VfGH vom 17.06.1995, V169/94
Sammlungsnummer
14154
Leitsatz
Aufhebung eines Erlasses zum AltlastensanierungsG hinsichtlich der Beitragspflicht für die Ablagerung von Baurestmassen mangels Kundmachung des als Rechtsverordnung zu qualifizierenden Erlasses im Bundesgesetzblatt; gesetzwidrige Anknüpfung der Altlastenbeitragspflicht für Baurestmassen an eine gesetzlich nicht vorgesehene Unterscheidung hinsichtlich ihrer Verwendung
Spruch
Der Erlaß der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie zur Altlastensanierungsgesetznovelle 1992 vom , Z 08 3523/26-V/4/93-Ho, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Der Bundesminister für Umwelt ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie gab am einen Erlaß zur Altlastensanierungsgesetznovelle 1992, Z 08 3523/26-V/4/93-Ho, heraus. Der genannte Erlaß lautet (in seinen im vorliegenden Fall wesentlichen Teilen):
"Erlaß zur Altlastensanierungs(gesetz)novelle 1992
An alle
Herrn Landeshauptmänner
Der Erlaß zur Altlastensanierungsgesetznovelle 1992, Zl 08 3523/3-V/4/93 wird außer Kraft gesetzt.
Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie sieht sich veranlaßt, zu folgenden Bestimmungen der Novelle bzw. zu offenen Fragen betreffend den Vollzug des Altlastensanierungsgesetzes Feststellungen zu treffen und ersucht um entsprechende Information der Bezirksverwaltungsbehörden:
...
§6 Z 2:
Mineralische Baurestmassen
Durch die Altlastensanierungsgesetz-Novelle 1992 wurde in § 6 eine eigene Gruppe "mineralische Baurestmassen" eingeführt. Mineralischen Baurestmassen zuzuordnen sind Keramische Baustoffe (wie Ziegel, Klinker, Porzellan, Fliesen), Mörtel und Verputze, Kalksandstein, Natursteine (gebrochene natürliche Mineralien, Kies, Sand), Kaminsteine (Schamotte), Beton (inklusive Gasbeton, Ytong, Silikatbeton, Asbestzement) sowie bituminösgebundener Asphalt.
Die Höhe der Beitragspflicht beträgt S 40,--.
Beitragspflichtig ist die Ablagerung von mineralischen Baurestmassen selbst dann, wenn sie zB. als Zwischenabdeckung für eine Deponie oder als Geländeverfüllungsmaterial (Kies- bzw. Schottergrube) verwendet werden (vgl. hierzu den betreffenden Abänderungsantrag).
Anzumerken ist, daß die Verfüllung mit Erdaushub (Abraummaterial), der keiner besonderen Behandlung bedarf, beitragsfrei ist.
Werden bei der Herstellung von konkreten Bauwerken mineralische Baurestmassen verwendet, und erfüllt diese Verwendung eine bautechnische Funktion, die im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme erforderlich ist, so sind diese Bauschuttrestmassen nicht als Abfall anzusehen und unterliegen daher nicht der Beitragspflicht (zB. Dammschüttungen, Künettenverfüllungen, etc.). Richtlinien betreffend die Qualität von Recyclingmaterialien sind dabei einzuhalten.
Beitragspflichtig sind jedenfalls:
* Das Deponieren von Baurestmassen
* Verfüllen von Entnahmestätten von Naturmaterialien,
wie zB. Kiesgruben und Schottergruben
* Stabilisierende Zwischenschichten von Deponien sowie * Geländeverfüllungen, die nicht im Zusammenhang mit
einer Baumaßnahme stehen und keine bautechnische Funktion erfüllen.
Nicht beitragspflichtig ist die Wiederverwendung von mineralischen Baurestmassen
* als Baustoffe für Drain- oder Tragschichten;
* für die Erzeugung von zement- oder bituminösgebundene
Baustoffe;
* zur Herstellung von konkreten Bauwerken, die im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme erforderlich ist, als Ersatz von Naturmaterialien (zB. Dammschüttung, Künettenverfüllung);
* für Geländeanpassungen, die im Zuge von Baumaßnahmen notwendig werden und denen eine bautechnische Funktion zukommt zB. Straßenbau, Lärmschutzdämme, Baugeländekorrekturen).
..."
2. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B1856/93 protokollierte Beschwerde gemäß Art 144 B-VG gegen einen im Instanzenzug ergangenen Feststellungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich anhängig, in welchem der zur Verfüllung eines Grundwasserteichs verwendete mineralische Bauschutt unter Berufung auf den zitierten Erlaß als - nach den Bestimmungen des Altlastensanierungsgesetzes, BGBl. 299/1989, beitragspflichtiger - "Abfall" iSd. § 6 Z 2 Altlastensanierungsgesetz qualifiziert wurde.
Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich durch diesen Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt.
3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich beantragte in seiner Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
4. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Beschluß vom , B1856/93-11, von der Präjudizialität des Erlasses der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie zur Altlastensanierungsgesetznovelle 1992 vom , Z 08 3523/26-V/4/93-Ho, bei seiner Entscheidung über die angeführte Beschwerde aus.
4.1. Er beschloß, den genannten Erlaß gemäß Art 139 Abs 1 B-VG von Amts wegen auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfen, weil er das Bedenken hegte, daß es sich beim zitierten Erlaß aus folgenden Gründen um eine - rechtswidrige - Verordnung handle.
Der Erlaß führe die Regelungen des Altlastensanierungsgesetzes näher aus. Die ausdrückliche Festlegung einer Beitragspflicht bzw. umgekehrt fehlender Beitragspflicht bei bestimmten Verwendungsarten von Baurestmassen im Erlaß lege - zumindest vorläufig - die Auffassung nahe, daß die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie mit dem Erlaß eine normativ verbindliche Regelung getroffen hatte. Bilde der Erlaß aber eine Beitragspflichten begründende Verordnung, so fehle es ihm an der nach § 2 Abs 1 litf des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985, BGBl. 200, erforderlichen Kundmachung im Bundesgesetzblatt.
4.2. Darüberhinaus hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß der angeführte Erlaß schon insofern gesetzwidrig sei, als er hinsichtlich der Beitragspflicht für die Verwendung von mineralischen Baurestmassen als Geländeverfüllungsmaterial einerseits und bei Geländeanpassungen andererseits unterscheidet, ohne daß diese Unterscheidung dem Gesetz zu entnehmen sei.
5. Die Bundesministerin für Umwelt begegnet in ihrer Äußerung den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes mit dem Hinweis, der Erlaß könne schon deswegen nicht als Verordnung iSd. Art 139 Abs 1 B-VG qualifiziert werden, weil er nicht einmal ein Mindestmaß an Kundmachung aufweise.
5.1. Weiters gehe aus der Textierung des Erlasses hervor, daß die Bundesministerin damit keine normativen Anordnungen, sondern lediglich "Feststellungen" zur Interpretation des Altlastensanierungsgesetzes getroffen habe. Die normative Qualität des Erlasses könne nicht aus der ausdrücklichen Festlegung einer Beitragspflicht bzw. umgekehrt der fehlenden Beitragspflicht bei bestimmten Verwendungsarten von Baurestmassen abgeleitet werden. Die Beitragspflicht ergebe sich nämlich bereits eindeutig aus § 6 Altlastensanierungsgesetz.
5.2. Gegenstand des Altlastenbeitrages sei nur Abfall iSd. Altlastensanierungsgesetzes. Die an sich als Abfall zu betrachtenden mineralischen Baurestmassen verlieren diese Eigenschaft, wenn sie einer "Wiederverwendung" als Sekundärstoff oder einer "stofflichen Verwertung" gemäß § 2 Abs 5 Z 1 Altlastensanierungsgesetz zugeführt werden. Eine "stoffliche Verwertung" liege vor, wenn Abfall unmittelbar zur Herstellung eines neuen Produkts eingesetzt werde oder die aus einem Abfall gewonnenen Stoffe eingesetzt werden. Im Bereich der mineralischen Baurestmassen sei daher etwa die Aufarbeitung von Baurestmassen in einer Recyclinganlage und der danach folgende Einsatz als Baumaterial als "stoffliche Verwertung" anzusehen.
Aus der Verwendung des Wortes "Wiederverwendung" ergebe sich, daß eine Sache neuerlich für genau jenen Zweck gebraucht werden muß, für den sie ursprünglich eingesetzt wurde. In eben diesem Punkt liege ein entscheidender Unterschied zum Altstoffbegriff des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. 325/1990, (AWG). § 2 Abs 3 AWG verlange nämlich nicht die "Wiederverwendung", sondern spreche von "einer zulässigen Verwendung oder Verwertung". Aus dieser unterschiedlichen Textierung des Altstoffbegriffs im AWG und im Altlastensanierungsgesetz gehe hervor, daß eine Wiederverwendung iSd. § 2 Abs 5 Z 1 Altlastensanierungsgesetz nur dann vorliege, wenn der jeweilige Abfallstoff für denselben Zweck wieder eingesetzt wird, für den er auch ursprünglich eingesetzt wurde (zB Verwendung von Ziegelsteinen aus einem Abbruch zur Errichtung einer neuen Mauer, Einsatz von Baurestmassen als Ersatz von Schotter bei konkreten Baumaßnahmen). Wesentlich sei dabei, daß durch diese Wiederverwendung der Abfälle neues Material eingespart, dh. die Ressourcen im Sinne der abfallwirtschaftlichen Ziele (auch im Sinne des Altlastensanierungsgesetzes) geschont würden.
Auch die Tatsache, daß eine Verfüllung zur Rekultivierung möglicherweise Gegenstand einer bescheidmäßigen Auflage oder eines behördlichen Auftrages ist, könne nicht dazu führen, daß der Einsatz der zur Erfüllung dieser Aufträge oder Auflagen verwendeten Materialien als Wiederverwendung anzusehen sei. Erfahrungsgemäß werde bei Verfüllungen von Kies- und Schottergruben nicht neuerlich Baumaterial eingesetzt (dh. jenes Material wie Kies oder Schotter, das bis vor kurzem dort abgebaut wurde). Daher sei bei Verfüllungen von Kies- und Schottergruben eine Wiederverwendung von Baurestmassen begrifflich ausgeschlossen; aus diesem Grund lägen in einem solchen Fall Abfälle im Sinne des Altlastensanierungsgesetzes vor.
Zusammenfassend sei festzuhalten, daß die Differenzierung zwischen Geländeverfüllungen einerseits und Geländeanpassungen andererseits ihre gesetzliche Grundlage in den Bestimmungen des Altlastensanierungsgesetzes, insbesondere dessen § 2 Abs 5 Z 1, finde. Geländeverfüllungen fielen unter den Tatbestand der Deponierung iSd. § 2 Abs 9 Altlastensanierungsgesetz und seien daher beitragspflichtig. Geländeanpassungen seien hingegen als bautechnische Maßnahmen und damit als Wiederverwendung iSd. § 2 Abs 5 Z 1 Altlastensanierungsgesetz anzusehen und kämen für eine Beitragspflicht nicht in Betracht.
Da der Erlaß somit keine subjektiven Rechte der Rechtsunterworfenen berühre, scheide eine Qualifizierung als Verordnung iSd. Art 139 Abs 1 B-VG aus.
6. In einer Stellungnahme zur Äußerung der Bundesministerin für Umwelt weist die zu B1856/93 beschwerdeführende Gesellschaft darauf hin, "daß ... schon durch die Versendung des Erlasses, verstärkt noch durch dessen allgemeines Bekanntwerden, jenes Mindestmaß an Publizität erreicht wurde, das nach der ständigen Rechtsprechung" des Verfassungsgerichtshofes für eine Qualifikation des "Erlasses" als Verordnung erforderlich ist.
Dem "Erlaß" komme - entgegen der Ansicht der Bundesministerin für Umwelt - jedenfalls Normcharakter zu. Der Normcharakter eines Verwaltungsaktes sei nämlich von der Art der Kundmachung unabhängig; es komme ausschließlich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes an. Der Wille des Normgebers sei irrelevant, vielmehr komme es hinsichtlich der Normativität auf den sich aus dem Wortlaut ergebenden objektiven Gehalt an. Auch die Diktion des gegenständichen Erlasses sei durchwegs "imperativ" iSd. ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes. Daß der objektive Gehalt - das äußere Erscheinungsbild des Erlasses - normativ sei, zeige sich nicht zuletzt auch daran, daß die entscheidenden Behörden den Erlaß im gegenständlichen Fall eindeutig als normativ aufgefaßt und für sie als bindend erachtet haben.
Darüberhinaus sei die als "Erlaß" bezeichnete und mangelhaft kundgemachte Rechtsverordnung von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Mit der Vollziehung der Fragen des Altlastenbeitrages sei nämlich "der Bundesminister für Finanzen betraut (§24 Abs 2 Altlastensanierungsgesetz)"; dem Bundesminister für Umwelt sei in diesem Zusammenhang nur die Vollziehung des § 10 Altlastensanierungsgesetz über den Feststellungsbescheid anheimgestellt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Trotz seiner (im Einleitungssatz des Erlasses enthaltenen) verbalen Beschränkung, "Feststellungen" betreffend den Vollzug des Altlastensanierungsgesetzes zu treffen, wird durch die zu § 6 Z 2 unter der Überschrift "Mineralische Baurestmassen" ergangenen Ausführungen des Erlasses eindeutig bestimmt, welche Baustoffe den mineralischen Baurestmassen zuzuordnen sind, welche Verwendungsarten dieser mineralischen Baurestmassen beitragspflichtig sind und unter welchen Voraussetzungen die Beitragspflicht entfällt. Insofern handelt es sich aber bei den Festlegungen der Behörde - mögen sie auch als bloße "Feststellungen" bezeichnet werden - um normative Akte, welche entsprechende Beitragspflichten von Personen begründen, die mineralische Baurestmassen auf bestimmte Art, zB zur Geländeverfüllung, verwenden. Der Erlaß bedient sich aber auch darüber hinaus zur Abgrenzung der Beitragspflicht sowie sonstiger aus der Altlastensanierungsgesetznovelle 1992 erwachsender Verpflichtungen einer imperativen Diktion, durch die das Gesetz verbindlich ausgelegt wird. Seine "Feststellungen" beanspruchen ihrem Inhalt nach gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen (- so gegenüber allen Betreibern einer Deponie als Beitragsschuldnern -) unmittelbare Geltung (vgl. etwa ähnlich VfSlg. 12744/1991 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie hat mit ihrem Erlaß vom daher eine normativ verbindliche, inhaltlich nach außen wirksame Regelung getroffen.
Der Erlaß der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie wurde an alle Landeshauptleute mit der Aufforderung versendet, die Bezirksverwaltungsbehörden entsprechend zu informieren. Der Erlaß hat sohin jenes Mindestmaß an Publizität erreicht, das ihn im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 7375/1974, 8997/1980, 9247/1981, 11867/1988, 12744/1991) zu einem Bestandteil der Rechtsordnung werden ließ.
Da nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8647/1979, 8807/1980, 10518/1985, 11472/1987 und 12744/1991) für die Qualifikation einer verwaltungsbehördlichen Enuntiation nicht deren formeller Adressatenkreis oder die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung, sondern nur ihr Inhalt maßgebend ist, ist der in Prüfung gezogene und nach außen mitgeteilte Erlaß mit Rücksicht auf seinen, die Beitragspflicht nach dem Altlastensanierungsgesetz bestimmenden Inhalt eine Verordnung iSd. Art 139 Abs 1 B-VG. Eine nähere Abgrenzung des präjudiziellen Teiles der Verordnung kann mit Rücksicht auf die unter 3. angestellten Überlegungen entfallen.
Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof äußerte im Prüfungsbeschluß das Bedenken, daß der Erlaß gesetzwidriger Weise nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Da der Erlaß wie gezeigt kraft seines Inhalts als Rechtsverordnung zu qualifizieren ist, Rechtsverordnungen eines Bundesministers aber gemäß § 2 Abs 1 litf des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985, BGBl. 200, im Bundesgesetzblatt verlautbart werden müssen, belastet ihn schon der Mangel dieser Verlautbarung mit Gesetzwidrigkeit.
2.2. Darüber hinaus hegte der Verfassungsgerichtshof gegen den mit "§6 Z. 2: Mineralische Baurestmassen" überschriebenen Teil des Erlasses auch inhaltliche Bedenken, die sich aus folgenden Gründen als zutreffend erwiesen:
Gemäß § 3 Abs 1 Altlastensanierungsgesetz unterliegen der Altlastenbeitragsverpflichtung (neben dem Zwischenlagern und der Ausfuhr) lediglich "das Deponieren (§2 Abs 8) von Abfällen". Unter "Deponieren im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das erstmalige Ablagern von Abfällen auf einer Deponie" (§2 Abs 8 leg. cit.), und unter "Deponie im Sinne dieses Bundesgesetzes ist eine Anlage, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen errichtet wurde" (§2 Abs 9 leg. cit.) zu verstehen. Wie § 6 Z 2 Altlastensanierungsgesetz idF der Altlastensanierungsgesetznovelle 1992, BGBl. 760/1992, durch die Anordnung einer eigenen Beitragskategorie für "mineralische Baurestmassen" verdeutlicht, unterliegen auch diese der Verpflichtung zur Entrichtung eines Altlastenbeitrags. Dies freilich nur unter der - auch durch die Altlastensanierungsgesetznovelle 1992 nicht geänderten - Voraussetzung, daß mineralische Baurestmassen iSd. oben zitierten Bestimmungen deponiert und nicht gemäß § 2 Abs 5 Z 1 leg. cit. "als Sekundärrohstoffe einer Wiederverwendung oder stofflichen Verwertung zugeführt werden". Wie in der Literatur (Ruppe, Abgabenrechtliche Aspekte der Abfallwirtschaft und Altlastensanierung, in: Funk (Hrsg.), Abfallwirtschaftsrecht, Wien 1993, 174 f.; Schwarzer, Das Altlastensanierungsgesetz, WBl 1989, 267 f.; Thomasitz, Das Altlastensanierungsgesetz, ÖZW 1990, 9; und Wimmer, Zum Abfallbegriff im österreichischen Recht, ÖJZ 1992, 722) dazu übereinstimmend dargetan wurde, läßt die Wiederverwendung von Bauschutt (soweit er nicht mit umweltgefährdenden Stoffen kontaminiert ist) als Verfüllungsmaterial gemäß § 2 Abs 5 Z 1 Altlastensanierungsgesetz keine Beitragspflicht entstehen.
Weder der Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (534 BlgNR 18. GP) zur Altlastensanierungsgesetznovelle 1992 (753 BlgNR 18. GP) zu ArtI Z 10 (§6), wonach mineralische Baurestmassen als "Abfall im Sinne des § 2 Abs 4 ALSAG" gelten, wenn sie zB "als Verfüllungsmaterial einer Kies- bzw. Schottergrube" verwendet werden, noch die Äußerung der Bundesministerin für Umwelt die zwischen der "Wiederverwendung" von Abfallstoffen im Sinne des § 2 Abs 5 Altlastensanierungsgesetz und der bloßen "Verwendung" derartiger Stoffe gemäß dem AWG unterscheiden will, kann eine entsprechende Deutung des § 6 Z 2 in Verbindung mit § 2 Abs 5 Altlastensanierungsgesetz hinreichend begründen. Daß eine Wiederverwendung mineralischer Baurestmassen zur Verfüllung von Kiesgruben, Schottergruben oder - wie im Anlaßfall - eines Naturteiches kein "Deponieren" von Abfall sein kann, ergibt sich bereits aus der oben wiedergegebenen Legaldefinition dieses Rechtsbegriffes, weil Kies- und Schottergruben ebensowenig wie zu verfüllende Grundwasserteiche als "Anlage(n), die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen errichtet wurde(n)" (so in § 2 Abs 9 leg. cit. die Legaldefinition der Deponie) gelten können. Schon aus diesem Grunde bilden mineralische Baurestmassen, die nicht auf einer Deponie iSd. Gesetzes abgelagert, sondern rechtmäßig welchem anderen Verwendungszweck auch immer zugeführt werden, keine beitragspflichtigen Abfälle iSd. Altlastensanierungsgesetzes.
Der in Prüfung gezogene Erlaß bezeichnet neben dem ausdrücklich angeführten "Deponieren von Baurestmassen" auch sonstige Verwendungsarten von Baurestmassen, wie insbesondere das "Verfüllen von Entnahmestätten von Naturmaterialien wie zB. Kies- und Schottergruben" sowie "Geländeverfüllungen, die nicht im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme stehen und keine bautechnische Funktion erfüllen", als "beitragspflichtig". Damit begründet der als Verordnung zu wertende Erlaß eine Altlastenbeitragspflicht, die entgegen § 3 Abs 1 Z 1 Altlastensanierungsgesetz über "das Deponieren (§2 Abs 8) von Abfällen" hinausreicht und entgegen § 2 Abs 5 Z 1 Altlastensanierungsgesetz auch die Wiederverwendung von Abfallstoffen als Sekundärrohstoffe einer Beitragspflicht unterwirft. Im Ergebnis erweisen sich sohin die im Prüfungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken als berechtigt, daß der Erlaß die Altlastenbeitragspflicht für Baurestmassen an eine vom Gesetz nicht vorgesehene Unterscheidung hinsichtlich der Verwendung jener Baurestmassen knüpft.
3. Der Erlaß der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie zur Altlastensanierungsgesetznovelle 1992 vom verstößt daher gegen § 2 Abs 5 in Verbindung mit § 3 Abs 1 Z 1 und § 6 Z 2 Altlastensanierungsgesetz. Wegen des unter 2.1. dargestellten Kundmachungsmangels war der zitierte Erlaß gemäß Art 139 Abs 3 litc B-VG zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.
4. Der Verfassungsgerichtshof sah sich - auch entsprechend der Anregung der Bundesministerin für Umwelt in ihrer Äußerung - veranlaßt, für das Außerkrafttreten der Verordnung eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, weil der oben zitierte Bericht des Umweltausschusses des Nationalrates erkennen läßt, daß der Inhalt des Erlasses im parlamentarischen Verfahren als wünschenswerter Inhalt eines Gesetzes angesehen wurde.
5. Die Verpflichtung des - nach der Bundesministeriengesetz-Novelle (BGBl. 1105/1994) zuständigen - Bundesministers für Umwelt zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung stützt sich ebenso wie die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten auf Art 139 Abs 5 B-VG.
Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.