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VfGH vom 25.02.1997, v22/95

VfGH vom 25.02.1997, v22/95

Sammlungsnummer

14754

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf teilweise Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Aldrans vom . (Unmittelbare Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen durch den Grundeigentümer in Tirol; vgl zB VfSlg 9260/1981).

Anlaßfallwirkung der Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir RaumOG 1994 mit E v , G195/96 ua.

Da nicht ausgeschlossen ist, daß die gänzliche Aufhebung des Flächenwidmungsplanes den rechtlichen Interessen der Parteien zuwiderläuft, ist die in Prüfung gezogene Verordnung lediglich im präjudiziellen Umfang aufzuheben (vgl G195/96 ua).

Spruch

Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Aldrans vom , genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , ZVe-546-19/223, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. bis , wird insoweit als gesetzwidrig aufgehoben, als darin die GP 163/17 (ident mit den neugebildeten GPen. 163/17 und 163/18), GB 81101 Aldrans, als Freiland ausgewiesen wird.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Die Gemeinde Aldrans ist schuldig, dem Antragsteller zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Antragsteller beantragt, "(d)er Verfassungsgerichtshof möge den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Aldrans vom , bewilligt durch die Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde am zur Zahl Ve-546-19/223 (im folgenden kurz: Flächenwidmungsplan) als gesetzwidrig aufheben, insoweit dieser das Grundstück Nr. 163/17 GB 81101 Aldrans als Freiland ausweist". Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, daß er Eigentümer des Grundstückes Nr. 163/17, GB 81101 Aldrans, sei und der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Aldrans daher unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre eingreife. Es stehe ihm auch kein anderer zumutbarer Weg der Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit zur Verfügung, insbesondere sei es ihm nicht möglich, eine Bescheidbeschwerde zu erheben, da der Genehmigungsbescheid der Aufsichtsbehörde ein unselbständiger Teilakt im Verwaltungsgeschehen sei.

2. Die Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in welcher der hier gegenständliche Flächenwidmungsplan verteidigt und der Antrag gestellt wird, der Verfassungsgerichtshof wolle diesen Antrag abweisen.

3. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Aldrans erstattete eine Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung Individualanträge auf Verordnungsprüfung, mit denen die Aufhebung von Bestimmungen eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes begehrt wurde, dann als unzulässig erachtet, wenn es den betroffenen Liegenschaftseigentümer nach der in Betracht kommenden baurechtlichen Gesetzeslage ohne erheblichen Kostenaufwand (insbesondere den Aufwand für die Anfertigung der für eine Baubewilligung erforderlichen kostspieligen Planunterlagen) möglich und daher zumutbar war, in einem besonderen Verfahren einen - nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges - bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfbaren Bescheid zu erwirken, dessen Anfechtung im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung der Bedenken gegen die Gesetzwidrigkeit der Verordnung und zur Anregung ihrer von Amts wegen zu veranlassenden Überprüfung bietet (s. VfSlg. 11227/1987, 11348/1987). Ein derartiger zumutbarer Weg steht dem Antragsteller, welcher die partielle Aufhebung des Flächenwidmungsplanes begehrt, nicht zur Verfügung. Es ist im gegebenen Zusammenhang im besonderen auf die ständige, mit dem Erkenntis VfSlg. 9260/1981 begonnene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes betreffend die unmittelbare Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen durch den Grundeigentümer in Tirol zu verweisen.

III. 1.1. Aus Anlaß dieses Individualantrages beschloß der Verfassungsgerichtshof am von Amts wegen die Bestimmungen der §§41 und 109 Abs 1 des Gesetzes vom über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol Nr. 81/1993, in der Fassung vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, (im folgenden kurz: TROG 1994), gemäß Art 140 Abs 1 B-VG auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen.

1.2. Mit Erkenntnis vom , G195/96 ua., hob der Verfassungsgerichtshof das TROG 1994 mit Ablauf des insoweit als verfassungswidrig auf, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle 1996 derogiert wurde und stellte fest, daß das TROG 1994 verfassungswidrig war, soweit ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle derogiert wurde.

2. Wie sich aus Art 140 Abs 7 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Gleiches gilt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung, die auf die aufgehobene Gesetzesbestimmung gegründet war.

3. Der angefochtene Teil des Flächenwidmungsplanes findet seine materielle Basis in den als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen der §§41 und 109 Abs 1 TROG 1994. Er ist nunmehr so zu beurteilen, als ob er ohne gesetzliche Grundlage - also in Widerspruch zu Art 18 B-VG - erlassen worden wäre (vgl. VfSlg. 10066/1984, 11057/1986).

Eine Verordnung, die insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehrt, ist gemäß Art 139 Abs 3 lita B-VG zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, es sei denn, es ergeben sich Umstände im Sinne des Art 139 Abs 3 letzter Satz B-VG.

Da im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen ist, daß die gänzliche Aufhebung des Flächenwidmungsplanes den Interessen der Parteien zuwiderläuft, ist die in Prüfung gezogene Verordnung lediglich in ihrem präjudiziellen Umfang aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 61 a VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-

enthalten.

5. Die Entscheidung über die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

IV. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Fundstelle(n):
YAAAE-29206