VfGH vom 07.03.1991, V178/90
Sammlungsnummer
12673
Leitsatz
Aufhebung des ArtII Abs 1 Stmk GetränkeabgabeGNov 1988 sowie von Teilen des § 3 Abs 1 Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg idF des Gemeinderatsbeschlusses vom ; rückwirkende Einbeziehung des Wertes der Verpackung in die Steuerbemessungsgrundlage ausschließlich im Hinblick auf anhängige Verfahren gleichheitswidrig
Spruch
1. ArtII Abs 1 des Gesetzes vom , mit dem das Getränkeabgabegesetz geändert wird, LGBl. für die Steiermark Nr. 85, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
Der Landeshauptmann von Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
2. Der letzte Satz des § 3 Abs 1 der Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg vom idF des Gemeinderatsbeschlusses vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 29. November bis , wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu G76/90, G128/90 und G132/90 Anträge des Verwaltungsgerichtshofes protokolliert, mit denen die Aufhebung des ArtII Abs 1 des Gesetzes vom , mit dem das Getränkeabgabegesetz geändert wird, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 85/1988 (im folgenden: GetränkeabgabeG-Novelle 1988), als verfassungswidrig begehrt wird.
Des weiteren beantragt der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung des letzten Satzes des § 3 Abs 1 der Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg idF des Gemeinderatsbeschlusses vom als gesetzwidrig. Dieser Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu V178/90 protokolliert.
1.2. Die maßgeblichen Getränkesteuerregelungen - die angegriffenen Stellen sind hervorgehoben - haben folgenden Wortlaut:
1.2.1. Gesetz vom , mit dem das Getränkeabgabegesetz geändert wird:
"Artikel I
Das Gesetz vom , betreffend die Einhebung einer Abgabe vom Verbraucher von Getränken mit Ausnahme von Bier und Milch (Getränkeabgabegesetz), LGBl. Nr. 23, in der Fassung der Gesetze LGBl. Nr. 64/1969 und LGBl. Nr. 11/1974, wird wie folgt geändert:
§ 2 Abs 1 hat zu lauten:
'(1) Das Höchstausmaß der Abgabe beträgt 10 v.H. des Entgeltes. Entgelt ist der Preis, der vom Letztverbraucher für das Getränk ohne die Getränkeabgabe, die Umsatzsteuer, die Abgabe von alkoholischen Getränken und das Bedienungsgeld zu bezahlen ist. Zum Entgelt zählt auch der üblicherweise im Preis enthaltene Anteil für Zugaben (Zucker und Milch bei Kaffee, Zitrone bei Tee und dergleichen) und der Preis für Verpackungen in Form von Einweggebinden, die das Getränk unmittelbar umschließen. Nicht zum Entgelt gehört das Pfand, welches für Gebinde, die zurückgegeben werden können, entrichtet wird. Weiters gehört nicht zum Entgelt der Preis für jene Verpackungen, die als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen sind und für sich allein einen grösseren Wert haben, der zudem den Wert des Getränkes zweifellos erheblich übersteigt (zum Beispiel geschliffene Kristallglasflaschen).'
Artikel II
(1) Die Bestimmungen des Artikels I sind auf anhängige Verfahren anzuwenden.
(2) Dieses Gesetz tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."
1.2.2. In Durchführung der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 wurde am vom Gemeinderat der Stadt Kapfenberg beschlossen, die Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg vom wie folgt abzuändern:
"§3 Abs 1 hat zu lauten:
'Die Abgabe beträgt 10 % des Entgeltes. Entgelt ist der Preis, der vom Letztverbraucher für das Getränk bzw. Speiseeis ohne die Getränke- bzw. Speiseeisabgabe, die Umsatzsteuer, die Abgabe von alkoholischen Getränken und das Bedienungsgeld zu bezahlen ist. Zum Entgelt zählt auch der üblicherweise im Preis enthaltene Anteil für Zugaben (Zucker und Milch bei Kaffee, Zitrone bei Tee und dergleichen) und der Preis für Verpackungen in Form von Einweggebinden, die das Getränk unmittelbar umschließen. Nicht zum Entgelt gehört das Pfand, welches für Gebinde, die zurückgegeben werden können, entrichtet wird. Weiters gehört nicht zum Entgelt der Preis für jene Verpackungen, die als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen sind und für sich allein einen größeren Wert haben, der zudem den Wert des Getränkes zweifellos erheblich übersteigt (z.B. geschliffene Kristallglasflaschen).'
Diese Bestimmungen treten auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses vom rückwirkend mit (Inkrafttreten des Gesetzes) in Kraft und sind auf anhängige Verfahren anzuwenden."
Der Gemeinderatsbeschluß wurde vom 29. November bis an der Amtstafel kundgemacht.
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof führt zur Antragslegitimation in den Gesetzesprüfungsverfahren aus:
1.3.1. Er sei infolge mehrerer Säumnisbeschwerden anstelle der Steiermärkischen Landesregierung berufen, über jeweils gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinden Bärnbach, Admont und Kapfenberg (hg. G76/90, V178/90), der Gemeinden Gleisdorf, Liezen, Fürstenfeld und Pinggau (hg. G128/90) sowie der Gemeinden Bad Aussee und Bad Mitterndorf (hg. G132/90) erhobene Vorstellungen zu entscheiden.
In fünf von neun Säumnisbeschwerdefällen (hg. G76/90, V178/90 und G132/90) sei den Beschwerdeführern unter Berufung auf ArtI und II Abs 1 der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 Getränkesteuer für einen vor dem Inkrafttreten dieser Novelle gelegenen Zeitraum mit der Begründung vorgeschrieben worden, die Bemessungsgrundlage sei zu Unrecht um den Wert der Warenumschließungen vermindert worden.
In vier Säumnisbeschwerdefällen (hg. G128/90) seien Anträge der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung von (Getränke-) Steuer, "die auf Gebinde bzw. Verpackungsanteile entfällt und die in den bisher abgegebenen Getränkesteuererklärungen enthalten" war, unter Berufung auf die GetränkeabgabeG-Novelle 1988 abgewiesen worden. Auch diese Rückerstattungsbegehren beziehen sich auf einen vor dem Inkrafttreten der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 gelegenen Zeitraum.
Die Abgabenbehörden der Gemeinden hätten bei ihren Entscheidungen in den nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdesachen (auch) § 2 Abs 1 des Getränkeabgabegesetzes, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 23/1950 idF des ArtI der GetränkeabgabeG-Novelle 1988, sowie deren ArtII (wonach ArtI auch auf anhängige Verfahren anzuwenden ist) angewendet. Da der Verwaltungsgerichtshof anstelle der Steiermärkischen Landesregierung über die von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellungen zu entscheiden und hiebei zu beurteilen habe, ob die Beschwerdeführer durch die mit Vorstellung bekämpften Bescheide in ihren Rechten verletzt worden sind, sei die den Gegenstand der vorliegenden (Gesetzesprüfungs-)Anträge bildende Gesetzesstelle auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwenden und sohin für seine Entscheidung präjudiziell.
1.3.2. Der Gemeinderat der Stadt Kapfenberg habe in seinem (Ersatz-)Bescheid vom als Rechtsgrundlage weiters auch die Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg vom idgF angeführt. Die Berufungsbehörde habe damit erkennbar § 3 Abs 1 der Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg idF des Gemeinderatsbeschlusses vom angewendet, sodaß auch der Verwaltungsgerichtshof diesen anzuwenden haben werde.
1.4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hält die Bestimmung des ArtII Abs 1 der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot für unvereinbar und begründet seine Bedenken wie folgt:
Bei ArtII Abs 1 der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 handle es sich um eine rückwirkende gesetzliche Regelung, weil danach bei anhängigen Verfahren der durch ArtI der Novelle neugefaßte § 2 Abs 1 des Getränkeabgabegesetzes auch auf vor dem Inkrafttreten der Novelle verwirklichte Tatbestände Anwendung finde. Bedenken dagegen ergäben sich zunächst aus den Maßstäben, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G228/89, angeführt habe. Nach diesem Erkenntnis komme dem Vertrauensschutz für die Beurteilung einer rückwirkenden gesetzlichen Regelung besondere Relevanz zu. Daß Steuerpflichtige auf dem Boden des Steiermärkischen Getränkeabgabegesetzes 1950 idF vor der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 darauf vertrauen konnten, mitverkaufte Verpackungen seien nicht getränkesteuerpflichtig, ergäbe sich aus den Darlegungen des Verfassungsgerichtshofes in seinen gleichgelagerte Regelungen in Oberösterreich bzw. Salzburg betreffenden Prüfungsbeschlüssen vom , B1119/88, vom , B889/88, und vom , B987/89 und B1905/88, im Hinblick sowohl auf den damaligen Wortlaut des Gesetzes als auch auf die bezughabende Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.
In allen Prüfungsanträgen wurde - im wesentlichen gleichlautend - ausgeführt (Zitat aus dem zu G128/90 protokollierten Antrag):
"Anders als im Bundesland Oberösterreich gilt die Neufassung des § 2 Abs 1 GetrAbgG durch die GetrAbgG-Novelle im Bundesland Steiermark nicht nur für Fälle noch nicht eingetretener Verjährung, sondern für alle Fälle, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle ein (Verwaltungs-)Verfahren (aus welchen Gründen auch immer) anhängig war.
Im Grunde einer mit dem Gleichheitsgebot nicht zu vereinbarenden unterschiedlichen Behandlung der Steuerpflichtigen besteht damit auch folgendes Bedenken:
Da die Getränkesteuer eine Selbstbemessungssteuer ist, ergibt sich aus § 153 Abs 1 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung - LAO, daß die Abgaben durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gelten. Nach Abs 2 leg.cit. hat jedoch die Abgabenbehörde die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt, oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist, wobei von der bescheidmäßigen Festsetzung abzusehen ist, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt.
D.h. aber, daß in allen jenen Fällen, in denen noch auf Grund der 'alten' Rechtslage ein rechtskräftiger Bescheid - mit dem die Abgabe festgesetzt wurde, erging, weil sich der Abgabepflichtige nicht gesetzestreu verhalten hat - die Neufassung des § 2 Abs 1 GetrAbgG durch die GetrAbgG-Novelle im Zusammenhalt mit ArtII Abs 1 der GetrAbgG-Novelle nicht zur Anwendung kommt (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G121/88-8). Vor allem aber ist diese Bestimmung auf alle jene Fälle nicht anzuwenden, in denen Abgabepflichtige - und zwar im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Selbstbemessung auf der Grundlage der Rechtsansicht, mitverkaufte Verpackungen seien nicht getränkesteuerpflichtig, vorgenommen hatten und die Abgabenbehörde dies - ebenfalls im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nicht zum Anlaß für eine bescheidmäßige Belastung (§153 Abs 2 Stmk. LAO) genommen hat. Demgegenüber werden durch die in Rede stehende Regelung jene Fälle erfaßt, in denen - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes objektiv rechtsirrtümlich - die Selbstbemessung unter Einbeziehung mitverkaufter Verpackungen erfolgte und es zu einem Verfahren kam, das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GetrAbgG-Novelle noch anhängig war, was durchaus von Zufälligkeiten und bloß manipulativen Umständen abhängen kann.
Da die Rechtsänderung durch die besagte Novelle die im Vertrauen auf die frühere Rechtslage disponierenden Steuerpflichtigen auch hinsichtlich früher verwirklichter Tatbestände nachteilig belastet, diese Belastung auch von erheblichem Gewicht sein kann und offenbar keine besonderen Umstände vorliegen, die für die Sachlichkeit der gesetzlichen Maßnahmen sprechen, so z.B. daß durch die Rückwirkung eine ansonsten eintretende Gleichheitswidrigkeit vermieden würde, hegt der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, daß ArtII Abs 1 der GetrAbgG-Novelle mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz in Widerspruch steht. Im Hinblick auf die Differenzierung zwischen anhängigen und nicht anhängigen Fällen, besteht aber auch das Bedenken einer mit dem Gleichheitsgebot nicht zu vereinbarenden unterschiedlichen Behandlung der Steuerpflichtigen untereinander."
1.4.2. Gegen den letzten Absatz des § 3 Abs 1 der Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg vom idF des Gemeinderatsbeschlusses vom hegt der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, daß im Falle der Aufhebung des ArtII Abs 1 der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 die gesetzliche Deckung entfiele. Die in Rede stehende Verordnungsstelle erschiene sodann als mit Gesetzwidrigkeit belastet.
2. Die Steiermärkische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes entgegengetreten wird. Die Stadtgemeinde Kapfenberg verteidigte die angegriffene Verordnungsstelle als gesetzeskonform.
In ihrer Äußerung führt die Steiermärkische Landesregierung im wesentlichen aus:
"Hiezu darf bemerkt werden, daß nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für den Inhalt eines Bescheides die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde maßgebend ist. Dies gilt auch, wenn sich während des Verfahrens die Rechtslage geändert hat, es sei denn, das anzuwendende Gesetz, ordnet in 'Übergangsbestimmungen' etwas anderes an. Da eine solche Anordnung in den 'Übergangsbestimmungen' in der gegenständlichen Novelle nicht stattgefunden hat, kann eine diesbezügliche Verfassungswidrigkeit nicht erblickt werden. Selbst wenn der Abs 1 des Artikel II der gegenständlichen Gesetzesnovelle nicht in den Text der Novelle aufgenommen worden wäre, würde schon aufgrund der oben angeführten Rechtsprechung die gegenständliche Gesetzesnovelle auf anhängige Verfahren Anwendung finden.
Gemäß dem Getränkeabgabengesetz 1950 ... hat laut § 4 Abs 2 der
Unternehmer binnen einem Kalendermonat und 10 Tagen nach Ablauf des
Kalendermonates, in dem die Abgabeschuld entstanden ist, dem
Gemeindeamt ... die ... Abgabe bis zu diesem Zeitpunkt ohne weitere
Aufforderung zu entrichten.
In diesem Zusammenhang wird in § 7 leg.cit. bestimmt, daß, wenn der Unternehmer zum oben angeführten Zeitpunkt keine Getränkeabgabeerklärung vorlegt, die Abgabe(n) durch die Gemeinde von Amts wegen geschätzt und festgelegt werden.
Diese Vorgangsweise ist auch dann anzuwenden, wenn der Unternehmer über seine Abgaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskünfte verweigert bzw. seine Angaben unglaubhaft erscheinen. ...
...
Da die Gemeinde, wie oben ausgeführt, in den Fällen der Selbstbemessung mittels Getränkeabgabeerklärung nach Einlangen derselben die Möglichkeit hat, Erhebungen über die tatsächliche Höhe durchzuführen, muß davon ausgegangen werden, daß das Verfahren ab dem Zeitpunkt anhängig ist, ab dem die Gemeinde die Getränkeabgabeerklärung mittels Eingangsstempel entgegennimmt. ... Demnach hat die Gemeinde innerhalb ... (von) 5 Jahre(n) die Möglichkeit, gemäß § 7 des Getränkeabgabengesetzes vorzugehen. Das gegenständliche Abgabeverfahren kann daher erst dann als abgeschlossen gelten, wenn die Verjährungsfrist von 5 Jahren abgelaufen ist und die Gemeinde keine diesbezüglichen nach außenhin erkennbare(n) Amtshandlungen gesetzt hat. Derartige Amtshandlungen würden die Verjährungsfrist unterbrechen und würde demnach der Lauf dieser Frist von Neuem beginnen.
Im Fall einer bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe durch die Gemeinde, ist das Verfahren erst dann abgeschlossen, wenn diese durch kein Rechtsmittel mehr angefochten werden kann und demnach der Rechtskraft unterliegt."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß er die angegriffenen Bestimmungen in Erledigung der an ihn gerichteten Säumnisbeschwerden anzuwenden habe, wurde nicht entgegengetreten. Die bekämpften Bestimmungen sind offenkundig präjudiziell. Da auch alle anderen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Verfahren zulässig.
3.2. Das vom Verwaltungsgerichtshof in den Gesetzesprüfungsanträgen geltend gemachte Gleichheitsbedenken, daß sich keine sachliche Rechtfertigung für eine Regelung finde, die rückwirkend die Anwendung eines (mit der GetränkeabgabeG-Novelle 1988) neu geschaffenen Steuertatbestandes ausschließlich auf Sachverhalte anordne, hinsichtlich derer ein Verfahren anhängig ist, trifft zu.
3.2.1. Dem Verwaltungsgerichtshof ist zunächst beizupflichten, daß mit der Neufassung des § 2 Abs 1 des Getränkeabgabegesetzes, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 23/1950 idF LGBl. Nr. 11/1974, durch ArtI der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 der Landesgesetzgeber von dem ihm verfassungsgesetzlich eingeräumten Abgabenerfindungsrecht hinsichtlich der Verpackungskostenanteile von Getränken Gebrauch gemacht hat und daß damit ein neuer Steuertatbestand eingeführt wurde.
Da der Gesetzgeber den neuen Steuertatbestand rechtstechnisch nicht verselbständigt, sondern im Kontext mit der Bemessungsgrundlage im § 2 des Getränkeabgabegesetzes geregelt hat, ist er ersichtlich davon ausgegangen, daß für die Frage des Entstehens der Abgabeschuld und deren Fälligkeit § 4 des Getränkeabgabegesetzes maßgeblich sein soll. Die Abgabeschuld für Sachverhalte, die von ArtI der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 erfaßt sind, entsteht sohin im Zeitpunkt der Abgabe von Getränken, die der Steuerpflicht nach der durch ArtI der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 geschaffenen Rechtslage unterliegen. Auf die vor Inkrafttreten dieser Novelle (i.e. ) verwirklichten Sachverhalte wäre - gäbe es die Regelung des ArtII Abs 1 GetränkeabgabeG-Novelle 1988 nicht - die frühere Rechtslage anzuwenden, wonach - wie sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 83/17/0056, ergibt - der Wert der Verpackung nicht in die (Getränkesteuer-)Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist. Die angegriffene Gesetzesstelle verfügt, daß die Neuregelung, derzufolge auch der Preis für Verpackungen in Form von Einweggebinden zum steuerpflichtigen Entgelt zählt, auf alle anhängigen Verfahren anzuwenden ist, womit - offenkundig - alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 anhängigen Verfahren der Steuerpflicht nach ArtI leg.cit. unterworfen werden. Damit werden aber rückwirkend Sachverhalte in die Steuerpflicht einbezogen, die nach der Rechtslage, wie sie vor der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 bestand, nicht steuerpflichtig wären.
Die angegriffene Regelung begründet eine rückwirkende Steuerpflicht für den Wert von Verpackungen jedoch nur für solche Sachverhalte, hinsichtlich derer ein Verfahren anhängig ist, wobei die Steiermärkische Landesregierung die Auffassung vertritt, daß dies (bereits) zutrifft, sobald der Steuerpflichtige eine Getränkeabgabeerklärung abgegeben hat. Die rückwirkende Regelung findet nach ihrem Wortlaut und offensichtlich auch nach Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung somit keine Anwendung auf Sachverhalte, die steuerpflichtig gewesen wären, hinsichtlich derer jedoch eine Getränkeabgabeerklärung nicht eingereicht wurde. Hinterzogene Abgaben sind daher von der angegriffenen Regelung nicht erfaßt, solange die Behörde gegen den Steuerpflichtigen keine nach außen in Erscheinung tretenden Erhebungen eingeleitet hat, weil insofern ein Verfahren nicht anhängig ist.
Der Verfassungsgerichtshof pflichtet dem Verwaltungsgerichtshof bei, daß sich keine sachliche Rechtfertigung für eine bevorzugende Behandlung derartiger Sachverhalte findet.
Mit Recht verweist der Verwaltungsgerichtshof zusätzlich darauf, daß es ausschließlich vom Verhalten der Behörde abhängig war, ob ein Verfahren im Zeitpunkt der Erlassung der angegriffenen Gesetzesstelle bereits rechtskräftig abgeschlossen oder noch anhängig war, weil unterstellt werden muß, daß die Abgabenbehörde jedenfalls ab Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 83/17/0056, Verpakkungsanteile in die Getränkesteuerpflicht nicht einbezogen habe. Da die in Prüfung gezogene Bestimmung jedoch erst am in Kraft trat, hängt es ausschließlich vom rascheren oder langsameren Vorgehen der Abgabenbehörde ab, ob Verfahren im letztgenannten Zeitpunkt - was die Steuerpflicht hinsichtlich Verpackungen betrifft - bereits (zugunsten des Steuerpflichtigen) rechtskräftig erledigt oder schon bzw. noch anhängig waren. Damit stellt die angegriffene Regelung zusätzlich in einer mit dem Gleichheitsgebot nicht zu vereinbarenden Weise auf Umstände ab, die ausschließlich vom Behördenverhalten abhängig waren (VfSlg. 10620/1985).
Die angegriffene Gesetzesstelle erweist sich sohin aus den bereits dargelegten Gründen als verfassungswidrig, sodaß auf weitere Bedenken nicht mehr einzugehen war.
3.2.2. Die Bestimmung ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Da die Regelung auf anhängige Fälle abgestellt ist, war weiters auszusprechen, daß die aufgehobene Bestimmung auf solche Fälle nicht mehr anzuwenden ist (Art140 Abs 7 B-VG).
Der Ausspruch über die Kundmachungsverpflichtung gründet sich auf Art 140 Abs 5 B-VG.
3.2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlaß der bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren Zlen. 90/17/0405, 90/17/0013 bis 0017, 90/17/0019 bis 0022 und 90/17/0053 bis 0055 weitere Anträge auf Aufhebung des ArtII Abs 1 der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 beim Verfassungsgerichtshof gestellt, die hg. zu G122/91 und G123/91 protokolliert sind. Im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen war eine formelle Einbeziehung dieser Anträge in das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren nicht mehr möglich. Da sich im Hinblick auf den Ausspruch, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, die Wirkung der Aufhebung auch auf diese - wie auch auf alle anderen schwebenden - Verfahren erstreckt, erübrigt sich eine weitere Erledigung dieser Gesetzesprüfungsanträge.
3.3.1. Nach Aufhebung des ArtII Abs 1 der GetränkeabgabeG-Novelle 1988 trifft auch das Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des letzten Satzes des § 3 Abs 1 der Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Stadt Kapfenberg idF des Gemeinderatsbeschlusses vom (vgl. 1.4.1.) zu; der letzte Satz des § 3 Abs 1 leg.cit. ist, weil die gesetzliche Deckung weggefallen ist, wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.
Die Wirkung der Aufhebung war aus den gleichen Erwägungen, die für das Gesetzesprüfungsverfahren zutrafen, gemäß Art 139 Abs 6 B-VG auf alle anhängigen Verfahren zu erstrecken. Der Ausspruch über die Kundmachungsverpflichtung gründet sich auf Art 139 Abs 5
3.3.2. Hinsichtlich der vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß seiner Beschwerden Zlen. 90/17/0405, 90/17/0016 und 90/17/0055 unter einem gestellten und beim Verfassungsgerichtshof zu V46-48/91 protokollierten Verordnungsprüfungsanträge (betreffend die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Z A8-K 339/1985 - 6, die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Murau vom betreffend Getränke- und Speiseabgabe und die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Knittelfeld vom , mit der die Getränkeabgabeordnung geändert wird) wird die Entscheidung gesondert ergehen.
4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Fundstelle(n):
DAAAE-29090