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VfGH vom 25.02.1997, V131/96

VfGH vom 25.02.1997, V131/96

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Aufhebung der Flächenwidmungsplanänderung Nr 180 der Stadtgemeinde Lienz vom und mangels gesetzlicher Deckung nach Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir RaumOG 1994, jedoch nur im präjudiziellen Umfang infolge nicht auszuschließender, einer gänzlichen Aufhebung zuwiderlaufender Interessen der Parteien (vgl E v , G195/96 ua).

Spruch

1. Die Flächenwidmungsplanänderung Nr. 35 des Gemeinderates der Gemeinde Telfes im Stubaital vom , ZVld 3253/57, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , ZVe1-546-129/127-1, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis , wird als gesetzwidrig aufgehoben, soweit darin die GP 1030, KG Telfes, als Wohngebiet ausgewiesen ist.

2. Die Verordnung der Landesregierung vom , mit der die Form, der Maßstab und die Planzeichen der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne geregelt werden (Planzeichenverordnung), LGBl. für Tirol Nr. 40/1984, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

3. Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Telfes im Stubaital vom , mit der gemäß § 63 des Gesetzes vom über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol Nr. 81/1993, örtliche Bauvorschriften erlassen wurden, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

4. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebungen im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B858/96 protokollierte Beschwerde gemäß Art 144 B-VG gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , ZVe1-550-2397/1-1, betreffend die Versagung einer baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück GP 1030, KG Telfes, anhängig.

2. In der auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer durch eine gesetzwidrige Verordnung und eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung als verletzt.

3. Aus Anlaß dieses Verfahrens beschloß der Verfassungsgerichtshof am , die Flächenwidmungsplanänderung Nr. 35 der Gemeinde Telfes vom , ZVld 3253/57, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung am , ZVe1-546-129/127-1, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 1. Dezember bis , (im folgenden kurz: Flächenwidmungsplanänderung), insoweit darin die GP 1030, KG Telfes, als Wohngebiet ausgewiesen ist, die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Telfes vom , mit der gemäß § 63 des Gesetzes vom über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol Nr. 81/1993, verordnet wurde: "I. Bei Wohngebäuden mit einer mittleren Traufenhöhe von über 3,0 m (gemessen vom ursprünglichen Gelände aus) darf als Dachform kein Flach- oder Grabendach ausgeführt werden." (im folgenden kurz: "Flach- oder Grabendachverordnung") und die §§1 bis 4 der Verordnung der Landesregierung vom , mit der die Form, der Maßstab und die Planzeichen der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne geregelt werden (Planzeichenverordnung), LGBl. für Tirol Nr. 40/1984, von Amts wegen gemäß Art 139 Abs 1 B-VG auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte die vorläufigen Bedenken, daß sich die Verordnungen auf ein verfassungswidriges Gesetz stützten und überdies die Flächenwidmungsplanänderung im Widerspruch zur Planzeichenverordnung stehe.

4. Die Tiroler Landesregierung verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Flächenwidmungsplanänderung ist hinsichtlich der als Wohngebiet ausgewiesenen GP 1030, KG Telfes, präjudiziell, weil sie der Verfassungsgerichtshof insoweit bei seiner Entscheidung über die zu B858/96 protokollierte Beschwerde anzuwenden hat. Desgleichen sind die Flach- und Grabendachverordnung und die Planzeichenverordnung präjudiziell, weil diese der Verfassungsgerichtshof ebenso bei seiner Entscheidung über die zu B858/96 protokollierte Beschwerde anzuwenden hat.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Prüfungsbeschluß dargestellten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich in der Sache selbst als berechtigt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die inhaltliche Gesetzmäßigkeit von Verordnungen bezogen auf jenen Zeitpunkt zu prüfen, in dem sie angewendet wurden oder anzuwenden waren (VfSlg. 12755/1991 mwH). Im vorliegenden Fall sind die in Prüfung gezogenen Verordnungen daher an jener Rechtslage zu messen, von der die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen (Vorstellungs-)Bescheides auszugehen hatte; es ist dies die Rechtslage am Tage der Zustellung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides.

Maßstab für die inhaltliche Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungen ist das Gesetz vom über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol Nr. 81/1993, idF vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996 (im folgenden kurz: TROG 1994), da sich die den Verordnungsprüfungsverfahren zugrundeliegende Beschwerde gegen einen Bescheid der Gemeinde richtet, der noch vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle ergangen war. Da mit Erkenntnis vom , G195/96 ua., der Verfassungsgerichtshof das TROG 1994 mit insoweit als verfassungswidrig aufhob, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz--Novelle derogiert wurde und feststellte, daß das TROG 1994 verfassungswidrig war, soweit ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle derogiert wurde, trifft das vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß geäußerte Bedenken zu, daß die genannten Verordnungen aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes erlassen wurden und daß sie sich auf ein verfassungswidriges Gesetz stützen.

Es ist daher auf das weitere, im Beschluß vom geäußerte Bedenken, nämlich, daß die Flächenwidmungsplanänderung im Widerspruch zur Planzeichenverordnung steht, nicht mehr einzugehen.

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 7951/1976, 9535/1982, 10931/1986, , V297/94 ua.) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmung, die die Verordnung trägt, zur Folge, daß die Verordnung hiermit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt (Art139 Abs 3 lita B-VG). Dies hat nicht nur für den Fall der Aufhebung der maßgeblichen Gesetzesstelle als verfassungswidrig, sondern auch für den Fall zu gelten, daß sich der Verfassungsgerichtshof aufgrund ihres bereits erfolgten Außerkrafttretens auf den Ausspruch zu beschränken hatte, daß die maßgebliche Gesetzesbestimmung verfassungswidrig war: Art 139 Abs 3 B-VG ist nämlich - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 8213/1977 ausgeführt hat - von dem Gedanken getragen, den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, in all jenen Fällen, in denen die festgestellte Gesetzwidrigkeit der präjudiziellen Verordnungsstelle offenkundig auch alle übrigen Verordnungsbestimmungen erfaßt, die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Der Fall, daß eine Verordnung aufgrund einer bereits außer Kraft getretenen, als verfassungswidrig erkannten gesetzlichen Vorschrift erlassen wurde, ist demnach dem Fall des Art 139 Abs 3 lita B-VG gleichzuhalten. Nur wenn sich Umstände im Sinne des Art 139 Abs 3, letzter Satz, B-VG ergeben, ist die betreffende Verordnung nicht zur Gänze aufzuheben.

Diese im Art 139 Abs 3 letzter Satz B-VG genannten Umstände ergeben sich im vorliegenden Fall lediglich im Hinblick auf die Flächenwidmungsplanänderung. Da nicht ausgeschlossen ist, daß die gänzliche Aufhebung den Interessen der Parteien zuwiderläuft, war die in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplanänderung lediglich in ihrem präjudiziellen Umfang aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG.

4. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.