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VfGH vom 15.10.1998, V143/97

VfGH vom 15.10.1998, V143/97

Sammlungsnummer

15316

Leitsatz

Zulässigkeit der Anfechtung der Regelung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Samstagen sowie der diesbezüglichen Ausnahmeregelungen sowohl im ÖffnungszeitenG als auch in einer Ladenöffnungsverordnung eines Bundeslandes; Zulässigkeit des Hauptantrags gemeinsam mit dem Eventualantrag; Zulässigkeit auch der gemeinsamen Anfechtung einer Verordnungsbestimmung mit einer Gesetzesbestimmung; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch die Regelung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Samstagen unter Einrechnung einer Gesamtoffenhaltezeit; Wettbewerbsneutralität der geltenden Regelung; keine Verletzung des Gleichheitssatzes durch die zugelassenen Ausnahmen für Verkaufsstellen in Stadt- und Ortskernen und für Familienbetriebe im Hinblick auf die angewendeten wettbewerbsordnenden Mittel und der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der zugrundeliegenden Zielsetzung

Spruch

1. Der Antrag auf Aufhebung des § 2 Abs 1 und 4, in eventu des § 6 Abs 5 und 6 Öffnungszeitengesetz, BGBl. Nr. 50/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/1997, wird abgewiesen.

Im übrigen werden die Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Aufhebung des § 2 der burgenländischen Ladenöffnungsverordnung, LGBl. Nr. 31/1997, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

A. Gesetzesprüfungsverfahren

I. Die antragstellenden Unternehmer - zwei Aktiengesellschaften und eine Gesellschaft mbH - mit Sitz in Wiener Neudorf, betreiben den Einzelhandel mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs und halten eine größere Anzahl von Verkaufsstellen (Filialen). Sie begehren die Aufhebung des § 2 Abs 1 und 4 sowie des § 3 Abs 1 des Öffnungszeitengesetzes (BGBl. 50/1992) in der Fassung der Novelle 1996, BGBl. I 4/1997, und stellen eine Reihe von Eventualanträgen.

Die angegriffenen Bestimmungen lauten:

"§2. (1) Die Verkaufsstellen (§1 Abs 1 bis 3) dürfen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Werktagen von 6 Uhr bis - ausgenommen Samstag - 19.30 Uhr offengehalten werden.

...

(4) Die Gesamtoffenhaltezeit gemäß Abs 1 sowie § 3 Abs 1 und § 6 Abs 4 darf innerhalb einer Kalenderwoche 66 Stunden nicht überschreiten.

§3. (1) Die Verkaufsstellen dürfen, sofern durch dieses Bundesgesetz oder durch Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes nicht anderes bestimmt ist, an Samstagen bis 17 Uhr offengehalten werden.

..."

Die antragstellenden Gesellschaften legen dar, daß sie bis zum Inkrafttreten der Novelle 1996 die Verkaufsstellen ab 7.30 Uhr (samstags 7 Uhr) und freitags auch bis 20 Uhr geöffnet hatten, dies ihnen aber nunmehr zufolge der Regelung des § 2 Abs 1 - "bis

19.30 Uhr" - und des § 2 Abs 4 - "Gesamtoffenhaltezeit ... 66 Stunden" - nicht mehr möglich sei. Sie seien vielmehr gezwungen, die Verkaufsstellen an mehreren Tagen erst um 8 Uhr zu öffnen oder eine Mittagspause einzuhalten, was berechtigte Erwartungen der Kunden enttäusche. Sie seien daher von diesen Vorschriften unmittelbar und aktuell betroffen, die Erwirkung einer vor dem Verfassungsgerichtshof anfechtbaren Entscheidung sei ihnen nicht zumutbar (Hinweis insbes. auf VfSlg. 11558/1987).

Für verfassungswidrig halten die antragstellenden Gesellschaften die angegriffenen Vorschriften wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz, die Erwerbsfreiheit, die Privatautonomie und das Legalitätsprinzip.

1. Die Beschränkung der Gesamtoffenhaltezeit bei gleichzeitiger Änderung des Regelungsumfeldes sei für sich allein schon unsachlich:

"Bisher durften die Antragsteller im Lebensmittelhandel 66 Stunden zuzüglich 4 Stunden an einem Samstagnachmittag im Monat offenhalten (die Zeiten des alten § 3 a ÖZG wurden nicht in die Gesamtoffenhaltezeit eingerechnet). Seit dürfen sie die 66 Stunden zwar auch auf die Samstagnachmittage verteilen, die zulässige Nettooffenhaltezeit ist aber pro Monat um mindestens vier Stunden gekürzt worden.

Im Gegenzug wurde die Gesamtoffenhaltezeit für den Handel im Non-Food-Bereich um sechs Stunden (von 60 auf 66 Stunden) erweitert, nach einer entsprechenden Verordnung für die Ortskerne auf 75 Stunden, für Familienbetriebe auf 80 Stunden, für die Pendlerausnahme besteht überhaupt keine Grenze. Damit geraten nicht standortbegünstigte Filialen der Antragsteller in gravierende Wettbewerbsnachteile.

Nun wäre diese Beschränkung dann nicht gravierend, wenn sie so hoch angesetzt wäre, daß mit ihr das Auslangen gefunden werden kann. Dies ist jedoch - wie oben dargestellt - nicht der Fall; mit der künftigen Samstagnachmittagöffnung wird der Rahmen von 66 Stunden gesprengt. Gerade für den Lebensmittelhandel ist es in Hinkunft nicht nur wesentlich, während des von anderen Verkaufsstellen wahrgenommenen langen Samstags offenzuhalten. Es wird weiterhin unverzichtbar sein, bereits vor neun Uhr morgens in Form von offenen Geschäften Leistungsbereitschaft zu zeigen. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Handel mit anderen Konsumgütern. Die insoweit nunmehr hergestellte Gleichbehandlung von tatsächlich Ungleichem erweist sich ebenso als sachlich nicht gerechtfertigt."

Zu Ungleichheiten käme es ferner im Zusammenhalt der angegriffenen Vorschriften mit den in § 6 vorgesehenen Ausnahmen. Diese - von Eventualanträgen erfaßten - Ausnahmen haben (in der in Rede stehenden Fassung BGBl. I 4/1997) folgenden Wortlaut:

"(5) Der Landeshauptmann kann mit Verordnung für Verkaufsstellen in Stadt- und Ortskerngebieten eine wöchentliche Gesamtoffenhaltezeit von höchstens 75 Stunden festsetzen.

(6) Im Interesse der Nahversorgung kann der Landeshauptmann mit Verordnung abweichend von den sonst festgesetzten Ladenöffnungsregelungen für Verkaufsstellen, in denen lediglich der Gewerbetreibende selbst und höchstens zwei weitere Familienangehörige tätig sind, eine tägliche Offenhaltezeit von 5 Uhr bis 20 Uhr zulassen. Zu den Familienangehörigen im Sinne des ersten Satzes gehören der Ehegatte/die Ehegattin des Gewerbetreibenden, die Wahl- und Pflegeeltern des Gewerbetreibenden, die Wahl- und Pflegekinder des Gewerbetreibenden sowie jene Personen, die mit dem Gewerbetreibenden in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder mit ihm in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind. Dies gilt sinngemäß für die für den Gewerbetreibenden durchzuführenden Tätigkeiten von höchstens einem geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft des Handelsrechtes oder einer eingetragenen Erwerbsgesellschaft sowie von höchstens einer Person, die dem Vertretungsorgan einer juristischen Person angehört, wenn diese Person nicht den arbeitsrechtlichen Vorschriften unterliegt und die Mehrheit der Gesellschaftsanteile hält, und von deren Familienangehörigen. Die Gesamtoffenhaltezeit darf in diesen Fällen innerhalb einer Kalenderwoche 80 Stunden nicht überschreiten."

Durch diese nicht gerechtfertigten Ausnahmen werde die Regel (des § 2 Abs 1 und 4) selbst unsachlich (Hinweis auf VfSlg. 13318/1992):

"Betrachtet man die bisher im ÖZG enthaltenen Ausnahmen, die zwischen Arten von Verkaufsstellen differenzieren, erkennt man unschwer ihre Begründung: sie liegt durchwegs in einem besonderen Einkaufsbedarf, der in der Lage der Verkaufsstelle und/oder im Warenangebot gelegen ist. Innerhalb der Arten der Einkaufsstellen wurde nicht nach Merkmalen der Größe oder Lage unterschieden.

Ein solcher besonderer Bedarf ist bei den Ausnahmen des § 6 Abs 5 und 6 ÖZG gerade nicht erkennbar. Es ist angesichts der bestehenden Einkaufsgewohnheiten nicht erkennbar, inwieweit ein besonderer Bedarf nach Einkäufen in Ortskernen oder bei Familienbetrieben zu Zeiten und in einer Dauer bestehen soll, die nicht durch die allgemeinen Vorschriften der §§2 und 3 ÖZG gedeckt sind.

Der Gesetzgeber hat mit der Novelle 1996 einen Systemwechsel von wettbewerbsneutralen Regelungen zu strukturpolitisch motivierten Maßnahmen vorgenommen. Ein solcher Systemwechsel kann unter bestimmten Voraussetzungen ebenso zulässig sein wie strukturschützende Maßnahmen. Allerdings bedarf es entsprechend gewichtiger Gründe hiefür. Der Schutz bestimmter Unternehmer etwa wegen größenbedingter Nachteile ist unzulässig, wenn er einen bloßen Selbstzweck bildet.

Die Hinweise des Gesetzgebers auf allfällige Ziele sind dürftig. Für die Ortskernregelung kann man bloß einen Hinweis in den Materialien auf 'sonstige volkswirtschaftliche Interessen' finden (533 BlgNR 20. GP). Bei den Familienbetrieben ist im Gesetz etwas konkreter vom 'Interesse der Nahversorgung' die Rede.

Allein das Interesse an der Nahversorgung vermag die Ausnahme nicht zu rechtfertigen:

* Zum ersten werden undifferenziert nach Erlassung einer Verordnung alle kleinen Familienbetriebe durch die Ausnahme begünstigt, unabhängig von ihrer Lage und ihrem Beitrag zur Nahversorgung.

* Zum zweiten wird eine Vielzahl von kleinen, mittleren und großen Betrieben ausgeschlossen, die qualitativ wie quantitativ einen ebenso wichtigen Beitrag zur Nahversorgung leisten. Die Drittantragstellerin betreibt in Gestalt der 'Emma-Läden' zahlreiche Filialen, in denen auf kleiner Geschäftsfläche wenige Beschäftigte vielerorts einen wertvollen Beitrag zur Nahversorgung leisten. Solche Filialen sind trotz gleichartiger Funktion gegenüber den § 6 Abs 6-Betrieben kraß benachteiligt. Der Widerspruch in der Abgrenzung zeigt sich auch in der (verfehlten) systematischen Stellung der Regelung. Sie firmiert im § 6 unter den 'gebietlichen Sonderregelungen' (!), weit davon entfernt, eine solche zu sein.

* Zum dritten ist die Abgrenzung willkürlich. Es ist mit den Wertungen der übrigen Rechtsordnung unvereinbar, zwar Personen im Verhältnis Pflegeeltern/Pflegekind zu privilegieren, nicht aber den Lebensgefährten (vgl. etwa die Behandlung von Lebensgefährten im Mietrecht). Die Begründung mit einem allenfalls unterschiedlichen Bedürfnis nach Arbeitnehmerschutz geht fehl, weil der im § 6 Abs 6 ÖZG genannte Personenkreis durchaus unter die Arbeitnehmerschutzbestimmungen fallen kann bzw dies regelmäßig tun wird. Eine vergleichbare Abgrenzung findet sich beim Ausschluß vom passiven Wahlrecht (!) zum Betriebsrat (§53 ArbVG). Dort geht es aber um mögliche Interessenkollisionen und die Abgrenzung macht Sinn. Als Kriterium der Wettbewerbsgesetzgebung ist die Grenzziehung unsachlich.

* Zum vierten wird durch die Ausnahme nicht bloß der kleine Greißler privilegiert. Sie eröffnet auch finanzkräftigen Wirtschaftssubjekten die Möglichkeit durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen eine Vertriebsorganisation aufzubauen, etwa durch 49%-Beteiligungen an GmbHs oder durch Beteiligungen an Personengesellschaften.

Die Ungleichbehandlung besteht jedoch nicht nur auf der Ebene der Gesamtoffenhaltezeit, die gemäß § 6 Abs 6 ÖZG 80 Stunden beträgt. Auch bei der Öffnungszeit bestehen nun erhebliche Unterschiede. Zwischen der Öffnungszeit für Familienbetriebe nach § 6 Abs 6 ÖZG und den allgemeinen Zeiten besteht eine Differenz in der Öffnungszeit von elfeinhalb Stunden pro Woche. Vor allem die abendliche Öffnungszeit bis 20 Uhr ermöglicht es den begünstigten Unternehmen (vor allem im Lebensmittelhandel), jene Kunden anzuziehen, die nach dem allgemeinen Ladenschluß um 19.30 Uhr (am Samstag um 17 Uhr) noch kleinere Einkäufe (vor allem von Lebensmitteln) am Nachhauseweg tätigen wollen."

2. Der Eingriff in die Erwerbsfreiheit sei unverhältnismäßig und auch sonst sachlich nicht gerechtfertigt:

"... Das Ziel des ÖZG ist nach der stRspr des VfGH ein Ausgleich von wettbewerbsordnenden, arbeitnehmerschützenden und verbraucherorientierten Interessen. Dazu gehört auch das Interesse an der Nahversorgung. Dieses differenzierte Ziel liegt im öffentlichen Interesse. Das Ziel des Strukturschutzes, wie es § 6 Abs 6 und teilweise auch § 6 Abs 5 ÖZG verfolgen, ist hingegen grundsätzlich nicht im öffentlichen Interesse gelegen, es sei denn, der Strukturschutz dient anderen Zielen.

Die Neuregelung des ÖZG ist zur Zielerreichung im Gegensatz zur alten Rechtslage indessen nicht oder wesentlich weniger geeignet. Die Ausweitung der Öffnungszeiten untergräbt die Hilfsfunktion des Ladenschlußrechts für den Arbeitszeitschutz - bisher schon umstritten - noch weiter. Konsumenteninteressen weisen ohnedies in dieselbe Richtung wie liberalisierte Öffnungszeiten. Eine Ausnahme könnte nun das Ziel der Nahversorgung bilden, wenn seine Verfolgung die Beschränkung der Öffnungszeiten erforderlich machen würde. Empirische Untersuchungen, Vergleiche mit dem Ausland und Erfahrungen in der Vergangenheit zeigen jedoch, daß der Strukturwandel unabhängig vom Ladenschlußrecht stetig voranschreitet. Das wettbewerbsordnende Ziel des Strukturschutzes, das mit der Neuregelung verfolgt wird, liegt aber nicht im öffentlichen Interesse und ist daher von vorneherein auszuscheiden.

Selbst unter der Annahme, daß die Ladenschlußregelung zur Zielerreichung geeignet sein könnte, sind die Beschränkungen unverhältnismäßig schwerwiegend im Vergleich zur Bedeutung der von ihnen verfolgten Ziele. Der Gesetzgeber hat keineswegs behutsame Korrekturen des Wettbewerbs vorgenommen, sondern mit strukturpolitischen Maßnahmen massiv in den Wettbewerb eingegriffen. Während er den einen 4 Stunden Offenhaltezeit im Monat wegnimmt, gewährt er den anderen im Wege einer Verordnungsermächtigung bis zu 14 Stunden in der Woche (!) mehr und verlängert er ebenso die Öffnungszeit wöchentlich um 11,5 Stunden (siehe oben die Ausführungen zum Gleichheitssatz).

Die Einschränkungen im § 2 und im § 3 ÖZG sind für sich genommen schon gravierend genug. Der VfGH hat gerade die - nun beseitigte - Regelung für den langen Einkaufsabend als entscheidendes Kriterium für die Rechtfertigung der alten Regelung angeführt (VfSlg. 13318/1992). Die Nachteile erhalten aber doppeltes Gewicht dadurch, daß die Konkurrenten in die Gegenrichtung davonziehen werden können, weil der Gesetzgeber auf sie beschränkte Liberalisierungsschritte gesetzt hatte. Der Lebensmittelhandel hat, soweit er aus betriebsorganisatorischen Gründen die Öffnungszeit unter Tags nicht unterbrechen kann, die Wahl, entweder zur nachfragestarken Zeit am Samstagnachmittag oder zur ebenfalls von erheblicher Nachfrage geprägten Morgenzeit geschlossen zu halten. Wie der VfGH zur alten Rechtslage schon einmal festgestellt hat, ist es dadurch dem Unternehmer verwehrt, zu Zeiten, in denen eine erhebliche Nachfrage besteht, offenzuhalten (VfSlg. 12094/1989).

Den Nachteilen stehen keine überwiegenden rechtfertigenden Gründe gegenüber. Das Ziel der Nahversorgung, soweit überhaupt erreichbar, wiegt in dieser Form nicht ausreichend schwer. Zu groß sind die Streuverluste einer groben Regelung, die zwar kasuistisch abgrenzt, aber Trittbrettfahrer nicht-nahversorgender Betriebe begünstigt und zur Nahversorgung bereite und diese effizienter erfüllende Betriebe ausschließt. Arbeitnehmerschutz und Konsumenteninteresse haben nur noch an Gewicht verloren. Dem Strukturschutz für sich kommt in, Einzelhandel überhaupt kein Gewicht zu."

3. Die Neuregelung verletze "die grundrechtlich geschützte Privatautonomie" der antragstellenden Gesellschaften:

"Diese Garantie beinhaltet auch die Verpflichtung, nicht unsachlich in bestehende Marktgleichgewichte einzugreifen. Durch die Neuregelung wird aber das Wettbewerbsverhältnis wie gezeigt in erheblichem Umfang und auf unsachliche Weise zu Lasten der Antragsteller verändert. Den Antragstellern ist es in Hinkunft verwehrt, durch unternehmerische Dispositionen während der Ladenschlußzeit den Abschluß von Verträgen mit Kunden zu ermöglichen, auch wenn eine erhebliche Nachfrage besteht."

4. Die Ausnahmen des § 6 Abs 5 und 6 seien im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Legalitätsprinzips (Art18 B-VG) verfassungswidrig:

"Außer dem Hinweis auf die Belegenheit begünstigter Verkaufsstellen wird das Verhalten des Landeshauptmanns bei der Verordnungserlassung nicht näher determiniert. Da aus der Vorschrift nicht hervorgeht, daß der Landeshauptmann jedenfalls für solche Verkaufsstellen eine längere Offenhaltezeit festzusetzen hat, müßte aus dem Gesetz erschließbar sein, unter welchen Voraussetzungen dies zu geschehen hat. Dies ist nicht der Fall. Im Gegensatz zu den übrigen Verordnungsermächtigungen der Abs 1 bis 4 des § 6, die explizit oder implizit einen besonderen Einkaufsbedarf voraussetzen, ist Vergleichbares im Abs 5 und im Abs 6 auch mit großer Phantasie und bei großzügiger Interpretation nicht erkennbar. Sie bringen den Sinn des Gesetzes nicht in jenem Mindestmaß zum Ausdruck, das es dem VfGH erlauben wurde, die Übereinstimmung des Verwaltungshandelns mit dem Gesetz zu überprüfen."

In eventu begehren die Antragsteller die Aufhebung allein des § 2 Abs 4 oder des § 2 Abs 4, des § 6 Abs 5 und des letzten Satzes des § 6 Abs 6, oder aber des § 6 Abs 5 und 6 oder nur des Abs 5 oder nur des Abs 6, allenfalls der Wortfolge "in Stadt- und Ortskerngebieten" in § 6 Abs 5 und der Wortfolge ", in denen lediglich der Gewerbetreibende selbst und höchstens zwei weitere Familienangehörige tätig sind," im ersten Satz des § 6 Abs 6, oder jeder dieser Wortfolgen allein.

II. Die Bundesregierung hält den Antrag für unzulässig:

Die angefochtenen Bestimmungen seien nicht zureichend bezeichnet; es fehle die genaue Angabe der bekämpften Fassung, sodaß man auf Vermutungen angewiesen sei. Die begehrte Aufhebung gehe zu weit und würde einen in seiner Bedeutung völlig geänderten Gesetzestext übrig lassen, weil keinerlei Grenze für die Öffnungszeiten an Werktagen verbliebe; es müsse genügen, die Zeitangabe "19.30 Uhr" in § 2 Abs 1 und die Ziffer "66" in § 2 Abs 4 sowie die Wortfolge "sowie § 3 Abs 1" in § 2 Abs 4 aufzuheben. § 6 Abs 5 und 6 berührten schließlich die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften nicht unmittelbar (Hinweis auf VfSlg. 11823/1988 und 13318/1992).

In der Sache sieht die Bundesregierung den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten:

"Wie der VfGH schon mehrfach dargelegt hat (vgl. zB VfSlg. 12094/1989) und wie auch im vorliegenden Antrag nicht bestritten wird, liegen die Ziele, denen Ladenschlußregelungen dienen - das sind insbesondere die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher sowie die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion von Ladenschlußregelungen - im öffentlichen Interesse.

Durch die Neufassung des § 2 Abs 4 ÖZG entfällt die bisherige Unterscheidung zwischen Lebensmittel- und Nichtlebensmittelverkauf. Durch diese Vereinheitlichung ist nach Ansicht der Bundesregierung jedoch in erster Linie eine Erleichterung der Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften gewährleistet und bringt auch für die Betriebe, die nicht nur Lebensmittel führen, den Abbau von 'Betriebsbürokratie' mit sich. Aber auch die Beschränkung der Gesamtoffenhaltezeit an sich, ist sachlich gerechtfertigt, würden doch sonst die Handelsgewerbetreibenden oder die Arbeitnehmer durch den Wettbewerb zu überlangen Geschäftszeiten genötigt werden, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären (vgl. VfSlg. 13318/1992). Darin zeigt sich auch die wettbewerbsordnende Funktion der Regelung, nämlich Gewerbetreibende nicht zu überlangen Öffnungszeiten zu veranlassen."

Zur Erwerbsfreiheit führt die Bundesregierung aus:

"§2 ÖZG enthält Regelungen darüber, wie lange an Werktagen Verkaufsstellen offengehalten werden dürfen. Neben der Statuierung einer grundsätzlichen Offenhaltezeit an Werktagen von 6.00 - ausgenommen an Samstagen - bis 19.30 Uhr wird in § 2 Abs 4 eine Gesamtoffenhaltezeit innerhalb einer Kalenderwoche von 66 Stunden festgelegt. Im vorliegenden Antrag wird nun die Auffassung vertreten, daß diese Bestimmungen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit verletzen, nämlich im Lichte der Rechtsprechung des VfGH zur Zielerreichung nicht geeignet sind und die Beschränkungen unverhältnismäßig schwerwiegend sind im Vergleich zur Bedeutung der verfolgten Ziele.

Dazu ist auf folgendes hinzuweisen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine die Erwerbsfreiheit beschränkende Regelung nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, dieser adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist (vgl. VfSlg. 11558/1987).

In dem zitierten Erkenntnis wird weiters ausgeführt, daß auch gesetzliche Regelungen, die - wie die in dem gegenständlichen Verfahren angefochtenen - bloß die Berufsausübung beschränken, auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsfreiheit zu prüfen sind und dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein müssen; das bedeute, daß Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen (vgl. auch VfSlg. 10718/1985).

Schon im Erkenntnis VfSlg. 11558/1987 hat der Verfassungsgerichtshof betont, daß die gegeneinander abzuwägenden Ziele, denen Ladenschlußregelungen dienen, im öffentlichen Interesse liegen (vgl. auch VfSlg. 13318/1992). Der VfGH hat im Erkenntnis VfSlg. 13318/1992 auch ausgeführt, daß die Festlegung einer höchstzulässigen Gesamtoffenhaltezeit für sich ein taugliches Mittel darstellt, den Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucher, der Gewerbetreibenden und der Arbeitnehmer herbeizuführen. Insbesondere sozialpolitische Umstände vermögen die durch Öffnungszeitenregelungen bewirkten Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit zu rechtfertigen, freilich nicht Beschränkungen jedweder Art und Intensität.

b) In diesem Zusammenhang wäre zunächst darauf hinzuweisen, daß bis zur Novelle BGBl. I Nr. 4/1997 die durch § 2 Abs 5 ÖZG 1991 geregelte wöchentliche Gesamtoffenhaltezeit mit 60 Stunden, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln mit 66 Stunden limitiert war. In diesen Rahmen fiel die Öffnungszeit gemäß § 2 Abs 1 ÖZG 1991 (6-19.30 Uhr) und gemäß § 2 Abs 4 ÖZG 1991 (Abendverkauf einmal pro Woche bis 21 Uhr). Nicht in diesen Öffnungszeitenrahmen fiel die Öffnungszeit gemäß § 3 AbsÖZG 1991 (langer Samstag einmal pro Monat bis 17 Uhr).

Die Novelle BGBl. I Nr. 4/1997 schaffte den sogenannten Abendverkauf bis 21 Uhr einmal pro Woche ab und entlastete damit den Rahmen der Gesamtoffenhaltezeit um 1,5 Stunden. Hingegen wird nunmehr am Samstag die Zeit von 13 bis 17 Uhr in die Gesamtoffenhaltezeit eingerechnet, wobei nunmehr an allen Samstagen bis 17 Uhr offengehalten werden darf. Für Betriebe, die bisher den langen Einkaufssamstag einmal pro Monat in Anspruch nahmen, ergibt sich damit eine Verkürzung ihres wöchentlichen Offenhalterahmens von 4 Stunden.

c) Eine Betrachtung der bereits dargelegten Rechtfertigungsgründe für Regelungen des Öffnungszeitengesetzes 1991 - Interessen der Arbeitnehmer, der Konsumenten, des geordneten Wettbewerbs, der Nahversorgungen (vgl. VfSlg. 11558/1987) - ergibt, daß für die Interessen der Arbeitnehmer die Reglementierung der absoluten Öffnungszeiten entscheidend ist, also die Vermeidung von zu frühen Aufsperrzeiten und zu späten Schließzeiten, nicht aber die Gesamtoffenhaltezeit. Dies macht ein Vergleich der wöchentlichen Gesamtoffenhaltezeit von 66 Stunden mit der kollektivvertraglich geregelten wöchentlichen Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden im Handel deutlich; dies auch unter Berücksichtigung einer möglichen Arbeitszeit von 44 Stunden pro Woche im Rahmen eines Durchrechnungszeitraumes von einem Jahr.

Dabei ist auch auf folgenden Aspekt hinzuweisen:

Wie bereits erwähnt, beträgt der sich aus den allgemeinen Öffnungszeiten gemäß § 2 Abs 1 und § 3 Abs 1 ÖZG ergebende Öffnungszeitenrahmen 78,5 Stunden. Bei einem solchen Zeitrahmen, der die kollektivvertraglich geregelte wöchentliche Normarbeitszeit im Handel um mehr als das Doppelte übersteigt, würde es bei einer völligen Ausschöpfung - ohne gleichzeitig eine Gesamtoffenhaltezeit von 66 Stunden vorzusehen - häufiger zu einer ungünstigen Arbeitszeitlage der Arbeitnehmer kommen. Je weniger Arbeitskräfte der Einzelhandelsbetrieb beschäftigt, desto weniger könnte die Möglichkeit genutzt werden, die ungünstigen Arbeitszeitlagen auf die Arbeitnehmer zu verteilen und damit die Belastungen zu verringern.

Insofern widersprechen sich die von den Antragstellern im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz vorgebrachten Argumente zum Teil: So wird ausgeführt, daß die Ausweitung der Öffnungszeiten die Hilfsfunktion des Ladenschlusses für den Arbeitszeitschutz noch weiter untergrabe. Die von den Antragstellern aber offenbar angestrebte Neuregelung - nämlich längere Öffnungszeiten - würde jedoch noch weiter zu Lasten dieses öffentlichen Interesses gehen.

Für die Interessen des geordneten Wettbewerbs, der Konsumenten und der Nahversorgung ist von Bedeutung, daß es durch die Differenz zwischen dem Öffnungsrahmen von 78,5 Stunden und der zulässigen Gesamtoffenhaltezeit von 66 Stunden Chancen zur Profilierung in Marktnischen gibt. Faktum ist, daß es in der Zeit vor der Novelle BGBl. Nr. 397/1991 zum Öffnungszeitengesetz keine solche Differenz gegeben hat und in den Jahrzehnten davor die Handelslandschaft massiven Änderungen unterlag. Die seither möglichen zeitlichen Offenhaltezeiten sind ein Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen und liegen im Interesse der Konsumenten und der Aufrechterhaltung der Nahversorgung.

Dabei ist auch darauf hinzuweisen, daß die derzeit bestehenden Öffnungszeiten nach Ansicht der Bundesregierung im Hinblick auf die öffentliche Diskussion auch tatsächlich die vorhandenen Interessen der Handelsgewerbebetreibenden und der Konsumenten befriedigt.

Eine gewisse Einschätzung der Situation erlaubt eine im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte vorgenommene telefonische Umfrage hinsichtlich der Nutzung und Einschätzung der gesetzlichen Öffnungszeiten bei Konsumenten und Handelsunternehmer vom September 1995 und damit zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1997: So wurde die Möglichkeit, täglich (Montag bis Freitag) bis 19.30 Uhr offenzuhalten, lediglich von 4 % der Händler genutzt. 86 % der Konsumenten konnten mit den damals angebotenen Öffnungszeiten ihre Einkäufe problemlos erledigen.

d) In diesem Zusammenhang ist auch auf jene Ladenschlußregelungen einzugehen, die vom VfGH in seiner Judikatur bislang als verfassungskonform angesehen wurden:

Z 1 des ArtII der Nov. BGBl. Nr. 421/1988 gab den Handelsgewerbetreibenden die Möglichkeit, ihre Verkaufsstellen entweder einmal in der Woche (zwischen Montag und Freitag) bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr offenzuhalten.

Der VfGH stellte dazu in seinem Erkenntnis VfSlg. 12094/1989 fest, daß es dem Handelsgewerbetreibenden in einem - eingeschränkten - Ausmaß möglich sei, seine unternehmerische Disposition anzupassen. Die angefochtene Bestimmung des § 3, die die Anordnung eines Sperrhalbtages für Samstage enthalte, könne im Kontext mit den bestehenden Sonderregelungen für Verkaufsstellen bestimmter Art und den gebietlichen Sonderregelungen (§§5 und 6 LSchG) und im Kontext mit Art 11 Z 1 bei einer Gesamtabwägung noch als verhältnismäßig angesehen werden.

Ebenso sah der VfGH in § 2 Abs 1 ÖZG BGBl. Nr. 50/1992, wonach bei einer Gesamtoffenhaltezeit von 60 Stunden (§2 Abs 5) ein Rahmen von 6 Uhr bis 19.30 Uhr offenstand, in seinem Erkenntnis VfSlg. 13318/1992 eine merkliche Erweiterung des Spielraums für eine individuelle Gestaltung des Offenhaltens von Verkaufsstellen. Dazu kam die Möglichkeit, einmal wöchentlich (ausgenommen Samstag) bis 21 Uhr offenzuhalten. Insgesamt sei dem Handelsgewerbetreibenden daher die Möglichkeit gegeben, die Geschäftstätigkeit weitgehend der Marktsituation anzupassen und insbesondere seine Ware zu Zeiten anzubieten, zu denen eine nicht unbeachtliche Nachfrage vorhanden sei.

Vergleicht man nun die den beiden zitierten VfGH-Erkenntnissen zugrundeliegenden Bestimmungen mit der nunmehr angefochtenen Rechtslage, so ist festzustellen, daß zwar - wie bereits erwähnt - durch die Einrechnung der Zeit von 13 bis 17 Uhr an Samstagen in die Gesamtoffenhaltezeit im Ergebnis eine Verkürzung von 4 Stunden bewirkt wird. Gleichzeitig wird den Handelsgewerbetreibenden aber durch die neu geschaffene Möglichkeit, jeden Samstag bis 17 Uhr offen zu halten, wiederum eine wesentliche Erweiterung des Spielraums für eine individuelle Gestaltung des Offenhaltens von Verkaufsstellen eingeräumt.

Daß mit der Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten nicht auch eine Erweiterung der Gesamtoffenhaltezeit einherging, findet seinen Grund in den bereits erwähnten öffentlichen Interesse. Diese Maßnahme ist jedoch im Lichte der Ausführungen des VfGH, wonach eine verfassungskonforme Regelung bedingt, daß dem Gewerbetreibenden innerhalb des gesteckten Rahmens die Möglichkeit eingeräumt sein muß, die Öffnungszeiten zu bestimmen, (VfSlg. 13318/1992) mit der Erwerbsfreiheit vereinbar."

Aus diesen Gründen sei auch das die Privatautonomie schützende Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt.

Auf den Vorwurf der Verletzung des Legalitätsprinzips durch den die antragstellenden Gesellschaften nicht betreffenden § 6 Abs 5 und 6 sei nicht einzugehen.

Zu diesen Ausführungen der Bundesregierung haben die antragstellenden Unternehmen in einer Gegenäußerung Stellung genommen.

III. Die Anträge auf Aufhebung von

Teilen der §§2 und 6 ÖffnungszeitenG sind zulässig. In Ansehung des § 3 Abs 1 ÖffnungszeitenG ist der Antrag jedoch unzulässig.

Bereits in seinem ersten Satz bezieht sich der Antrag ausdrücklich auf die §§2 und 6 des ÖffnungszeitenG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I 4/1997; er enthält keinen Anhaltspunkt für einen Zweifel, daß er die Aufhebung der bezeichneten Stellen in eben dieser Fassung begehrt. Es ist auch nicht erkennbar, was eine Beschränkung der Aufhebung auf die Zeitangabe "19.30 Uhr" in § 2 Abs 1 und die Ziffer "66" in § 2 Abs 4 an ihren Auswirkungen ändern könnte (zumal die Belassung der Zeitangabe "von 6 Uhr bis" ohne Ende der Offenhaltezeit sinnlos bliebe); im übrigen könnte der Gerichtshof die Aufhebung ohnedies auf einen Teil der angegriffenen Norm beschränken.

Die unmittelbare Betroffenheit der Handelsunternehmen durch die allgemeinen Vorschriften über die Ladenöffnung hat der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 12094/1989 für gegeben erkannt.

Das würde auch für § 3 Abs 1 über die Öffnungszeit am Samstag gelten. Gegen diese Vorschrift werden aber im Antrag keinerlei Bedenken erhoben. Er wendet sich nur dagegen, daß die in § 3 Abs 1 vorgesehene Möglichkeit, jeden Samstag bis 17 Uhr offenzuhalten, anders als der lange Samstag nach § 3a der früheren Regelung in die Gesamtoffenhaltezeit des § 2 Abs 4 eingerechnet wird. Das ergibt sich aber aus dem Begriff der "Gesamtoffenhaltezeit" und wird durch die ausdrückliche Nennung des § 3 Abs 1 in § 2 Abs 4 bloß bekräftigt. Gegen das Offenhalten-Dürfen an Samstagnachmittagen wendet sich der Antrag nicht. Er ist daher in bezug auf § 3 Abs 1 als unzulässig zurückzuweisen.

Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags könnten insoweit aufkommen, als er die Verfassungswidrigkeit der in § 6 Abs 5 und 6 vorgesehenen Ausnahme behauptet. Überträgt man nämlich die im Erkenntnis VfSlg. 14805/1997 (Kommunalsteuer) angestellten Überlegungen über die Präjudizialität von Regel und Ausnahme in ihrem Zusammenhang hierher, so erweist es sich als erforderlich, die - isoliert auf die antragstellenden Gesellschaften nicht anwendbaren - Ausnahmevorschriften zusammen mit der Regel anzufechten. Dies haben allerdings die antragstellenden Gesellschaften in ihrem Eventualantrag ohnedies getan; mit diesem zusammen ist der Hauptantrag also auch insoweit zulässig. Da die in § 6 Abs 5 und 6 ÖffnungszeitenG vorgesehene Verordnung des Landeshauptmannes bereits erlassen wurde (vgl. die Anfechtung zu V143/97), steht der (Mit-)Anfechtung der ihr zugrundeliegenden Ermächtigung an den Landeshauptmann auch jene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg. 11730/1987, 11823/1988 und 13318/1992) nicht entgegen, nach der eine unmittelbare Anfechtung solcher an Verwaltungsorgane gerichteten Verordnungsermächtigungen nicht zulässig ist, weil sie erst über die Erlassung der Verordnung für deren Adressaten wirksam werden.

IV. Die zulässigen Anträge sind indessen nicht begründet. Die Bedenken gegen § 2 Abs 1 und 4 ÖffnungszeitenG in der Fassung 1997 treffen nicht zu, und zwar auch nicht im Hinblick auf § 6 Abs 5 und 6 ÖffnungszeitenG.

1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 13318/1992 ausgeführt hat, ist die Festlegung einer höchstzulässigen Gesamtoffenhaltezeit an sich ein taugliches Mittel zur Herstellung des Interessenausgleichs zwischen Verbrauchern, Gewerbetreibenden und Arbeitnehmern. Die Gesamtoffenhaltezeit von wöchentlich 66 Stunden für den Kleinverkauf von Lebensmitteln hat der Gerichtshof in diesem Erkenntnis bereits für unbedenklich befunden. Allerdings war der lange Samstag (statt bis 13 Uhr einmal im Monat bis 17 Uhr) in diese wöchentliche Offenhaltezeit nicht einzurechnen. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens erschöpfte also eine tägliche Offenhaltezeit von 7 bis 19 Uhr und samstags von beispielsweise 7 bis 13 Uhr die Gesamtoffenhaltezeit, während die 4 Stunden des langen Samstags zusätzlich offengehalten werden konnten.

Geht man von diesem Modell aus, ist an die Stelle der Möglichkeit, einmal monatlich einen langen Samstag zusätzlich offenzuhalten, die Möglichkeit getreten, jeden Samstag unter Einrechnung auf die Gesamtoffenhaltezeit, also gegen ein Geschlossenhalten zu anderen Zeiten, bis 17 Uhr offenzuhalten. Die wöchentliche Gesamtoffenhaltezeit hat sich durch den Wegfall der Möglichkeit des zusätzlichen Offenhaltens an einem Samstagnachmittag im Monat im Ergebnis um eine Stunde wöchentlich verkürzt.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß der Gesetzgeber durch diese Verkürzung der Gesamtoffenhaltezeit bei gleichzeitiger Erweiterung der Dispositionsmöglichkeiten der Gewerbetreibenden seinen Gestaltungsspielraum überschritten und unsachlich gehandelt oder die Erwerbsfreiheit übermäßig eingeschränkt hätte. Da nunmehr - von den noch zu erörternden Ausnahmen abgesehen - jeder Unternehmer gleicherweise zu entscheiden hat, wie er die Gesamtoffenhaltezeit von 66 Stunden am besten innerhalb der weiteren Rahmenzeit auf die Wochentage verteilt und auf welche Öffnungszeit er zugunsten anderer Möglichkeiten verzichtet, ist die Gesamtoffenhaltezeit für sich ungeachtet der Schwierigkeiten der Gewerbetreibenden, damit "das Auslangen zu finden", in ihrer Wirkung durchaus wettbewerbsneutral.

2. Die Hauptstoßrichtung der vorliegenden Anträge ist ohnedies der Vorwurf, die zugelassenen Ausnahmen für Verkaufsstellen in Stadt- und Ortskernen und für Familienbetriebe (§6 Abs 5 und 6) seien unsachlich und machten die Regelung insgesamt gleichheitswidrig. Während die bisher im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen auf einen besonderen Einkaufsbedarf abstellten, gehe es hier um strukturpolitische Maßnahmen, die nur aus besonderen Gründen zulässig seien; der bloße Hinweis auf volkswirtschaftliche Interessen (für die Ortskernregelung) könne ebensowenig genügen wie das Interesse an der Nahversorgung (für die Begünstigung von Familienbetrieben).

Der Verfassungsgerichtshof geht indessen davon aus, daß der Grund für die in Rede stehenden Ausnahmemöglichkeiten in dem Bestreben liegt, zwei notorischen Folgen des freien Spiels der Kräfte entgegenzuwirken: Der Abwanderung von Verkaufsstellen aus den Ortskernen und dem Verschwinden kleinerer Verkaufsstellen für die Nahversorgung. Die Erweiterung der Gesamtoffenhaltezeit soll die Stadt- oder Ortskerne offenbar für Unternehmen jeder Art attraktiver machen (§6 Abs 5) und kleineren Verkaufsstellen, die ihrer Natur nach mehr der Nahversorgung dienen und gleichzeitig die aus der gewonnenen Freiheit folgende Anwesenheitslast nicht auf Arbeitnehmer überwälzen, eine mögliche Marktnische öffnen (§6 Abs 6).

Weder eine solche Zielsetzung noch das angewendete - wettbewerbsordnende - Mittel sind unter den Gesichtspunkten des Gleichheitssatzes, der Erwerbsfreiheit oder der Gewährleistung von Privatautonomie verfassungsrechtlich bedenklich. Auch im Fall des § 6 Abs 6 ist das Ziel nicht die Verbesserung der konkreten Nahversorgung, wie sie von jeder Verkaufsstelle für ihren Umkreis gewährleistet wird, sondern eine Förderung der für die Nahversorgung jeder Art ganz allgemein wesentlichen, möglicherweise in ihrem Bestand gefährdeten Kleinbetriebe. Dabei ist es für die Sachlichkeit der von solchen Ausnahmen begleiteten Regel ohne Bedeutung, ob diese Ausnahme allgemein oder nur für bestimmte Gebiete gilt. Es macht auch die Ausnahme - und damit die Regel - nicht gleichheitswidrig, wenn zwar Pflegeverhältnisse (§§186 f. ABGB), nicht aber Lebensgemeinschaften der Verwandtschaft, Schwägerschaft oder Ehe gleichgestellt sind, weil diese beiden Erscheinungen nach Zweck und rechtlicher Ausgestaltung unvergleichbar sind. Daß Familienangehörige zugleich Arbeitnehmer sein können, hindert den Gesetzgeber nicht, für den verfolgten Zweck auf die eben nur sie auszeichnende, gerade in Kleinbetrieben die Interessenlage auch erheblich mit bestimmende Angehörigkeit abzustellen.

Da die Förderung der Familienbetriebe nicht Selbstzweck ist, sondern im Interesse der Nahversorgung liegt, bewirkt auch die im Antrag erwogene Möglichkeit der Ausnutzung der erweiterten Öffnungszeiten durch "gesellschaftsrechtliche Konstruktionen mit Beteiligung finanzkräftiger Wirtschaftssubjekte" kein sachfremdes Ergebnis. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, das Gewicht seines rechtspolitischen Anliegens zu wägen und die Wirksamkeit seiner Maßnahmen abzuschätzen. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß er den dafür bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen überschritten hat.

3. Welchen Einfluß die behauptete Verletzung des Legalitätsprinzips durch § 6 Abs 5 und 6 ÖffnungszeitenG angesichts deren sonst unbedenklichen Inhaltes auf die im Antrag angegriffene Regelung des § 2 Abs 1 und 4 haben soll, wird im Antrag nicht dargelegt und ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorwurf erübrigt sich daher bei Prüfung der zuletzt genannten Vorschriften.

V. Bei diesem Ergebnis ist auf die Eventualanträge, soweit sie § 2 Abs 1 und 4 (auch im Zusammenhalt mit § 6 Abs 5 und 6) betreffen nicht mehr einzugehen. Was aber die Eventualanträge auf Aufhebung allein des § 6 Abs 5 und/oder 6 oder von Teilen daraus anlangt, fehlt es an einer Darlegung, warum und inwieweit diese Bestimmungen für sich allein auf die antragstellenden Gesellschaften anwendbar sein und sie beschweren sollen; diese Anträge sind daher zurückzuweisen.

B. Verordnungsprüfungsverfahren

I. Die beiden antragstellenden Aktiengesellschaften haben nicht nur Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes angefochten (vgl. vorstehenden Teil A), sondern begehren auch die Aufhebung des § 2 der Verordnung des burgenländischen Landeshauptmannes vom über Ladenöffnungszeiten an Werktagen (Bgld. Ladenöffnungszeitenverordnung 1997), LGBl. 31/1997. Dieser lautet:

"Sonderregelung für Familienbetriebe

In Familienbetrieben im Sinne des § 6 Abs 6 des Öffnungszeitengesetzes 1991 dürfen die Verkaufsstellen von Montag bis Samstag von 5.00 bis 20.00 Uhr, mit einer wöchentlichen Gesamtoffenhaltezeit von maximal 80 Stunden, offengehalten werden."

Die Verordnungsstelle stützt sich auf § 6 Abs 6 ÖffnungszeitenG idF der Novelle BGBl. I 4/1997, der - wie unter A näher dargelegt - den Landeshauptmann ermächtigt, im Interesse der Nahversorgung abweichend von den sonst festgesetzten Ladenöffnungsregelungen für Verkaufsstellen, in denen lediglich der Gewerbetreibende selbst und höchstens zwei weitere Familienangehörige tätig sind, eine tägliche Offenhaltezeit von 5 Uhr bis 20 Uhr zuzulassen, wobei die Gesamtoffenhaltezeit in diesen Fällen 80 Stunden wöchentlich nicht überschreiten darf. Diese Ausnahme von der die antragstellenden Gesellschaften bindenden allgemeinen Regel des § 2 Abs 1 und 4 sowie § 3 Abs 1 ÖffnungszeitenG, wonach die Verkaufsstellen an Werktagen von 6 Uhr bis 19.30 Uhr, an Samstagen bis 17 Uhr offengehalten werden dürfen, die Gesamtoffenhaltezeit aber 66 Stunden in der Woche nicht überschreiten darf, halten die antragstellenden Gesellschaften für verfassungswidrig, sodaß mit der gesetzlichen Ermächtigung auch die Verordnung falle.

Der burgenländische Landeshauptmann, der darauf verweist, daß er im Gesetzesprüfungsverfahren nicht beteiligt war, vermißt eine gehörige Darstellung der unmittelbaren Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaften; die Verweisung auf Schriftsätze in einem anderen Verfahren sei unzulässig.

In der Sache sieht der Landeshauptmann die Verordnung vor dem Hintergrund des rasch voranschreitenden Konzentrationsprozesses im Bereich des Handels. Wegen der Siedlungsstruktur insbesondere des Südburgenlandes - kleinere Streusiedlungen mit hohem Pendleranteil - sei es vielfach bereits zum Aussterben der kleinen Familienbetriebe gekommen, sodaß in zahlreichen Ortschaften kein einziger Handelsbetrieb mehr bestehe, was angesichts der unzureichenden Erschließung dieser Gebiete mit öffentlichen Verkehrsmitteln besonders schwer wiege. Es habe daher den noch bestehenden Familienbetrieben ein Überleben "in zeitlichen Marktnischen" ermöglicht und ein Anreiz für die Gründung kleiner und kleinster Gewerbebetriebe mit Nahversorgungsfunktion geschaffen werden müssen.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als Aufsichtsbehörde begnügt sich ausgehend von der Gesetzmäßigkeit der Verordnung mit einem Verweis auf die Äußerung der Bundesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren.

II. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Die antragstellenden Gesellschaften bekämpfen jene Bestimmung der burgenländischen Ladenöffnungszeitenverordnung, die - wie sie formulieren - den Gesetzesinhalt des § 6 Abs 6 ÖffnungszeitenG für das Burgenland wirksam werden läßt, und wenden sich erkennbar gegen den Regelungskomplex, den die allgemeinen Regeln des § 2 Abs 1 und 4 mit dieser Ausnahme bilden, um dem Verfassungsgerichtshof allenfalls die Aufhebung der Ausnahmebestimmungen (bestehend aus § 6 Abs 6 ÖffnungszeitenG und § 2 der in Rede stehenden Verordnung) zu ermöglichen.

Überträgt man die im Erkenntnis VfSlg. 14805/1997 (Kommunalsteuer) entwickelten Überlegungen über die Präjudizialität von Ausnahme und Regel in ihrem Zusammenhang auf den vorliegenden Sachverhalt, erweist sich der Antrag als insoweit, aber auch nur insoweit zulässig, als er die Verfassungswidrigkeit der Regel mit der durch die Verordnung wirksam gewordenen Ausnahme begründet. Wie mehrere Vorschriften eines Gesetzes unter Umständen ihres Zusammenhanges wegen gemeinsam in Anfechtung zu ziehen sind, kann auch die gemeinsame Anfechtung einer Verordnungsbestimmung mit einer Gesetzesbestimmung zulässig sein. Dabei können freilich nur jene Bedenken vorgetragen werden, die sich auf den Zusammenhang von Ausnahme und Regel beziehen oder genauer, deretwegen die maßgebliche Regel selbst verfassungswidrig würde.

Da solche Bedenken hier vorgebracht sind, ist der Antrag zulässig. Er ist aber - wie sich aus den Ausführungen zum Gesetzesprüfungsverfahren ergibt - nicht begründet, weil die bekämpfte Ausnahme nicht die Verfassungswidrigkeit der Regel bewirkt.

Soweit die Bedenken die Gesetzmäßigkeit der Verordnung aus Gründen rügen, die mit der Verfassungsmäßigkeit der auf die antragstellenden Gesellschaften anwendbaren gesetzlichen Bestimmung oder der Reichweite der sie verändernden Ausnahme nichts zu tun haben, ist aber aus den oben dargelegten Gründen auf sie nicht einzugehen.

Der Antrag ist vielmehr abzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs 4 Satz 1 VerfGG).