VfGH vom 14.06.1997, V117/96
Sammlungsnummer
14851
Leitsatz
Aufhebung einer Wortfolge in einer Wasserschongebietsverordnung wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung; Fehlen der Übersichtskarte in der ursprünglichen Verlautbarung kein im Wege der Druckfehlerberichtigung korrigierbarer Mangel; Verweis auf Auflage der Karten zur öffentlichen Einsicht bis zum Inkrafttreten einer dementsprechenden gesetzlichen Regelung nicht ausreichend; Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip mangels hinreichend genauer Abgrenzung der planlichen Darstellung
Spruch
1. Die Wortfolge "5. Klagenfurt-Ost (KO)" in § 2 litB. der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zahl: 8W-Allg.-1/I/71/92, mit welcher zum Schutz von Wasservorkommen in Kärnten Schongebiete festgelegt werden (Kärntner Wasserschongebietsverordnung), LGBl. für Kärnten Nr. 148/1992, idF der Z 9. der Kundmachung der Landesregierung vom , Zl. Verf-21/11/1992, betreffend Berichtigung von Druckfehlern im Landesgesetzblatt für Kärnten, LGBl. für Kärnten Nr. 9/1993, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Der Landeshauptmann von Kärnten ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt für Kärnten verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B126/95 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Z 8W-Allg-41/10/93, anhängig. Mit diesem wurde im ersten Spruchteil auf Grund der Berufung der Landeshauptstadt Klagenfurt gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt als Wasserrechtsbehörde I. Instanz vom , mit dem dem nunmehrigen Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung zur Schottergewinnung unter Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt wurde, der erstinstanzliche Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben und der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen.
2.1. Aus Anlaß dieses Verfahrens beschloß der Verfassungsgerichtshof am , die Wortfolge
"5. Klagenfurt-Ost (KO)" in § 2 litB. der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zahl:
8W-Allg.-1/I/71/92, mit welcher zum Schutz von Wasservorkommen in Kärnten Schongebiete festgelegt werden (Kärntner Wasserschongebietsverordnung), LGBl. für Kärnten Nr. 148/1992, idF der Z 9. der Kundmachung der Landesregierung vom , Zl. Verf-21/11/1992, betreffend Berichtigung von Druckfehlern im Landesgesetzblatt für Kärnten, LGBl. für Kärnten Nr. 9/1993, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte die Bedenken, daß der fehlende Abdruck der Übersichtskarte in der ursprünglichen Fassung der Kärntner Wasserschongebietsverordnung einer Berichtigung auf Grund des § 3 Abs 1 des Gesetzes vom über das Landesgesetzblatt für Kärnten, die Kärntner Landeszeitung, das Kärntner Gemeindeblatt und die Kärntner Landesrechtssammlung (Kärntner Kundmachungsgesetzes), LGBl. Nr. 25/1986, nicht zugänglich gewesen sei und somit ein Kundmachungsmangel vorliege. Weiters hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die Kundmachung der Detailkarten durch Auflage zur öffentlichen Einsicht bei verschiedenen Verwaltungsdienststellen bis , also bis zur Änderung des Kärntner Kundmachungsgesetzes durch das Gesetz vom , mit dem das Kärntner Kundmachungsgesetz geändert wird, LGBl. Nr. 12/1996, (derzufolge nunmehr als Kundmachung für Pläne etc. die Kundmachung durch Auflage zur öffentlichen Einsicht bei geeigneten Dienststellen des Landes oder der Gemeinden vorgesehen ist) der erforderlichen gesetzlichen Grundlage entbehrt hätte und daher gesetzwidrig gewesen sei. Schließlich vertrat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, daß weder die Detailkarte, geschweige denn die Übersichtskarte die Wasserschongebiete nach der Kärntner Wasserschongebietsverordnung mit hinreichender Deutlichkeit, nämlich mit Parzellenschärfe, wiedergebe und daß daher die Festlegung des genannten Wasserschongebietes nicht mit hinreichender Genauigkeit erfolgt sei.
3. Der Landeshauptmann von Kärnten verzichtete auf die Erstattung einer schriftlichen Äußerung.
4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft erstattete eine Stellungnahme, in welcher er sich lediglich auf eine Auseinandersetzung mit der Frage der hinreichenden Genauigkeit der Detailkarten beschränkt.
Zwar vermittle die Übersichtskarte im Maßstab 1:300000 für sich allein noch keine hinreichende Handhabe für die Ermittlung der im Einzelfall für ein konkretes Grundstück bestehenden rechtlichen Auswirkungen, jedoch verleihe der Maßstab 1:50000 den Detailkarten durchaus hinreichende Aussagekraft. Die dabei "verbleibende Unschärfe der Grenzziehungen im Ausmaß von 8 - 12 m (widerspreche) keineswegs dem Determinierungsgebot des Art 18 B-VG". Überdies sei eine parzellenscharfe Umschreibung im Rahmen des Verordnungstextes "praktisch niemals erreichbar, da die die jeweiligen Nutzungsbeschränkungen auslösenden Grenzziehungen für die einzelnen Zonen eines Schongebietes auf allein wasserwirtschaftlichen Erwägungen gerecht werdenden Vorstellungen beruhen, die sich - wenn überhaupt - nur in Ausnahmefällen mit Parzellengrenzen decken". Die gegenständliche Verordnung zeichne sich "auch durch die mit ihr verbundene Beständigkeit aus, da sie gegenüber Neuparzellierungen unempfindlich bleib(e)".
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Gerichtshof hat bei seiner Entscheidung über die zu B 126/95 protokollierte, zulässige Beschwerde die Wortfolge
"5. Klagenfurt-Ost (KO)" im § 2 litB. der Kärntner Wasserschongebietsverordnung insofern anzuwenden, als die Schottergewinnungsanlage im Bereich des Wasserschongebietes "Klagenfurt-Ost" errichtet werden soll und ihre Bewilligung unter Berufung auf die Wasserschongebietsverordnung verweigert wurde.
Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Die im Prüfungsbeschluß dargestellten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich in der Sache selbst als berechtigt.
2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 3719/1960 dargetan hat, ist zwischen Druckfehlern und Publikationsmängeln zu unterscheiden. Auslassungen in einem neuen Text können nur dann als "Druckfehler" angesehen werden, wenn sie "den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen". Da erst die Übersichtskarte die Lage und Begrenzung der Kärntner Wasserschongebiete im einzelnen dartut, bildet das Fehlen der Übersichtskarte in der ursprünglichen Verlautbarung einen Kundmachungsmangel und nicht einen Druckfehler im Sinne des § 3 Abs 1 erste Alternative des Kärntner Kundmachungsgesetzes. Ein im Weg der Berichtigung nach § 3 Abs 1 des Kärntner Kundmachungsgesetzes korrigierbarer Mangel lag mithin nicht vor.
2.2. Die Kundmachung der Detailkarten durch Auflage zur öffentlichen Einsicht bei verschiedenen Verwaltungsdienststellen entbehrte ferner bis der erforderlichen gesetzlichen Grundlage und war somit gesetzwidrig. Wie der Verfassungsgerichtshof nämlich in seiner Judikatur (VfSlg. 5320/1966 für Gesetze sowie in VfSlg. 5810/1968 für Verordnungen) dargetan hat, sind kundzumachende Normen mangels einer entgegenstehenden gesetzlichen Anordnung jeweils zur Gänze im Landesgesetzblatt zu verlautbaren. Daher sind auch jene Teile von Verordnungen, die den Inhalt in Form kartografischer Darstellungen umschreiben, von der Kundmachung im Landesgesetzblatt nicht ausgenommen. Im Sinne dieser Judikatur ist der Verweis des § 3 der Kärntner Wasserschongebietsverordnung auf Detailkarten im Maßstab 1:50000, die durch Auflage zur öffentlichen Einsicht bei verschiedenen Verwaltungsstellen kundgemacht wurden, nicht ausreichend. Diese Kundmachung war vielmehr gesetzwidrig.
Erst durch das am kundgemachte Gesetz vom , mit dem das Kärntner Kundmachungsgesetz geändert wird, LGBl. Nr. 12/1996, wurde in dieses Gesetz ein (neuer) § 2a eingefügt, der anordnet, daß in Rechtsverordnungen enthaltene Pläne, deren Kundmachung im Landesgesetzblatt einen wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand verursachen würde, in anderer zweckentsprechender Weise, so zB durch Auflage zur öffentlichen Einsicht bei geeigneten Dienststellen des Landes oder der Gemeinde, kundgemacht werden können.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner, im Prüfungsbeschluß vertretenen Auffassung, daß Wasserschongebietsverordnungen aufgrund der dadurch bewirkten erheblichen Nutzungsbeschränkungen für Liegenschaftseigentümer und andere Nutzungsberechtigte hinsichtlich ihrer Rechtswirkungen mit gemeindlichen Flächenwidmungsplänen vergleichbar sind. Für Flächenwidmungspläne hat der Verfassungsgerichtshof aber wegen dieser ihrer Rechtswirkungen in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 11807/1988, 13716/1994, 13887/1994 und ) ausgesprochen, daß der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung mit hinlänglicher Genauigkeit eindeutig und unmittelbar feststellen können muß; ansonsten genügt der Plan rechtsstaatlichen Anforderungen nicht. Weder die Detailkarte, geschweige denn die Übersichtskarte können angesichts des für diese planlichen Darstellungen gewählten Maßstabs mit hinreichender Deutlichkeit die Grenzen der Wasserschongebiete nach der Kärntner Wasserschongebietsverordnung bezeichnen.
Entgegen der Stellungnahme des Bundesministers für Landund Forstwirtschaft bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner Rechtsmeinung, daß sich schon aus rechtsstaatlichen Gründen die notwendige Grenzziehung eines Wasserschongebietes nicht allein nach deren hydrogeologischem Aussagewert bemessen läßt, sondern daß dafür vorrangig das Bedürfnis des rechtsunterworfenen Nutzungsberechtigten nach gehöriger Normkenntnis maßgeblich ist. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mißversteht allerdings das angesichts ihrer normativen Wirkungen für die notwendige Genauigkeit von Plandarstellungen vom Verfassungsgerichtshof gewählte Kriterium der Parzellenschärfe, wenn er daraus die Notwendigkeit der Deckungsgleichheit planerischer Abgrenzungen mit den Parzellengrenzen ableitet. Vielmehr ist unter parzellenscharfer Planung eine Darstellung der mit normativer Wirkung in Gestalt von Nutzungsbeschränkungen ausgestatteten Grenzen zu verstehen, die mit gleicher Genauigkeit wie Parzellengrenzen erfolgt. Daß dazu die Verwendung eines Kartenmaßstabes von 1:50000 üblicherweise nicht ausreicht, ergibt sich schon aus der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in seiner Stellungnahme bei einem derartigen Maßstab zugestandenen, "verbleibende(n) Unschärfe der Grenzziehungen im Ausmaß von 8-12 m". Bleibt es aber - kraft planerischer Unschärfe - im Bereich eines 12 m breiten Geländestreifens offen, ob die in einer Wasserschongebietsverordnung vorgesehenen Nutzungsverbote gelten, so ist die entsprechende Norm, hier der Plan, mit einer rechtsstaatlichen Vorstellungen zuwiderlaufenden Ungenauigkeit behaftet.
Es trifft daher das Bedenken zu, daß die Kundmachung der Wasserschongebietsverordnung mangels hinreichend genauer Abgrenzungen dem rechtsstaatlichen Prinzip widerspricht.
2.4. Der in Prüfung gezogene Teil der Kärntner Wasserschongebietsverordnung ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.
3. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Kärnten zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG.
4. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.