VfGH vom 02.03.1990, V116/89
Sammlungsnummer
12291
Leitsatz
Gesetzwidrige Festlegung der Willensbildung im Gemeinderat durch Auflage von Geschäftsstücken zur Einschau; Zustimmung durch Verschweigen nicht zulässig.
Spruch
§ 19 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz (Beschluß des Gemeinderates vom , GZ. Präs. 314/4-1968; kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 8/1969) wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Die Steiermärkische Landesregierung ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. A.1. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz erteilte mit Bescheid vom den Beteiligten des Beschwerdeverfahrens B1747/88 unter Bezugnahme auf §§2 und 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 und weitere Rechtsvorschriften eine Widmungsbewilligung für zwei Grundstücke und wies die von den Beschwerdeführern als Nachbarn erhobenen Einwendungen teilweise ab und teilweise zurück. Die gegen diese Widmungsbewilligung ergriffenen Berufungen der Beschwerdeführer blieben erfolglos. Der namens des Gemeinderates vom Magistrat ausgefertigte Berufungsbescheid vom erging (nach Befassung des zuständigen Berufungsausschusses des Gemeinderates) in Handhabung des § 19 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz ohne förmlichen, auf einer Abstimmung beruhenden Beschluß des Kollegiums durch (bloße) Auflage des Geschäftsstücks zur Einsicht durch die Mitglieder des Gemeinderates.
2. Der Berufungsbescheid vom ist Gegenstand der auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde B1747/88. Die Beschwerdeführer kritisierten (ua.) § 19 Abs 4 der Geschäftsordnung als gesetzwidrig und lasteten dem von ihnen angefochtenen Bescheid unter diesem Aspekt Rechtswidrigkeit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung an.
B. Der Verfassungsgerichtshof teilte im Ergebnis die in der Beschwerde B1747/88 gegen die Gesetzmäßigkeit des § 19 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz (Beschluß des Gemeinderates vom , GZ. Präs. 314/4-1968; nach Auflage zur Einsicht gemäß der Kundmachung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 17/1968 verlautbart im Amtsblatt Nr. 8/1969) vorgebrachten Bedenken und leitete gemäß Art 139 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Gesetzmäßigkeitsprüfung (V 117/89) ein. Zu den Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahrens und den Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung genommenen Verordnungsstelle legte der Gerichtshof folgendes dar:
"1. Zunächst nimmt der Gerichtshof an, daß er im Rahmen der Kontrolle des bekämpften Bescheides den Abs 4 im folgendermaßen lautenden § 19 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz (künftig auch: GeschO) heranzuziehen hätte:
'§19
Die Tagesordnung; Auflagestücke
(1) Der Bürgermeister setzt die Tagesordnung fest. In die Tagesordnung werden die geschäftsordnungsmäßig behandelten Berichte sowie Anträge des Stadtsenates und der Gemeinderatsausschüsse aufgenommen.
(2) Der Bürgermeister kann bei Beginn der Sitzung einen Gegenstand von der Tagesordnung absetzen. Darüber ist, falls ein Gemeinderatsmitglied dagegen Einspruch erhebt, ohne Wechselrede abzustimmen; über Verlangen ist einem Gegenredner das Wort zu erteilen.
(3) Der Gemeinderat kann, soweit im Statut der Landeshauptstadt Graz für bestimmte Angelegenheiten keine abweichenden Bestimmungen enthalten sind, einen nicht auf der Tagesordnung stehenden Gegenstand jederzeit in die Behandlung aufnehmen und in der Tagesordnung enthaltene Gegenstände aus ihr absetzen.
(4) Der Gemeinderat kann Geschäftsstücke bestimmen, bei denen die mündliche Verhandlung durch Auflage zur Einsicht ersetzt wird (Anhang A). Die Auflage dieser Geschäftsstücke muß vier Stunden vor Beginn der Sitzung im Sitzungssaal erfolgen. Anträge solcher Geschäftsstücke gelten als vom Gemeinderat beschlossen, wenn kein Gemeinderatsmitglied spätestens zu Beginn der Sitzung auf Befragung des Vorsitzenden die gemeinsame Beratung verlangt. Die Auflagestücke sind in einem besonders gekennzeichneten Teil der Tagesordnung aufzunehmen.'
(Der Eingangssatz sowie die Z. 1 der im § 19 Abs 4 bezogenen Anlage A zu dieser Geschäftsordnungsbestimmung haben folgenden Wortlaut:
'Bei nachstehenden vom Gemeinderat zu erledigenden Geschäftsstücken wird die mündliche Verhandlung durch die Auflage zur Einsicht ersetzt:
1) Anträge der Berufungsausschüsse;
..........................................................')
2. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des § 19 Abs 4 GeschO ergeben sich im Hinblick auf das inhaltliche Verhältnis dieser Verordnungsbestimmung zu § 51 des (zuletzt durch die Novelle LGBl. 71/1987 geänderten) Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. 130. Dieser mit 'Beschlußfähigkeit und Beschlußfassung' überschriebene Paragraph des Statuts hat folgenden Wortlaut:
'(1) Der Gemeinderat ist beschlußfähig, wenn sämtliche Mitglieder des Gemeinderates ordnungsgemäß zur Sitzung eingeladen wurden und, sofern dieses Statut oder andere Gesetze für bestimmte Beratungsgegenstände nicht eine höhere Anwesenheitspflicht anordnen, mehr als die Hälfte aller Mitglieder anwesend sind.
(2) Zur Fassung eines gültigen Beschlusses sind die Beschlußfähigkeit und die Zustimmung der einfachen Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich, sofern dieses Statut oder andere Gesetze nicht die Zustimmung einer erhöhten Mehrheit der anwesenden Mitglieder anordnen.
(3) Stimmenthaltung gilt als Ablehnung. Die Abstimmung erfolgt durch Erheben der Hand. Wenn es dieses Statut bestimmt oder der Gemeinderat es besonders beschließt, ist die Abstimmung mit Stimmzetteln oder namentlich durchzuführen.
(4) Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.'
Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in seinem in einer Beschwerdesache gefällten Erk. VfSlg. 5173/1965 gegen die dem § 19 Abs 4 entsprechende Vorschrift der früheren Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz vor dem Hintergrund der damals bestandenen Verfassungsrechtslage (s. dazu die in § 5 Abs 1 der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. 205, festgelegte Anpassungsverpflichtung für die Organisation der Gemeindeverwaltung) und Gemeinderechtslage keine Bedenken bezüglich der Gesetzmäßigkeit geäußert. Im Gegensatz zu der für diese Entscheidung maßgebenden Rechtslage trifft der - aus dem verfassungsrechtlichen Blickwinkel (insbesondere) des Art 117 B-VG zu wertende - § 51 des Statuts der Landeshauptstadt Graz 1967 jedoch eine in mannigfaltige Einzelheiten gehende Regelung über die Willensbildung des Gemeinderates. Wie der Gerichtshof vorläufig annimmt, enthält § 51 in zweierlei Hinsicht abschließende Anordnungen: Einmal dahin, daß die zur Beschlußfassung führende Willensbildung im Gemeinderat ausschließlich durch Abstimmung stattfinden kann, und weiters in bezug auf die Technik der Abstimmung, nämlich daß als solche ausschließlich das Erheben der Hand durch das Gemeinderatsmitglied sowie - in bestimmten anderen Fällen - die Abstimmung mit Stimmzetteln und die namentliche Abstimmung in Betracht kommen. Demgemäß erscheint es dem Gemeinderat verwehrt, eine andere Methode der Willensbildung festzulegen, und zwar auch dann, wenn sich die erwähnten Abstimmungstechniken, also in erster Linie die Abstimmung durch Handheben, aus praktischen Gründen - etwa wegen der sehr großen Zahl der als Berufungsbehörde zu treffenden Rechtsmittelentscheidungen - als unzweckmäßig erweisen sollte. Diese Beschränkung des Gemeinderates bei der Festlegung der zur Willensbildung führenden Methode verwehrt es ihm - wie der Gerichtshof im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung der Rechtslage meint - insbesondere, eine Beschlußfassung vorzusehen, die ihrer Art nach eine Zustimmung durch Verschweigen (statt durch ausdrückliche Willenskundgebung) bedeutet. Die im § 19 Abs 4 GeschO in Form einer Fiktion (arg.: 'gelten als vom Gemeinderat beschlossen') festgelegte Methode der Beschlußfassung durch den Gemeinderat steht sohin mit § 51 des Stadtstatutes anscheinend nicht im Einklang.
In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, daß eine Auslegung des § 51 dahin, die in § 19 Abs 4 GeschO vorgesehene Art der Willensbildung als zulässig anzunehmen, anscheinend nicht verfassungskonform wäre. Denn die Einrichtung des Gemeinderates als Kollegialorgan einschließlich der Grundzüge seiner Beschlußfassung in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung muß wohl als bundesverfassungsrechtlich (Art117 B-VG, s. insbesondere dessen Abs 3 und 4) vorgeprägt angesehen werden. (So erschiene etwa eine Behandlung der bloßen Auflagestücke (nämlich ohne gemeinsame Beratung im Sinne des § 19 Abs 4 GeschO) in öffentlicher Sitzung (worauf sich § 19 Abs 4 GeschO ebenfalls erstreckt) mit dem in Art 117 Abs 4 B-VG verankerten Öffentlichkeitsprinzip unter Bedachtnahme auf die dort normierte Ausnahme von diesem Grundsatz nicht vereinbar.) Abschließend verweist der Verfassungsgerichtshof hiezu noch auf eine in dieselbe Richtung zielende Auffassung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum (Widder, Geschäftsordnung des Gemeinderates und Rechtsstellung seiner Mitglieder, in: Fröhler/Oberndorfer, Das Österreichische Gemeinderecht, 1980, 1. Erg.-Lfg., S. 41f.)."
II. A. Mit dem namens des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom Magistrat ausgefertigten Bescheid vom wurde die Berufung der zu B1856/88 beschwerdeführenden Gesellschaft (welche die Aufhebung einer Grundstücksenteignung begehrt hatte) gegen den an sie ergangenen Bescheid des Stadtsenates vom als unzulässig zurückgewiesen; unter einem wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides geändert. Dieser Berufungsbescheid ist Gegenstand der auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde.
B. Auch aus Anlaß dieser Beschwerdesache leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des § 19 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz ein (V 116/89). Er führte im Einleitungsbeschluß zu den Prozeßvoraussetzungen und den Gesetzmäßigkeitsbedenken folgendes aus:
"1. Zunächst verweist der Gerichtshof auf die Begründung seines heute in der Beschwerdesache B1747/88 gefaßten Beschlusses, eine Gesetzmäßigkeitsprüfung des § 19 Abs 4 GeschO durchzuführen. Während im Beschwerdefall B1747/88 feststeht, daß der dort angefochtene Berufungsbescheid in Handhabung des § 19 Abs 4 GeschO ohne förmlichen, auf einer Abstimmung beruhenden Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz nach einer bloßen Auflage des Geschäftsstückes zur Einsicht durch die Gemeinderatsmitglieder ergangen ist, ist in der vorliegenden Beschwerdesache die Art der Willensbildung des Gemeinderates weder den (in Ablichtung) vorgelegten Verwaltungsakten noch dem Parteienvorbringen zu entnehmen. Wie im folgenden dargelegt wird, findet der Verfassungsgerichtshof vorerst keinen Anlaß, die tatsächliche Behandlung des Geschäftsstücks im Gemeinderat zu erheben. Sollte nämlich der hier bekämpfte Berufungsbescheid auf eine Willensbildung aufgrund bloßer Auflage des Geschäftsstückes zur Einsicht durch die Mitglieder des Gemeinderates zurückzuführen sein, so wäre die Präjudizialität des § 19 Abs 4 GeschO in der gleichen Weise zu beurteilen wie im Beschwerdefall B1747/88. Sollte hingegen - wegen des von einem Gemeinderatsmitglied geäußerten Verlangens auf Beratung - eine förmliche Beschlußfassung im Kollegium erfolgt sein, so wäre § 19 Abs 4 GeschO - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt - gleichfalls präjudiziell, weil diese Vorschrift eben die geschäftsordnungsmäßige Behandlung des zur Rechtsmittelentscheidung führenden Geschäftsstückes (als sogenanntes Auflagestück i.S. der Anlage A zu § 19 Abs 4 GeschO) bis zur Beratung im Kollegium regelt, inbesondere den Umstand, daß sowie unter welchen Voraussetzungen überhaupt eine Beratung über den zu erlassenden Berufungsbescheid stattzufinden hat.
2. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des § 19 Abs 4 GeschO ergeben sich im Hinblick auf das inhaltliche Verhältnis dieser Verordnungsbestimmung zum Statut der Landeshauptstadt Graz 1967. Auch in dieser Beziehung verweist der Verfassungsgerichtshof auf die Begründung seines Beschlusses B1747/88."
III. Aus Anlaß 15 weiterer Beschwerdesachen, in denen Gegenstand der Beschwerde jeweils ein namens des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz im Instanzenzug erlassener Bescheid bildet, leitete der Verfassungsgerichtshof ebenfalls Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich des § 19 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Stadt Graz ein (V 118/89 bis V132/89) und bezog sich hiebei auf die Begründung seiner unter I/B und II/B in den wesentlichen Teilen wiedergegebenen Einleitungsbeschlüsse.
IV. Der Verwaltungsgerichtshof stellt aus Anlaß von 51 gleichgelagerten, bei ihm anhängigen Beschwerdefällen unter A3/90 bis A15/90 sowie A17/90 bis A54/90 die Anträge, die erwähnte Verordnungsbestimmung als gesetzwidrig aufzuheben (V 97/90 bis V109/90, V112/90 bis V149/90). Er beurteilt die Präjudizialität dieser Vorschrift für seine Fälle gleich wie der Verfassungsgerichtshof bei der unter II. beschriebenen Beschwerdesache und hegt die gleichen Gesetzmäßigkeitsbedenken.
V. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz sowie die Steiermärkische Landesregierung sahen davon ab, Äußerungen zu erstatten.
Beim Verfassungsgerichtshof langten lediglich von einem Beamten des Magistrates namens des Bürgermeisters gefertigte Schreiben ein (in denen auf Schriftsätze bestimmter Beschwerdeverfahren verwiesen wird); in diesen Schreiben wird jedoch nicht dargetan, aufgrund welcher rechtlicher Erwägungen der Bürgermeister die Befugnis in Anspruch nimmt, ohne Berufung auf einen Willensakt des Gemeinderates für ihn in den Prüfungsverfahren Erklärungen abzugeben.
VI. 1. Die - hiemit zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Prüfungsverfahren sind zulässig; sämtliche Prozeßvoraussetzungen einschließlich der Präjudizialität sind gegeben.
2. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des § 19 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz (im folgenden auch: GeschO) erweisen sich als gerechtfertigt.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der im Einleitungsbeschluß (- das Vorliegen mehrerer Einleitungsbeschlüsse sowie der auf den gleichen Bedenken beruhenden Anträge des Verwaltungsgerichtshofs wird im folgenden der Einfachheit wegen sprachlich vernachlässigt -) geäußerten Meinung, daß aus seinem in einer Beschwerdesache gefällten Erk. VfSlg. 5173/1965 für diesen Prüfungsfall nichts abzuleiten ist. Wenn der Gerichtshof in diesem Erkenntnis gegen die dem § 19 Abs 4 entsprechende Vorschrift der früheren Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz keine Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit äußerte, so ist dies vor dem Hintergrund der damals maßgebenden Gemeinderechtslage erklärbar; es bestand damals keine die Modalitäten der Willensbildung im Gemeinderat im Detail regelnde gesetzliche Vorschrift, insbesondere keine solche, die eine Abstimmung durch Erheben der Hand vorsah. Der Verfassungsgerichtshof hält auch an der vorläufigen Annahme des Prüfungsbeschlusses fest, daß § 51 des Stadtstatutes in zweierlei Hinsicht abschließende Anordnungen enthält: Einmal dahin, daß die zur Beschlußfassung führende Willensbildung im Gemeinderat ausschließlich durch Abstimmung stattfinden kann, und weiters in bezug auf die Technik der Abstimmung, nämlich daß als solche ausschließlich das Erheben der Hand sowie - in bestimmten anderen Fällen - die Abstimmung mit Stimmzetteln und die namentliche Abstimmung in Betracht kommen. Die sprachlichen Aussagen des § 51, insbesondere dessen Absatz 3, über die hier in Erörterung stehenden Fragen sind völlig eindeutig; es fehlt jedweder Anhaltspunkt in der Richtung, daß der Gemeinderat - etwa aus praktischen Gründen (zB wegen der sehr großen Zahl zu treffender Rechtsmittelentscheidungen) - befugt wäre, andere als die ausdrücklich vorgesehenen Methoden der Willensbildung festzulegen. Es trifft daher das Bedenken zu, daß diese im Gesetz angeordnete Beschränkung des Gemeinderates bei der Festlegung der zur Willensbildung führenden Methoden es ihm insbesondere verwehrt, eine Beschlußfassung vorzusehen, die ihrer Art nach eine Zustimmung durch Verschweigen (statt durch ausdrückliche Willenskundgebung) bedeutet. Die im § 19 Abs 4 GeschO festgelegte Methode der Beschlußfassung steht sohin mit § 51 des Stadtstatutes nicht im Einklang. Da sich die Gesetzwidrigkeit schon aus diesen Gründen ergibt, erscheint es dem Verfassungsgerichtshof entbehrlich, auf die im Einleitungsbeschluß aufgeworfene weitere Frage einzugehen, ob sich eine andere als die dargestellte Auslegung des § 51 auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen verbietet.
3. Der Verfassungsgerichtshof hatte sohin auszusprechen, daß § 19 Abs 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als gesetzwidrig aufgehoben wird.
Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art 139 Abs 5 letzter Satz B-VG.
Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 VerfGG.
VII. Diese Entscheidung wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Fundstelle(n):
KAAAE-28914