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VfGH vom 24.11.2016, V147/2015

VfGH vom 24.11.2016, V147/2015

Leitsatz

Abweisung des Antrags des Verwaltungsgerichtes Wien auf Aufhebung einer Verordnung betreffend eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Siebenbürgerstraße angesichts der vorgenommenen Interessenabwägung

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 Z 1 iVm Art 135 Abs 4 und Art 89 Abs 2 B VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, die "Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, Zl. MA 46 – DEF/15564/2012, mit der in Wien 22. in den von den Straßenzügen Donau[stadt]straße (exkl.), Wagramer [S]traße (exkl.), Steigenteschgasse (exkl./inkl.), Mälzelplatz (exkl.), Wagramer [S]traße (exkl.), Kagraner Platz (exkl.), Hirschstettnerstraße (exkl.), Ostbahnweg (exkl.), Skrabalgasse (inkl.), Polgarstraße (inkl.), Erzherzog-Karl-Straße (exkl.), Kastaniagasse [gemeint wohl: Castagnagasse] (exkl.), Siebenbürgerstraße (exkl./inkl.) und Gumplowiczstraße (exkl.) umschlossenen Gebiet das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten wird (Punkt 6.30.)" vom , als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

1. § 43 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl 159, in der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltenden Fassung BGBl I 39/2013, lautet auszugsweise:

"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung,

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. […]

c) – d) […]

(1a) […]

(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung

a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,

b) – c) […]

(2a) – (11) […]."

2. Die hier maßgebliche Verordnung lautet:

"6.30.:

In Wien 22., ist in dem von den Straßenzügen Donaustadtstraße (exkl.), Wagramer Straße (exkl.), Steigenteschgasse (exkl./inkl.), Mälzelplatz (exkl.), Wagramer Straße (exkl.), Kagraner Platz (exkl.), Hirschstettnerstraße (exkl.), Ostbahnweg (exkl.), Skrabalgasse (inkl.), Polgarstraße (inkl.), Erzherzog-Karl-Straße (exkl.), Castagnagasse (exkl.), Siebenbürgerstraße (exkl./inkl.) und Gumplowiczstraße (exkl.) umschlossenen Gebiet das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beim Verwaltungsgericht Wien ist eine Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom anhängig, mit dem der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Wien schuldig erkannt wurde, am , um 08:58 Uhr, in Wien 22., Siebenbürgerstraße Höhe 152, in Richtung Erzherzog-Karl-Straße, als Lenker eines näher bezeichneten Kfz die durch Verbotszeichen gemäß § 52 Z 11a StVO 1960 kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten zu haben. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 52 Z 11a StVO verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe von € 56,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 28 Stunden) gemäß § 99 Abs 3 lita StVO 1960 verhängt.

2. Das Verwaltungsgericht Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

2.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmung führt das Verwaltungsgericht Wien aus, der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Wien habe die mit der angefochtenen Verordnungsbestimmung angeordnete Geschwindigkeitsübertretung überschritten. Das Verwaltungsgericht Wien habe die angefochtene Bestimmung daher im bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden.

2.2. Seine inhaltlichen Bedenken begründet das Verwaltungsgericht Wien folgendermaßen:

"[…]

Bei einer Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach § 43 StVO 1960 sind die bei einer bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für welche die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen (, , V24/93-8 und die dort angeführte Judikatur).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer Verordnung nach § 43 StVO 1960 die im einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit den Interessen an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (VfSlg 8086/1977 u.a.).

Da sohin keinerlei Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse angestellt wurde, keine Abwägung der Interessen an der Verkehrsbeschränkung und an der ungenützten Benützung der Straße abgewogen wurde, eine nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren und Belästigungen für die Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, nicht erfolgt ist, kann sohin die Erforderlichkeit der vorliegenden Verordnung nicht erkannt werden.

Die Argumentation, für ein gewisses Gebiet aufgrund der dort herrschenden speziellen örtlichen Verhältnisse, eine 30 km/h-Zone zu erlassen, kann nachvollzogen werden, jedoch nicht, dass gewisse Straßenstrecken, die vielmehr als Durchzugsstraßen gelten, (nur) zum Teil zu 30 km/h-Zonen erklärt werden, ohne eine entsprechende Begründung und Notwendigkeit dieser Beschränkung anzuführen. Insbesondere wurden auch Bereiche, wo sich Geschäfte in der Siebenbürgerstraße befinden, nicht dieser Verkehrsbeschränkung unterstellt, sodass deshalb auch nicht nachvollzogen werden kann, auf welcher Grundlage gerade ab der Nummer 126 bzw. 97 die Siebenbürgerstraße eine 30 km/h-Zone erforderlich macht.

Das Verwaltungsgericht Wien hegt daher das Bedenken, dass der Magistrat der Stadt Wien die bezeichnende generelle Norm ohne Feststellung der Erforderlichkeit der vorliegenden Verordnung in einem Ermittlungsverfahren und somit im Hinblick auf die gesetzlich normierten Voraussetzung des § 43 Abs 2 lita StVO 1960 rechtswidrig erließ."

3. Der Magistrat der Stadt Wien hat die Verordnungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er den Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien entgegentritt. Konkret zum Bereich der Siebenbürgerstraße wird Folgendes vorgebracht:

"[…]

Der ca. 400 m lange Bereich der Siebenbürgerstraße von ONr 126 bis 160 zwischen Steigenteschgasse und Hirschstettner Straße war seit 1993 mit einer 30 km/h-Zone eingeschränkt und war bzw. ist keine Durchzugsstraße. Die Belassung der Vorrangsituation bzw. die Ausnahme von der Tempo 30 km/h-Zone in der übrigen Siebenbürgerstraße seit 1993 dient verkehrssicherheitstechnischen Aspekten und nicht der Beschleunigung des Verkehrs. Die Tempo 30 km/h-Zone, insbesondere im 400 m langen Abschnitt der Siebenbürger Straße, hat sich seit 1993 bewährt und wurde deren Notwendigkeit von Bürgerinnen und Bürgern nie in Zweifel gezogen, sodass die Erforderlichkeit schon daraus offenkundig ist (vgl. ZI. V4/07, vom , Zl. V73/07).

Die Feststellung, dass die Siebenbürgerstraße keine Durchzugsstraße ist, ist im bezughabenden Plandokument und durch den Akteninhalt dokumentiert. Dass ein Teil der Siebenbürgerstraße, zwischen der Erzherzog-Karl-Straße und der Steigenteschgasse, keine 30 km/h-Zone ist und auf den Nebenstraßen Wartepflicht besteht, und die Siebenbürgerstraße bei ONr 122 zur Steigenteschgasse hin eine Vorrangstraße ist, resultiert aus dem Verordnungsakt der Ma-gistratsabteilung 46, zur ZI. MA 46-V 22-2363/1994. Der öffentliche Verkehr soll nicht durch die Einhaltung der Rechtsregel Einbußen erleiden.

Die Siebenbürgerstraße war und ist — auch im Bereich des öffentlichen Kraftfahrlinienverkehrs — keine Durchzugsstraße. Gemäß der Verordnung des Gemeinderates betreffend Feststellung der Hauptstraßen und Nebenstraßen vom , ABI.Nr 23/2015, ist die Siebenbürgerstraße eine Nebenstraße. Die Nachtautobuslinie N1 verläuft nicht mehr in diesem Bereich. Das Gebiet der Tempo 30 km/h-Zone ist mit PD 7090 und PD 7191 als Wohngebiet gewidmet. In der Afritschgasse 56 befindet sich der Schulstandort Hauptschule Afritschgasse, der von den Straßenzügen Siebenbürgerstraße, Polletstraße, Afritschgasse und Hirschstettner Straße (Hauptstraße A) umgrenzt ist. In der Siebenbürgerstraße befindet sich also — entgegen dem Beschwerdevorbringen — ein Schulstandort.

[…]"

4. Der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Wien hat mehrere Äußerungen erstattet, in denen er die Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien teilt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003).

1.3. Der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht hat die Geschwindigkeitsübertretung der angefochtenen Verordnungsbestimmung überschritten. Es ist offenkundig, dass das Verwaltungsgericht Wien in diesem Verwaltungsverfahren die angefochtene Verordnungsbestimmung anzuwenden hat.

1.4. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Das Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien, dass die angefochtene Bestimmung ohne Feststellung der Erforderlichkeit der vorliegenden Verordnung in einem Ermittlungsverfahren und somit im Hinblick auf die gesetzlich normierten Voraussetzungen des § 43 Abs 2 lita StVO 1960 rechtswidrig erlassen worden sei, ist unzutreffend:

2.2.1. § 43 Abs 1 litb Z 1 StVO 1960 sieht die Erlassung dauernder oder vorübergehender Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung vor, wenn und soweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert.

2.2.2. Gemäß § 43 Abs 2 lita StVO 1960 sind von der Behörde zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen.

2.2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer verkehrsbeschränkenden Verordnung die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl. zB VfSlg 8086/1977, 9089/1981, 12.944/1991, 13.449/1993, 13.482/1993). Die sohin gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl. zB VfSlg 12.485/1990, 16.805/2003, 17.572/2005).

2.2.4. Im Verordnungsakt findet sich zur Vorgängerverordnung aus dem Jahr 1993, mit der bereits im hier wesentlichen Abschnitt der Siebenbürgerstraße eine Tempobeschränkung 30 km/h verordnet wurde, ein Aktenvermerk zu einer seitens der Magistratsabteilung 46 anberaumten verkehrsbehördlichen Besprechung vom , in welchem unter anderem erläutert wurde, dass die "Siebenbürgerstraße dzt. Bestandteil des höherrangigen Straßennetzes ist; die Errichtung einer Tempo 30-Zone im Zusammenhang mit dem Straßenrückbauprojekt […] jedoch vorstellbar ist".

2.2.5. Ebenfalls findet sich eine Niederschrift vom , die die Überprüfung sämtlicher Straßenzüge des 22. Bezirkes hinsichtlich der geplanten weitgehendend flächendeckenden Tempo 30 km/h Beschränkung zum Gegenstand hatte. Dort wird ausgeführt:

"Die Straßen führen durch ein für Wohnen gewidmetes und mit Dienstleistungsbetrieben versehenes Gebiet. Die vorherrschende Straßennutzung ist durch das System Mischverkehr hinsichtlich des Kraftfahrzeug- und des Radverkehrs und durch häufig auftretende Querungen von Fußgängern, einschließlich Kindern, älteren und behinderten Menschen, gekennzeichnet. Das bedeutet, dass besondere Gefahrensituationen, die über die allgemeinen im Verkehrsgeschehen typischen Gefahren hinausreichen, gegeben sind. Sie entsprechen damit nicht einer typischen Straße im Ortsgebiet, die gemäß § 20 StVO mit 50 km/h befahren werden darf. Die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit, aber auch die Fernhaltung von Belästigungen der Anrainer insbesondere durch Lärm, erfordern ein niedrigeres Geschwindigkeitsniveau als 50 km/h, zumal sich in den Wohngebieten Schulen und Kindergärten befinden. Die angeführten Straßen liegen in einem zusammenhängenden Gebiet und weisen keine Funktion des Durchleitens auf. Eine Erhöhung der Verkehrssicherheit, bzw. die Vermeidung von Beeinträchtigungen für die Umwelt, rechtfertigen in diesen Straßen die Herabsetzung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, sodass das Interesse an ihrer Benützung mit einer höheren Geschwindigkeit in den Hintergrund tritt. Dies wird auch gerechtfertigt durch den Umstand, dass sich in den Wohngebieten Verkehrsunfälle ereignet haben, die bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von nur 30 km/h teils vermeidbar gewesen wären und teils glimpflicher ausgegangen wären."

2.2.6. Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass eine hinreichende Grundlage für die gebotene Interessenabwägung vorliegt, dass die verordnungserlassende Behörde vor Erlassung der Verkehrsbeschränkung die notwendige sachverhaltsmäßige Klärung der Voraussetzungen des § 43 Abs 1 litb Z 1 iVm Abs 2 lita StVO 1960 vorgenommen hat und sohin in der Lage war, die einzelnen in dieser Bestimmung umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof kann der verordnungserlassenden Behörde aus dem Blickwinkel der Voraussetzungen des § 43 Abs 1 litb Z 1 iVm Abs 2 lita StVO 1960 nicht entgegentreten, wenn sie – ausgehend vom gewünschten Verlauf der Durchzugsstraße – für den maßgeblichen Bereich der Siebenbürgerstraße die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 km/h erlässt.

V. Ergebnis

1. Die vom Verwaltungsgericht Wien ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, Zl. MA 46 – DEF/15564/2012 vom , erhobenen Bedenken treffen nicht zu.

2. Der Antrag ist daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:V147.2015

Fundstelle(n):
BAAAE-29017