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VfGH vom 06.03.1996, V168/95

VfGH vom 06.03.1996, V168/95

Sammlungsnummer

14462

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des Krnt GemeindeplanungsG 1982 über die Festlegung von Aufschließungsgebieten auf ein vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung beschlossenes amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren; Aufhebung der auf diese Bestimmung gestützten AufschließungsgebietsV mangels einer gesetzlichen Grundlage und infolge rückwirkender in Kraft Setzung ohne gesetzliche Ermächtigung

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Maria Wörth vom über die Festlegung von Aufschließungsgebieten, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Gemeindeamtes der Gemeinde Maria Wörth in der Zeit vom 4. bis , wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Aus Anlaß einer gemäß Art 144 B-VG erhobenen Beschwerde gegen einen Bescheid der Kärntner Landesregierung, mit dem die Vorstellung gegen einen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Maria Wörth abgewiesen worden war, hat der Verfassungsgerichtshof am beschlossen, die Gesetzmäßigkeit des § 1 Z 1 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Maria Wörth vom über die Festlegung von Aufschließungsgebieten, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Gemeindeamtes der Gemeinde Maria Wörth in der Zeit vom 4. bis , gemäß Art 139 Abs 1 B-VG von Amts wegen zu prüfen. Diese Verordnung stützt sich ua. auf § 2 Abs 11 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes 1982, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom , Zl. Verf-212/1/1982, über die Wiederverlautbarung des Gemeindeplanungsgesetzes 1970, LGBl. für Kärnten 51/1982 (im folgenden: GemeindeplanungsG 1982). Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, daß die in Prüfung genommene Verordnungsregelung auf Grund der genannten, als verfassungswidrig erachteten Rechtsvorschrift erlassen worden sei. Weiters nahm er vorläufig an, daß die Verordnung in unzulässiger Weise rückwirkend in Kraft gesetzt worden sei.

2.1. Der Gemeinderat der Gemeinde Maria Wörth hat eine Äußerung erstattet, in der festgehalten wird, daß die in Prüfung gezogene Verordnung im Rahmen des vom GemeindeplanungsG 1982 eingeräumten Entscheidungsspielraumes beschlossen worden sei und daß § 2 der Verordnung "eine fälschliche Formulierung darstellt", weil damit der Tag der Beschlußfassung durch den Gemeinderat, nicht jedoch der Tag des Inkrafttretens der Verordnung bezeichnet werde. Außerdem sei seitens des Amtes der Kärntner Landesregierung kein Hinweis auf einen allfälligen Kundmachungsmangel erfolgt.

2.2. Die Kärntner Landesregierung hat in ihrer Sitzung am beschlossen, von der Erstattung einer Äußerung abzusehen.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hatte aus Anlaß mehrerer (anderer) bei ihm anhängiger Beschwerdesachen von Amts wegen gemäß Art 140 Abs 1 B-VG Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs 11 des GemeindeplanungsG 1982 eingeleitet; er hat mit Erkenntnis vom , G21,22/95 ua., festgestellt, daß diese Gesetzesstelle verfassungswidrig war.

2. Wie sich aus Art 140 Abs 7 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Gleiches gilt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung, die auf die aufgehobene Gesetzesbestimmung gegründet war.

3. Dem im Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung, mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung bereits anhängig geworden sind (VfSlg. 11057/1986, 13269/1992).

4. Die nichtöffentliche Beratung im Verfahren zur Prüfung des § 2 Abs 11 GemeindeplanungsG 1982 begann am . Der vorliegende Verordnungsprüfungsbeschluß ist beim Verfassungsgerichtshof schon vorher, nämlich bereits am , gefaßt worden.

Nach dem Gesagten ist der vorliegende Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

5.1. Die in Prüfung genommene Bestimmung des Flächenwidmungsplanes findet ihre materielle Basis in der als verfassungswidrig erkannten Bestimmung des § 2 Abs 11 GemeindeplanungsG 1982. Sie ist nunmehr so zu beurteilen, als ob sie ohne gesetzliche Grundlage - also in Widerspruch zu Art 18 B-VG - erlassen worden wäre (vgl. VfSlg. 10066/1984, 11057/1986). Das Bedenken, daß die genannte Verordnungsbestimmung auf Grund einer verfassungswidrigen Gesetzesvorschrift erlassen wurde, trifft sohin zu.

5.2. Aber auch das weitere vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß geäußerte Bedenken, daß die in Prüfung genommene Verordnungsstelle rückwirkend in Kraft gesetzt wurde, ohne daß hiefür eine gesetzliche Ermächtigung vorlag, konnte im Prüfungsverfahren nicht ausgeräumt werden: Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Maria Wörth in der Zeit vom 4. bis zum kundgemacht und hätte im Sinne des § 15 Abs 1 der hier maßgeblichen (Kärntner) Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, LGBl. für Kärnten 8/1992, nach Ablauf des Tages, an dem sie angeschlagen worden war, in Kraft treten müssen, da landesgesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Ungeachtet dessen bestimmt jedoch § 2 der Verordnung unmißverständlich, daß diese bereits am in Kraft tritt.

5.3. Da die Verordnung sowohl rückwirkend in Kraft gesetzt wurde, ohne daß hiefür eine gesetzliche Ermächtigung bestanden hatte, als auch insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehrt, war sie - da sich entgegenstehende Gründe im Sinne des Art 139 Abs 3, letzter Satz, B-VG nicht ergeben haben - gemäß Art 139 Abs 3 lita B-VG zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

6. Die Entscheidung über die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen werden.