschwerdeführenden Gesellschaften Einwendungen und wiesen darauf hin, dass beim Betrieb der Lagertanks für Heizöl extraleicht und Altöl sowie bei der Behandlung und Lagerung von gefährlichen Abfällen die in der Seveso II-RL enthaltenen Grenzwerte überschritten werden. Damit seien aber die im § 22 Abs 12 ROG genannten Sicherheitsabstände einzuhalten. Die geplante Verordnung wäre daher wegen Widerspruchs zum ROG gesetzwidrig. Sofern der Bebauungsplan nicht wegen der Nichteinhaltung des Schutzabstandes gesetzwidrig ist, sprächen sich die beschwerdeführenden Gesellschaften im Rahmen der ihnen eingeräumten Nachbarrechte ausdrücklich wegen Beeinträchtigung ihrer Interessen gegen den Bebauungsplan aus.
5.2. Die Gemeinde ersuchte daraufhin einen technischen Amtssachverständigen der FA 17B beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung, ein Gutachten über einen allfälligen Schutzabstand der Betriebsanlage vom Wohngebiet zu erstatten.
Außerdem gab die Gemeinde ein lärmtechnisches Gutachten bezüglich des Containerumschlagplatzes der beschwerdeführenden Gesellschaften in Auftrag. Dieses Gutachten ergab, dass auf den vorgesehenen Baugrundstücken sowohl das Widmungsmaß (Allgemeines Wohngebiet) als auch die Planungsrichtwerte nach dem Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz bereits im Zustand 'mit bestehendem Lärmschutz' eindeutig unterschritten werden. Mit dem geplanten 'verbesserten Lärmschutz' (Realisierung im Jahr 2005) würden die Immissionsbelastungen dem Widmungsmaß für 'Reines Wohngebiet' entsprechen.
In seinem Gutachten führte der sicherheitstechnische Amtssachverständige DI S. aus, dass für die Abfallanlagen der beschwerdeführenden Gesellschaften kein Szenario angesetzt werden könne (die konsensgemäßen Lagermengen seien aus dem Genehmigungsbescheid nicht ersichtlich; es liege aber die Vermutung nahe, dass die technischen Voraussetzungen für die Lagerung von Mengen oberhalb der Mengenschwellen gemäß Teil 2 der Anlage 6 zum AWG gegeben seien). Weiters schränkte der Amtssachverständige seine Aussage dahingehend ein, dass die sicherheitstechnische Stellungnahme keine endgültige Bewertung der Gefährdungsbereiche der Betriebsanlagen der beschwerdeführenden Gesellschaften darstelle. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass eventuelle Szenarien für die Abfallanlagen, insbesondere für giftige und sehr giftige Stoffe, Gefährdungsbereiche ergeben, die größer sind als jene für den Brand in der Auffangwanne. Für den Bereich der Auffangwanne ergebe sich der vom ASV empfohlene 'angemessene Schutzabstand' von 210 m (d.h. eine Kreisfläche mit 210 m Radius und dem Mittelpunkt im Schwerpunkt der Tanklagerauffangwannen).
In der Folge übermittelten die beschwerdeführenden Gesellschaften Unterlagen über die Abfalllagerungen einschließlich einer Schlüsselnummernliste. Der Amtssachverständige ergänzte seine Stellungnahme dahingehend, dass für die Baugrundstücke Nr. 416 u.a. durch die Anlagenteile 'Abfall' keine zusätzlichen Gefährdungen durch schwere Unfälle iSd Seveso II-Richtlinie auftreten.
5.3. In der Folge beauftragte die Gemeinde den Zivilingenieur für das Bauwesen DI F., auf der Grundlage des Gutachtens von DI S. u. a. folgende Fragen hinsichtlich der darin ausgewiesenen Gefahrenzone zu behandeln:
'Ist eine Wohnbebauung im derzeit als L(WA) gewidmeten Bereich der Freiensteiner Straße zulässig und wenn ja, mit welchen Auflagen im Bauverfahren?'
Um die Sicherheit der Menschen in dem geplanten Baugebiet zu gewährleisten schlug DI F. folgende Maßnahmen vor:
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'1. | Errichtung einer geeigneten Wand an der Grundstücksgrenze mit einer Höhe von 4,30 m über Gelände, welche den Freiplatz vor dem Haus 20 (lt. Bebauungsplan) gegen Wärmeeinstrahlung abschattet. |
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2. | Ausführung der Bauten bis zur Entfernung von 210 m vom Brandherd (Häuser H 20 und H 21 sowie der Nebenbauten) an der Oberfläche mit nicht brennbaren Baustoffen. Eine Ableitung bzw. Speicherung der absorbierten Wärme muss erfolgen können, es darf kein Wärmestau entstehen. Es darf durch die Erwärmung an der Oberfläche keine Reaktion im Bauteil entstehen, welche Feuer oder die Freisetzung von Gasen oder andere gesundheitsschädliche Auswirkungen hat. |
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3. | Die Verglasungen, welche zum Brandort zeigen, müssen einer Wärmestrahlung von 2,5 kW/m2 (Einstrahlfläche) standhalten und müssen weiters die Wärmestrahlung um mindestens 0,8 kW/m2 abmindern. Es dürfen keine Verglasungen vorhanden sein, welche durch Linsenwirkung eine Focusierung der Wärmestrahlung ermöglichen. |
4. Im Freien dürfen keine brennbaren Stoffe gelagert werden.
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5. | Es dürfen keine Bäume und Sträucher vorhanden sein, da diese entzündlich sind und die Gefahr von Sekundärbränden beinhalten. |
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6. | Zur Vermeidung von Rauchgasvergiftungen muss es möglich sein, die Wohnräume derart abzudichten (Dichtheit der Fenster und Türen), dass keine Rauchgase in schädlichen Mengen von außen eindringen können. |
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7. | Um Bewohnern die Möglichkeit zu geben, auf einen möglichen Großbrand zu reagieren, muss ein entsprechendes Alarmsystem (Sirene mit Temperatursensor etc.) für das Grundstück oder das Wohngebiet (zB Feuerwehreinrichtung) vorhanden sein. |
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8. | Installation von Hydranten mit Feuerlöschschläuchen zur Selbsthilfe, da bei einem Großbrand die Verfügbarkeit von Feuerwehrkräften nicht wahrscheinlich ist und Wasser auch für das vorbeugende Kühlen verwendet werden kann.' |
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Weiters schlug DI F. folgende Maßnahmen vor: |
'Im Bereich von 210 m bis 236 m zum Brandzentrum sind die Bauten mit nicht brennbaren äußeren Oberflächen herzustellen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass es durch Wärmestrahlung und/oder Funkenflug (Fremdzündung) zu Bränden kommen kann [...]. Weiters ist es sinnvoll, dass zum Brandherd gerichtete Glasflächen teilweise Wärmestrahlung reflektieren, um so ein Aufheizen von eventuell in den Gebäuden befindlichen, leicht entzündlichen Stoffen zu vermeiden. Die Bauten sind so zu positionieren und/oder auszuführen, dass auch beim Brand von bestehenden Nachbargebäuden ein Brand durch Funkenflug nicht entstehen kann.'
Zusammenfassend stellte DI F. fest, dass eine Bebauung der Grundstücke unter den angeführten Auflagen zulässig ist.
5.4. Bei der am gemäß § 29 Abs 6 ROG abgeführten Verhandlung sprachen sich die beschwerdeführenden Gesellschaften gegen die Erlassung des Bebauungsplanes aus und machten mangelhafte Grundlagenforschung, nicht ausreichende Berücksichtigung des Prinzips der Vermeidung gegenseitiger nachteiliger Beeinträchtigung und einen Widerspruch zu § 22 Abs 12 ROG geltend.
5.5. In der Gemeinderatssitzung vom wurden die Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaften behandelt und dazu u.a. ausgeführt, dass man dem gebotenen Prinzip der Beachtung der Raumordnungsgrundsätze dadurch gerecht werde, 'als bestimmungsgemäß die von Seiten der Sachverständigen errechneten/abgeschätzten Sicherheitsabstände wie auch erforderlichen Auflagen im Bebauungsplan aufgenommen wurden'. Er fasste in dieser Sitzung schließlich einstimmig folgende Beschlüsse:
'II. Der Bebauungsplan 'Reihenhausanlage Freiensteinerstraße' vom , Projekt Nr. 03/20080-B, Plan Nr. 'L 1', für die von der K GmbH erworbenen Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 Trofaiach, verfasst vom Architekturbüro DI B, wird unter Berücksichtigung der Einwendungen in gegenüber der Auflage abgeänderter Form - Stand - mit dem zugehörigen Verordnungstext genehmigt.
III. Die Festlegung der Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 in einem Gesamtausmaß von 9.614 m2 als Aufschließungsgebiet für WA wird aufgehoben und die Liegenschaft in volles, sofort konsumierbares Bauland, und zwar Allgemeines Wohngebiet mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 0,8, umgewandelt.'
Diese Beschlüsse wurden gemäß § 92 Abs 1 der Stmk. Gemeindeordnung durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom
11. bis kundgemacht.
Der Bebauungsplan wurde gegenüber dem aufgelegten Entwurf um einen § 11 ergänzt, der folgenden Wortlaut hat:
'§11
Präventive Maßnahmen nach den Sicherheitsrichtlinien für Bebauungen
im Seveso II - Gefahrenzonenbereich
Sämtliche im § 11 (1) bis (6) des gegenständlichen Wortlautes getroffenen präventiven Maßnahmen sind im Zuge der nachfolgenden Individualverfahren (Bauverfahren) durch die Baubehörde vorzuschreiben, es sei denn, es werden aktive Schutzmaßnahmen im Bereich des Betriebes bis zu diesem Zeitpunkt gesetzt.
(1) Errichtung einer geeigneten Wand an der Grundstücksgrenze in einer Höhe von 4,3 m über Gelände zum Zwecke der Abschattung des Freiplatzes vor dem Haus H 20 gem. Rechtsplan gegen Wärmeeinstrahlung bzw. alternativ hiezu Errichtung von gleichwertigen Maßnahmen.
(2) Ausführung der Bauten bis zur Entfernung von 210 m vom Brandherd (Häuser 20 und Häuser 21 sowie Nebenbauten) an der Oberfläche mit nicht brennbaren Baustoffen.
(3) Verglasungen, welche zum Brandort zeigen, müssen einer Wärmestrahlung von 2,5 kW/m2 (Einstrahlfläche) standhalten und müssen weiters die Wärmestrahlung um mind. 0,8 kW/m2 abmindern. Es dürfen keine Verglasungen vorhanden sein, welche durch Linsenwirkung eine Fokussierung der Wärmestrahlung ermöglichen.
(4) Zur Vermeidung von Rauchgasvergiftungen sind die Wohnräume derart abzudichten (Dichtheit der Fenster und Türen), dass keine Rauchgase in schädlichen Mengen von Außen eindringen können.
(5) Im Bereich des Bebauungsplangebietes ist ein entsprechendes Alarmsystem einzurichten, um den Bewohnern die Möglichkeit zu geben, auf einen möglichen Großbrand zu reagieren.
(6) Errichtung einer massiven Wand an der nördlichen Grundstücksgrenze in einer Höhe von 2,5 m über Gelände zum Zwecke der Abschattung der Spielflächen gegen Wärmeeinstrahlung gem. Rechtsplan.'
5.6. Am langte bei der Stadtgemeinde Trofaiach ein von den beschwerdeführenden Gesellschaften in Auftrag gegebener Bericht des TÜV Österreich "Ausbreitungs- und Auswirkungsabschätzung für die Abfallbehandlung der" X AG ein. In einem Schreiben vom teilte die Fachabteilung 13 B des Amtes der Stmk. Landesregierung (Bau- und Raumordnung) der Stadtgemeinde Trofaiach mit, dass die fachliche und rechtliche Prüfung des Bebauungsplanes zu folgendem Ergebnis geführt habe:
'Der Bebauungsplan entspricht grundsätzlich den Mindestinhalten gem. § 28 ROG.
Auf Grund der Lage des gegenständlichen Bereiches in einem Gefährdungsbereich des SEVESO-Betriebes X wurden im § 11 des Wortlautes präventive Maßnahmen vorgeschrieben. Diese Vorgaben stützen sich auf ein Gutachten von DI F. vom .
Im Abs 1 ist die Errichtung einer geeigneten Wand an der Grundstücksgrenze in der Höhe von 4,30 m über Gelände zum Zwecke der Abschattung des Freiplatzes vor dem Haus 20 als notwendige Maßnahme genannt. Diesbezüglich wird festgestellt, dass es notwendig sein wird, zu präzisieren, wo genau diese Wand erforderlich ist (der Begriff an der Grundstücksgrenze erscheint aus fachlicher Sicht zu unpräzise). Die Absätze 4 und 5 finden in den Bestimmungen des § 28
(4) keine Rechtsgrundlage.
Bezugnehmend auf das vorhandene Gutachten von DI F. vom wird Pkt. f 5 angeführt, dass keine Bäume und Sträucher im Gefahrenradius von 210 m gepflanzt werden dürfen. Des weiteren legt das Gutachten DI F. dar, dass vor allem auch im Bereich zwischen 210 und 236 m Maßnahmen zu treffen sind (Herstellen der äußeren Oberflächen der Bauten mit schwer entzündlichen Materialien und Nachweis, dass die Positionierung der Bauten so gewählt ist, dass auch beim Brand von bestehenden Nachbargebäuden ein Brand durch Funkenflug nicht entstehen kann). Auf die Möglichkeit, Vorgaben zur Bepflanzung bzw. lebenden Zäunen auf Grundlage der §§8 und 11 Stmk. Baugesetz in einen Bebauungsplan zu übernehmen, wird in diesem Zusammenhang verwiesen.
Im Hinblick auf die Abfallbehandlungsanlagen und die Abfalllagerungen und eine mögliche Gefährdung durch solche Abfallstoffe (z.B. Austritt toxischer Gase) liegt ein Gutachten vom TÜV Österreich mit nunmehr vor, welches zeigt, dass keine über den bisher festgestellten Gefährdungsbereich hinausgehende Gefahr besteht.
Auch wenn gegen den gegenständlichen Bebauungsplan kein grundsätzlicher Einwand besteht, ergeht die Aufforderung, die obgenannten Festlegungen entsprechend zu präzisieren bzw. zu korrigieren.'"
3. Ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungen hegte der Verfassungsgerichtshof folgende Bedenken:
"Gemäß § 23 Abs 1 Z 5 ROG dürfen als vollwertiges Bauland nur Grundflächen festgelegt werden, die dem voraussichtlichen Baulandbedarf für die zu erwartende Siedlungsentwicklung in der Gemeinde entsprechen und die keiner der beabsichtigten Nutzung widersprechenden Immissionsbelastung (Lärm, Luftschadstoffe, Erschütterungen u. dgl.) unterliegen. Gemäß § 22 Abs 12 ROG ist im Flächenwidmungsplan darauf Bedacht zu nehmen, dass Gebiete für Betriebe, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen fallen, einerseits und Baugebiete, Vorbehaltsflächen, der Erholung und Freizeitbetätigung dienende Sondernutzungsgebiete, Verkehrsflächen und besonders geschützte Gebiete andererseits einander so zugeordnet werden, dass ein angemessener Schutzabstand zur Verhütung schwerer Unfälle und zur Begrenzung ihrer Folgen gewahrt bleibt.
Gemäß § 30 ROG ist eine Änderung des Flächenwidmungsplanes und der Bebauungspläne jedenfalls vorzunehmen, wenn dies
a) durch eine wesentliche Änderung der Planungsvoraussetzungen,
b) zur Vermeidung oder Behebung von Widersprüchen zu Gesetzen und Verordnungen des Bundes und des Landes,
c) zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Nachteile oder
d) wegen Aufhebung des Vorbehaltes gemäß § 26 Abs 2 und 6
erforderlich ist.
Dass es sich bei den Betrieben der beschwerdeführenden Gesellschaften um Seveso II-Betriebe handelt, war dem Gemeinderat spätestens im Verfahren zur Erlassung des Bebauungsplanes bekannt.
Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, dass sich der Gemeinderat nicht damit hätte begnügen dürfen, Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Wohngebietes im Bebauungsplan vorzusehen. Er dürfte vielmehr verpflichtet gewesen sein - ausgehend vom Bestand eines Betriebes im Sinne der Seveso II-Richtlinie und von der konkreten Umgebungssituation - eine Grundlagenforschung im Hinblick auf die Möglichkeit von Unfällen und deren Folgen zu betreiben und Konzepte zur Verhütung schwerer Unfälle zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlagenforschung aufbauend hätte nach der vorläufigen Ansicht des Verfassungsgerichtshofs der Gemeinderat im Flächenwidmungsplan innerhalb jenes Abstands von den Betriebsanlagen, der gemäß § 22 Abs 12 ROG für die Widmung von Wohngebieten angemessen ist, keine Freigabe von Aufschließungsgebieten und daher keine Wohngebietswidmung vornehmen dürfen.
Diesem Erfordernis dürfte der Gemeinderat auch durch die im § 11 des Bebauungsplanes vorgesehenen Maßnahmen nicht entsprochen haben. Denn vor der Freigabe des Aufschließungsgebietes und vor der Festlegung von Beschränkungen im Bebauungsplan muss die Beantwortung der Frage liegen, ob die zur Bebauung vorgesehenen Grundstücke für eine solche überhaupt geeignet sind. Das setzt die Entscheidung im Flächenwidmungsplan voraus, in welchem Bereich eine neue Baulandwidmung oder auch eine Freigabe von Aufschließungsgebieten im Hinblick auf das von den Betriebsanlagen ausgehende Gefahrenpotential zulässig ist. Diese Frage - so nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an - hat der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan und nicht erst im Bebauungsplan zu treffen.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit der gleichzeitigen Freigabe des Aufschließungsgebietes in vollwertiges Bauland - allgemeines Wohngebiet - durch Änderung des Flächenwidmungsplanes in Verbindung mit § 11 des Bebauungsplanes ein angemessener Abstand im Verordnungswege implizit festgelegt wurde, dürfte die Wohnbaulandwidmung den Bestimmungen des § 23 Abs 1 Z 5 ROG nicht entsprechen: Die Auflagen dürften zunächst zeigen, dass ein Teil des Wohngebietes innerhalb des Schutzbereiches von 210 m liegt. Weiters dürften die übrigen Auflagen, die teilweise von einem Schutzbereich von 236 m ausgehen, darauf hindeuten, dass auf den als freigegebenes Aufschließungsgebiet vorgesehenen Grundstücken im Falle eines Unfalls erhebliche Immissionen zu gewärtigen sind, sonst wäre es nicht notwendig gewesen, etwa das Lagern von brennbaren Gegenständen im Freien und das Pflanzen von Sträuchern und Bäumen zu verbieten oder die Rauchgasdurchlässigkeit hemmende Öffnungen vorzuschreiben. Alle diese Auflagen dürften zeigen, dass das als allgemeines Wohngebiet frei gegebene Grundstück für eine Wohnverbauung nicht geeignet sein dürfte.
Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, dass er nicht zuständig ist, die Frage der Zweckmäßigkeit einer Wohnbaulandwidmung zu überprüfen. Im vorliegenden Fall geht der Verfassungsgerichtshof jedoch davon aus, dass nicht nur die Zweckmäßigkeit sondern - im Hinblick auf die vorläufig angenommenen Zweifel an der Wohnbaulandeignung - auch die Gesetzmäßigkeit der Wohnbaulandwidmung in Frage steht.
Bei der Annahme der Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes 4.00 würde auch die Grundlage zur Erlassung des Bebauungsplanes wegfallen, weshalb auch diese Verordnung in Prüfung zu ziehen war."
IV. 1. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Stellungnahme, in der sie nach einer Darstellung der Entwicklungsgeschichte der in Prüfung gezogenen Pläne ausführte, dass nach den vorliegenden Sachverständigenbeurteilungen die Flächen des Aufschließungsgebietes selbst innerhalb des ursprünglich berechneten angemessenen Abstandes, auf Grund der hier festgestellten Art der Gefährdung, nicht grundsätzlich von einer Verbauung ausgeschlossen seien, wenngleich Schutzmaßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle und zur Begrenzung ihrer Folgen vorgeschlagen würden. Eine zwingende Baulandrücknahme dieser Grundstücke in Freiland könne daraus nicht abgeleitet werden. Eine Anpassung des Flächenwidmungsplanes an die geänderten Planungsvoraussetzungen in Form einer Ersichtlichmachung des "angemessenen Schutzabstandes" gemäß § 22 Abs 7 Z 4 ROG müsse allerdings noch erfolgen, da, abgesehen vom in Rede stehenden Aufschließungsgebiet, für sämtliche der überwiegend bebauten Wohnbaulandflächen innerhalb dieses Bereiches im Anlassfall Schutzmaßnahmen vorzuschreiben sein werden. Dabei würden die Entfernungswerte der aktuellen Berechnung als Grundlage zu berücksichtigen sein. Ein gänzliches Freihalten der Flächen innerhalb des im Katastrophenfall gefährdeten Bereiches, zur "Wahrung eines angemessenen Abstandes" zwischen dem SEVESO II-Betrieb und sensiblen Nutzungen wie es gemäß § 22 Abs 12 ROG im Falle von Neuplanungen zu erfolgen habe, scheine schon auf Grund der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Betriebsstandort bestehenden Wohnbebauung hier nicht zielführend. Durch die im Bebauungsplan vorgeschriebenen Maßnahmen werde jedenfalls verhindert, dass sich das Risiko eines schweren Unfalles durch die Bebauung dieses, vom errechneten Schutzabstand unter der ursprünglichen Annahme randlich berührten, Aufschließungsgebietes vergrößert oder sich die Folgen eines Unfalls verschlimmern.
2. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Trofaiach erstattete eine Stellungnahme, in der er darauf hinwies, dass die Grundstücke 416 ua. deshalb als Allgemeines Wohngebiet weitergeführt worden seien, da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Sinne der Bestimmungen des § 23 Abs 3 ROG die Aufschließungserfordernisse gegeben gewesen seien. Diese hätten im Wesentlichen Maßnahmen betroffen, die im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde als erfüllbar erachtet worden seien, wie zum Beispiel die äußere Anbindung, die innere Erschließung, allfällige Lärmfreistellungen und anderes mehr. "Seveso-Bestimmungen" wie angemessene Abstände seien "hiebei nicht relevant" gewesen.
Im Rahmen des Verfahrens zur Erstellung des Bebauungsplans sei, da sich geänderte Planungsvoraussetzungen ergeben hätten, der durch Sachverständige ermittelte "angemessene Schutzabstand" um den Bereich des Firmengeländes der Fa. R. in der Verordnung ersichtlich gemacht worden. In den Wortlaut des Bebauungsplans habe der Gemeinderat nach § 23 Abs 3 ROG im öffentlichen (siedlungspolitischen) Interesse die neu gewonnenen Erkenntnisse aufgenommen. Durch die im Rahmen des Verfahrens zur Erstellung des Bebauungsplanes geführte Grundlagenforschung seien Maßnahmen und Festlegungen entwickelt worden, die den Empfehlungen des Bundesländerarbeitskreises Seveso vollinhaltlich entsprochen hätten. Aufgrund der Planungsschritte im Rahmen der Erstellung des Bebauungsplans sei somit "von einer zwingenden Fortführung und Änderung des Örtlichen Entwicklungskonzeptes und des Flächenwidmungsplanes nach § 30 ROG nicht auszugehen" gewesen, da ohnedies im Rahmen des Bebauungsplanes den Bestimmungen des § 30 Abs 3 ROG voll Genüge getan worden sei.
Im vorliegenden Fall sei von "wohlerworbenen Wohnbaufestlegungen" auszugehen. Außer Streit stehe, dass der geltende Flächenwidmungsplan ein Nebeneinander von unterschiedlichen Widmungen und Nutzungsansprüchen zeige, denen jedoch eine erhöhte Bestandsgarantie zuzubilligen sei. Es träfen zwar konfligierende Widmungen aufeinander. Der Gemeinderat habe jedoch danach getrachtet, die unterschiedlichen Nutzungsansprüche durch Auflagen im Bebauungsplan zu harmonisieren.
Das Aufschließungsgebiet für Allgemeines Wohngebiet sei zur Zeit der Planerstellung mangelhaft erschlossen gewesen. Die Beschlussfassung über den Bebauungsplan und der Aufhebungsbeschluss nach § 23 Abs 3 ROG habe sich als Folge der Erfüllung der Aufschließungserfordernisse ergeben. Aber auch ohne Aufhebung der Festlegung als Aufschließungsgebiet hätte gemäß § 32 Abs 2 ROG unter bestimmten Voraussetzungen eine Bewilligung erteilt werden müssen.
Der Gemeinde seien mehrere Möglichkeiten offen gestanden. Sie habe den zeitgleichen Beschluss über die Aufhebung der Festlegung als Aufschließungsgebiet und über den Bebauungsplan gewählt und habe "somit zur Nutzbarmachung des Baulandes den Flächenwidmungsplan bereits vor dem Vorliegen der positiven Verordnungsüberprüfung des Landes Steiermark" geändert.
V. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Annahmen, dass die Beschwerden zulässig sind und dass der Verfassungsgerichtshof die geprüften Verordnungen bei der Entscheidung über diese Beschwerden anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.
2. Auch die Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der geprüften Verordnungen treffen zu:
Wenn die Steiermärkische Landesregierung vorbringt, aus der Gefahrensituation könne eine zwingende Baulandrücknahme in Freiland nicht abgeleitet werden, so ist ihr zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss nicht die Umwidmung des gesamten Aufschließungsgebietes von Bauland in Freiland forderte, sondern die Freigabe jenes Teils des Aufschließungsgebietes, das innerhalb eines angemessenen Schutzabstandes vom Seveso II-Betrieb liegt, vorläufig als gesetzwidrig beurteilte. Die Steiermärkische Landesregierung gibt zwar zu, dass ein Anpassungsbedarf des Flächenwidmungsplanes an die geänderten Planungsvoraussetzungen in Form einer Ersichtlichmachung des angemessenen Schutzabstandes besteht, hält jedoch ein gänzliches Freihalten der Flächen innerhalb des im Katastrophenfall gefährdeten Bereiches zur "Wahrung eines angemessenen Abstandes" zwischen dem SEVESO II-Betrieb und sensiblen Nutzungen schon auf Grund der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Betriebsstandort bestehenden Wohnbebauung hier nicht für zielführend. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass eine bestehende Verbauung innerhalb des Schutzbereiches nicht als Begründung für die Freigabe eines ebenfalls innerhalb des Schutzabstandes liegenden Teils eines Aufschließungsgebietes herangezogen werden darf. Auch das Argument, durch die im Bebauungsplan vorgeschriebenen Maßnahmen werde jedenfalls verhindert, dass sich das Risiko eines schweren Unfalles durch die Bebauung dieses, vom errechneten Schutzabstand unter der ursprünglichen Annahme randlich berührten, Aufschließungsgebietes vergrößert oder sich die Folgen eines Unfalls verschlimmern, trifft nicht zu. Denn es wäre - wovon der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig ausging - erforderlich gewesen, vor Erlassung des Bebauungsplans im Flächenwidmungsplan den angemessenen Schutzabstand ersichtlich zu machen und danach die Entscheidung über die Freigabe von Teilen des Aufschließungsgebietes zu treffen. Dadurch, dass noch vor Ersichtlichmachung des angemessenen Schutzabstandes im Flächenwidmungsplan auch die innerhalb des Schutzabstandes liegenden Gebietsteile zur Bebauung freigegeben wurden, hat die Gemeinde das Risiko schwerer Folgen eines Unfalles durch die Bebauung vergrößert.
Wenn der Gemeinderat darauf hinweist, dass von wohlerworbenen Wohnbaufestlegungen auszugehen gewesen sei und dass die Aufschließungserfordernisse gemäß dem Baulandzonierungsplan erfüllt worden seien, ist ihm zu entgegnen, dass sich jedenfalls vor der Freigabe der Aufschließung die Planungsgrundlagen insofern wesentlich geändert haben, als nun bekannt war, dass ein Teil der Aufschließungszone innerhalb des angemessenen Schutzabstandes einer Seveso II-Anlage von 210 m bzw. 236 m liegt. Darauf hätte die Gemeinde durch entsprechende Maßnahmen der Flächenwidmung reagieren müssen; sie hätte - um einen ausreichenden Abstand zwischen dem Seveso II-Betrieb und Wohnbauland zu schaffen - jedenfalls nicht das gesamte Wohngebiet freigeben dürfen. Zum Argument des Gemeinderates, im Rahmen des Bebauungsplanes sei den Bestimmungen des ROG voll Genüge getan worden, bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner im Prüfungsbeschluss enthaltenen Einschätzung, dass die unter III.2.5.5. dargestellten Bestimmungen des § 11 des Bebauungsplanes zeigen, dass das als Allgemeines Wohngebiet frei gegebene Gebiet, soweit es innerhalb des angemessenen Schutzabstandes liegt, für eine Wohnverbauung nicht geeignet ist.
Die geprüften Verordnungen waren daher als gesetzwidrig aufzuheben.
3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 VfGG.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.