VfGH vom 05.10.2016, V2/2016

VfGH vom 05.10.2016, V2/2016

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Festlegung unterschiedlicher Bauklassen für zwei benachbarte Grundstücke in einem Bebauungsplan der Marktgemeinde Guntramsdorf; Ungleichbehandlung der in gleicher Lage befindlichen Grundstücke bzw Besserstellung des Grundstücks mit einem konsenslos errichteten Bau sachlich nicht gerechtfertigt, auch nicht im Hinblick auf das Planungsziel der Sicherung von ausreichendem Entwicklungspotential für das Ortszentrum; gesetzwidriges Zustandekommen des Bebauungsplanes infolge mangelhafter Grundlagenforschung

Spruch

I. Der Teilbebauungsplan "TB10 - Wohngebietsbereiche", Bereich "Ortszentrum West und Nord", der Marktgemeinde Guntramsdorf in der Fassung der vom Gemeinderat am beschlossenen Verordnung, kundgemacht an der Amtstafel vom 25. Jänner bis , wird, insoweit er für das Grundstück .179, KG Guntramsdorf, "Bauklasse I/II" und für das Grundstück .307, KG Guntramsdorf, "Bauklasse III/IV" festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für das Land Niederösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E1909/2014 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Mit Bescheid vom genehmigte der Bürgermeister der Marktgemeinde Guntramsdorf den Antrag einer registrierten gemeinnützigen Bau- und Wohnungsgenossenschaft mbH auf Abbruch eines bestehenden Gebäudes und Neubau eines Gebäudes mit 6 Wohneinheiten auf dem Grundstück .307. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens erhoben als Nachbarn iSd § 6 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (im Folgenden: NÖ BauO 1996) Rechtsmittel durch alle Instanzen und brachten letztlich am auch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser hob den Vorstellungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf (). Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung einerseits damit, dass die Mitwirkung des Unterfertigers des erstinstanzlichen Bescheids bei der Beschlussfassung des Gemeindevorstands als Baubehörde zweiter Instanz einen relevanten Verfahrensmangel darstelle. Andererseits stellte der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem behaupteten Verstoß gegen § 54 NÖ BauO 1996 idF LGBl 8200-17 auch fest, dass zu prüfen gewesen wäre, welche Bebauung auf der benachbarten Liegenschaft der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens zulässig sei. Soweit auf dieser Liegenschaft nämlich Hauptfenster in einem Abstand von dem Bau zulässig seien, sei für solche künftig zulässigen Hauptfenster das Nachbarrecht auf Gebäudehöhe nur dann gewahrt, wenn für sie trotz des Bauvorhabens ein Lichteinfall von zumindest 45° gewährleistet sei. Auch aus diesem Grund sei der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben gewesen. Die Bescheide der Unterinstanzen wurden in der Folge aufgehoben. Mit Bescheid vom genehmigte der Bürgermeister neuerlich das Gebäude. Der Gemeindevorstand bestätigte diese Entscheidung mit einem die Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführer des Anlassverfahrens abweisenden Bescheid vom , wogegen sich eine an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gerichtete Beschwerde richtet, die nach wie vor anhängig ist.

1.2. In den Jahren 2009 und 2010 – das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof war noch anhängig – errichtete die Bau- und Wohnungsgenossenschaft im Anschluss an einen westlich gelegenen viergeschossigen Wohnbau (Eggendorfergasse 12) das beantragte Gebäude auf dem Grundstück .307 (Eggendorfergasse 10). Dem Antrag der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens – sie sind Miteigentümer des unmittelbar östlich angrenzenden Grundstücks .179 –, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, hatte der Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung nicht stattgegeben, dass die bauwerbende Bau- und Wohnungsgenossenschaft ohnehin das Risiko für den Fall des Obsiegens der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens, also die Folgen einer allenfalls eintretenden Konsenslosigkeit, trage.

1.3. Am – ebenfalls noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs – beschloss der Gemeinderat der Marktgemeinde Guntramsdorf (im Folgenden: Gemeinderat) eine Erweiterung des bestehenden Teilbebauungsplans "TB10 - Wohngebietsbereiche" um den Bereich "Ortszentrum West und Nord", auf den sich die Verordnungsprüfung bezieht. Damit wurde erstmals sowohl für das Grundstück der Bau- und Wohnungsgenossenschaft als auch für das der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens ein Bebauungsplan iSd NÖ BauO 1996 erlassen. Die Festlegungen orientierten sich offensichtlich am aktuellen Bestand (also dem bereits errichteten Baubestand, über dessen Rechtmäßigkeit wegen der noch anhängigen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof noch nicht endgültig entschieden war; s. Pkt. 1.2.): Für beide Grundstücke wurde die geschlossene Bebauungsweise mit Anbauverpflichtung an der Straßenfluchtlinie bestimmt. Die Bebauungshöhe wurde für das Grundstück der Bau- und Wohnungsgenossenschaft mit "Bauklasse III/IV", für das der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens mit "Bauklasse I/II" festgelegt. Die Verordnung trat am in Kraft.

1.4. Am beantragten die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens E1909/2014 die baubehördliche Bewilligung für den Zu- und Umbau ihres Wohnhauses auf dem Grundstück .179, das unmittelbar an das Grundstück .307 angrenzt. Die Baubehörden erster und zweiter Instanz bewilligten das Bauvorhaben nicht. Mit Erkenntnis vom bestätigte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die abweisende Entscheidung des Gemeindevorstands im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Bebauungsplan dem Bauvorhaben entgegenstehe. Aus diesem ergebe sich für das benachbarte Grundstück der Bau- und Wohnungsgenossenschaft (.307) eine zulässige Bebauungshöhe von 14 Metern an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens. Bei einem Abstand eines beantragten Hauptfensters von 7 Metern zu dieser Grundstücksgrenze wäre ein freier Lichteinfall unter 45° entsprechend § 39 Abs 3 NÖ Bautechnikverordnung 1997 nicht gesichert.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Teilbebauungsplans "TB10 - Wohngebietsbereiche", Bereich "Ortszentrum West und Nord", der Marktgemeinde Guntramsdorf entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Verordnung, insoweit sie für das Grundstück .179, KG Guntramsdorf, "Bauklasse I/II" und für das Grundstück .307, KG Guntramsdorf, "Bauklasse III/IV" festlegt, von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Die Niederösterreichische Landesregierung nahm von der Erstattung einer Äußerung im Prüfungsverfahren Abstand. Der Gemeinderat erstattete eine Äußerung, in der er den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und die Anträge stellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen nicht als gesetzwidrig aufzuheben. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens pflichteten in einer ersten schriftlichen Äußerung den im Prüfungsbeschluss aufgeworfenen Bedenken vollinhaltlich bei und replizierten in der Folge auch auf die Äußerung des Gemeinderats. Die am Verfahren beteiligte Bau- und Wohnungsgenossenschaft schloss sich der Äußerung des Gemeinderats an und entgegnete ihrerseits der Replik der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens, worauf diese wiederum replizierten.

II. Rechtsvorschriften

§§68 bis 70 NÖ Bauordnung 1996 in der maßgeblichen Fassung zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung, LGBl 8200-17, lauteten (auszugsweise):

"Erlassung des Bebauungsplans

§68. (1) Von den Ergebnissen der Grundlagenforschung ausgehend und auf Grund des örtlichen Raumordnungsprogrammes, insbesonders seiner Zielsetzung, hat der Bebauungsplan die Regeln für

° die Bebauung und

° die Verkehrserschließung

festzulegen.

Dabei ist auf die Ortsbildgestaltung und die Umwelt Rücksicht zu nehmen.

(2)-(5) [...]"

"Inhalt des Bebauungsplans

§69. (1) Im Bebauungsplan sind für das Bauland festzulegen:

1. die Straßenfluchtlinien,

2. die Bebauungsweise und

3. die Bebauungshöhe oder die höchstzulässige Gebäudehöhe.

Weiters ist entlang des Baulandes das Straßenniveau in der Straßenfluchtlinie von neuen Verkehrsflächen festzulegen. Bei Grundstücken, deren gesamte Bebauung unter Denkmalschutz steht, genügt die Festlegung der Straßenfluchtlinie.

(2) Im Bebauungsplan dürfen neben den in Abs 1 vorgesehenen Regelungen für das Bauland festgelegt werden:

1.-3. [...]

4. Baufluchtlinien,

5.-20. [...]

(3)-(4) [...]"

"Regelung der Bebauung

§70. (1) Die Bebauungsweise regelt die Anordnung der Gebäude auf dem Grundstück. Sie kann unter anderem auf eine der folgenden Arten festgelegt werden:

1. geschlossene Bebauungsweise

die Gebäude sind von seitlicher zu seitlicher Grundstücksgrenze oder bis zu einer Baufluchtlinie (z.B. Eckbauplätze) zu bauen; Gebäude und Gebäudegruppen mit geschlossener, einheitlicher baulicher Gestaltung (z.B. Einfriedungsmauer) an oder gegen Straßenfluchtlinien gelten ebenfalls als geschlossene Bebauungsweise; [...]:

2.-5. [...]

[...]

(2) Die Bebauungshöhe ist die im Geltungsbereich der Bebauungsweisen nach Abs 1 Z 1 - 4 in Bauklassen festgelegte Gebäudehöhe.

Die Bauklassen werden unterteilt in

Bauklasse I bis 5 m

Bauklasse II über 5 m bis 8 m

Bauklasse III über 8 m bis 11 m

Bauklasse IV über 11 m bis 14 m

Bauklasse V über 14 m bis 17 m

Bauklasse VI über 17 m bis 20 m

Bauklasse VII über 20 m bis 23 m

Bauklasse VIII über 23 m bis 25 m

Bauklasse IX (Hochhaus) über 25 m.

Die Bebauungshöhe darf mit zwei aufeinanderfolgenden Bauklassen festgelegt werden. Bei der Festlegung der Bebauungshöhe ist auf die Möglichkeit der Rettung von Personen und der Brandbekämpfung Bedacht zu nehmen.

(3)-(9) [...]"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der in Prüfung gezogene Bebauungsplan trifft für die zwei benachbarten Grundstücke, das der Bau- und Wohnungsgenossenschaft (.307) und das der Beschwerdeführer im Anlassverfahren (.179) – die beiden Grundstücke müssen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans gemeinsam betrachtet werden – folgende Festlegungen:

Für das Grundstück .307 wird die geschlossene Bebauungsweise ohne hintere Baufluchtlinie festgelegt. Die Bebauungshöhe wird durch die Festlegung Bauklasse III/IV beschränkt. Es werden damit die rechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines mehrstöckigen Wohnhauses geschaffen, das sich entlang der gesamten, ca. 20 Meter langen Grundstücksgrenze zu den Beschwerdeführern des Anlassverfahrens hin als eine 14 Meter hohe Feuermauer darstellt. Für das Grundstück .179 gilt ebenfalls die geschlossene Bebauungsweise, die Bebauungshöhe ist durch die Bauklasse I/II beschränkt. Im Anlassverfahren hatten diese Festlegungen zur Konsequenz, dass auf dem Grundstück .179 ein einstöckiger Wohnhaustrakt mit einer Tiefe von 13 Metern mangels einer dem § 39 Abs 3 NÖ Bautechnikverordnung 1997 entsprechenden Belichtung nicht bewilligt wurde. Diese Beurteilung ist davon unabhängig, dass die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens eine Bebauung ihrer Grundstücke dadurch hätten herbeiführen können, dass sie Nachteile – insbesondere was die Belichtung betrifft – in Kauf genommen hätten (vgl. § 43 leg.cit.).

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss folgende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des in Prüfung gezogenen Bebauungsplans geäußert:

2.2.1. Zunächst äußerte der Verfassungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes folgendes Bedenken:

"Der Verordnungsgeber scheint bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken einen Liegenschaftseigentümer ohne konkreten, bei der Planung offengelegten zwingenden Grund gegenüber einem anderen krass bevorzugt zu haben. Er scheint einem eine besonders günstige Bebauung (Bauklasse III/IV) ermöglicht, dem anderen hingegen – als Folge dieser Bevorzugung – den Umfang der Bebaubarkeit extrem beschränkt zu haben (VfSlg 13.570/1993)."

Dem entgegnet der Gemeinderat in seiner Äußerung, dass ungeachtet der Festlegung der Bauklasse III/IV für das Grundstück .307 auch weiterhin weitreichende und auch unterschiedliche Möglichkeiten bestünden, um das Grundstück .179 im Rahmen der Bauklasse I/II zu bebauen. Zur Verdeutlichung dessen legt der Gemeinderat Planskizzen einer möglichen Verbauung des Grundstücks .179 vor, die in drei Varianten hinsichtlich der dort realisierbaren Wohnnutzfläche nur eine unwesentliche Schlechterstellung im Vergleich zu dem auf dem Grundstück .307 errichteten Bau ausweisen.

Alle drei Planskizzen gehen zunächst von einer falschen Voraussetzung aus, nämlich von der Höhe der bestehenden Bebauung (12,52 m) und nicht von der auf Grund des nunmehrigen Bebauungsplans maximal möglichen Bebauungshöhe (14 m), und sind daher nur beschränkt aussagekräftig. Jedenfalls zeigen die Planskizzen aber die nicht ausreichende Belichtung der Richtung Westen gerichteten Fenster im Erdgeschoß. Weiters wird auch für das Grundstück .179 eine geringere Wohnfläche als für das Grundstück .307 als realisierbar ausgewiesen, obwohl die Länge der Straßenfluchtlinie, die bei einer geschlossenen Bauweise maßgeblichen Einfluss auf die Bebaubarkeit hat, des Grundstücks .179 mehr als das Doppelte der des Grundstücks .307 beträgt – der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht die Ecklage des Grundstücks .179. Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf eine extreme Ungleichbehandlung kann also durch diese Skizzen nicht zerstreut werden. Es wird vielmehr deutlich, dass bei einer derartigen Sachlage eine Grundlagenforschung, die die Auswirkungen der durch Bauklasse III/IV festgelegten Bebauungshöhe auf das Nachbargrundstück nachvollziehbar darlegt, unverzichtbar ist (VfSlg 15.933/2000; Pkt. 2.2.5.).

2.2.2. Weitere Bedenken – ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes – richteten sich gegen eine mögliche Anlasswidmung. Dazu führte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss Folgendes aus:

"Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 12.171/1989 zum OÖ ROG 1972 festgestellt hat, ist eine Bebauungsplanänderung, die lediglich deshalb vorgenommen wird, um für ein, auf einem Grundstück im Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan errichtetes Bauwerk eine gehörige Rechtsgrundlage zu schaffen, gleichheitswidrig. Es widerspricht dem Gleichheitssatz, wenn die Änderung eines Bebauungsplans nicht durch sachliche Erwägungen begründet, sondern ausschließlich dazu bestimmt ist, entgegen der Aufgabe des Bebauungsplans, Bauvorhaben in die durch öffentliche Rücksichten gebotenen Bahnen zu lenken, durch Anpassung des Bebauungsplans die Bauabsichten eines bestimmten Bauführers zu begünstigen.

Der Grundgedanke, der dieses Erkenntnis, das den Fall einer nach Errichtung eines Bauwerkes beschlossenen Bebauungsplanänderung betrifft, trägt, scheint auch auf den vorliegenden Fall zuzutreffen, in dem bei der erstmaligen Erlassung eines Bebauungsplans Bebauungsbestimmungen für ein konkretes Grundstück anscheinend vor allem deshalb getroffen worden sein dürften, um für ein schon errichtetes Bauwerk eine Rechtsgrundlage zu schaffen, das nach den Bestimmungen des § 54 NÖ BauO 1996 (Bauwerke im Baulandbereich ohne Bebauungsplan) nicht genehmigungsfähig gewesen zu sein scheint.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/05/0088, und auch die Tatsache, dass es für den in den Jahren 2009 und 2010 errichteten Bau anscheinend nach wie vor keine Baubewilligung gibt, scheinen Indizien dafür zu sein, dass das Wohnhaus ohne Modifikation der Bebauungsbestimmungen damals nicht bewilligungsfähig gewesen sein dürfte."

Diesem Bedenken hält der Gemeinderat entgegen, dass der Bürgermeister der Marktgemeinde Guntramsdorf in einem zweiten Rechtsgang das Gebäude auf dem Grundstück .307 baubehördlich bewilligt habe, der Gemeindevorstand diese Entscheidung bestätigt habe und eine dagegen gerichtete Beschwerde derzeit beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängig sei. Im Übrigen hätten die vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Teilbebauungsplans keinerlei Rechtswirkungen für dieses Verfahren, da die Niederösterreichische Bauordnung vorsehe, dass Bauverfahren, welche im Zeitpunkt der Kundmachung der Auflegung des Entwurfs eines Bebauungsplans bereits anhängig gewesen seien, durch dessen Änderung nicht berührt würden. Erst im Falle eines Neuantrages käme dem Teilbebauungsplan Bedeutung zu. Der Neuantrag wäre aber anhand der neuen Rechtslage (NÖ BauO 2014 und NÖ BautechnikVO 2014) zu beurteilen und nur bei Durchführung von Projektsänderungen (betreffend insbesondere Fahrradabstellanlagen, Barrierefreiheit, Brandschutz, Schallschutz und Wärmeschutz) genehmigungsfähig. Daraus folge, dass die Bebauungsplanänderungen gar nicht geeignet seien, dem auf dem Grundstück .307 bereits errichteten Mehrfamilienhaus nachträglich eine Rechtsgrundlage zu verschaffen.

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt die Richtigkeit dieser Ausführungen des Gemeinderates nicht, es werden aber durch sie die aufgeworfenen Bedenken nicht entkräftet: Unbestreitbar wurden für das bestehende Bauprojekt auf dem Grundstück .307 Bebauungsgrundlagen geschaffen, die der Eigentümer des Grundstücks im Fall einer neuerlichen Antragstellung jederzeit für sich nützen könnte, sofern ihm dies nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts nützlich erschiene. Dass sich die baurechtlichen Vorschriften mit ändern würden, war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan im Dezember 2011 nicht absehbar.

2.2.3. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes äußerte der Verfassungsgerichtshof auch Bedenken vor dem Hintergrund seiner Judikatur zu "Schwarzbauten" und führte im Prüfungsbeschluss aus:

"Der Verfassungsgerichtshof hat überdies das Bedenken, dass es vor dem Hintergrund seiner Judikatur zur gesetzlichen Sanierung baurechtlich konsenslos errichteter Bauten (vgl. insb. VfSlg 14.681/1996, 14.763/1997, 15.441/1999, 16.901/2003, 17.211/2004) keinen im Sinne des Gleichheitssatzes ausreichenden sachlichen Grund dafür gibt, dass eine Rechtsperson, die einen Bau konsenslos errichtet, vom Verordnungsgeber besser gestellt wird als jene Personen, die in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung nicht konsenslos bauen.

Der Verfassungsgerichtshof übersieht dabei nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erst nach Erlassung des Bebauungsplans ergangen und der Zustand der Konsenslosigkeit des Projekts der Bau- und Wohnungsgenossenschaft daher erst später eingetreten ist.

[Im Prüfungsbeschluss folgt die Wiedergabe von Textpassagen aus VfSlg 16.049/2000, 1077, des Inhalts, dass im Fall des Obsiegens eines beschwerdeführenden Nachbarn im Verfahren vor einem Gerichtshof des öffentlichen Rechts allein der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit eines inzwischen ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen hat. Weiters wird die Passage aus dem den Antrag auf aufschiebende Wirkung abweisenden Beschluss im Verfahren betreffend das Grundstück .307 (Pkt. I.1.1.) wiedergegeben, in der auf dieses Risiko ausdrücklich hingewiesen wurde ()]

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Änderung des Bebauungsplans möglicherweise den Hintergrund hatte, den Nachbarn der Beschwerdeführer die nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes konsenslose Bauführung nachträglich bewilligungsfähig zu machen und so der damals bauwerbenden Bau- und Wohnungsgenossenschaft das Risiko der allenfalls konsenslosen Bauführung zu nehmen. Er geht weiters davon aus, dass die Anhängigkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der verordnungserlassenden Behörde bekannt war und dass dieses Risiko nicht durch die – zwischenzeitige – Erlassung eines Bebauungsplans von der Bau- und Wohnungsgenossenschaft auf die Beschwerdeführer hätte abgewälzt werden dürfen."

Der Gemeinderat stellt diesen Bedenken Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in den Erkenntnissen VfSlg 18.928/2009 und 14.681/1996 gegenüber; dazu ist Folgendes zu bemerken:

In VfSlg 18.928/2009 stand auch die Rechtsfrage der Sanierung eines "Schwarzbaus" mittels nachträglicher Erlassung eines Bebauungsplans und die ungleiche Behandlung von Nachbarn hinsichtlich der zulässigen Bebauungshöhe – in VfSlg 18.928/2009 ging es um einen Unterschied der höchstzulässigen Wandhöhe von 2,30 m, im vorliegenden Fall beträgt dieser 6 m – im Brennpunkt der Beurteilung. Dieses Erkenntnis ist aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es einen entscheidungsrelevanten Unterschied gibt, dessen Bedeutung der Gemeinderat in seiner Äußerung übersieht: In VfSlg 18.928/2009 wurde die Konsenslosigkeit des "Schwarzbaus" erst 30 Jahre nach dessen Bauausführung festgestellt. Diese Besonderheit hat der Verfassungsgerichtshof in dieser Entscheidung auch ausdrücklich hervorgehoben ("Bei der Erlassung des Bebauungsplanes durfte die Behörde von dem 30 Jahre andauernden Bestand ausgehen; daran ändert auch nichts, dass dieser konsenslos war."). Der Sachverhalt der Entscheidung ist mit der Sachlage des vorliegenden Falls nicht vergleichbar, bei der das Ergebnis eines Rechtsstreits über die Genehmigungsfähigkeit des Gebäudes zum Zeitpunkt seiner Errichtung noch offen war und das daraus resultierende Risiko von der bauausführenden Gesellschaft bewusst in Kauf genommen worden war.

In VfSlg 14.681/1996 hob der Verfassungsgerichtshof § 3 Tiroler Freilandbautengesetz als verfassungswidrig auf, der die Möglichkeit eröffnete, im Freiland "völlig undifferenziert und schlechthin für vor dem widmungswidrig errichtete oder verwendete Baulichkeiten" eine nachträgliche Baubewilligung zu erteilen. Der Gemeinderat stützt seine Argumentation im vorliegenden Fall auf ein obiter dictum dieser Entscheidung, in dem der Verfassungsgerichtshof festhält,

"daß es der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber nicht verwehrt, in bestimmten Fällen die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für bereits errichtete Bauwerke vorzusehen, die im Widerspruch zur Flächenwidmung errichtet oder verwendet werden, sofern sich in jenen Fällen die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung sachlich rechtfertigen läßt. So erschiene es beispielsweise sachlich gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber unter ausnahmehaft formulierten Voraussetzungen eine Bauführung auch im Freiland für zulässig erklärt, weil überwiegende und entsprechend konkretisierte öffentliche Interessen (etwa an der Erhaltung einmal geschaffenen Wohnraums für die Bevölkerung und für diese notwendiger Gewerbebetriebe) das öffentliche Interesse an der Durchsetzung einer Freilandwidmung überwiegen oder weil trotz der Freilandwidmung die Bauführung im Einzelfall mit den Zielen der örtlichen Raumordnung für vereinbar angesehen werden kann oder weil auch eine Umwidmung des betreffenden Grundstücks sachlich zu rechtfertigen wäre."

Abgesehen von dem bei derartigen "Schwarzbauten" immer gegebenen Argument des Interesses der Wohnraumbeschaffung ist eine sachliche Rechtfertigung für die besonderen Bestimmungen der Bebauung des Grundstücks .307 nicht erkennbar. Ein sachlich gerechtfertigter Ausnahmefall im Sinne des obiter dictums des Erkenntnisses VfSlg 14.681/1996 mit "ausnahmehaft formulierten Voraussetzungen" ist in den Verordnungsakten nicht dokumentiert. Vielmehr trifft der zentrale Rechtssatz dieses Erkenntnisses – auf Bebauungspläne übertragen – zu, "daß es dem Gleichheitssatz widerspricht, daß Personen, die sich rechtswidrig verhielten, indem sie nicht nur ohne die gesetzlich erforderliche baurechtliche Bewilligung ein Bauwerk errichteten, sondern dabei auch die flächenplanerische, also rechtsverbindliche Freilandwidmung mißachteten, vom Gesetzgeber schlechthin und jedenfalls besser gestellt werden als Personen, die in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung auf eine konsenslose Bauführung im Freiland verzichteten".

2.2.4. Zur Übereinstimmung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Bebauungsplans mit den Planungszielen und einer aus diesen ableitbaren sachlichen Rechtfertigung der Bestimmungen führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss aus:

"Im Verordnungsprüfungsverfahren wird zu klären sein, ob das Argument der Marktgemeinde Guntramsdorf, dass 'eine sachliche Begründung in Form der Harmonisierung des Ortsbildes auf der Hand liegt', die in den Punkten 3.1.1. bis 3.1.3. aufgezeigten gesetzlichen Ungereimtheiten zu rechtfertigen vermag.

Es ist dem Verfassungsgerichtshof – jedenfalls vorerst – nicht nachvollziehbar, wie mittels eines Bebauungsplans, in dem als erstes Ziel die Erhaltung des 'dörflichen Charakters' genannt wird und in dessen Planungsbereich die ein- und zweigeschossige Bebauung (Bauklasse I/II) überwiegt, eine Harmonisierung des Ortsbildes dadurch erreicht werden könnte, dass an einen vorhandenen viergeschossigen Wohnbau (Bauklasse III/IV) ein weiterer Wohnbau mit derselben Gebäudehöhe (Bauklasse III/IV) und – mangels Festlegung einer hinteren Baufluchtlinie – mit einer noch größeren Trakttiefe angebaut werden darf (s. auch Pkt. I.2.).

Dieses Ziel der Harmonisierung des Ortsbildes dürfte die verordnungserlassende Behörde auch erst nach Beschlussfassung des Bebauungsplans in ihrer Äußerung 'nachgeschoben' haben (vgl. VfSlg 18.149/2007). Im Verordnungserlassungsverfahren scheint nur die ortsbildprägende Wirkung der geschlossenen Straßenrandbebauung Beachtung gefunden zu haben."

Dem hält der Gemeinderat Folgendes entgegen:

"Diesen Bedenken ist allerdings entgegen zu halten, dass der Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan das Ziel der Erhaltung des 'dörflichen Charakters' zwar an erster Stelle nennt, dass daraus aber keineswegs eine Zielhierarchie in dem Sinn abgeleitet werden kann, wonach es sich dabei um das primäre Planungsziel handelt. Ganz im Gegenteil weist der Ermittlungsbericht mehrere Planungsziele aus, die schon allein auf Grund der Formulierung als gleichwertig gelten müssen. Es sind dies (siehe dazu schon oben Rz 9):

 die Sicherung des 'dörflichenCharakters',

 die Erhaltung der für diesen Randbereich des Ortszentrums von Guntramsdorf typischen geschlossenen Straßenrandbebauung,

 die Absicherung der gemischten Nutzungsstruktur innerhalb der Wohnbaulandflächen,

 die Schaffung von Übergangszonen zwischen den Randzonen des Ortszentrums und den lockerer bebauten Wohnungsgebieten,

 die Erhaltung der charakteristischen Bebauungsstrukturen, sowie

 die Sicherung von ausreichendem Entwickungspotential für das Ortszentrum.

Die Festlegung 'Bauklasse III/IV' für das Grundstück .307 entspricht aber gleich mehreren dieser gleichwertigen Planungsziele: Sie dient erstens der Absicherung der gemischten Nutzungsstruktur innerhalb der Wohnbaulandflächen hier insb geschlossene Straßenrandbebauung einerseits bzw Geschosswohnbauten in geschlossener Bauweise andererseits). Zweitens dient sie der Sicherung von ausreichendem Entwickungspotentional für das Ortszentrum, wo in Ermangelung vorhandener Baulandreserveflächen (siehe dazu schon oben Rz 13) eine Verdichtung nur mehr durch mehrgeschossige Wohnbauten möglich ist. Da es sich bei Geschosswohnbauten in geschlossener Bauweise um einen der vier für den westlichen Teil des Ortszentrums charakteristischen Siedlungstyp handelt – er ist dort an insgesamt elf Stellen anzutreffen, siehe dazu bereits oben Rz 13 – , geht es zudem auch um die Erhaltung der charakeristischen Bebauungstrukturen.

[...]

Dies gilt umso mehr, da es sich in unmittelbarer Umgebung an den Grundstücksadressen Eggendorfergasse 12 und Dr. Ignaz Weber-Gasse 25 zwei weitere mehrgeschossige Wohnbauten mit einer Gebäudehöhe von 15,3 m bzw 12,9 m befinden, wobei für ersteres 'Bauklasse IV' festgelegt wurde. Gleichwohl wurde in diesem Zusammenhang dem Umstand, dass für das Grundstück .179 bloß 'Bauklasse I/II' festgelegt ist, insofern Rechnung getragen, als für das dazwischen liegende Grundstück .307 abstufend 'Bauklasse III/IV' bestimmt wurde.

Dem VfGH ist indes darin zuzustimmen, dass die Harmonisierung des Ortsbildes im Ermittlungsbericht zur Bebauungsplanänderung nicht ausdrücklich als Planungsziel ausgewiesen ist. Allerdings findet sich auf Seite 18 des Erläuterungsberichts zur Bebauungsplanänderung der Hinweis, dass sich an insgesamt elf Stellen des westlichen Teils des Ortszentrums von Guntramsdorf mehrgeschossige Wohnbauten eingebettet in die historisch gewachsene ein- bis zweigeschossige Straßenrandbebauung finden. Diese Gegebenheiten hat der Verordnungsgeber bei der Bestandserhebung vorgefunden und ganz offenkundig im Sinne eines in sich stimmigen Planungskonzepts gebilligt und berücksichtigt. Die hinsichtlich Geschosswohnbauten in geschlossener Bebauungsweise bei den Zielsetzungen getroffene Aussage, wonach für die bestehenden Geschosswohnbauten der Baubestand bzw baubewilligte Projekte als Grundlage für die Festlegungen der Bebauungsbestimmungen des Bebauungsplanes herangezogen werden (Seite 18 des Erläuterungsberichts), ist vor diesem Hintergrund so zu verstehen, dass der Verordnungsgeber die mehrgeschossige Wohnbauten als einem harmonischen Ortsbild dienlich qualifiziert (arg: sind in historisch gewachsene ein- bis zweigeschossige Straßenrandbebauung eingebettet) und daher in den Teilbebauungsplan integriert hat.

Die vom VfGH in Prüfung gezogenen Festlegungen im Bebauungsplan beruhen daher auf sachlichen Erwägungen und stehen diese überdies im Einklang mit den Planungszielen des Bebauungsplans.

[...]

Auch ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber der im Zeitpunkt der Erlassung des in Prüfung gezogenen Bebauungsplans in Geltung stehenden NÖ BauO 1996 Konstellationen wie die vorliegende ausdrücklich sanktioniert hat: In der Stammfassung des § 70 Abs 2 NÖ BauO 1996 war noch vorgesehen gewesen, dass die Bebauungshöhe wahlweise mit zwei aufeinanderfolgenden Bauklassen festgelegt werden darf, jedoch zwischen zwei derartig geregelten Bereichen ein Bereich mit nur einer Bauklasse liegen muss. Diese Regelung wurde aber durch die Novelle 1999 zur NÖ BauO 1996 aufgehoben (vgl. dazu auch Hauer/Zaussinger , NÖ Baurecht 6 [2001] § 70 BO Anm 14). Auf diese Weise hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass Fälle wie der vorliegende, wo die Bauklasse III/IV auf Grundstück .307 unmittelbar auf die Bauklasse I/II auf Grundstück .179 anstößt, nunmehr zulässig sein sollen."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens replizieren darauf:

"Unter Rz. 38. wird weiter ausgeführt, dass die Festlegung der Bauklasse III/IV für das Grundstück .307 gleich mehreren dieser Ziele entspricht. Dieser Aussage kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

zu 1. Ein Gebäude entsprechend der Bauklasse III/IV (4-5 Geschoße) steht im krassen Widerspruch zu einem dörflichen Charakter

zu 2. Zur Erhaltung einer Straßenrandbebauung sind keine 4-5 Geschoße erforderlich

zu 3. Die Absicherung einer gemischten Nutzungsstruktur bezieht sich auf die Gebäudenutzung (Wohnzwecke, Geschäfte, etc.), auch dafür sind keine 4-5 Geschoße erforderlich.

zu 4. Die Schaffung von Übergangszonen bezieht sich auf die Randzonen. Die gegenständlichen Grundstücke befinden sich im Zentrum von Guntramsdorf im Bauland Kerngebiet und nicht in einer Übergangszone zum Bauland Wohngebiet.

zu 5. Die charakteristische Bebauungsstruktur besteht aus ein bis zweigeschossigen Gebäuden (Bauklasse I/II), was auch eindeutig dem Bebauungsplan zu entnehmen ist wo der weit überwiegende Teil mit der Bauklasse I/II gewidmet wurde. Dies ist auch der Planbeilage Strukturkonzept zu entnehmen, wo klar ersichtlich ist, dass Geschoßwohnbauten nur in vereinzelten Bereichen zu finden sind. Schon alleine deshalb kann in Zusammenhang mit den Geschoßwohnbauten nicht von einem charakteristischen Siedlungstyp, welcher die charakteristische Bebauungsstruktur widerspiegelt gesprochen werden.

zu 6. Die Sicherung des ausreichenden Entwicklungspotential wird dadurch er-zielt, dass im Siedlungstyp 'geschlossene Straßenrandbebauung' die Auf-stockung – Ausnutzung der Bauklasse II ermöglicht wird und dazu die Bauklasse I/II, auch für Bereiche mit eingeschossiger Bebauung festgelegt wird (siehe Seite 17 Erläuterungsbericht)."

Der Verfassungsgerichtshof folgt den Argumenten des Gemeinderates aus folgenden Gründen nicht:

Es findet sich im Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan nur ein Ziel, mit dem – isoliert betrachtet – die Festlegung der Bauklasse III/IV (ohne hintere Baufluchtlinie) für das Grundstück .307 sachlich gerechtfertigt werden könnte: Das Ziel der "Sicherung von ausreichendem Entwickungspotential für das Ortszentrum". Eine durch eine hohe Bauklasse bewirkte "Verdichtung" könnte diesem Ziel dienen. Eine Abwägung mit anderen – allenfalls entgegenstehenden – Zielen und den Interessen der dadurch auch offensichtlich betroffenen Nachbarn fehlt aber. Es wäre zudem auch bei isolierter Betrachtung des Ziels der Verdichtung zu prüfen gewesen, ob nicht bei einer gesamthaften Betrachtung (zumindest) der beiden betroffenen Grundstücke (.307 und .179) eine dem Ziel der Verdichtung dienlichere Lösung gefunden hätte werden können.

Insbesondere wäre aber angesichts der Vergleichbarkeit der Grundstücke .307 und .179 auszuführen gewesen, weshalb die im Erläuterungsbericht angegebenen unterschiedlichen Zielsetzungen die unterschiedliche Bebaubarkeit in der Höhe ohne gleichzeitige Beschränkung der Bebauungstiefe für das Grundstück .307 – mit einer hinteren Baufluchtlinie hätte die Belichtung der Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Grundstück .179 gewährleistet werden können – rechtfertigen sollen. Eine derartige Ableitung wird im Erläuterungsbericht nicht angestellt. Die Bedenken des Verfassungsgerichthofes erweisen sich daher auch in diesem Punkt als zutreffend.

2.2.5. Letztlich hegte der Verfassungsgerichtshof noch das Bedenken, dass der Bebauungsplan aus folgenden Gründen nicht gesetzmäßig zustande gekommen sein könnte:

"Gemäß dem damals anzuwendenden § 68 Abs 1 NÖ BauO 1996 musste der Entwurf eines Bebauungsplans auf einer Grundlagenforschung beruhen. Wie der Verfassungsgerichtshof allgemein zur Frage der Erlassung von Planungsnormen im Raumplanungsrecht auch in ständiger Judikatur ausgesprochen hat (vgl. zB auch VfSlg 10.711/1985 mwN), kommt den Vorschriften des Gesetzes über die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen dann besondere Bedeutung zu, wenn das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassenden Planungsnormen nur final, dh. im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele determiniert. Dementsprechend sind nach der mit dem Erkenntnis VfSlg 8280/1978 begonnenen ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die auf der Grundlage solcher – iSd Art 18 Abs 2 B VG ausreichender – gesetzlicher Ermächtigungen erlassenen Planungsmaßnahmen im Einzelnen daraufhin zu prüfen, ob die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sind.

Dies scheint nicht der Fall zu sein:

Im Erläuterungsbericht zum 'Entwurf zur Änderung des Teilbebauungsplans 'Wohngebietsbereiche' Bereich 'Ortszentrum West und Nord'' wird betreffend das Grundstück .307 lediglich ausgeführt (Seite 18):

'Für die bestehenden Geschosswohnbauten werden der Baubestand bzw. baubewilligte Projekte als Grundlage für die Festlegungen der Bebauungsbestimmungen des Bebauungsplanes herangezogen.'

Die Auswirkungen der Festlegung 'Bauklasse III/IV' für das Grundstück .307 auf die angrenzenden Liegenschaften scheinen nicht nachvollziehbar dargelegt worden zu sein (VfSlg 15.933/2000), sodass eine Abwägung der Interessen der von den Festlegungen betroffenen Grundeigentümer gar nicht möglich war. Dies scheint umso unverständlicher, als bezüglich des auf dem Grundstück .307 bereits errichteten Wohnhauses gleichzeitig ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof (s. Pkt. I.1.) anhängig war, in dem diese Frage – neben Fragen der Befangenheit örtlicher Entscheidungsträger – im Mittelpunkt stand.

Weder in den den Akten über die Verordnungserlassung entnehmbaren Entscheidungsgrundlagen noch in der Verhandlungsschrift über die Sitzung des Gemeinderates vom , in der der Bebauungsplan beschlossen wurde, findet sich ein Hinweis auf die für die Entscheidung über den Bebauungsplan offenkundig Relevanz habenden Umstände, die Gegenstand des anhängigen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof waren, und auch nicht darauf, dass mit der Konsenslosigkeit des für die vorgeschlagenen Bebauungsbestimmungen ursächlichen Baubestandes gerechnet hätte werden müssen. Der Verfassungsgerichtshof hegt daher gegen die in Prüfung genommene Verordnung vorläufig auch das weitere Bedenken, dass es einen wesentlichen Verfahrensmangel bei der Erlassung der Verordnung darstellen und die Verordnung mit Gesetzwidrigkeit belasten könnte, wenn derartige nach dem Gesetz als Kriterium für den Inhalt der Verordnung wichtige Informationen den Entscheidungsträgern nicht zugänglich gemacht worden sein sollten."

Der Gemeinderat hält dem entgegen, dass der Erlassung des Teilbebauungsplanes eine umfassende Grundlagenforschung vorangegangen sei. Aus dieser seien die für die Erlassung des Teilbebauungsplanes ausschlaggebenden Gründe zweifelsfrei ableitbar, würden doch die entsprechenden Planungsziele deutlich offengelegt. Für den Siedlungstyp der mehrgeschossigen Wohnbauten sei explizit betont worden, dass diese sich in die historisch gewachsene ein- bis zweigeschossige Straßenrandbebauung eingebettet fänden. Es möge zwar zutreffen, dass die Gründe für die Festlegung der Bauklasse III/IV für das Grundstück .307 nicht gesondert dargelegt worden seien, doch würden sich die dafür ausschlaggebenden Erwägungen aus den allgemeinen Darlegungen zu Geschosswohnbauten mit genügender Klarheit ableiten lassen. Außerdem sei es nicht erforderlich, "jede einzelne Festlegung von Bebauungsbestimmungen zu begründen, so lange aufgrund einer für ein größeres Gebiet geltenden Anordnung von Bebauungsbestimmungen eine dahinter liegende Planungsabsicht des Verordnungsgebers erkennbar ist" (VfSlg 16.896/2003). Dass die Festlegung der Bauklasse III/IV gleich in mehrfacher Hinsicht den Planungsabsichten der Bebauungsplanänderung entspreche sei aber klar erkennbar. Da die Bebauungsmöglichkeiten für das Grundstück .179 keineswegs extrem beschränkt seien, habe auch keine besondere Verpflichtung bestanden, die Auswirkungen der Festlegung Bauklasse III/IV für das Grundstück .307 auf die angrenzenden Liegenschaften nachvollziehbar darzustellen. Hinsichtlich des Bedenkens, dass das damals beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren den Entscheidungsträgern nicht zugänglich gemacht worden sei, verweist der Gemeinderat auf VfSlg 18.928/2009, wonach es unbedenklich sei, wenn ein für ein größeres Gebiet erlassener Bebauungsplan bei der Festlegung der Bebauungshöhe an die tatsächliche Höhe bestimmter Gebäude, mögen sie im Einzelfall auch nicht über einen rechtskräftigen Konsens verfügen, anknüpfe.

Auch damit ist der Gemeinderat nicht im Recht:

Schon zum Zeitpunkt der Planerlassung war mit einem Blick auf den Planentwurf erkennbar, dass die westliche Grenzlinie des Grundstücks .179 (und in der Verlängerung dieser die des nördlich angrenzenden Grundstücks .180, das von diesem Verfahren nicht betroffen ist) eine besondere Beachtung erfordert. Durch die beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerde (Pkt. I.1.1.) war das Problem auch offenkundig. Die Festlegungen des Teilbebauungsplans in diesem Bereich hätten daher spezieller Untersuchungen und Abwägungen bedurft. Als Rechtfertigung für die Bauklasse III/IV auf dem Grundstück .307 findet sich im Erläuterungsbericht aber nur die allgemeine Regel des Festschreibens des Baubestands im Bebauungsplan: "Für die bestehenden Geschosswohnbauten werden der Baubestand bzw. baubewilligte Projekte als Grundlage für die Festlegungen der Bebauungsbestimmungen des Bebauungsplanes herangezogen." Diese Rechtfertigung trägt aber nicht, weil der Baubestand zum Zeitpunkt der Planerlassung (potentiell) konsenslos war, was in der Grundlagenforschung nicht aufgezeigt wird. Allein dieser zuletzt aufgezeigte Mangel der Grundlagenforschung zieht schon die Gesetzwidrigkeit der geprüften Verordnungsbestimmungen nach sich.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend das Zustandekommen des Teilbebauungsplans konnten im Verordnungsprüfungsverfahren daher nicht zerstreut werden.

IV. Ergebnis

1. Der Teilbebauungsplan "TB10 - Wohngebietsbereiche", Bereich "Ortszentrum West und Nord", der Marktgemeinde Guntramsdorf in der Fassung der vom Gemeinderat am beschlossenen Verordnung, kundgemacht an der Amtstafel vom 25. Jänner bis , ist daher, insoweit er für das Grundstück .179, KG Guntramsdorf, "Bauklasse I/II" und für das Grundstück .307, KG Guntramsdorf, "Bauklasse III/IV" festlegt,als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Niederösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B VG und § 59 Abs 2 VfGG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:V2.2016