VfGH vom 23.06.1990, V150/90

VfGH vom 23.06.1990, V150/90

Sammlungsnummer

12401

Leitsatz

Präjudizialität von Teilen eines Flächenwidmungsplanes bei Unmöglichkeit genauerer Eingrenzungen anhand der Ausfertigung; Aufhebung von Teilen eines Flächenwidmungsplanes wegen eines Verfahrensmangels, da die Ziele der örtlichen Raumplanung erst nach dem Flächenwidmungsplan erstellt wurden; Mitspracherecht der Betroffenen bei Verordnungserlassung nicht gewährleistet

Spruch

1. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 21. Mai bis zum , wird insoweit als gesetzwidrig aufgehoben, als er das beiderseits der Hochspannungsleitung "OKA 30 KV" liegende, unmittelbar südlich an die Bezirksstraße "BEZ 1349" grenzende Betriebsbaugebiet betrifft.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

2. Im übrigen wird das Verordnungsprüfungsverfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist folgende, zu B170/89 protokollierte Beschwerde anhängig:

a) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis vom wurde J B die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Zubaues und für bauliche Änderungen eines bestehenden, als "Hobel- und Abbundhalle" genutzten Lagergebäudes auf der GP 226/2 der KG Hofkirchen erteilt. Die dagegen von den Beschwerdeführern als Anrainer erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis vom abgewiesen. Der daraufhin von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behaupten und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen. Die Beschwerdeführer behaupten weiters (der Sache nach) die Gesetzwidrigkeit des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis vom .

b) Die Oberösterreichische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Weiters legten die Oberösterreichische Landesregierung und die Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis die Verwaltungsakten über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis vom vor.

2. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens leitete der Verfassungsgerichtshof nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am mit Beschluß vom ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis vom (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 21. Mai bis zum ) gemäß Art 139 B-VG ein. In diesem Prüfungsverfahren beantragte die Oberösterreichische Landesregierung in einer Äußerung, den Flächenwidmungsplan nicht als gesetzwidrig aufzuheben. Die Gemeinde Hofkirchen im Traunkreis gab keine Äußerung ab.

3. Ergänzend sei bemerkt, daß der Verfassungsgerichtshof gleichzeitig mit dem genannten Beschluß auf Einleitung des vorliegenden Verordnungsprüfungsverfahrens einen von den Beschwerdeführern mit ihrer Beschwerde verbundenen (zu V4/89 protokollierten) Antrag nach Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung dieser Verordnung mangels Legitimation der Antragsteller zurückgewiesen hat.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.a) Das Verfahren hat nichts ergeben, was gegen die Zulässigkeit des Anlaßbeschwerdeverfahrens spricht.

b) Obwohl der zu prüfende Flächenwidmungsplan nur insoweit Grundlage des im Anlaßbeschwerdeverfahren angefochtenen Bescheides ist, als er das Grundstück Nr. 226/2 KG Hofkirchen betrifft, ging der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß mit folgender Begründung davon aus, daß der Flächenwidmungsplan zur Gänze zu prüfen ist:

"Die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegte Ausfertigung des Flächenwidmungsplanes läßt die Parzellennummern der einzelnen Grundstücke zum größten Teil nicht erkennen, an manchen Stellen im dichter verbauten Gebiet sind nicht einmal die Parzellengrenzen eindeutig auszumachen. Der Flächenwidmungsplan enthält auch fast keine anderen Ortsbezeichnungen, wie insbesondere Straßennamen, aufgrund derer erkennbar wäre, wo sich das Grundstück der Beschwerdeführer und jenes, auf das sich die Baubewilligung bezieht, befinden. Der Verfassungsgerichtshof könnte daher im Falle der Aufhebung diese nicht auf ein bestimmtes Gebiet beschränken. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. , V47/86) dürfte daher der gesamte Flächenwidmungsplan vom Verfassungsgerichtshof in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden und gegebenenfalls aufzuheben sein. Im Verordnungsprüfungsverfahren wird allerdings zu erörtern sein, ob der präjudizielle Teil des Flächenwidmungsplanes sich doch näher umschreiben läßt."

Die Oberösterreichische Landesregierung hält dem in ihrer Äußerung entgegen, daß nach den im Flächenwidmungsplan ersichtlichen Abgrenzungen und der Ortsbezeichnung der präjudizielle Teil des Flächenwidmungsplanes zweifelsfrei bestimmt werden könne; das Grundstück liege in dem als "Betriebsbaugebiet" gewidmeten Gebiet, das im Norden durch die Bezirksstraße 1349 (Thann-Bezirksstraße) und im Osten durch die "Hochspannungsleitung" begrenzt werde, weiters könne dem Flächenwidmungsplan entnommen werden, daß das Grundstück im "Ortsteil" "Unterbergmühl" gelegen sei.

Zunächst ist festzuhalten, daß nach den Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Anlaßfall (da weder aus dem Flächenwidmungsplan noch aus dem sonstigen Akteninhalt erkennbar war, wo sich das fragliche Grundstück befindet, wurde der Vertreter der belangten Behörde in der Verhandlung aufgefordert, das Grundstück am vorgelegten Flächenwidmungsplan zu lokalisieren) das fragliche Grundstück sich zwar in dem an einem Kreuzungspunkt einer mit "OKA 30 KV" bezeichneten Hochspannungsleitung und einer Straße mit der Bezeichnung "BEZ 1349" liegenden Betriebsbaugebiet befindet, nicht klar ist jedoch, ob im Bereich östlich oder westlich dieser Hochspannungsleitung.

Der Verfassungsgerichtshof hat aufgrund dessen im Sinne seiner oben wiedergegebenen Ausführungen im Beschluß auf Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens über den Umfang der Präjudizialität diese insoweit als gegeben angenommen, als der Plan das beiderseits der Hochspannungsleitung "OKA 30 KV" liegende, unmittelbar südlich an die Bezirksstraße "BEZ 1349" grenzende Betriebsbaugebiet betrifft.

c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren insoweit zulässig.

d) Im übrigen ist das Verordnungsprüfungsverfahren einzustellen.

2.a) Inhaltlich hegte der Verfassungsgerichtshof gegen die Gesetzmäßigkeit des in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplanes das Bedenken, daß er in einem § 15 Abs 3 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes, LGBl. 18/1972 (OÖ ROG), widersprechenden Verfahren zustandegekommen ist. Dies wurde im Einleitungsbeschluß folgendermaßen begründet:

"Nach § 15 Abs 3 OÖ ROG hat der Gemeinderat ausgehend von den Ergebnissen der Raumforschung vor Aufstellung des Flächenwidmungsplanes die angestrebten Ziele der örtlichen Raumordnung näher festzulegen und die zu ihrer Erreichung erforderlichen Maßnahmen aufzuzeigen. Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, hat der Gemeinderat den Flächenwidmungsplan am erlassen. Die Ziele der örtlichen Raumordnung im Sinne des § 15 Abs 3 OÖ ROG wurden aber erst in der Sitzung des Gemeinderates vom beschlossen, sodaß der Flächenwidmungsplan insoweit gesetzwidrig zustandegekommen sein dürfte. Daran vermag anscheinend auch nichts zu ändern, daß - wovon der Gemeinderat nach dem Inhalt des Sitzungsprotokolls vom ausgegangen ist - der Flächenwidmungsplan inhaltlich mit den nachträglich beschlossenen Zielen der örtlichen Raumordnung übereinstimmt. Wie der Verfassungsgerichtshof nämlich wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zB VfSlg. 8109/1977, 8330/1978, 8463/1978), kommt den Verfahrensbestimmungen bei der Erlassung von Flächenwidmungsplänen besondere Bedeutung zu. Dies ist schon im Hinblick darauf geboten, daß das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassenden Planungsnormen nur final, das heißt im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele, determinieren kann (vgl. zB VfSlg. 8280/1978, 8330/1978).

Im Prozeß der stufenweisen Konkretisierung der Planungsziele scheint es nun von entscheidender Bedeutung zu sein, ob der Flächenwidmungsplan im Hinblick auf die bereits verbindlich festgelegten Ziele der Raumordnung erarbeitet wird oder ob nachträglich Ziele festgelegt werden, selbst wenn der Flächenwidmungsplan diesen Zielen entspricht. Andernfalls wäre eine inhaltliche Beurteilung des Flächenwidmungsplanes anhand von Raumordnungszielen gar nicht möglich, zumal sich im nachhinein die Ziele der Raumordnung stets so festlegen lassen, daß der Flächenwidmungsplan damit übereinstimmt. Das Verfahren über die Auflage eines Planentwurfes und das Recht zur Erhebung von Einwendungen (§21 Abs 4 OÖ ROG) können nur dann ihren Sinn und Zweck erfüllen, wenn bereits feststeht, welchen Zielen der Plan dienen soll."

b) Die Oberösterreichische Landesregierung legt in ihrer Äußerung zunächst dar, aus welchen Umständen zu schließen sei, daß während der Erarbeitung des Flächenwidmungsplanes dem beteiligten Personenkreis die Ziele der örtlichen Raumplanung und Maßnahmen im Sinne des § 15 Abs 3 OÖ ROG tatsächlich bewußt waren, auch wenn der formelle Beschluß erst nach der Beschlußfassung über den Flächenwidmungsplan erfolgt sei; angesichts des ausführlichen und ansonsten fehlerfreien Verfahrens könne dieser Fehler nicht als "gravierender Mangel" angesehen werden. In rechtlicher Hinsicht führt die Oberösterreichische Landesregierung aus, bei näherer Ansehung des § 15 Abs 3 OÖ ROG falle auf, daß darin die Festlegung der angestrebten Ziele der örtlichen Raumordnung gefordert werde, nicht aber, daß dies unbedingt in Form eines formellen Beschlusses erfolgen müsse; es sei daher "durchaus denkmöglich und zulässig, diese Bestimmung in der Form zu interpretieren, daß jede Form der Festlegung der Ziele der örtlichen Raumordnung, nicht bloß die in Beschlußform" genüge.

c) Es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die angestrebten Ziele der örtlichen Raumordnung dem Flächenwidmungsplan zugrunde liegen müssen (was auch von der Oberösterreichischen Landesregierung nicht in Abrede gestellt wird). Der Flächenwidmungsplan hat - nachvollziehbar - von bestimmten Zielen auszugehen, es muß erkennbar sein, daß sich der Plan in allgemeine rechtspolitische Überlegungen einfügt (zur Bedeutung der Raumordnungsziele, von denen der Plansetzer ausgeht, für das Auflageverfahren vgl. VfSlg. 8697/1979).

Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß diesen - auch dem § 15 Abs 3 OÖ ROG innewohnenden - Grundsätzen nicht Rechnung getragen wird, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Gemeinderat am , also Monate nach der am erfolgten Erlassung des Flächenwidmungsplans, die Ziele der örtlichen Raumordnung beschlossen hat.

Dazu kommt noch, daß - um die Sachgemäßheit des Flächenwidmungsplanes zu gewährleisten - den Betroffenen ein Mitspracherecht im Verfahren zusteht. Für die Ausübung des Rechtes zur Erhebung von Einwendungen (§21 Abs 4 OÖ ROG) ist es unerläßlich zu wissen, welchen Zielen der Flächenwidmungsplan dienen soll und mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen, damit beurteilt werden kann, ob die in Aussicht genommenen, in die Rechtssphäre der Betroffenen eingreifenden Widmungen notwendig und gerechtfertigt sind (vgl. auch hiezu das bereits zitierte Erkenntnis VfSlg. 8697/1979). Daß eine Vorgangsweise wie die hier vom Gemeinderat von Hofkirchen im Traunkreis eingeschlagene auch mit diesen Erfordernissen des Auflageverfahrens nicht im Einklang steht, liegt auf der Hand.

III. Der Flächenwidmungsplan ist aus all diesen Gründen in einem § 15 Abs 3 OÖ ROG widersprechenden Verfahren zustandegekommen und daher - soweit er präjudiziell ist - als gesetzwidrig aufzuheben.

Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.