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VfGH vom 15.12.1981, V19/80

VfGH vom 15.12.1981, V19/80

Sammlungsnummer

9305

Leitsatz

Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Z 13.285/05-I 3/79, über die Festsetzung der Absatzförderungsbeiträge im Bereich der Milchwirtschaft; die Worte "und der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit S 0,16" in § 1 entbehren der gesetzlichen Deckung

Spruch

Die Worte "und der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit S 0,16" in § 1 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Z 13.285/05-I 3/79, über die Festsetzung der Absatzförderungsbeiträge im Bereich der Milchwirtschaft, kundgemacht im Amtsblatt zur Wr. Zeitung vom , werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Beim VfGH ist eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde der Milchhof Graz reg. Genossenschaft mbH gegen einen mit datierten Bescheid eines Organes des Milchwirtschaftsfonds anhängig.

Dieser Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Genossenschaft gemäß § 57m Abs 4, zweiter Satz, des Marktordnungsgesetzes 1967 idF der Nov. BGBl. 269/1978 und 672/1978 (in der Folge: MOG genannt) im Zusammenhalt mit § 201 BAO die Vorauszahlung auf die Beitragsschuld des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages für Juli 1979 in der Höhe von S 108.410,24 vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Genossenschaft stützt ihre Beschwerde ausschließlich auf die Behauptung, daß die dem Bescheid zugrundeliegende Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Z 13.285-I 3/79, über die Festsetzung der Absatzförderungsbeiträge im Bereich der Milchwirtschaft, gesetzwidrig sei.

2. Bei der Beratung über die Beschwerde haben sich beim VfGH Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Worte "und der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit S 0,16" in § 1 der genannten Verordnung ergeben. Zur Klärung dieser Bedenken hat der VfGH gemäß Art 130 Abs 1 B-VG beschlossen, die Gesetzmäßigkeit dieser Worte von Amts wegen zu prüfen (Beschluß v. 20. 3. 1980 B493/79).

3. Bei der Beratung über die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Worte in der oben genannten Verordnung haben sich beim VfGH (auch) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 57i Abs 3 MOG ergeben. Zur Klärung dieser Bedenken hat der VfGH gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit dieses Absatzes von Amts wegen zu prüfen (Beschluß v. 20. 12. 1980 V19/80).

Mit Erk. vom , G7/81, hat der VfGH zu Recht erkannt, daß § 57i Abs 3 MOG verfassungswidrig war.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Das MOG enthält zur Finanzierung allfälliger Milchüberschüsse folgende Vorschriften:

In § 57b MOG (idF der Nov. BGBl. 672/1978) ist vorgesehen, daß "das aus der zusätzlichen Absatz- und Verwertungsmenge sich ergebende gesamte Finanzierungserfordernis (§57i Abs 2)" wie folgt zu bedecken ist:

"Im Umfang des Anteiles,

a) welcher jener Milchmenge entspricht, die um 16% die Bedarfsmenge (§57f Abs 2) übersteigt, durch Mittel des Bundes;

b) welcher einer Milchmenge entspricht, die um weitere 0 bis 6% der Bedarfsmenge (§57f Abs 2) übersteigt, durch Mittel aus dem allgemeinen Absatzförderungsbeitrag (§57i Abs 1), sofern nicht § 57i Abs 1 letzter Satz zur Anwendung kommt;

c) welcher jener Milchmenge entspricht, die über die Gesamtrichtmenge (§57f Abs 1) hinaus von den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieben übernommen wird, durch Mittel aus dem zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag (§57i Abs 1)."

Nach § 57f Abs 1 MOG ist die Gesamtrichtmenge diejenige Milchmenge, die in dem betreffenden Wirtschaftsjahr die Bedarfsmenge um höchstens 22% übersteigt.

In § 57f Abs 2 MOG ist die Bedarfsmenge als diejenige Milchmenge definiert, die im Wirtschaftsjahr zur Deckung des inländischen Absatzes von im Inland erzeugter Milch, berechnet auf Basis der Fetttrockenmasse, in bearbeiteter oder verarbeiteter Form voraussichtlich benötigt werden wird.

Gemäß § 57f Abs 3 MOG hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bis 31. Mai für das am folgenden 1. Juli beginnende Wirtschaftsjahr nach Anhörung der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs die Bedarfsmenge und die Gesamtrichtmenge durch Verordnung festzusetzen.

Abweichend von § 57f Abs 3 MOG wurden für das Wirtschaftsjahr 1978/79 die Bedarfsmenge (mit 1,773.087 t Milch) und die Gesamtrichtmenge (mit 2,145.435 t Milch) durch Gesetz, nämlich durch ArtIII Z 3 litb der MOG-Nov. BGBl. 269/1978 in der Fassung der MOG-Nov. BGBl. 672/1978 festgesetzt.

§57i Abs 1 MOG hat folgenden Wortlaut:

"Die Höhe der Beiträge ist nach Anhörung der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen jeweils für ein Kalenderhalbjahr vor dessen Beginn durch Verordnung festzusetzen. Die Beiträge sind in einer Höhe zu bestimmen, daß der Finanzierungsanteil gemäß § 57b litb durch den allgemeinen Absatzförderungsbeitrag und der Finanzierungsanteil gemäß § 57b litc durch den zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag bedeckt wird. Dabei darf der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit höchstens 3 S pro Kilogramm Milch festgesetzt werden. Sind für die Verwertung der übernommenen und die Gesamtrichtmenge (§57f) übersteigenden Mengen höhere Mittel erforderlich als sie durch den zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag aufzubringen sind, so ist dieses übersteigende Finanzierungserfordernis durch eine entsprechende Erhöhung des allgemeinen Absatzförderungsbeitrages zu bedecken."

Nach dem ersten Satz des § 57i Abs 2 MOG hat der Geschäftsführer des Milchwirtschaftsfonds die voraussichtliche zusätzliche Absatz- und Verwertungsmenge und das daraus sich ergebende gesamte Finanzierungserfordernis für jedes Kalenderhalbjahr bis vier Wochen vor Beginn dieses Halbjahres dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekanntzugeben.

§57i Abs 3 MOG lautete:

"Im Zeitpunkt der Festsetzung vorhandene Fehlbeträge oder Überschüsse beim Aufkommen aus dem allgemeinen Absatzförderungsbeitrag einerseits und dem zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag anderseits sind bei der Festsetzung der Beiträge für das nächste Kalenderhalbjahr entsprechend zu berücksichtigen."

Gemäß § 57r MOG sind Verordnungen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf Grund dieses Unterabschnittes des MOG im Amtsblatt zur Wr. Zeitung kundzumachen.

Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Z 13.285/05-I 3/79, über die Festsetzung der Absatzförderungsbeiträge im Bereich der Milchwirtschaft, kundgemacht im Amtsblatt zur Wr. Zeitung am , hat folgenden Wortlaut:

"§1: Der allgemeine Absatzförderungsbeitrag wird mit S 0,11 und der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit S 0,16 je Kilogramm Milch festgesetzt.

§2: Diese Verordnung tritt mit in Kraft."

2. Der VfGH hat bei Prüfung der Beschwerde im Anlaßfall die Worte "und der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit S 0,16" in der genannten Verordnung, welche die Basis für die Vorschreibung der Vorauszahlung eines zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages in der Höhe von S 108.410,24 an die beschwerdeführende Genossenschaft im Anlaßverfahren bildet, anzuwenden; diese Worte sind somit präjudiziell.

Da auch die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

3. Die in Prüfung gezogenen Worte stehen trotz des beschränkten zeitlichen Anwendungsbereiches der Verordnung nach wie vor in Geltung (vgl. VfSlg. 8101/1977, 8709/1979).

4. Es steht unbestritten fest, daß der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bei der mit den in Prüfung gezogenen Worten erfolgten Festsetzung des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages einen Fehlbetrag von S 11,913.000 iS des § 57i Abs 3 MOG berücksichtigt hat. Die mit dem oben angeführten Erk. des ausgesprochene Verfassungswidrigkeit des § 57i Abs 3 MOG bedeutet, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung somit insoweit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt, was nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zuletzt VfSlg. 9261/1981) ihre Gesetzwidrigkeit zur Folge hat.

5. Die Worte "und der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit S 0,16" in § 1 der genannten Verordnung sind daher als gesetzwidrig aufzuheben.

Im Hinblick darauf, daß auf Grund der befristeten Geltung der Verfassungsbestimmung des ArtI der MOG-Nov. 1980, BGBl. 286, mit Wirksamkeit ab ohnehin gesetzliche Vorkehrungen zu treffen sein werden, hat der VfGH gemäß Art 139 Abs 5 B-VG eine Frist bis zum Ablauf des bestimmt.

Der Ausspruch über die Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

Fundstelle(n):
FAAAE-29114