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VfGH vom 06.10.2006, v115/05

VfGH vom 06.10.2006, v115/05

Sammlungsnummer

17961

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der die Festlegung von Voraussetzungen für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung betreffenden Verordnungsermächtigung der Übernahmekommission und damit in untrennbarem Zusammenhang stehender Bestimmungen im Übernahmegesetz im Zusammenhang mit dem Pflichtangebot bei kontrollierender Beteiligung wegen Überschreitung des verfassungsrechtlich bestimmten Rahmens des Wirkungsbereiches einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag durch den einfachen Gesetzgeber; unzulässiger Eingriff in die Leitungsbefugnis der Obersten Organe der Vollziehung;

keine parlamentarische Kontrolle bei Verordnungserlassung durch weisungsfreie Verwaltungsbehörden; Unzulässigkeit der Festlegung der Maßstäbe für das eigene Handeln durch die Übernahmekommission;

Feststellung der Gesetzwidrigkeit der gesamten Übernahmeverordnung nach Wegfall ihrer gesetzlichen Grundlage

Spruch

I. Folgende Bestimmungen des Übernahmegesetzes, BGBl. I Nr. 127/1998, waren verfassungswidrig:


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§22 Abs 1, 2, 5 und 6;
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§25 Abs 1 und 2 sowie
-
die Wortfolge "oder 2. seiner Verpflichtung zur Stellung eines Angebots (§§22 bis 25) oder zur Mitteilung (§25 Abs 1) nach dem
3. Teil dieses Bundesgesetzes nicht entsprochen" in § 34 Abs 1.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Im Übrigen wird das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

II. Die Verordnung der Übernahmekommission vom zum Übernahmegesetz (1. Übernahmeverordnung - 1. ÜbV), kundgemacht im Veröffentlichungsblatt der Wiener Börse AG vom , Veröffentlichung Nr. 115, war gesetzwidrig.

Die Bundesministerin für Justiz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Einleitung der Gesetzes- und Verordnungsprüfung

1. Mit Bescheid vom stellte die Übernahmekommission fest, dass die BU Industrieholding GmbH, im Firmenbuch unter FN 193960 k eingetragen, mit Sitz in Wien (im Folgenden: BUI), eine kontrollierende Beteiligung iSd Übernahmegesetzes an der Böhler Uddeholm AG, im Firmenbuch unter FN 78568 t eingetragen, mit Sitz in Wien (im Folgenden: BUD), erlangt und es pflichtwidrig unterlassen hat, eine Mitteilung über den Sachverhalt an die Übernahmekommission zu erstatten, weshalb ihr Stimmrecht aus den Aktien der BUD gemäß § 34 Abs 1 Z 2 Übernahmegesetz spätestens seit ruhe; ferner hob die Übernahmekommission diese von Gesetzes wegen eingetretene Sanktion des Ruhens der Stimmrechte gemäß § 34 Abs 6 leg. cit. unter näher bestimmten Bedingungen auf und wies u.a. den Antrag der BUI auf Feststellung der mangelnden Parteistellung von Hon. Prof. Mag. Dr. Wilhelm Rasinger (im Folgenden: Dr. Rasinger) und des IVA Interessenverbandes für Anleger (im Folgenden: IVA) unter Auferlegung betragsmäßig bestimmter Verfahrenskosten ab.

2. Gegen diesen Bescheid richten sich die auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden des IVA (zu B389/05 protokolliert), des Dr. Rasinger (zu B390/05 protokolliert) und der BUI (zu B393/05 protokolliert) an den Verfassungsgerichtshof, in denen jeweils die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht wird.

3. Aus Anlass dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 1, 2, 5 und 6, des § 25 Abs 1 und 2, des § 34 Abs 1, 2 und 6 des Übernahmegesetzes, BGBl. I Nr. 127/1998 (im Folgenden: ÜbG), sowie ob der Gesetzmäßigkeit des § 3 Abs 1 und des § 6 der Verordnung der Übernahmekommission vom zum Übernahmegesetz (1. Übernahmeverordnung - 1. ÜbV; im Folgenden: 1. ÜbV), entstanden.

Zur Prüfung der Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof daher mit Beschluss vom ein Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Ausspruch beantragt, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, die zur Erlassung entsprechender Ersatzregelungen erforderlich sei. Mit gleicher Begründung begehrte die gemäß § 58 Abs 2 VfGG aufgeforderte Bundesministerin für Justiz in ihrer Äußerung die Setzung einer nicht näher bestimmten Frist für das Außerkrafttreten allenfalls aufgehobener Rechtsvorschriften.

Die beschwerdeführenden Parteien des Anlassverfahrens, die BUD als Zielgesellschaft und die Übernahmekommission erstatteten ebenfalls Äußerungen.

II. Die für dieses Verfahren maßgebende einfachgesetzliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Allgemeines und Definitionen

Die einfachgesetzliche Grundlage des angefochtenen Bescheides ist im Wesentlichen das ÜbG; es gilt für öffentliche Angebote zum Erwerb von Beteiligungspapieren, die von einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ausgegeben wurden und an einer österreichischen Börse zum amtlichen Handel oder zum geregelten Freiverkehr zugelassen sind (§2 ÜbG). § 1 ÜbG enthält Definitionen von Begriffen, die im Gesetz wiederkehren, und lautet:

"Begriffe

§ 1. Im Sinn dieses Bundesgesetzes bedeuten:

1. Übernahmeangebot (Angebot): ein öffentliches Angebot an die Inhaber von Beteiligungspapieren einer Aktiengesellschaft zum Erwerb eines Teils oder aller Beteiligungspapiere gegen Barzahlung oder im Austausch gegen andere Wertpapiere.

2. Zielgesellschaft: die Aktiengesellschaft, deren Beteiligungspapiere Gegenstand eines Angebots sind.

3. Bieter: jede natürliche oder juristische Person und jede Personengesellschaft, die ein Angebot stellt, beabsichtigt, ein solches zu stellen, oder hiezu verpflichtet ist.

4. Beteiligungspapiere: börsenotierte Aktien und sonstige übertragbare börsenotierte Wertpapiere, die mit einer Gewinnbeteiligung oder einer Abwicklungsbeteiligung verbunden sind; weiters übertragbare Wertpapiere, die zum Erwerb solcher Wertpapiere berechtigen, wenn diese von der Zielgesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen im Sinn des § 228 Abs 3 HGB ausgegeben wurden.

5. Börsetag: ein Tag, an dem das Handelssystem der Wiener Börse zum Geschäftsabschluß zur Verfügung steht."

Die Zielgesellschaft iS dieser Begriffsbestimmungen ist im vorliegenden Fall die BUD. Die Beteiligungspapiere sind die Aktien dieser Gesellschaft.

2. Grundsätze

§ 3 ÜbG enthält folgende Grundsätze:

"Allgemeine Grundsätze für öffentliche Übernahmeangebote

§ 3. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind Ausdruck folgender allgemeiner Grundsätze:

1. Alle Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft, die sich in gleichen Verhältnissen befinden, müssen gleich behandelt werden, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist.

2. Die Empfänger des Angebots müssen über genügend Zeit und hinreichende Informationen verfügen, um in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden zu können.

3. Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft müssen im Interesse aller Aktionäre und sonstigen Inhaber von Beteiligungspapieren wie auch im Interesse der Arbeitnehmer, der Gläubiger und im öffentlichen Interesse handeln.

4. Beim Handel mit Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften dürfen keine Marktverzerrungen geschaffen werden.

5. Das Übernahmeverfahren ist rasch durchzuführen; insbesondere darf die Zielgesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit durch ein Übernahmeangebot nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus behindert werden."

3. Freiwillige Angebote und Pflichtangebote

Das Gesetz unterscheidet ferner zwischen freiwilligen öffentlichen Übernahmeangeboten (2. Teil) und Pflichtangeboten (3. Teil). Wann ein Pflichtangebot zu stellen ist, regelt § 22 ÜbG, welcher in der Stammfassung lautet (die für verfassungswidrig erklärten Abssind durch Fettdruck hervorgehoben):

"Pflicht zur Stellung eines Angebots bei

kontrollierender Beteiligung

§22. (1) Wer eine kontrollierende Beteiligung an einer Gesellschaft (Zielgesellschaft) erlangt, muß ein den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechendes Angebot für alle Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft stellen und dies innerhalb von 20 Börsetagen der Übernahmekommission anzeigen (§10 Abs 1).

(2) Eine kontrollierende Beteiligung ist eine Beteiligung, die es dem Bieter allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern (§23 Abs 1) ermöglicht, einen beherrschenden Einfluß auf die Zielgesellschaft auszuüben.

(3) Eine kontrollierende Beteiligung liegt auch dann vor, wenn Anteilsrechte oder sonstige Rechte an einem anderen Rechtsträger als der Zielgesellschaft bestehen, die mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf die Zielgesellschaft ermöglichen.

(4) Eine kontrollierende Beteiligung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Beteiligte allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern (§23 Abs 1) die Voraussetzungen eines der Tatbestände des § 244 Abs 2 Z 1 bis 3 HGB erfüllt.

(5) Die Übernahmekommission hat durch Verordnung nähere Voraussetzungen für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung zu umschreiben. Hiebei ist auf die für die Entstehung eines beherrschenden Einflusses wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Bedacht zu nehmen, insbesondere auf

1. die Höhe des Hundertsatzes der Beteiligung am stimmberechtigten Grundkapital,

2. die Streuung des sonstigen stimmberechtigten Aktienbesitzes,

3. das üblicherweise in den Hauptversammlungen vertretene stimmberechtigte Grundkapital und

4. die Bestimmungen der Satzung.

Die Verordnung hat einen Hundertsatz der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte festzulegen, bei dessen Erreichen durch den Bieter allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern (§23 Abs 1) das Vorliegen einer kontrollierenden Beteiligung vermutet wird; die Satzung kann einen niedrigeren Hundertsatz als den in der Verordnung festgelegten vorsehen, jedoch nicht weniger als 20 vom Hundert (§27 Abs 1 Z 1). Diese Vermutung kann insbesondere durch den Nachweis widerlegt werden, daß ein anderer Aktionär gemeinsam mit den mit ihm konzernmäßig verbundenen Aktionären über mehr Stimmrechte an der Zielgesellschaft als der Bieter und die mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträger (§23 Abs 1) verfügt.

(6) Die Verordnung kann weiters vorsehen, daß ein Angebot nach Abs 1 auch zu stellen hat, wer zu einer kontrollierenden Beteiligung, ohne daß ihm die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft zusteht (§244 Abs 2 Z 1 HGB), innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten Aktien hinzuerwirbt, die ihm zusätzlich zwei vom Hundert oder einen höheren in der Verordnung festgelegten Hundertsatz der Stimmrechte der Gesellschaft verschaffen.

(7) Auf Pflichtangebote sind die Bestimmungen des zweiten Teils anzuwenden, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt wird.

(8) Das Angebot muß auf Erwerb durch Kauf gegen Barzahlung einer bestimmten, spätestens zehn Börsetage nach der unbedingten Verbindlichkeit des Angebots zu entrichtenden Geldsumme lauten. Der Bieter kann daneben auch den Tausch in andere Wertpapiere anbieten. Beteiligungspapierinhaber, die von der Nachfrist gemäß § 19 Abs 3 Gebrauch gemacht haben, haben Anspruch auf Barzahlung spätestens zehn Börsetage nach Ablauf der Nachfrist.

(9) Ein Erwerb von Aktien, der eine Verpflichtung zum Angebot auslösen würde, ist unzulässig, wenn der Erwerber bei sorgfältiger Prüfung nicht überzeugt ist, daß ihm die zur vollständigen Erfüllung seiner Verpflichtung notwendigen Mittel rechtzeitig zur Verfügung stehen.

(10) Das Angebot darf nicht bedingt sein, es sei denn, daß die Bedingung gesetzlich geboten ist.

(11) Auf freiwillige Angebote, nach deren Inhalt der Bieter zusammen mit gemeinsam mit ihm vorgehenden Rechtsträgern (§23 Abs 1) eine kontrollierende Beteiligung erlangen könnte, finden - abgesehen von Abs 10 - die Bestimmungen dieses Teils sinngemäß Anwendung. Diese Angebote sind kraft Gesetzes dadurch bedingt, daß der Bieter und mit ihm gemeinsam vorgehende Rechtsträger nach Ablauf der Angebotsfrist über mehr als 50 vom Hundert der auf die ständig stimmberechtigten Aktionäre entfallenden Stimmrechte verfügen; Aktien, für die bis zu diesem Zeitpunkt das Angebot bereits angenommen wurde, werden dem Bieter zugerechnet."

4. Kontrollierende Beteiligung

Ob ein Pflichtangebot zu stellen ist, hängt demnach im Wesentlichen davon ab, ob jemand an der Zielgesellschaft eine kontrollierende Beteiligung erwirbt, also eine Beteiligung, die es dem Bieter allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern ermöglicht, einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft auszuüben (§22 Abs 2 ÜbG). Dieser beherrschende Einfluss kann auch indirekt durch Beteiligungen an einem anderen Rechtsträger erworben werden, wenn der Beteiligte allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern die Voraussetzungen eines der Tatbestände des § 244 Abs 2 Z 1 bis 3 HGB erfüllt, also in jenen Fällen, in denen eine Kapitalgesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses oder Konzernberichtes verpflichtet ist.

§ 244 Abs 2 Z 1 bis 3 HGB, dRGBl. S 219/1897 idF BGBl. I Nr. 125/1998, lauten:

"Pflicht zur Aufstellung

§ 244.

...

(2) Eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland ist stets zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichtes verpflichtet (Mutterunternehmen), wenn ihr bei einem Unternehmen (Tochterunternehmen)

1. die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht,

2. das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und sie gleichzeitig Gesellschafter ist oder

3. das Recht zusteht, einen beherrschenden Einfluss auszuüben, oder

..."

Für diese im ÜbG vorgesehenen Tatbestände hat die Übernahmekommission gemäß § 22 Abs 5 und 6 in einer Verordnung nähere Voraussetzungen für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung zu umschreiben. Sie tat dies durch Erlassung von zwei Verordnungen. In die 1. ÜbV (veröffentlicht im Veröffentlichungsblatt der Wiener Börse AG vom , Veröffentlichung Nr. 115, und auf der Homepage der Übernahmekommission, http://www.takeover.at) nahm sie zwei Tatbestände auf, bei deren Vorliegen eine kontrollierende Beteiligung (widerleglich) vermutet wird. Nach § 2 der 1. ÜbV wird bei einer Beteiligung von mindestens 30% eine kontrollierende Beteiligung vermutet. Nach § 3 der 1. ÜbV wird bei einer Beteiligung (unter Einschluss anderer Rechtsträger) von mindestens 20%, aber weniger als 30% eine kontrollierende Beteiligung vermutet, wenn weiters der Stimmrechtsanteil in jeder der letzten drei abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlungen mehr als die Hälfte der anwesenden oder vertretenen Stimmrechte (Hauptversammlungsmehrheit) dargestellt hätte. Die §§1 bis 3 der 1. ÜbV lauten:

"§1. Eine kontrollierende Beteiligung liegt vor, wenn dem Beteiligten allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern (§23 ÜbG und 2. Abschnitt dieser Verordnung)

1. die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht,

2. das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und der Beteiligte gleichzeitig Gesellschafter ist oder

3. das Recht zusteht, einen beherrschenden Einfluß auszuüben (§244 Abs 2 Z 1 bis 3 HGB).

§2. (1) Das Vorliegen einer kontrollierenden Beteiligung wird vermutet, wenn der Beteiligte allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern (§23 ÜbG und 2. Abschnitt dieser Verordnung) mindestens 30 vom Hundert der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte erlangt.

(2) Die Vermutung kann insbesondere durch den Nachweis widerlegt werden, daß

1. ein anderer Aktionär gemeinsam mit den mit ihm konzernmäßig verbundenen Aktionären über gleich viele oder mehr Stimmrechte an der Zielgesellschaft als der Beteiligte und die mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträger verfügt (§22 Abs 5 ÜbG); oder

2. ein anderer Aktionär zusammen mit den mit ihm auf Grund einer Vereinbarung über die Ausübung der Stimmrechte gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern über gleich viele oder mehr Stimmrechte an der Zielgesellschaft als der Beteiligte und die mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträger verfügt.

§3. (1) Das Vorliegen einer kontrollierenden Beteiligung wird weiters vermutet, wenn

1. der Beteiligte allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern (§23 ÜbG und 2. Abschnitt dieser Verordnung) mindestens 20 vom Hundert, aber weniger als 30 vom Hundert der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte erlangt und

2. der Beteiligte allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern über einen Stimmrechtsanteil verfügt, der in jeder der letzten drei abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlungen mehr als die Hälfte der anwesenden oder vertretenen Stimmrechte (Hauptversammlungsmehrheit) dargestellt hätte.

Für die Berechnung der Hauptversammlungsmehrheit ist das gemäß § 110 AktG vor der ersten Abstimmung vorzulegende Teilnehmerverzeichnis maßgeblich. Sollten seit der Börseneinführung weniger als drei ordentliche Hauptversammlungen abgehalten worden sein, sind alle seither abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlungen heranzuziehen.

(2) Die Vermutung kann insbesondere durch den Nachweis widerlegt werden, daß

1. ein anderer Aktionär allein oder zusammen mit den mit ihm konzernmäßig verbundenen oder auf Grund einer Vereinbarung über die Ausübung der Stimmrechte gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern mindestens 10 vom Hundert des ständig stimmberechtigten Grundkapitals hält; oder

2. mindestens drei Aktionäre jeweils allein oder zusammen mit den mit ihnen konzernmäßig verbundenen oder auf Grund einer Vereinbarung über die Ausübung der Stimmrechte gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern jeweils mindestens fünf vom Hundert des ständig stimmberechtigten Grundkapitals halten."

§ 6 der 1. ÜbV lautet:

"§6. Eine kontrollierende Beteiligung kann auch ohne den Erwerb von Aktien erlangt werden."

Ferner erließ die Übernahmekommission am eine 2. Übernahmeverordnung, die am in Kraft trat (veröffentlicht im Veröffentlichungsblatt der Wiener Börse AG vom , Veröffentlichung Nr. 90 und auf der Homepage der Übernahmekommission, http://www.takeover.at, im Folgenden: 2. ÜbV) und deren §§1 bis 3 lauten:

"§1. Wer zu einer kontrollierenden Beteiligung, ohne daß ihm die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft zusteht (§244 Abs 2 Z 1 HGB), innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten Aktien hinzuerwirbt, die ihm zusätzlich zwei vom Hundert oder mehr der Stimmrechte der Gesellschaft verschaffen, muß ein Angebot nach § 22 ÜbG stellen.

§2. (1) Die Pflicht zur Stellung eines Angebots nach § 1 besteht nicht, wenn eine Ausnahme von der Angebotspflicht gemäß § 24 ÜbG vorliegt.

(2) Abweichend von § 1 genügt eine Mitteilung über den Sachverhalt gemäß § 25 ÜbG, wenn einer der Tatbestände gemäß § 25 Abs 1 ÜbG vorliegt.

§ 3. Weiters genügt abweichend von § 1 eine Mitteilung an die Übernahmekommission gemäß § 25 ÜbG, wenn

1. der Erwerb durch ein öffentliches Angebot iSd ÜbG erfolgt und

2. nach dem Erwerb die Beteiligung des Erwerbers und der mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträger nicht mehr als 47 vom Hundert beträgt."

In der Literatur werden diese Tatbestände, die einen "schleichenden Anteilserwerb" regeln, auch "creeping in" genannt.

5. Pflichten bei Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung

Bei Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung besteht die Pflicht zur Legung eines Angebotes bzw. eine Anzeigepflicht. Die Übernahmekommission kann die Stellung eines Pflichtangebotes an die Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft anordnen. Sieht sie davon ab, so kann sie ihre Entscheidung von Bedingungen abhängig machen und Auflagen aussprechen. Der dies vorsehende § 25 ÜbG in der Stammfassung lautet:

"Anzeigepflicht bei kontrollierender Beteiligung

§25. (1) Abweichend von § 22 genügt eine innerhalb von 20 Börsetagen zu erstattende Mitteilung über den Sachverhalt an die Übernahmekommission, wenn

1. bei Erlangen einer mittelbaren Beteiligung (§22 Abs 3) der Buchwert der unmittelbaren Beteiligung an der Zielgesellschaft weniger als 25 vom Hundert des buchmäßigen Nettoaktivvermögens des Rechtsträgers gemäß § 22 Abs 3 beträgt;

2. Aktien innerhalb einer Gruppe von Aktionären im Sinne des § 23 Abs 1 übertragen werden und sich die Zusammensetzung der Gruppe nur geringfügig ändert;

3. die für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung erforderliche Zahl an Stimmrechten geringfügig sowie nur vorübergehend oder unbeabsichtigt überschritten wird;

4. Aktien zu bloßen Sanierungszwecken oder zur Sicherung von Forderungen erworben werden.

Die Übernahmekommission kann durch Verordnung die Tatbestände der Z 1 bis 4 näher umschreiben und weitere Fälle bestimmen, in denen abweichend von § 22 eine Mitteilung des Sachverhalts genügt, wenn eine Gefährdung von Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft nicht zu besorgen ist oder wenn überwiegende gesamtwirtschaftliche Interessen für die Befreiung vom Pflichtangebot sprechen.

(2) Die Übernahmekommission kann in den Fällen des Abs 1 die Stellung eines Pflichtangebots an die Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft anordnen; sieht sie davon ab, so kann sie ihre Entscheidung von Bedingungen abhängig machen und Auflagen aussprechen. Die Übernahmekommission hat ihre Entscheidung insbesondere davon abhängig zu machen, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft zu besorgen ist. Auf Antrag des Bieters hat die Übernahmekommission möglichst rasch, längstens innerhalb eines Monats ab Einlangen des Antrags zu entscheiden, ob ein Pflichtangebot gestellt werden muß. Ordnet die Übernahmekommission die Stellung eines Angebots an, so hat sie gleichzeitig die Frist festzulegen, innerhalb welcher die Anzeige gemäß § 10 Abs 1 zu erstatten ist.

(3) Die Übernahmekommission kann durch Verordnung nähere Voraussetzungen für Entscheidungen gemäß Abs 2 umschreiben. Hiebei hat sie insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, ob die Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluß auf die Zielgesellschaft auszuüben, in zuverlässiger und dauerhafter Weise abgesichert ist, ob der Erwerbsvorgang vorrangig auf die Erlangung eines beherrschenden Einflusses über die Zielgesellschaft gerichtet war, ob der Erwerber oder ein konzernmäßig mit ihm verbundener Rechtsträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen mit gleichem oder verwandtem Unternehmensgegenstand hält, ob eine einheitliche Leitung besteht und ob im Fall des Abs 1 Z 1 die Beteiligung einen wesentlichen Teil der Aktiva des Rechtsträgers darstellt."

6. Preis des Pflichtangebotes

Der Preis des Pflichtangebotes richtet sich nach den Bestimmungen des § 26 Abs 1 ÜbG.

7. Feststellungsverfahren und zivilrechtliche Sanktionen

§ 33 ÜbG sieht ein besonderes Feststellungsverfahren vor der Übernahmekommission vor, in dem sie unter anderem auf Antrag oder von Amts wegen feststellt, ob ein Pflichtangebot nicht gestellt oder nicht angeordnet wurde oder eine gebotene Mitteilung unterlassen wurde. Ferner hat die Übernahmekommission festzustellen, ob zivilrechtliche Sanktionen nach § 34 ÜbG eingetreten sind. Die zivilrechtlichen Sanktionen, worunter auch das Ruhen der Stimmrechte (§34 Abs 1 Z 2 2. Fall ÜbG) fällt, treten automatisch ein. Details über diese zivilrechtlichen Sanktionen enthält § 34 ÜbG.

Die Übernahmekommission hat die Rechtsfolgen sowie die von ihr festgesetzten Bedingungen unter bestimmten Voraussetzungen aufzuheben (§34 Abs 6 ÜbG).

Die §§33 und 34 ÜbG, BGBl. I Nr. 127/1998, lauten:

"Besondere Vorschriften über das Pflichtangebot, die Preisbildung und

zivilrechtliche Sanktionen

§33. (1) Die Übernahmekommission kann von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei mit Wirkung für und gegen den Bieter, die gemeinsam mit ihm vorgehenden Rechtsträger (§23 Abs 1), die Zielgesellschaft und die Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft feststellen, ob

1. ein Angebot unter Verletzung der Bestimmungen des 2. oder 3. Teils dieses Bundesgesetzes durchgeführt wurde, in[s]besondere ob bei einem Pflichtangebot der angebotene Preis den gesetzlichen Vorschriften (§26) nicht entsprochen hat;

2. ein Pflichtangebot zu Unrecht nicht gestellt oder nicht angeordnet wurde oder eine gebotene Mitteilung unterlassen wurde (§§22 bis 25);

3. zivilrechtliche Sanktionen nach § 34 eingetreten sind.

Für diese Verfahren gelten die Bestimmungen der Abs 2 bis 7.

(2) Parteien des Verfahrens sind:

1. der Bieter;

2. mit dem Bieter gemeinsam vorgehende Rechtsträger (§23 Abs 1), wenn diese Eigenschaft vom Rechtsträger selbst bejaht wird, bereits festgestellt wurde oder Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist;

3. die Zielgesellschaft (ausgenommen in einem Verfahren nach § 26 Abs 5);

4. Beteiligungspapierinhaber der Zielgesellschaft, die allein oder gemeinsam mit anderen Beteiligungspapierinhabern über Aktien mit einem Nennbetrag oder anteiligen Betrag von einem Hundertstel des Grundkapitals verfügen, oder über Beteiligungspapiere im anteiligen Betrag von mindestens einer Million Schilling, wenn sie diese Voraussetzung glaubhaft machen und - falls es sich um mehrere Beteiligungspapierinhaber handelt - einen gemeinsamen Vertreter bestellt haben. Ab Anpassung der Aktiennennbeträge an Euro-Nennbeträge tritt an die Stelle des Betrags von einer Million Schilling der Betrag von 70 000 Euro.

(3) Die Übernahmekommission hat die Einleitung des Verfahrens unverzüglich zu veröffentlichen (§11 Abs 1 dritter Satz). Sie hat in dieser Veröffentlichung den Bieter und mit ihm gemeinsam vorgehende Rechtsträger (§23 Abs 1) mit Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland aufzufordern, Zustellungsbevollmächtigte gemäß § 10 Abs 2 zu bestellen. Weiters hat sie in der Veröffentlichung Inhaber von Beteiligungspapieren unter Setzung einer Frist von einem Monat darauf hinzuweisen, daß sie sich dem Verfahren unter den Voraussetzungen des Abs 2 Z 4 anschließen können. Nach Ablauf dieser Frist sind Anträge weiterer Beteiligungspapierinhaber unzulässig; darauf ist in der Veröffentlichung hinzuweisen.

(4) Die Übernahmekommission hat zur Wahrung der Rechte der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft die beantragte Entscheidung auch dann zu treffen, wenn alle Parteien gemäß Abs 2 ihre allfälligen Anträge zurückziehen.

(5) Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Gebühren der Sachverständigen, trägt der Bieter. Sie sind jedoch insoweit der Zielgesellschaft ganz oder zum Teil nach Billigkeit aufzuerlegen, als diese einen Antrag oder Gegenantrag gestellt hat und überhaupt oder ab einem bestimmten Zeitpunkt voraussehen konnte, daß ihr Antrag einen nicht zweckentsprechenden Verfahrensaufwand verursacht; unter den gleichen Voraussetzungen können den Beteiligungspapierinhabern Verfahrenskosten auferlegt werden. Die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung der Zielgesellschaft und der Beteiligungspapierinhaber sind nach Billigkeit ganz oder zum Teil dem Bieter aufzuerlegen, insbesondere wenn ihren Anträgen stattgegeben wird.

(6) Die Übernahmekommission kann zur Überprüfung der Angemessenheit des Preises des Pflichtangebots ein Gutachten des Gremiums gemäß § 225g AktG einholen. § 225g und § 225h AktG gelten sinngemäß. Die Übernahmekommission darf jedoch einen Vergleich vor dem Gremium nur dann genehmigen, wenn damit die Rechte der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft angemessen berücksichtigt werden.

(7) Hat ein Bieter (ein mit ihm gemeinsam vorgehender Rechtsträger gemäß § 23 Abs 1) mit Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nach der Veröffentlichung gemäß Abs 3 keinen Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht, kann die Übernahmekommission auf Kosten des Bieters einen Zustellungsbevollmächtigten bestellen.

Zivilrechtliche Sanktionen

§34. (1) Hat ein Aktionär

1. Beteiligungspapiere unter Verletzung der Vorschriften des 2. Teils dieses Bundesgesetzes erworben oder

2. seiner Verpflichtung zur Stellung eines Angebots (§§22 bis 25) oder zur Mitteilung (§25 Abs 1) nach dem 3. Teil dieses Bundesgesetzes nicht entsprochen, so ruht sein Stimmrecht.

(2) Auf Antrag des Bieters (jedes mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträgers gemäß § 23 Abs 1) kann die Übernahmekommission in Fällen geringfügiger Verletzungen dieses Bundesgesetzes eine Ausnahme vom Ruhen der Stimmrechte gewähren; sie kann ihre Entscheidung von Bedingungen abhängig machen und Auflagen aussprechen.

(3) Bei schweren Verletzungen der Vorschriften dieses Bundesgesetzes kann die Übernahmekommission auch das Ruhen der sonstigen Rechte des Beteiligungspapierinhabers verfügen; solange Vermögensrechte ruhen, verfallen die entsprechenden Zahlungen zugunsten der Gesellschaft.

(4) Weiters kann jeder Verkäufer bei schweren Verletzungen der Vorschriften dieses Bundesgesetzes von einem in Durchführung des Angebots geschlossenen Vertrag innerhalb von sechs Monaten ab Bekanntmachung der Entscheidung der Übernahmekommission durch Erklärung gegenüber dem Käufer zurücktreten und bereits abgewickelte Verkäufe rückgängig machen. Dabei hat der Verkäufer Zug um Zug gegen Rückgabe der Aktien nach seiner Wahl

a) den seinerzeit erhaltenen Kaufpreis oder

b) den Geldwert der Aktien zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung oder

c) den Geldwert der Aktien zum Zeitpunkt der Rückabwicklung zu erstatten.

(5) Eine schwere Verletzung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn

1. der Bieter das Übernahmeangebot durchgeführt hat, obwohl die Übernahmekommission auf die Verletzung bestimmter Vorschriften hingewiesen und die Untersagung des Übernahmeangebots angedroht oder tatsächlich ausgesprochen hat;

2. der Bieter der Aufforderung der Übernahmekommission, die von ihr festgelegten geeigneten Maßnahmen zur Wiedergutmachung der Folgen seines gesetzwidrigen Verhaltens zu setzen, nicht entspricht.

(6) Die Übernahmekommission hat die Sanktionen gemäß Abs 1, 3 und 4 sowie gemäß Abs 2 festgesetzte Bedingungen und Auflagen aufzuheben, wenn sie

1. feststellt, daß die unter Verletzung von Vorschriften des 2. Teils dieses Bundesgesetzes erworbenen Aktien wieder abgegeben wurden oder die Folgen des rechtswidrigen Verhaltens in anderer Weise wiedergutgemacht wurden;

2. im Fall der Verletzung von Vorschriften des 3. Teils feststellt, daß ein den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechendes Angebot gemacht wurde oder daß eine nach § 25 zu erstattende Mitteilung gemacht wurde und eine Angebotspflicht nicht besteht oder daß die Folgen des rechtwidrigen Verhaltens in anderer Weise wiedergutgemacht wurden.

Die Übernahmekommission kann ihre Entscheidungen unter Bedingungen und Auflagen erlassen."

8. Form der Kundmachung der ÜbV

Die schon erwähnten ÜbV wurden im Veröffentlichungsblatt der Wiener Börse AG publiziert. Diese Kundmachungsform ist in § 28 Abs 8 zweiter Satz ÜbG vorgesehen. Abs 8 des § 28 ÜbG idF BGBl. I Nr. 98/2001 lautet folgendermaßen:

"§28.

...

(8) Die Geschäftsordnung der Übernahmekommission und die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verordnungen sind nach Anhörung des Bundesministers für Justiz, des Bundesministers für Finanzen und des die Wiener Börse leitenden und verwaltenden Börseunternehmens zu erlassen, soweit diese nicht selbst für die Erlassung zuständig sind. Unbeschadet sonstiger Veröffentlichungspflichten sind alle in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verordnungen im Veröffentlichungsblatt des die Wiener Börse leitenden und verwaltenden Börseunternehmens zu veröffentlichen."

III. Die im Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs geäußerten Bedenken

Der Verfassungsgerichtshof stützte seine Bedenken, die in Prüfung gezogenen Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen könnten verfassungs- bzw. gesetzwidrig sein, auf folgende Erwägungen:

"2. Bedenken gegen Bestimmungen des ÜbG

2.1 Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach aussprach, ist es grundsätzlich zulässig, dass Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag auch Verordnungen erlassen (VfSlg. 5095/1963, 5096/1963, 13.564/1993). Der Verfassungsgerichtshof hegt jedoch Bedenken, dass das Recht, Verordnungen zu erlassen, nicht auch jenen Kollegialbehörden zukommen darf, die in diesen Angelegenheiten über Rechtsverhältnisse unter Privaten entscheiden, also ihrer Funktion nach Aufgaben wahrnehmen, die im Allgemeinen in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fallen.

Es scheint nämlich dem System des B-VG fremd zu sein, Organen mit Tribunalcharakter, die über Rechtsverhältnisse Privater zueinander zu entscheiden haben, auch die Befugnis einzuräumen, den Maßstab ihrer Entscheidungen selbst festzulegen. In diese Richtung deutet auch der Umstand, dass das B-VG die allgemeine Befugnis, Verordnungen zu erlassen, auch nur Verwaltungsbehörden überträgt (Art18 Abs 2 B-VG), nicht aber Gerichten. Der Verfassungsgerichtshof hegt also das Bedenken, dass § 22 Abs 5 und 6 dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht.

2.2 Sollten sich nicht schon die oben ausgeführten Bedenken als zutreffend erweisen, so scheint die Verordnungsermächtigung des § 22 Abs 5 und 6 ÜbG zu unbestimmt und daher verfassungswidrig zu sein:

Nach der Bundesverfassung (Art18 Abs 2 B-VG) sind Verordnungen nur 'auf Grund der Gesetze' zu erlassen. Das heißt, dass eine Verordnung bloß präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (s. etwa VfSlg. 11.639/1988 und die dort zitierte Vorjudikatur sowie VfSlg. 14.895/1997). Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen daraus also alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz: VfSlg. 4644/1964, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976); eine bloße formalgesetzliche Delegation, die der Verwaltungsbehörde eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, stünde mit Art 18 Abs 1 (und 2) B-VG in Widerspruch (s. zB VfSlg. 4072/1961, 14.512/1996 und 16.902/2003 sowie , V60/04).

Für nahezu alle im ÜbG vorgesehenen Rechtsfolgen ist Voraussetzung, dass ein Aktionär eine kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft erlangt hat. Dies gilt vor allem auch für das Eintreten der Pflicht zur Stellung eines Angebots (§22 ff. ÜbG). Der Frage, ob und wann eine kontrollierende Beteiligung erlangt wird, kommt somit zentrale Bedeutung zu.

Das ÜbG definiert diesen Begriff anscheinend zunächst durch eine Tautologie, indem es die kontrollierende Beteiligung einer Beteiligung gleichsetzt, die zu einem 'beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft' führt (§22 Abs 2 ÜbG). Dann regelt § 22 ÜbG die mittelbare Beteiligung (§22 Abs 3 und 4 ÜbG), überlässt aber im Übrigen die Ausfüllung der gleichbedeutenden unbestimmten Begriffe 'kontrollierende Beteiligung' bzw. 'beherrschender Einfluss' dem Verordnungsgeber, der auf die 'wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Bedacht zu nehmen' habe. Welche hiebei wesentlich sind, lässt der Gesetzgeber offen. Die dann in § 22 Abs 5 ÜbG beispielsweise (arg: insbesondere) aufgezählten Kriterien für die Verordnung scheinen nicht wirtschaftliche Kriterien zu betreffen. Die Ziffern 1 und 2 dürften bloß die selbstverständliche Tatsache beschreiben, dass die Beherrschung von Beteiligungsverhältnissen der Aktionäre abhängt. Lediglich die Ziffer 3 ('in Hauptversammlungen vertretene stimmberechtigte Grundkapital') scheint ein Element zu enthalten, das nicht schon im Begriff des beherrschenden Einflusses steckt.

Die Kriterien scheinen also insgesamt dem Verordnungsgeber nahezu uneingeschränkte Möglichkeiten einzuräumen, die näheren Voraussetzungen für die Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung festzulegen. Die Übernahmekommission scheint die maßgebenden Prozentsätze innerhalb der weiten Grenzen des Gesetzes frei festsetzen zu können.

Im Ergebnis scheint der Gesetzgeber damit der Übernahmekommission die Festlegung der Voraussetzungen eines Pflichtangebotes zu übertragen, ohne die Kriterien hiefür ausreichend zu bestimmen. Die Festlegung dieser Voraussetzungen scheint aber eine zentrale rechtspolitische Frage des Übernahmerechts zu betreffen, die eine Determinierung im Gesetz selbst erfordern würde (vgl. hiezu auch VfSlg. 14.256/1995). Das ÜbG soll einen Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen Gruppen von Aktionären herstellen. In welcher Richtung dieser Ausgleich stattfinden soll, scheint das Gesetz aber dem Verordnungsgeber zu überlassen.

Die Verordnungsermächtigung dürfte auch in sich widersprüchlich sein. Einerseits wird im dritten Satz des § 22 Abs 5 die Übernahmekommission ermächtigt, 'einen Hundertsatz der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte festzulegen', bei dessen Vorliegen eine kontrollierende Beteiligung anzunehmen ist. Dieser Satz scheint - gleichgültig, ob man das Wort 'einen' als Zahlwort oder als unbestimmten Artikel interpretiert - vorzusehen, dass die Übernahmekommission nur einen fixen Hundertsatz festzulegen hat. Nur die Gesellschafter können in der Satzung von diesem Hundertsatz nach unten abweichen. Andererseits scheint die bereits genannte Ziffer 3 der Bestimmung überflüssig zu sein, wenn die Übernahmekommission ohnehin nur einen Hundertsatz festzulegen hätte. Jedenfalls dürfte auch dieser (wirkliche oder scheinbare) Widerspruch zur Unbestimmtheit der Verordnungsermächtigung beitragen.

2.3 Sollte sich im Gesetzesprüfungsverfahren herausstellen, dass die Übernahmekommission weder die Verordnung angewendet hat, noch anwenden hätte müssen, würde sich der Bescheid bei der Feststellung der Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung lediglich auf § 22 Abs 1 und 2 ÜbG stützen können. Dann aber dürften sich die oben dargelegten Bedenken gegen die Unbestimmtheit der Begriffe 'kontrollierende Beteiligung' und 'beherrschender Einfluss' noch verstärken, da es dann nicht einmal im Ansatz Kriterien dafür zu geben scheint, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt der Beteiligungserwerb, der zu gravierenden zivil- und strafrechtlichen Folgen führen kann, eintritt.

Zwar verwendet der Gesetzgeber Begriffe wie 'beherrschender Einfluss' bzw. 'Beherrschung' iZm Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft auch in anderen Gesetzen (vgl. § 244 Abs 2 HGB oder Art 126b B-VG), doch scheint er in diesen Fällen stets auf Tatbestände abzustellen, die einer Beteiligung von zumindest 50% am Grund- bzw. Stammkapital gleichkommen, sodass die Begriffe einer Auslegung zugänglich sind. Der Verfassungsgerichtshof vermag aber vorläufig dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, er hätte auch in § 22 ÜbG auf eine Mehrheitsbeteiligung abstellen wollen, zumal er in der Verordnungsermächtigung des § 22 Abs 5 ÜbG niedrigere Prozentsätze als 50% erwähnt.

Die Absätze 1 und 2 des § 22 ÜbG dürften keine auslegungsfähigen Kriterien dafür enthalten, unter welchen Voraussetzungen und wann ein Aktionär eine kontrollierende Beteiligung bzw. einen beherrschenden Einfluss erlangt, und scheinen somit dem Bestimmtheitsgebot zu widersprechen. Die Problematik, anhand gesetzlicher Kriterien den Zeitpunkt des Erlangens einer kontrollierenden Beteiligung festzustellen, scheint auch der angefochtene Bescheid aufzuzeigen, der im Spruch die Formulierung enthält, dass das Stimmrecht 'spätestens seit ' ruht, wogegen in der Begründung primär auf den Börsegang der ÖIAG im November 2003 abgestellt wird (Seite 35 des Bescheides).

2.4 § 25 ÜbG sieht vor, dass abweichend von § 22 ÜbG unter bestimmten Voraussetzungen eine Mitteilung über den Sachverhalt an die Übernahmekommission genügt. Der Aktionär muss also innerhalb von 20 Börsetagen feststellen, ob die Voraussetzungen für eine bloße Mitteilung vorliegen oder ob er ein Pflichtanbot stellen muss. Trifft er - was die Übernahmekommission erst in einem Verfahren nach § 33 Abs 1 ÜbG im Nachhinein feststellt - die falsche Entscheidung, so treten mit Ablauf der Frist von 20 Börsetagen ab Erlangung der kontrollierenden Beteiligung für den Aktionär gravierende zivilrechtliche Folgen ein, wie das Ruhen seines Stimmrechts (§34 Abs 1 ÜbG). Zudem begeht er eine Verwaltungsübertretung (§35 Abs 1 Z 1 ÜbG).

Die Regelung der gesetzlichen Voraussetzungen für das Recht, von der Stellung eines Pflichtangebotes abzusehen und eine bloße Mitteilung zu erstatten, enthält aber zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, wie z.B. 'vorübergehend' oder 'geringfügig', die eine sichere Beurteilung nicht zulassen. Sie scheint auch von Kriterien auszugehen, die kaum innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Frist von 20 Börsetagen feststellbar sind.

So stellt § 25 Abs 1 Z 1 darauf ab, dass der Buchwert der unmittelbaren Beteiligung an der Zielgesellschaft weniger als 25 von Hundert des buchmäßigen Nettoaktivvermögens des Rechtsträgers gemäß § 22 Abs 3 ÜbG beträgt. Rechtsträger im Sinne dieser Bestimmung ist jener, dem Anteilsrechte oder sonstige Rechte mittelbar beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft ermöglichen. Da das Gesetz nicht auf die letzte Jahresbilanz, sondern auf den Buchwert am Tage der Erlangung der kontrollierenden Beteiligung abstellt, scheint diese Voraussetzung in den meisten Fällen nicht innerhalb der Frist von 20 Börsetagen feststellbar zu sein, zumal die Feststellung von der Mitwirkung des anderen Rechtsträgers abhängt.

Die Rechtsfolge des Ruhens der Stimmrechte tritt bei Pflichtverletzung automatisch ein und ist von der Übernahmekommission bloß festzustellen (§33 Abs 1 Z 3 ÜbG).

Diese Automatik des Eintretens der Rechtsfolge scheint angesichts der Unsicherheit, ob und wann ein Beteiligungsinhaber eine kontrollierende Beteiligung erlangt, auch ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentum zu sein. Diese Unsicherheit betrifft nicht nur den Anteilsinhaber selbst, sondern stellt die Gültigkeit sämtlicher Hauptversammlungsbeschlüsse in Frage und scheint den Leiter einer Hauptversammlung vor unlösbare Probleme zu stellen, zumal er bei Feststellung der Präsenz als Vorfrage beurteilen müsste, ob Vorgänge als Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung anzusehen sind, die er entweder gar nicht kennt oder die umstritten sind (vgl. hiezu Nowotny/Stern, Übernahmerecht und Gesellschaftsrecht - ein Überblick, RdW 1998, 655 [659]).

§ 25 Abs 1 dürfte - zumindest angesichts der gravierenden Folgen, die mit einer Fehleinschätzung des Aktionärs verbunden sind - dem Bestimmtheitsgebot widersprechen und auch unsachlich sein. § 34 Abs 1 dürfte zudem unverhältnismäßig in das Eigentumsrecht eingreifen.

Da die Abs 1 und 2 des § 25 ÜbG eine Einheit zu sein scheinen, wird auch Abs 2 in die Prüfung einbezogen.

2.5 Bedenken bestehen auch gegen § 34 Abs 2 und 6 ÜbG:

Nach § 34 Abs 2 ÜbG kann die Übernahmekommission Ausnahmen vom Ruhen der Stimmrechte gewähren und dies von Bedingungen abhängig machen sowie Auflagen aussprechen. Welcher Art die Bedingungen und Auflagen sind, ist nicht geregelt.

Nach § 34 Abs 6 hat die Übernahmekommission Sanktionen bzw. Bedingungen und Auflagen aufzuheben. Die Voraussetzungen hiezu scheinen durch ihre mangelnde Determinierung der Übernahmekommission weitgehende Beliebigkeit ihrer Entscheidung zu ermöglichen. So erscheint nicht erkennbar, wie und unter welchen Voraussetzungen die Folgen des rechtswidrigen Verhaltens 'in anderer Weise' als durch Verkauf von Aktien 'wiedergutgemacht' werden könnten. Auch kann die Übernahmekommission ihre aufhebende Entscheidung unter Bedingungen und Auflagen erlassen. Wann dies zulässig ist und welche Bedingungen und Auflagen bestimmt werden könnten, scheint das Gesetz zu verschweigen.

Diese Bestimmungen scheinen dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG zu widersprechen, zumal solche Bedingungen und Auflagen gravierend in das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentum eingreifen können.

3. Bedenken gegen die 1. ÜbV

Die nachstehenden Ausführungen gehen von der vorläufigen Annahme aus, dass die Übernahmekommission diese Verordnung angewendet hat oder sie anzuwenden gehabt hätte (siehe Punkt III. oben). Diesfalls wären § 3 Abs 1 und § 6 der 1. ÜbV präjudiziell, sodass auch Bedenken, die sich gegen die ganze Verordnung richten, nur zur Prüfung der präjudiziellen Bestimmungen führen. Im Verordnungsprüfungsverfahren könnte sich dennoch die Aufhebung der ganzen Verordnung nach Art 139 Abs 3 B-VG ergeben.

3.1 Bedenken gegen die Kundmachung

§ 28 Abs 8 ÜbG sieht die Veröffentlichung von Verordnungen in einem 'Veröffentlichungsblatt des die Wiener Börse leitenden und verwaltenden Börseunternehmens' vor.

Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass die Art und Weise der Publikation des von der Wiener Börse tatsächlich verwendeten Veröffentlichungsblattes nicht den vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips zu verstehenden gesetzlichen Vorschriften entspricht, sodass die 1. ÜbV nicht gehörig kundgemacht worden sein dürfte. Wie sich aus den in der Verhandlung vorgelegten Beilagen ergibt, dürfte das Veröffentlichungsblatt der Wiener Börse bloß in einer Auflage gedruckt werden, die für die Belieferung von Abonnenten, nämlich hauptsächlich Banken, Versicherungen und institutionellen Anlegern, ausreicht. Der veröffentlichte offizielle Text scheint demnach nicht für die allgemeine Öffentlichkeit, zu denen auch Kleinaktionäre und zukünftige Aktionäre gehören, zugänglich zu sein, es sei denn, jemand erfährt von der Existenz einer Verordnung und lässt den Text von der Wiener Börse AG nachdrucken. Es scheint, dass eine derartige Kundmachung von Verordnungen dem dem Rechtsstaatsprinzip entsprechend auszulegenden § 28 Abs 8 ÜbG widerspricht (vgl. hiezu auch das Erk. VfSlg. 15.549/1999).

3.2 Wegfall der gesetzlichen Grundlage für die 1. ÜbV

Sollte sich die Verordnungsermächtigung des § 22 Abs 5 in Verbindung mit Abs 6 ÜbG als verfassungswidrig erweisen, so würde auch die 1. ÜbV ihre gesetzliche Grundlage verlieren.

3.3 Bedenken gegen § 6 der 1. ÜbV

Der Verfassungsgerichtshof hegt auch Bedenken speziell gegen § 6 der 1. ÜbV, welcher die Anwendung der Verordnung auch bei bloß passiver Kontrollerlangung anordnet. Der Verfassungsgerichtshof kann nämlich vorderhand nicht erkennen, dass das ÜbG selbst die passive Kontrollerlangung einschließt, sodass § 6 der 1. ÜbV mit Gesetzwidrigkeit belastet wäre.

Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, ob unter 'Erlangung' einer kontrollierenden Beteiligung an der Zielgesellschaft auch Vorgänge zu verstehen sind, die ohne aktives Zutun eines Gesellschafters zu bestimmten Stimmverhältnissen in der Zielgesellschaft führen. Die Verwendung des Wortes 'erlangt' (anstelle zB 'erwirbt') in § 22 Abs 1 ÜbG scheint zunächst dafür zu sprechen, das Erreichen einer kontrollierenden Beteiligung auch bei passivem Verhalten des Aktionärs anzunehmen (in der Literatur auch als 'passive Kontrollerlangung' bezeichnet, vgl. Gruber/Zivny, Pflichtangebot bei passiver Kontrollerlangung, RdW 2002, 132ff.).

In den Gesetzesmaterialien (RV 1276 BlgNR XX. GP, S. 40) wird zu § 22 Abs 1 Folgendes ausgeführt:

'Der Entwurf knüpft an den Tatbestand des Erlangens einer 'kontrollierenden Beteiligung' die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebotes an alle übrigen Beteiligungspapierinhaber der Gesellschaft (Abs1). Diese erhalten somit ein Austrittsrecht, wenn erstmals eine kontrollierende Beteiligung entsteht oder wenn der Inhaber einer kontrollierenden Beteiligung wechselt. Irrelevant ist, wie diese kontrollierende Beteiligung zustande gekommen ist; dies kann zB durch vorangehenden Pakethandel oder durch Aufkauf an der Börse geschehen. Aber auch der Abschluß eines Syndikatsvertrages kann einen Kontrollwechel oder -erwerb herbeiführen... Hiebei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, weshalb auch der indirekte Erwerb einer kontrollierenden Beteiligung, zB durch Erwerb einer Mehrheit an einer Holdinggesellschaft, erfaßt werden muß (dazu siehe Abs 3). Weiters ist in diesem Zusammenhang auf § 23 zu verweisen. Durch diese Bestimmung wird die Einbeziehung von Aktien bzw. Stimmrechten, die ein Dritter hält, angeordnet ...'

Die Übernahmekommission sowie die Beschwerdeführer zu B389/05 und B390/05 leiten aus diesen Ausführungen ab, dass der Gesetzgeber auch die passive Kontrollerlangung erfassen wollte. Hiebei wird insbesondere auf den Halbsatz 'Irrelevant ist, wie diese kontrollierende Beteiligung zustande gekommen ist' und das Wort 'erlangt' in § 22 Abs 1 ÜbG verwiesen. Hingegen leitet die Beschwerdeführerin zu B393/05 aus den gleichen Gesetzesmaterialien ab, dass nur aktives Verhalten des Aktionärs zu einer 'kontrollierenden Beteiligung' führen könne.

Die Gesetzesmaterialien zählen als Beispiele Fälle der indirekten Beteiligung bzw. Beteiligung durch Zusammenwirken mehrerer Aktionäre, etwa durch Abschluss eines Syndikatsvertrags, auf, aber keinen Fall eines Kontrollerwerbs, der nicht durch den Aktionär beeinflusst wird. Daher scheinen die Gesetzesmaterialien keine abschließende Aussage über die Absicht des Gesetzgebers zu ermöglichen.

Gegen die Beachtlichkeit einer passiven Kontrollerlangung scheint jedenfalls § 22 Abs 9 ÜbG zu sprechen, der einen 'Erwerb von Aktien', der eine Verpflichtung zum Angebot auslösen würde, für unzulässig erklärt, wenn der Erwerber bei sorgfältiger Prüfung nicht davon überzeugt ist, dass ihm die zur vollständigen Erfüllung seiner Verpflichtung notwendigen Mittel rechtzeitig zur Verfügung stehen. Bei einer passiven Kontrollerlangung scheint die Beachtung des § 22 Abs 9 ÜbG unmöglich zu sein.

Der Vertreter der Übernahmekommission wies in der Verhandlung darauf hin, dass § 22 Abs 9 ÜbG die Worte 'Erwerb von Aktien' verwendet, wogegen § 22 Abs 1 ÜbG die 'Erlangung' der kontrollierenden Beteiligung regelt. Aus der unterschiedlichen Wortwahl schloss der Vertreter der Übernahmekommission, dass § 22 Abs 9 ÜbG nur für den aktiven Kontrollerwerb gelte, sodass diese Bestimmung nicht gegen den Einschluss der passiven Kontrollerlangung in den Anwendungsbereich des Gesetzes spreche.

Dem Verfassungsgerichtshof erscheint gerade die in dieser zweifellos nur auf die aktive Kontrollerlangung abstellende Bestimmung zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers, dass jener Aktionär, der eine kontrollierende Beteiligung erlangt, auch für die entsprechenden finanziellen Mittel Vorsorge treffen muss, dafür zu sprechen, dass passive Kontrollerlangung nicht vom Gesetz erfasst ist.

Andernfalls müsste ein Aktionär bei Anwendung kaufmännischer Sorgfalt für das Risiko, dass er jederzeit durch passive Kontrollerlangung zur Legung eines Pflichtangebots verhalten werden könnte, während der ganzen Zeit seines Aktienbesitzes Vorsorge für die Erfüllbarkeit einer solchen Verpflichtung treffen, um nicht Liquiditätsengpässe und unter Umständen sogar seine Zahlungsunfähigkeit zu riskieren. Dem könnte der Aktionär auch mit einem Verkauf seiner Aktien an der Zielgesellschaft nicht entgehen, da die Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebotes schon vor einem Verkauf seiner Beteiligung allein durch die vorherige passive Kontrollerlangung eintreten würde. Auch könnte der sofortige Verkauf der Aktien zur Unzeit notwendig werden und ihm so schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen.

Dazu kommt, dass dem Aktionär, der passiv eine kontrollierende Beteiligung erlangt, eine Pflicht treffen würde, ohne dass für ihn erkennbar sein muss, ob und (vor allem auch) wann die passive Kontrollerlangung eintritt. Die Verpflichtung zur Mitteilung der Änderung bedeutender Beteiligungen nach § 91 Börsegesetz scheint keine Garantie dafür zu sein, dass der Aktionär von seiner passiven Kontrollerlangung so rechtzeitig erfährt, dass er der Verpflichtung nachkommen kann, innerhalb von 20 Börsetagen ein Pflichtangebot zu legen (§22 Abs 1 ÜbG) oder eine Mitteilung nach § 25 Abs 1 ÜbG zu erstatten, zumal die Mitteilung zwar auch an die Zielgesellschaft, nicht aber an alle Aktionäre der Zielgesellschaft gerichtet sein dürfte, sodass der Aktionär darauf angewiesen zu sein scheint, ob und wann der Vorstand der Zielgesellschaft die Mitteilung an die Aktionäre weitergibt. Vom genauen Zeitpunkt der Kontrollerlangung hängen aber eine Reihe von Rechtsfolgen ab, darunter neben dem Eintreten der Pflicht zur Legung eines Angebotes, die Preisberechnung für das Pflichtangebot und die zivilrechtlichen Folgen.

Da auch auf die Teilnahme an Hauptversammlungen abgestellt wird, könnten die Voraussetzungen des Kontrollerwerbs von anderen Aktionären sogar durch Fernbleiben von der Hauptversammlung oder durch Anmelden bloß einer Aktie trotz umfangreichen Aktienbesitzes geradezu manipuliert werden. Hiezu kommt noch, dass das Unterlassen der Legung eines Pflichtangebots bzw. einer Mitteilung nach § 25 Abs 1 ÜbG eine Verwaltungsübertretung darstellt (§35 ÜbG).

Dass der Gesetzgeber den Einschluss der passiven Kontrollerlangung, der derartige Konsequenzen hätte, in den Anwendungsbereich des ÜbG beabsichtigte, ist ihm nicht zusinnbar. Die damit auf Grund der kaufmännischen Sorgfaltspflicht verbundene Notwendigkeit, für die Erfüllbarkeit der gesetzlichen Verpflichtungen während des ganzen Zeitraums der Beteiligung an der Zielgesellschaft Vorsorge zu treffen, und die Übernahme eines bedeutenden - vom Aktionär nicht vermeidbaren - Risikos wären auch ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentum des betreffenden Aktionärs. Wohl aber könnte das ÜbG so extensiv interpretiert werden, dass Umgehungshandlungen wie ein aktiver Kontrollerwerb verstanden werden, so etwa wenn der Kauf von Aktien und der anschließende Verkauf der vom früheren Aktionär gehaltenen weiteren Aktien in einem derartigen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht, dass der Käufer bereits beim Erwerb der Aktien damit rechnen konnte, dass er in Kürze eine kontrollierende Beteiligung erlangen würde.

§ 6 der 1. ÜbV scheint nun nicht bloß Umgehungshandlungen verhindern zu wollen. Der Verfassungsgerichtshof hat daher das Bedenken, dass durch diese Bestimmung Fälle der passiven Kontrollerlangung in gesetzwidriger Weise einem aktiven Kontrollerwerb gleichgehalten werden sollen."

IV. Äußerungen zum Prüfungsbeschluss

1. Die Äußerung der Bundesregierung

1.1 Die Bundesregierung schloss sich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an, dass die belangte Behörde die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ÜbG, einschließlich der Absätze 5 und 6 des § 22 ÜbG angewendet hat oder jedenfalls anzuwenden gehabt hätte.

1.2 Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Verordnungskompetenz der Übernahmekommission vertritt die Bundesregierung die Auffassung, aus dem Rechtsstaatsprinzip lasse sich nicht ableiten, dass Kollegialbehörden, die über Rechtsverhältnisse unter Privaten zu entscheiden haben, keine Verordnungen erlassen dürften: Die mangelnde Kompetenz von Gerichten, Verordnungen erlassen zu dürfen, stelle einen Ausdruck des gewaltenteilenden Prinzips dar, wovon die Ermächtigung der Verwaltungsbehörden gemäß Art 18 Abs 2 B-VG, generelle Rechtsvorschriften zu erlassen, eine Ausnahme statuiere. Diese Ausnahme vom gewaltenteilenden Prinzip gelte constitutione non distinguente für alle Verwaltungsbehörden, also auch für Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag unabhängig von der Art der ihnen übertragenen Entscheidungen. § 1 der Jurisdiktionsnorm zeige, dass bereits im Zeitpunkt der Entstehung des B-VG auch die Rechtsverhältnisse Privater zueinander Gegenstand der Entscheidungen von Verwaltungsbehörden sein konnten.

Zudem mache es keinen Unterschied, ob ein Gesetz unmittelbar durch Bescheid vollzogen oder zunächst durch Verordnung präzisiert werde, da sowohl Bescheide als auch Verordnungen gemäß Art 18 B-VG nur auf Grund der Gesetze erlassen werden dürften. Rechtsstaatlich bedenklich seien gesetzliche Regelungen, die eine Gesetzesbindung durch Überlassung eines inhaltlich nicht hinreichend determinierten Spielraumes gegenüber der Vollziehung untergraben, wogegen nicht relevant sei, ob der jeweils vorhandene Spielraum durch Erlassung einer Verordnung oder eines Bescheides ausgenützt werde. Ebenso wenig könne es darauf ankommen, ob eine Verordnung von jenem Organ, das diese im Verwaltungsverfahren anzuwenden hat, oder von einem anderen Organ, wie z.B. im Falle des ÜbG etwa vom Bundesminister für Justiz, erlassen wird. Ferner führt die Bundesregierung Folgendes aus:

"In der österreichischen Rechtsordnung ist es auch keineswegs außergewöhnlich, dass Verwaltungsbehörden durch die Erlassung von Verordnungen, die sie in Verwaltungsverfahren anzuwenden haben, den Maßstab ihrer Entscheidungen - in dem vom Gesetz vorgegebenen, im Hinblick auf Art 18 B-VG notwendigerweise relativ engen Rahmen - selbst festlegen; dies ist nicht zuletzt eine Konsequenz des Art 18 Abs 2 B-VG selbst, der die Verordnungsermächtigung auf den (sachlichen und örtlichen) Wirkungsbereich der jeweiligen Verwaltungsbehörden beschränkt, ihnen also die Präzisierung gerade jener Gesetze überträgt, die sie auch zu vollziehen haben. Es ist im vorliegenden Zusammenhang hervorzustreichen, dass die Erlassung von Verordnungen ja gerade auch der Objektivität und der Rechtssicherheit und damit dem Rechtsstaatsprinzip dient.

Insbesondere die obersten Organe des Bundes und der Länder sind in zahlreichen Fällen sowohl zur Erlassung von Durchführungsverordnungen als auch zur Entscheidung im Einzelfall unter Anwendung dieser Verordnungen zuständig und nehmen diese Zuständigkeiten auch wahr; dies scheint auch der Verfassungsgerichtshof für zulässig zu halten. Nach Auffassung der Bundesregierung sind solche Verordnungsermächtigungen im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip dann unbedenklich, wenn sie hinreichend determiniert sind. Sollte es in einzelnen Fällen dazu kommen, dass eine Behörde von einer Verordnungsermächtigung missbräuchlich Gebrauch macht, um etwa ein konkretes Verfahren in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, so wäre eine solche Verordnung - gleichgültig, ob in diesem Verfahren die verordnungserlassende Behörde selbst oder eine andere Behörde entscheidet - gesetzwidrig und vom Verfassungsgerichtshof gegebenenfalls aufzuheben. Dass hingegen auf Grund des Rechtsstaatsprinzips gerade dann, wenn für eine Entscheidung erstens eine Kollegialbehörde zuständig ist und zweitens Rechtsverhältnisse von Privaten zueinander Gegenstand dieser Entscheidung sind, die Erlassung von Durchführungsverordnungen durch die zuständige Behörde schlechthin ausgeschlossen sein soll, lässt sich nach Auffassung der Bundesregierung der österreichischen Bundesverfassung nicht entnehmen."

Auch könne die Annahme des Verfassungsgerichtshofes, die Übernahmekommission nehme Aufgaben wahr, die im Allgemeinen in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fallen, hinterfragt werden:

Schließlich bestehe die Aufgabe der Übernahmekommission darin, einen Ausgleich der verschiedenen Interessen auf dem Kapitalmarkt herbeizuführen und Störungen des Kapitalmarktes hintanzuhalten, wobei es nicht nur um einen Interessenausgleich der von einer konkreten Übernahme Betroffenen gehe, da ein Pflichtangebot unabhängig von einem diesbezüglichen Interesse der Aktionäre im konkreten Fall zu stellen sei. Der Umstand, dass die Übernahmekommission generell von Amts wegen vorzugehen habe und Grundlage ihrer Entscheidungen nicht privatautonome Vereinbarungen, sondern die gesetzlichen Regelungen des ÜbG seien, die gerade zum Zweck der Sicherung des Kapitalmarktes die Privatautonomie im öffentlichen Interesse beschränkten, ließen die Tätigkeit der Übernahmekommission - auch wenn sie im Einzelfall über Rechtsverhältnisse unter Privaten entscheide - insgesamt eher für Regulierungsbehörden denn für Zivilgerichte typisch erscheinen. Gegen die Verordnungskompetenz von Regulierungsbehörden habe der Verfassungsgerichtshof aber bisher keine Bedenken gehabt, wie das Erk. vom , V120/03, betreffend die Systemnutzungstarife-Verordnungen der Energie-Control-Kommission zeige.

1.3 Zum Bedenken der Unbestimmtheit von § 22 Abs 5 und 6 ÜbG bringt die Bundesregierung vor, dass § 22 ÜbG in seiner Gesamtheit vor dem Hintergrund des besonderen Regelungszieles, das dem Pflichtangebot zugrunde liege, dadurch gekennzeichnet sei, dass der Tatbestand der kontrollierenden Beteiligung zwar einerseits bestimmt genug, andererseits aber so umfassend ausgestaltet sei, um sämtliche - vom Gesetzgeber angesichts des stetigen Wandels des Wirtschaftslebens unter Umständen gar nicht vorhersehbaren - Lebenssachverhalte, die eine erstmalige Kontrollerlangung bzw. einen Kontrollwechsel nach sich ziehen, erfassen zu können. Der Gesetzgeber habe dabei auf eine bereits im Wirtschaftsrecht im weiteren Sinne bewährte Terminologie zurückgegriffen:

"Der Begriff des 'beherrschenden Einflusses' bzw. der 'Beherrschung' findet sich in einer ganzen Reihe von Gesetzen. Obwohl in der Regel Legaldefinitionen dieses Begriffs ganz fehlen, hat sich gezeigt, dass er sehr wohl einer - zu klaren Ergebnissen führenden - Auslegung zugänglich ist; sowohl in der Lehre als auch in der Praxis der Vollziehung hat sich für die einzelnen Rechtsbereiche jeweils ein weitgehend einheitliches Begriffsverständnis herausgebildet, wobei - anders als der Verfassungsgerichtshof anzunehmen scheint - keineswegs in allen Fällen auf eine Beteiligungsschwelle von 50 % am Nennkapitel abgestellt wird. So kommt es zB nach § 115 Abs 2 GmbHG und § 15 Abs 2 AktG für den österreichischen gesellschaftsrechtlichen Konzerntatbestand ebenfalls auf die Möglichkeit an, einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen auszuüben; anders als etwa in Deutschland fehlt ein vertyptes Konzernrecht ebenso wie eine gesetzliche Definition des 'beherrschenden Einflusses', und weder das AktG noch das GmbHG stellen auf eine bestimmte Beteiligung am Nennkapital ab. Dennoch besteht über das grundsätzliche konzernrechtliche Begriffsverständnis weitgehend Einigkeit; das Erreichen einer Beteiligung von mindestens 50 % ist danach nicht notwendig (siehe etwa Koppensteiner, GmbHG2 § 115 Rz 9 ff; Gellis/Feil, GmbHG5 § 115 Rz 1; Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 § 15 Rz 20; Doralt in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG I § 15 Rz 13 ff). Auch § 244 Abs 2 Z 3 HGB verwendet den Begriff des 'beherrschenden Einflusses', ohne dass das HGB insoweit nähere Kriterien erwähnt oder eine Legaldefinition enthält; dennoch hat sich ein weitgehend einheitliches Begriffsverständnis etabliert (vgl. etwa Nowotny in Straube, HGB II2 § 244 Rz 38 ff; Geist in Jabornegg, HGB § 244 Rz 17 ff, jeweils mwN). Auch jüngere Gesetze bedienen sich dieses Begriffs (vgl. etwa § 5 Abs 1 Z 3 EKEG, § 1 Abs 6 Z 2 IESG und § 7 Abs 1 Z 5 KartG 2005).

Das ÜbG orientiert sich mit seiner daran angelehnten Terminologie am insoweit im Bereich des Konzernrechts gefestigten Meinungsstand und dem dazu vorhandenen Erfahrungswissen. Dabei liegt dem Begriff des (materiell) beherrschenden Einflusses im ÜbG die Erfahrung zugrunde, dass die Beherrschung einer börsenotierten Aktiengesellschaft gerade nicht nur von der Beteiligung am Grundkapital, sondern unter anderem von der effektiven Stimmmacht in der Hauptversammlung, der Streuung des sonstigen Aktienbesitzes, allenfalls abgestimmtem Verhalten gemeinsam vorgehender Rechtsträger (§23 ÜbG) und anderen Faktoren abhängig ist; allein auf die Mehrheit am Grundkapital kommt es daher nach dem ÜbG nicht an. Vielmehr ist bei der Beurteilung von Übernahmesachverhalten und der Frage nach dem Vorliegen eines beherrschenden Einflusses vor dem Hintergrund der oben (Vorbemerkung) dargelegten Hauptzwecke des ÜbG auf alle in § 22 Abs 3 bis 6 ÜbG enthaltenen Kriterien - unter Berücksichtigung allgemeiner aktienrechtlicher Bestimmungen - Bedacht zu nehmen.

Dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Zwar normiert das ÜbG dies selbst nicht ausdrücklich als allgemeinen Grundsatz, doch ergibt sich die entsprechende historische Absicht des Gesetzgebers eindeutig aus den Gesetzesmaterialien (vgl. ErlRV 1276 BlgNR 20. GP 39) in Verbindung mit der Textierung von § 22 Abs 5 Einleitungssatz ÜbG (arg.: 'Hiebei ist auf die für die Entstehung eines beherrschenden Einflusses wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Bedacht zu nehmen, ...'). Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise spielt auch in anderen Rechtsmaterien eine wesentliche Rolle, so etwa im Steuerrecht (vgl. § 21 BAO). Auch § 20 KartG 2005 und § 539a ASVG verankern diese Auslegungsmaxime explizit (davor bereits ebenso § 1 KartG aF). Bei der Beurteilung von Übernahmesachverhalten ist - wie nach § 20 KartG 2005 - 'in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend'. Der in § 22 Abs 1, 2, 3, 4 und 5 ÜbG umschriebene materielle Kontrollbegriff soll der Übernahmekommission die Möglichkeit verschaffen, im Einzelfall zu überprüfen, ob nicht bereits mit einem prima vista geringen Anteil an Stimmrechten auf Grund der konkreten Beteiligungsstruktur und der Hauptversammlungspräsenzen der Zielgesellschaft oder auf Grund sonstigen Einflusspotenzials eine Beherrschungsmöglichkeit vorliegt.

Was den Verweis auf die Kontrolltatbestände des § 244 Abs 2 Z 1 bis 3 HGB in § 22 Abs 4 ÜbG betrifft, so stellt er klar, dass in diesen Fällen jedenfalls eine kontrollierende Beteiligung vorliegt. Anders als der Verfassungsgerichtshof auf S 70 des Prüfungsbeschlusses anzunehmen scheint, regelt diese Bestimmung nicht (nur) mittelbare Beteiligungen, sondern ist auf alle Fälle des Erwerbs von Beteiligungen anzuwenden.

Insgesamt soll die Übernahmekommission bei der Umschreibung der näheren Voraussetzungen für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung im Rahmen der Verordnung gem. § 22 Abs 5 ÜbG - durch Zusammenschau aller tatsächlichen Gegebenheiten - auf die für die Entstehung eines beherrschenden Einflusses wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Bedacht nehmen, insbesondere auf den Stimmrechtsanteil, die Beteiligungsstruktur, die durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenzen und das Statut der Zielgesellschaft. Das Gesetz verpflichtet die Übernahmekommission weiters dazu, einen Stimmrechtsanteil festzulegen, bei dessen Erreichen das Vorliegen einer kontrollierenden Beteiligung widerlegbar vermutet wird. Als unterste Grenze schreibt § 22 Abs 5 eine Beteiligung von 20 % am stimmberechtigten Kapital fest. Bei Unterschreiten dieser formellen Kontrollschwelle kann kraft unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung ein beherrschender Einfluss jedenfalls nicht ausgeübt werden; der untere Schwellenwert von 20 % der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte beschränkt somit ebenfalls die Möglichkeiten des Verordnungsgebers bei der Festlegung der näheren Voraussetzungen einer kontrollierenden Beteiligung."

Nach Auffassung der Bundesregierung stünden die Abs 1 und 2 des § 22 ÜbG daher nicht in einem Verhältnis der Tautologie zueinander. Vielmehr sei Abs 1 als Generalklausel anzusehen, wogegen die Abs 2 bis 5 des § 22 ÜbG näher determinieren würden, was unter dem Begriff der kontrollierenden Beteiligung zu verstehen sei. Dem Verordnungsgeber seien auch nicht uneingeschränkte Möglichkeiten zur Festlegung näherer Voraussetzungen betreffend die Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung eingeräumt worden, da sich aus den Wertungen des § 22 ÜbG sowie einer systematischen Auslegung insbesondere vor dem Hintergrund sonstiger aktienrechtlicher Bestimmungen eindeutige Determinanten für die zu erlassende Verordnung ergeben würden, ohne die gerade im Wirtschaftsrecht notwendige Flexibilität gegenüber vielfältig denkbarer und vom Gesetzgeber gar nicht vorhersehbarer Sachverhalte zu beeinträchtigen.

Auch treffe nicht zu, dass die Verordnungsermächtigung in sich widersprüchlich sei. Dazu führt die Bundesregierung Folgendes aus:

"§22 Abs 5 Z 1 bis 4 legt verschiedene Kriterien fest, auf die bei der Verordnungserlassung 'Bedacht zu nehmen' ist, darunter die Hauptversammlungspräsenzen; das bedeutet, dass auch der Hundertsatz der Stimmrechte nicht losgelöst von diesen Kriterien, sondern unter Bedachtnahme auf diese festzulegen ist, was keinen Widerspruch, sondern eine zusätzliche Determinante für den Verordnungsgeber darstellt: So wird etwa bei niedrigen Hauptversammlungspräsenzen schon ein geringerer Hundertsatz der Stimmrechte ausreichen, um das Erlangen einer kontrollierenden Beteiligung zu vermuten. Diese Vermutung kann aber ua. dadurch widerlegt werden, dass die Stimmrechte wegen der im konkreten Fall überdurchschnittlich hohen Hauptversammlungspräsenzen nicht genügen, um tatsächlich die Kontrolle auszuüben.

Außerdem ermächtigt § 22 Abs 5 ÜbG den Verordnungsgeber zur Festsetzung von mehreren Hundertsätzen: Das Wort 'einen' ist nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmter Artikel zu verstehen. In diesem Sinne wird auch im Bericht des Justizausschusses (AB 1345 BlgNR 20. GP 2) ausdrücklich festgehalten, dass die Übernahmekommission 'unter Umständen auch abhängig von anderen Parametern, die für die Möglichkeit zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses (vgl. § 22 Abs 2) maßgeblich sind, verschiedene Schwellenwerte festlegen' könne.

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Kontrollerlangung erübrigen sich spezielle gesetzliche Anordnungen: Die Kontrollerlangung tritt dann ein, wenn die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ob und wann dies der Fall ist, hat die Übernahmekommission gemäß § 29 Abs 1 ÜbG von Amts wegen zu untersuchen und festzustellen. Zuzugestehen ist, dass die Übernahmekommission im Anlassfall mit der Formulierung 'spätestens seit ' im Bescheidspruch den - allerdings irrigen - Eindruck erweckt, dass der Zeitpunkt, zu dem die Rechtswirkungen des § 34 Abs 1 ÜbG eintreten, generell nicht genau bestimmt werden könne. Auf die möglicherweise fehlerhafte Anwendung einer Norm durch eine Behörde kann es jedoch bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm grundsätzlich nicht ankommen.

Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass insgesamt durch das gewählte Regelungskonzept hinsichtlich des Kontrolltatbestands eine adäquate Lösung gefunden wurde, die es der Übernahmekommission ermöglicht, auf die gegebenen realen Umstände einzugehen und den Kontrolltatbestand unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte und der durch das Übernahmegesetz - vor dem Hintergrund des Aktienrechts - klar vorgegebenen Determinanten näher auszugestalten."

1.4 Im Hinblick auf die Bedenken des Gerichtshofes zu § 25 und § 34 Abs 1 ÜbG verweist die Bundesregierung auf die Meldepflichten nach den §§91 ff. Börsegesetz. Nicht zuletzt die damit verbundene Veröffentlichungspflicht gemäß § 83 Abs 4 Z 2 Börsegesetz stelle sicher, dass der Aufbau größerer Aktionärspakete als Auslöser der Pflicht zur Stellung eines öffentlichen Übernahmeangebotes überwacht werden könne. Nach Anführung weiterer Publizitätspflichten bringt die Bundesregierung vor, dass in Fällen der Unsicherheit über das Vorliegen einer kontrollierenden Beteiligung eine Stellungnahme der Übernahmekommission nach § 29 Abs 1 ÜbG beantragt werden könne, und führt dann weiter aus:

"Weiters besteht die Möglichkeit, einen Feststellungsbescheid bezüglich der Angebotspflicht nach § 8 letzter Satz der 1. ÜbV zu erwirken. Gerade in den vom Verfassungsgerichtshof angesprochenen Zweifelsfällen empfiehlt es sich, an die Übernahmekommission heranzutreten und einen derartigen Bescheidantrag zu stellen. Dadurch können nicht nur zivilrechtliche Sanktionen gemäß § 34 ÜbG, sondern auch die Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 35 Abs 1 ÜbG vermieden werden. In Bezug auf mögliche zivilrechtliche Sanktionen ist überdies deren Aufhebung durch die Übernahmekommission gemäß § 34 Abs 6 ÜbG vorgesehen. Insoweit ist auch die Verpflichtung des Aktionärs, innerhalb von 20 Börsetagen festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Mitteilung über den Sachverhalt gemäß § 25 Abs 1 ÜbG gegeben sind oder die Verpflichtung zur Stellung eines Übernahmeangebotes vorliegt, sachgerecht.

Anhand der genannten Informationen kann (auch) der in § 25 Abs 1 Z 1 ÜbG angesprochene Buchwert zeitnah zu einem möglichen Kontrollwechsel bzw. einer erstmaligen Kontrollerlangung ermittelt werden. Ist die Ermittlung von der Mitwirkung eines anderen Rechtsträgers abhängig und unterbleibt diese, so treten die Rechtsfolgen des § 34 Abs 1 ObG mangels Verschuldens des potenziellen Bieters nicht ein: Aus dem Telos des § 34 ÜbG im Allgemeinen und der Textierung des § 34 Abs 3 ÜbG im Besonderen (arg.: 'Bei schweren Verletzungen ...') ergibt sich nach Ansicht der Bundesregierung, dass die zivilrechtlichen Sanktionen nur dann eintreten, wenn die Rechtsverletzung auch schuldhaft, also subjektiv vorwerfbar erfolgt ist (vgl. idS Huber/Löber; ÜbG § 34 Rz 18 mwH; Nowotny/Stern; RdW 1998, 659).

Die Sanktionen können in jedem Fall leicht vermieden werden, wenn die in § 29 Abs 1 ÜbG statuierte Beratungsfunktion der Übernahmekommission in Anspruch genommen wird. Im Übrigen ergibt sich aus § 34 Abs 2 ÜbG die Möglichkeit der Gewährung einer Ausnahme vom Ruhen der Stimmrechte durch die Übernahmekommission auf Antrag des Bieters. Ohne die Festlegung derartiger zivilrechtlicher Sanktionen und entsprechender Strafbestimmungen wären die Rechtsdurchsetzung in vielen Fällen einer Verpflichtung zur Legung eines Pflichtangebotes und damit der Konzerneingangsschutz aber nicht ausreichend gesetzlich abgesichert. Die angeordneten Rechtsfolgen können auch nicht durch gelindere Mittel substituiert werden, weil der Schutz des Marktes und der Beteiligungspapierinhaber sonst nicht gewährleistet werden könnte."

Nach Auffassung der Bundesregierung würde aber auch der Umstand, dass das Ruhen der Stimmrechte ex lege eintrete, zu keiner unvertretbaren Rechtsunsicherheit durch die angefochtene Regelung führen, da die allenfalls in Unkenntnis der Sachlage irrtümlich erfolgte Ausübung ruhender Stimmrechte einen Hauptversammlungsbeschluss lediglich nach §§195 ff. Aktiengesetz anfechtbar, nicht aber nichtig mache. Insgesamt trage die Aufzählung des § 25 Abs 1 ÜbG den realen Gegebenheiten des Wirtschaftslebens Rechnung: Es seien Formulierungen gewählt worden, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ermöglichten. Gerade im Wirtschaftsrecht habe der Verfassungsgerichtshof bei der Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe bisher einen relativ großzügigen Maßstab angelegt. Zudem könnte die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe im vorliegenden Fall der Vermeidung unbilliger Härten dienen. Eine fixe Beteiligungsschwelle und ein fester Zeitraum für die Dispensierung vom Pflichtangebot hätte schließlich die Konsequenz, dass jede auch noch so geringe Überschreitung dieser Grenzen immer die Verpflichtung zum Pflichtangebot auslösen müsste.

1.5 Zum Bedenken hinsichtlich § 34 Abs 2 und 6 führt die Bundesregierung Folgendes aus:

"§34 Abs 2 ÜbG ermächtigt die Übernahmekommission, auf Antrag des Bieters in Fällen geringfügiger Verletzungen von Vorschriften des ÜbG eine Ausnahme vom Ruhen der Stimmrechte zu gewähren. Insoweit hat sich die Übernahmekommission in Ausübung des ihr durch diese Bestimmung eingeräumten gebundenen Ermessens insbesondere vom Zweck der verletzten Norm sowie von den möglichen Auswirkungen einer Ausnahme auf die Präventivwirkung der verletzten Norm und deren Schutzzweck leiten zu lassen. Demgemäß sieht § 34 Abs 2 zweiter Halbsatz ÜbG vor, dass die Übernahmekommission ihre Entscheidungen von Bedingungen abhängig machen und Auflagen aussprechen kann. Dabei hat sich die Übernahmekommission wiederum am Schutzzweck der verletzten Norm zu orientieren, die allgemeinen Grundsätze des § 3 ÜbG zu beachten und im Rahmen ihres pflichtgebundenen Ermessens solche Bedingungen und Auflagen zu erteilen, die - ohne die Grundwertungen des ÜbG zu verletzen - für den Bieter das gelindeste Mittel darstellen. Welche Bedingungen und Auflagen im konkreten Einzelfall in Betracht kommen, ist im ObG nicht eigens geregelt, da eine derartige Regelung angesichts der Komplexität von übernahmerechtlich relevanten wirtschaftlichen Sachverhalten nicht geeignet wäre, den ohnedies durch die allgemeinen Grundsätze hinlänglich klar determinierten Entscheidungsspielraum der Übernahmekommission in sinnvoller Weise weiter einzugrenzen.

Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass etwa im Betriebsanlagenrecht seit vielen Jahren - bisher im Hinblick auf Art 18 B-VG unbeanstandet - vergleichbare Bestimmungen existieren (siehe etwa § 77 Abs 1 und § 79 GewO 1994).

Wenn die Rechtsverletzung behoben, also etwa das ausstehende Pflichtangebot gestellt wird, leben die Stimmrechte nicht automatisch wieder auf; dazu bedarf es einer Entscheidung der Übernahmekommission nach § 34 Abs 6 ÜbG. Unter welchen Voraussetzungen die Übernahmekommission eine solche Entscheidung zu treffen hat, ist in § 34 Abs 6 Z 1 und 2 ÜbG eindeutig geregelt; die Anordnung, dass die Übernahmekommission Sanktionen, Bedingungen und Auflagen auch dann aufzuheben hat, wenn 'die Folgen des rechtswidrigen Verhaltens auf andere Weise wiedergutgemacht wurden', stellt in diesem System einen Auffangtatbestand dar, durch den ausgeschlossen werden soll, dass Beschränkungen länger aufrecht bleiben als das auf Grund der Regelungsziele des ÜbG, wie sie insbesondere in dessen § 3 zum Ausdruck kommen, unbedingt geboten ist.

Die Bundesregierung räumt jedoch ein, dass die Ermächtigung der Übernahmekommission, gemäß § 34 Abs 6 letzter Satz ÜbG die Aufhebung von Bedingungen und Auflagen allenfalls unter neuerlicher Erteilung von Bedingungen und Auflagen vorzunehmen, überschießend sein könnte."

2. Die Äußerung des Bundesministerin für Justiz

2.1 Die Bundesministerin für Justiz bestreitet nicht das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen. Sie bringt zum Bedenken der nichtgehörigen Kundmachung der 1. ÜbV vor, dass sich für jeden Rechtsunterworfenen aus § 28 Abs 8 zweiter Satz ÜbG der Hinweis ergebe, wo er nach auf der Grundlage des ÜbG erlassenen Verordnungen zu suchen habe. Unabhängig von der gedruckten Auflage und vom Kreis der Abonnenten werde das Veröffentlichungsblatt auch auf der Website der Wiener Börse AG veröffentlicht. Der Kreis der Abonnenten bestehe auch nicht nur aus potenziellen Bietern oder Adressaten von Übernahmeangeboten, sondern auch von Personen, die durch Bestimmungen des ÜbG grundsätzlich in ihrer Rechtssphäre nicht betroffen sind. Überdies sei ein Nachdruck des Veröffentlichungsblattes auf entsprechendes Verlangen jederzeit möglich, weshalb eine Veröffentlichung in diesem Kundmachungsorgan der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt gleichwertig sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die erforderliche Publizität der nach § 28 Abs 8 zweiter Satz ÜbG kundgemachten Verordnungen sichergestellt.

2.2 Zum Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der 1. ÜbV vertritt die Bundesministerin für Justiz die Auffassung, dass nach § 22 Abs 1 ÜbG jeder Fall der Kontrollerlangung, somit auch die so genannte passive Kontrollerlangung, grundsätzlich die Angebotspflicht auslöse. Dafür spreche auch die aus dem Gesetzesmaterialien klar hervorkommende historische Absicht des Gesetzgebers. Bedenke man das Regelungsanliegen des ÜbG, nämlich den Funktionsschutz des Kapitalmarktes und den Schutz der Kapitalgeber und Anleger, sei auch die tatsächliche Ausübung dieses Einflusses nicht erforderlich; vielmehr genüge bereits die abstrakte Möglichkeit zur Erfüllung des Kontrolltatbestandes des § 22 Abs 1 ÜbG. Dann führt die Bundesministerin für Justiz aus:

"Dass § 22 Abs 9 ÜbG demgegenüber vom 'Erwerb von Aktien' spricht, ist kein Widerspruch, sondern verdeutlicht, dass die zur Erfüllung einer Angebotspflicht notwendigen Mittel nach dieser Gesetzesstelle nur dann rechtzeitig zur Verfügung stehen müssen, wenn der Bieter aktiv - also beabsichtigt - die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt. Die unterschiedliche Begriffswahl in § 22 Abs 1 und Abs 9 ÜbG ist gerade kein redaktionelles Versehen, sondern Ausdruck des gesetzgeberischen Wunsches, auch die so genannte passive Kontrollerlangung dem Regelungsregime des ÜbG zu unterstellen. Auf Grund der unterschiedlichen Art der Kontrollerlangung in den Fällen des beabsichtigten und des unbeabsichtigten Kontrollwechsels soll aber hinsichtlich der daran anknüpfenden Pflichten des Bieters sachlich differenziert und der Eingriff in das Eigentumsrecht unterschiedlich tiefgreifend ausgestaltet werden.

Unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit wäre es allerdings überschießend, alle Fälle der passiven Kontrollerlangung als Auslöser eines Pflichtangebotes anzusehen. Das ÜbG enthält für die an die passive Kontrollerlangung anknüpfenden Sanktion der Angebotspflicht keine spezielle (Ausnahme-)Regelung: Dabei handelt es sich um eine planwidrige Lücke. In der Lehre wird zu Recht vertreten, dass die Angebotspflicht zwar in allen Fällen - also auch der so genannten passiven Kontrollerlangung - grundsätzlich besteht, jedoch anhand des Verhaltens des nunmehrigen Kontrollaktionärs und der finanziellen Zumutbarkeit eine Ausnahme auf Grund der in § 25 ÜbG enthaltenen Wertungen durch Analogie zu gewähren ist (vgl. ausführlich Zollner, Kontrollwechsel 104 ff; Gall, Angebotspflicht 280 f; im Überblick Diregger/Kalss/Winner in Münchener Kommentar zum Akt G IX/12 ÜbG Rz 134 ff). Das Bestehen einer Angebotspflicht auch in diesen Fällen wirkt sich positiv auf die Minderheitsaktionäre und den Kapitalmarkt insgesamt aus und stellt ein taugliches Schutzinstrumentarium dar. Ein unsachlicher oder unverhältnismäßiger Eingriff in die durch das Verfassungsrecht geschützte Rechtsposition des Bieters ist damit nicht verbunden, da die Übernahmekommission auf Grund einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen gebundenen Ermessens die Möglichkeit der Befreiung von der Angebotspflicht und der Erteilung von Auflagen und Bedingungen unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze hat (§34 Abs 2 und 6 ÜbG)."

3. Die Äußerung der Übernahmekommission

Die Übernahmekommission bestreitet nicht das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen. Sie bringt zu den Bedenken Folgendes vor:

Zu ihrer Verordnungskompetenz hält die Übernahmekommission fest, dass jene drei Senate, die Einzelfallentscheidungen treffen, Verordnungen nach dem ÜbG nicht erlassen würden, sondern die dafür zuständige Vollversammlung aller Mitglieder gemäß § 28 Abs 7 ÜbG, sodass eine Identität der Organe zur Erlassung von Einzelfallentscheidungen und Verordnungen nicht gegeben sei. Darüber hinaus führt die Übernahmekommission unter Hinweis auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, der zufolge die Ermächtigung von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag zur Verordnungserlassung zulässig sei, aus, dass ein Abgehen von dieser Judikatur erhebliche, die Funktionsfähigkeit von Kollegialbehörden beeinträchtigende Auswirkungen hätte. So entscheide z.B. auch die Telekom-Control-Kommission als weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag in Streitverfahren über Angelegenheiten des zivilrechtlichen Kernbereiches, wobei sie (ebenso wie die Rundfunk- und Telekomregulierungs-GmbH) auch zur Verordnungserlassung ermächtigt ist. Die E-Control-Kommission sei durch § 25 Abs 1 Z 7 Elektrizitäts- und Wirtschaftsorganisationsgesetz ebenfalls ermächtigt, Tarife für internationale Transaktionen sowie für Messleistungen im Wege einer Verordnung festzusetzen. Die mit der Festsetzung des Tarifes verbundene Vornahme eines Interessenausgleiches zwischen Privaten ähnle im Übrigen den Aufgaben der Übernahmekommission, die Interessen der verschiedenen Aktionärsgruppen auszugleichen.

Nach Darlegung der Literatur und unter Berufung auf das Erk. VfSlg. 16.048/2000 führt die Übernahmekommission Folgendes aus:

"Es soll nun hier nicht etwa versucht werden, die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Erlassung von Verordnungen durch Gerichte in Frage zu stellen (s. Hinweis im Beschluss des VfGH S. 69). Aber auch ohne eine solche Beweisführung sieht die Übernahmekommission darin, dass einerseits ihre Vollversammlung Verordnungen zu erlassen hat, andererseits ihre Senate als Kollegialbehörde mit Tribunalcharakter und schiedsrichterlicher Funktion bei der Entscheidung die von der Vollversammlung erlassene Verordnung zu befolgen haben, keine Gefährdung des Rechtsstaatsprinzips. Denn die Verfassung hat es doch - wenn auch in Grenzen und an das Sachlichkeitsgebot gebunden - dem einfachen Gesetzgeber überlassen, durch welche Behörden und mit welchem Verfahren er Regelungsziele verfolgen will. Es bleibt dem einfachen Gesetzgeber überlassen, mit welchen organisations- und verfahrensrechtlichen Instrumenten er eine bestimmte Rechtsmaterie ordnen will; der Gesetzgeber ist insbesondere trotz der Übernahme und der notwendigen Integration der EMRK-Kategorie der 'civil rights' in das Gebäude der österreichischen Rechtsordnung nicht gezwungen, die Erledigung von Fragen des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts den Gerichten zu übertragen. Es steht ihm frei, wo dies sachlich geboten ist, das Verwaltungsverfahren und Verwaltungsbehörden einschließlich der Kollegialorgane nach Art 133 Z. 4 B-VG einzusetzen. Diese Wahlfreiheit würde ihren Sinn verlieren, wenn man ohne Not die typischen Eigenschaften und Beschränkungen der Organisation der Justiz und ihres Verfahrens analog auf die Verwaltung anwendete und dadurch gerade die Vorzüge der Wahlfreiheit beseitigte.

In der vorliegenden Regelung des Gesetzgebers sieht die Übernahmekommission keine Gefährdung des Rechtsstaatsprinzips. Denn jede Entscheidung eines Senats der Übernahmekommission ist unter Einhaltung der Vorschriften des AVG, bei Eingriffen in 'civil rights' unter Einhaltung der spezifischen EMRK-Voraussetzungen, zu erlassen. Weiters unterliegt jeder Bescheid der Überprüfung durch den VfGH. Diese Überprüfung führt bei Bedenken des VfGH gegen die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung zur Überprüfung jeder Verordnung, auf welche sich der Bescheid stützt. Die rechtsstaatliche Gefahr, dass also die Mitglieder aller Senate als Vollversammlung eine gesetzwidrige Verordnung erlassen und sich als einzelne Senate durch die Scheinlegitimität der Anwendung ihrer eigenen Verordnung dem Zwang zur unmittelbaren Ableitung aus dem Gesetz entziehen können, besteht letztlich nicht. Auch mit Hilfe einer Verordnung können die Senatsmitglieder nicht eine gesetzwidrige Rechtsauffassung immunisieren. Im Gegenteil: Eine falsche Rechtsauffassung, die als 'einfache Gesetzwidrigkeit' im Einzelfall zu einer Fehlentscheidung des Senats führt, ist nur bei Grundrechtsverletzungen erfolgreich bekämpfbar, eine in Verordnungsform gegossene Rechtswidrigkeit ist faktisch bei jeder einfachen Gesetzwidrigkeit der Verordnung durch die Partei dadurch bekämpfbar, dass sie gegen den Bescheid beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde erhebt. Ein vergleichbarer Rechtsschutz gegen gesetzwidrige Verordnungen für die einzelne Partei besteht im gerichtlichen Verfahren nicht. Denn die Parteien eines Gerichtsverfahrens können den Richter nicht zwingen, seiner Pflicht zu Vorlage möglicherweise gesetzwidriger Verordnungen zu entsprechen und haben auch sonst keine Möglichkeit, die Überprüfung der einfachen Gesetzwidrigkeit einer Verordnung zu erzwingen, wenn für den Anlassfall die Justiz zuständig ist. Das ist insofern gerechtfertigt, als die unabhängige Justiz die nach geltendem Recht stets aus der Sphäre der Verwaltung stammende Verordnungen mit hinreichender Distanz beurteilen wird, wäre aber anders, wenn die Justiz selbst Verordnungen erlassen könnte. Wenn und solange solche Justizverordnungen aber nicht zulässig sind, besteht auch keine Rechtsschutzlücke. Könnte zB der OGH eine Verordnung über die Höhe des angemessenen Unterhalts erlassen, so läge in der heute fehlenden Möglichkeit der Normadressaten, den OGH zu zwingen, 'seine' Verordnung der Prüfung des VfGH zu unterwerfen, ein gewisses Rechtsschutzdefizit. Durch die Übertragung einer Materie auf eine Kollegialbehörde gem Art 133 Z 4] B-VG mit (schieds-)richterlicher Aufgabe wird hingegen trotz der Ähnlichkeit der Aufgabenstellung kein derartiges Rechtsschutzdefizit herbeigeführt.

Fragt man sich, aus welchen verfassungspolitischem Grund das B-VG Verordnungen der Justiz in Justizmaterien nicht kennt, dürfte das oben dargestellte Rechtsschutzdefizit nicht als Begründung ausreichen. Es scheint so, dass es der Problemlage der Justizmaterie eher entspricht, sich mit grundsätzlichen Regelungen zu begnügen und die 'Feinabstimmung' einer 'ständigen Rechtsprechung' zu überlassen, die sich unter der Kontrolle von zwei Parteien, vor den Augen der Öffentlichkeit, überprüft im Instanzenzug entwickelt. Dieser justiztypische Weg der Feinabstimmung hat gegenüber der Verordnung den Vorteil, dass die Entscheidung für eine Lösung in jedem Einzelfall in Kenntnis des von den beiden streitenden Parteien vorgetragenen Lebenssachverhalts und nach Anhörung ihrer Argumente erfolgt und sich die 'ständige Rechtsprechung' vorsichtig von Fall zu Fall entwickelt. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die ständige Rechtsprechung eine Rechtsquelle ist und Normativcharakter hat, jedenfalls kann von der Rechtsprechung, selbst von der sogenannten ständigen Rechtsprechung, jedes Gericht, auch das erstinstanzliche Gericht in begründeten Fällen stets abweichen. Das schafft einerseits Flexibilität und Möglichkeit der Einzelfallgerechtigkeit und bietet wegen der mit dem Justizverfahren verbundenen Verfahrensgarantien, insbesondere der Öffentlichkeit und dem typischerweise kontradiktorischen Verfahren sowie dem Instanzenzug eine hohe Richtigkeitsgewähr. Im Gegensatz dazu besteht bei Erlassung einer Verordnung immer eine gewisse Gefahr, dass bei einer detailreichen Regelung in generell abstrakter Weise die zu regelnden Lebenssachverhalte nicht vollständig überblickt werden und daher schon die Tatbestände nicht vollständig formuliert werden. Noch größer ist die Gefahr, dass der Verfasser der Verordnung, dem häufig weit weniger Ressourcen und Zeit als dem Verfasser eines Gesetzes zur Verfügung stehen, die rechtlichen Implikationen und Probleme nicht vollständig durchdenken kann. Trotz dieser Gefahren der Verordnung ist sie aber rechtspolitisch häufig der langsamen Entwicklung einer Rechtsprechung in vielen Fällen vorzuziehen; dies insbesondere dann, wenn bei dem Normadressat ein hohes Maß an Planungssicherheit wünschenswert ist; die Verordnung zwingt aber auch die Behörde, die sie erlässt, die Probleme zu durchdenken und so gut als möglich vorausschauend und umfassend widerspruchsfrei (somit gleichheitskonform) zu lösen. Vorausgesetzt, dass der Gesetzgeber den Verordnungsinhalt in ausreichender Weise determiniert hat, ermöglicht sie weiters eine Entlastung des Gesetzgebers, aber auch (ähnlich wie die Rechtsprechung) eine Verlagerung der Feinabstimmung auf die Behörde, die gerade bei Kollegialbehörden gem Art 133 Z 4 B-VG typischerweise über hohen Sachverstand der Mitglieder und über ständig wachsende Erfahrungen im Regelungsbereich verfügt. Nicht ganz zu unterschätzen ist auch gerade bei Art 133 Z 4-Behörden der Vorzug der Erarbeitung von sachlich schwierigen Regeln durch Experten, die - ihre Unabhängigkeit vorausgesetzt - weniger leicht durch Partikularinteressen und Lobbyismus gesteuert werden können (vgl dazu Rill, Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag weiter im Visier des VfGH, ZfV 2001/780).

Weiters gestattet es das Instrument der Verordnung auf Veränderungen der Lebenssachverhalte und auf neue Einsichten flexibel zu reagieren, ohne dafür den teuren und schwerfälligeren Gesetzgebungsapparat in Anspruch zu nehmen; dies ist freilich nur innerhalb der durch das Legalitätsprinzip abgesteckten Grenzen möglich. Zu guter Letzt besteht mit Hilfe der Verordnung auch die Möglichkeit, die von der Behörde in ihrer ständigen Praxis gesammelten Erfahrungen gewissermaßen zu 'kodifizieren'.

Zusammenfassend:

Der Gesetzgeber hat bei Regelung jeder Materie grundsätzlich das Wahlrecht, welcher organisatorischen und verfahrensrechtlichen Instrumente er sich zur Durchsetzung der Regelungsziele bedient. Es bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung, wenn - bei Übertragung der Materie an ein Kollegialorgan gem Art 133 Z 4 B-VG - der Behörde die Möglichkeit zur Erlassung von Verordnungen versagt sein soll. Der Umstand, dass nach dem Aufbau der österreichischen Verfassung Gerichte keine Verordnungskompetenz haben, würde die Übertragung dieses Rechtssatzes der Organisation der Gerichtsbarkeit nur dann rechtfertigen, wenn die Gründe hiefür bei 'Kollegialbehörden gem Art 133 Z 4 B-VG mit schiedsrichterlicher Funktion' in gleicher Weise wie bei den Gerichten anzutreffen wären. Dies kann aber nicht behauptet werden, denn während die Parteien in einem gerichtlichen Verfahren die Überprüfung einer Verordnung der Justiz nach dem geltenden Rechtsschutzsystem gerade nicht erzwingen könnten, steht diese Möglichkeit zur Überprüfung einer bescheidrelevanten Verordnung durch den VfGH den Parteien eines Verfahrens vor Kollegialbehörden gem Art 133 Z 4 offen. Darüber hinaus dürfte bei den 'klassischen Materien der Justiz' der Gesetzgeber selbst in aller Regel keinen Bedarf für 'Feinabstimmung' im Wege einer Verordnung sehen, weil diese Aufgabe durch die Herausbildung der ständigen Rechtsprechung zu den Zweifelsfragen besser als durch Verordnungen gelöst wird."

4. Die Äußerung der IVA und des Dr. Rasinger

In ihrer Äußerung weisen der IVA und Dr. Rasinger zunächst darauf hin, dass ihre Parteistellung von der Übernahmekommission deshalb bejaht wurde, weil ihr Anteil am Grundkapital in Entsprechung des § 33 Abs 2 Z 4 ÜbG über € 70.000,-- betrage, wobei diese Schwelle im Hinblick auf das Erk. vom , G129/04 u.a., betreffend § 9 Abs 2 Spaltungsgesetz sachlich nicht gerechtfertigt und daher verfassungswidrig sei. Ihre Beschwer sehen die Beschwerdeführer nicht nur in der Möglichkeit einer Änderung des Börsekurses, sondern insbesondere auch im (per Bescheid angeordneten) Aufleben der Stimmrechte der BUI, wodurch die relative Stimmkraft ihrer Aktien stark gesenkt werde.

Der vorläufigen Annahme der Präjudizialität der Bestimmungen der 1. ÜbV treten der IVA und Dr. Rasinger mit der Begründung entgegen, dass - während gemäß § 22 Abs 1 ÜbG jeder, der eine kontrollierende Beteiligung erlangt, ein Pflichtanbot zu legen hat - in den Verordnungen nähere Voraussetzungen für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung umschrieben und Vermutungen für die Kontrolle aufgestellt würden, woraus der gesetzgeberische Wille resultiere, dass mit der 1. ÜbV lediglich ein Auslegungsbehelf für typische Fälle geschaffen werden sollte. Die Kriterien der Verordnung seien vom Gesetzgeber vorgegeben und diese Wertungen von der Übernahmekommission angewendet worden, sodass - wie die belangte Behörde selbst betont habe - § 3 Abs 1 der 1. ÜbV auch nicht analog angewendet worden sei.

Den Begriff der kontrollierenden Beteiligung erachten IVA und Dr. Rasinger als ausreichend bestimmt, da ihrer Meinung nach ein mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen vertrauter Verordnungsgeber alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen könne. Der Begriff der Beherrschung könne an der Möglichkeit, den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft und damit mittelbar den Vorstand zu bestimmen, festgemacht werden. Auch sei die Verordnungsermächtigung nicht in sich widersprüchlich. Bezüglich der Begriffe "kontrollierende Beteiligung" und "beherrschender Einfluss" in § 22 Abs 1 und 2 wird ausgeführt, dass in anderen eingriffsnahen Materien des Wirtschaftsrechts dieselben Begriffe verwendet würden.

§ 25 ÜbG sei nicht unbestimmt, auch sei der Buchwert einer Beteiligung am Tag der Erlangung der kontrollierenden Beteiligung durch bloße Einsicht in die Bücher der beherrschenden Gesellschaft problemlos festzustellen. Die Rechtsfolge des Ruhens der Stimmrechte sei nicht unverhältnismäßig, da die Übernahmekommission nach § 34 Abs 6 das Ruhen der Stimmrechte aufheben könne, wenn ein den Bestimmungen des ÜbG entsprechendes Anbot abgegeben oder die Folgen des rechtswidrigen Verhaltens in anderer Weise wieder gut gemacht würden.

Der betroffene Aktionär könne daher die Rechtsfolge des Ruhens der Stimmrechte in allen Fällen relativ einfach abwenden, indem er die Zahl der Aktien, die die Kontrolle vermitteln, an einen unabhängigen Dritten abgibt. Der abgebende Aktionär würde keinen wirtschaftlichen Schaden erleiden, wenn er den Dritten zur Rückübertragung verpflichtet, sobald der abgebende Aktionär dies verlangt. Der Dritte würde dann in der Folge die Ausschüttungen für den abgebenden Aktionär thesaurieren. Zur Unbestimmtheit des § 34 Abs 2 und 6 ÜbG verweisen IVA und Dr. Rasinger auch auf die Ermächtigung im Betriebsanlagenrecht der Gewerbeordnung.

Zu den Bedenken betreffend die Kundmachung der 1. ÜbV wird ausgeführt, dass die Veröffentlichung der Verordnung als Anhang zum amtlichen Kursblatt im Veröffentlichungsblatt der Wiener Börse und der Versendung an die Abonnenten bei gleichzeitiger Einsehbarkeit am Tage der Veröffentlichung sowie am Folgetag im Internet ausreichend sei. Zu den Bedenken gegen § 6 der 1. ÜbV wird ausgeführt, dass sich der betroffene Aktionär leicht seiner übernahmerechtlichen Verpflichtungen entledigen könne, indem er Aktien abgibt, und daher für die Fälle passiver Kontrollerlangung nicht immer Vorsorge treffen müsse. Würde man davon ausgehen, dass das ÜbG die passive Kontrollerlangung nicht erfasst, würde Umgehungen Tür und Tor geöffnet. Der gegenständliche Fall sei ein klassischer Fall einer versuchten Umgehung gewesen.

5. Die Äußerung der BUI

Zur behaupteten Unzulässigkeit der Beschwerden des IVA und des Dr. Rasinger verteidigt die BUI ihren Standpunkt und legte dazu als Beilage einen graphischen Überblick über die Entwicklung des Börsekurses vor, der sich im Zeitraum von September 2003 bis März 2006 nahezu vervierfacht habe. Die künftige Kursentwicklung sei heute nicht mehr als taugliche Begründung einer Beschwer heranzuziehen, weil es den Beschwerdeführern IVA und Dr. Rasinger seit November 2003 bzw. Juni 2004 jederzeit möglich gewesen wäre, ihre Aktien mit erheblichem Gewinn - gemessen am für einen allfälligen Pflichtangebotspreis relevanten Zeitpunkt - zu verkaufen, und sie daher, wenn sie diese Möglichkeit nicht wahrgenommen haben, auch nicht mehr als beschwert angesehen werden könnten.

Die BUI weist weiters in ihrer Äußerung darauf hin, dass die Frage, wann von einem beherrschenden Einfluss auszugehen ist, vom Handels- bzw. Gesellschafts- und Verfassungsrecht unterschiedlich beantwortet würde. Sie verweist dann auf zahlreiche Rechtsnormen zum Begriff der Beherrschung. Wird der Begriff nicht im Gesetz definiert, so ergebe sich sein Inhalt aus dem Zweck der Norm. Die Besonderheit bei der Verwendung dieses Begriffs im Übernahmerecht bestehe aber darin, dass das Vorliegen einer Beherrschung unmittelbar einschneidende Eingriffe in das Eigentumsrecht eines Aktionärs bewirke.

Die BUI setzt sich dann mit der RV zur Novelle des ÜbG und der Kritik an dieser RV auseinander und meint, dass "[n]och weniger die Überantwortung der Regelungskompetenz selbst - sogar hinsichtlich erheblicher Eingriffe in das Eigentumsrecht der erst von der Übernahmekommission zu bestimmenden Aktionärsgruppen - an die Übernahmekommission (durch die Verordnungsermächtigung in § 22 Abs 5 ÜbG) bei gleichzeitiger Installierung der Übernahmekommission als einziger Instanz als mit dem Rechtsstaatsprinzip oder auch nur dem Charakter der Republik Österreich als rechtsstaatlicher Demokratie mit parlamentarischem Regierungssystem vereinbar angesehen werden" könne. Sodann führt die BUI aus:

"Voraussetzung einer hinreichenden Definition des Begriffs der kontrollierenden Beteiligung bzw. des beherrschenden Einflusses für die Zwecke des Übernahmegesetzes wäre zunächst die Bestimmung der durch das Übernahmegesetz zu schützenden konkreten Interessen.

Wie der Verfassungsgerichtshof feststellt, soll das Übernahmegesetz einen Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen Gruppen von Aktionären herstellen. Der Gesetzgeber hat es aber nicht nur dem Verordnungsgeber durch die Verordnungsermächtigung in § 22 (5) ÜbG überlassen, festzulegen, in welche Richtung dieser Ausgleich stattfinden soll, er hat darüber hinaus auch die zu schützenden Interessen nicht als solche definiert, so dass es der Übernahmekommission überlassen bleibt, für oder gegen welche der aus dem Übernahmegesetz ableitbaren Normunterworfenen aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln sie vorzugehen beliebt (durch Erlassung von Verordnungen, Bescheiden, die sich nur auf die angebliche Generalklausel des § 22 (2) ÜbG oder überhaupt nur auf Gesetzesanalogien stützen, Verhängung von inhaltlich überhaupt nicht durch den Gesetzgeber determinierten Bedingungen und Auflagen jeder Art, Stellungnahmen, informellen Verfahren, mündlichen Vorhalten etc.).

Die von der Übernahmerichtlinie geforderten, auf den Zeitpunkt des Erwerbs einer kontrollierenden Beteiligung fokussierten Eingriffsmöglichkeiten wurden so erweitert auf eine mit dem Aktienrecht und dem auch von der Übernahmerichtlinie geforderten Prinzip der Gleichbehandlung aller Aktionäre nicht vereinbare dauernde, inhaltlich unbestimmte Schutzherrenfunktion der Übernahmekommission für den sogenannten 'Streubesitz' gegen den oder die 'Kern-' bzw. 'Großaktionäre'.

Wie die Beispiele der börsenotierten, ausschließlich im Streubesitz befindlichen, Aktiengesellschaft Vodafone/Mannesmann (und die dazu bis heute anhängigen Strafprozesse gegen die Organe von Vodafone) in der BRD und die zahlreichen Bilanzskandale börsenotierter, überwiegend im 'Streubesitz' befindlicher Gesellschaften in den USA zeigen, ist aber die Gefahr des Machtmissbrauchs durch die Organe einer Gesellschaft (und damit die Gefahr einer Schädigung der Interessen der Gesellschaft und damit auch aller ihrer Aktionäre) um so höher, umso weniger effektiver Kontrolle diese Organe ausgesetzt sind, anders gefasst, um so höher der Streubesitzanteil bei diesen Gesellschaften ist. Effektive - arbeitsintensive und einschlägige Kenntnisse voraussetzende - Kontrolle auszuüben sind in der Regel (siehe dazu auch das sattsam von der Übernahmekommission ins Treffen geführte Präsenzverhalten des Streubesitzes bei Hauptversammlungen) aber nur jene Aktionäre bereit und in der Lage, die über relativ hohe Anteile an der Gesellschaft verfügen. Gerade weil dem Gesetzgeber diese Mechanismen nachvollziehbar sind, wurde für die Durchführung der Privatisierungen der ÖIAG die Sicherstellung von 'Kernaktionärstrukturen' verlangt. Eine dauernde Lähmung genau dieser Aktionärsgruppe durch gesetzlich in keiner Weise determinierte Auflagen der Übernahmekommission, wie derzeit Usus, war zwar von Übernahmegesetzgeber offensichtlich nicht intendiert, ist aber durch die mangelnde gesetzliche Determinierung und fehlende konkrete Bestimmung der durch das Übernahmegesetz zu schützenden Interessen möglich geworden."

Zur Frage, ob der angefochtene Bescheid sich tatsächlich lediglich auf § 22 Abs 1 und 2 ÜbG stützen könne, führt die BUI aus, dass es der Übernahmekommission bewusst gewesen sei, den Bescheid nicht auf die 1. ÜbV stützen zu können, sodass "der Tatbestand, auf den sich der Spruch des angefochtenen Bescheides stützt, von der Übernahmekommission unter dem Deckmantel der Generalklausel ad hoc erfunden" worden sei. Der Tatbestand der passiven Kontrollerlangung, den die Übernahmekommission als "spätestens seit " erfüllt angesehen habe, sei von der Beschwerdeführerin nicht einmal zu erahnen gewesen. Soweit das ÜbG tatsächlich der Übernahmekommission einen derart weit gefassten Spielraum einräume, sei dies mit den rechtsstaatlichen Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung in keiner Weise in Einklang zu bringen.

Die §§22 Abs 1, 2 und 5 ÜbG würden dem Bestimmtheitsgebot widersprechen und seien unsachlich und würden über die Rechtsfolge des § 34 Abs 1 ÜbG in das Eigentumsrecht der betroffenen Aktionäre unverhältnismäßig eingreifen. Bei der Auslegung des § 25 Abs 1 Z 3 ÜbG stelle der Gesetzgeber "den Normunterworfenen vor mehrere bedrohliche Rätsel - mit dem Risiko, im Falle einer unrichtigen Interpretation automatisch seine Stimmrechte sowie nach einem Verfahren möglicherweise auch seine sonstigen Vermögensrechte zu verlieren (§34 Abs 1 und 3 ÜbG) und eine Verwaltungsübertretung (§35 ÜbG) zu begehen, wobei die richtige Interpretation aber erst ex post von der Übernahmekommission festgestellt wird".

Zu den Bedenken betreffend die §§25 Abs 2 und 34 Abs 2 und 6 ÜbG führt die BUI aus, dass durch das indirekte Verbot der Teilnahme an Kapitalerhöhungen der BUI bis heute ein Schaden in Höhe von rund 22,400.000,-- € entstanden sei; dazu stellt sie eine Berechnung dieses behaupteten Schadens auf. Weiters verweist die BUI auf die Gesetzesmaterialien, in denen zu § 25 Abs 1 Z 3 ÜbG ausgeführt wird, dass in Fällen einer knappen kontrollierenden Beteiligung, die unabsichtlich entstanden sei, die Übernahmekommission in der Regel die Auflage aussprechen würde, dass die kontrollierende Beteiligung durch den Verkauf der überzähligen Stimmrechtsaktien rückgängig zu machen sei. Sodann meint die BUI:

"Auch bei dieser Formulierung ging der Gesetzgeber offensichtlich wieder davon aus, es gäbe eine gesetzlich festgelegte 'Kontrollschwelle' und daher auch bestimmbare 'überzählige' Stimmrechtsaktien. Da die Übernahmekommission den freien Spielraum ihres Handelns aber nicht beschränken will, scheut sie vor der Festlegung einer Kontrollschwelle auch im gegebenen Fall zurück, erteilt nicht die Auflage des Verkaufs der 'überzähligen' Stimmrechtsaktien und muss daher auch nicht deklarieren, ab welchem Prozentsatz im Falle der BUI jedenfalls nicht mehr von einer kontrollierenden Beteiligung auszugehen wäre, sondern 'beschränkt' sich auf ein zeitlich befristetes Verbot weiteren Aktienerwerbs, ermöglicht aber gleichzeitig die unbefristeten und von keinem bestimmten oder für den Normunterworfenen auch nur bestimmbaren Beteiligungsprozentsatz abhängigen Auflagen des sonstigen 'Wohlverhaltens' aller ihr suspekten Beteiligten (des Vorstands der BUD hinsichtlich der verpflichtenden Bekanntgabe der zur Aufsichtsratswahl nominierten Personen an die Übernahmekommission vor jeder Hauptversammlung, der BUI hinsichtlich ihrer Verpflichtung, vor jeder Hauptversammlung gegenüber der Übernahmekommission glaubhaft zu machen, dass bei den zur Aufsichtsratswahl nominierten Personen kein Naheverhältnis zur BUI besteht, der BUI weiters hinsichtlich ihres Stimmverhaltens bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, und schließlich der Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich der Wahl des Vorsitzenden des Aufsichtsrates, siehe den Katalog in III litii des Spruches des angefochtenen Bescheides, und dies alles bei der sonstigen Sanktion des sofort wieder eintretenden Ruhens aller Stimmrechte der BUI).

Genau zu derart unverhältnismäßigen (und zwar zwangsläufig unverhältnismäßigen, weil für die 'Gegenseite' - die übrigen Aktionäre? Der Kapitalmarkt? - durch das individuelle Erwerbsverbot überhaupt kein positiver Effekt erzielt werden kann) Schädigungen des Normunterworfenen in seinem Eigentumsrecht und in seinem Recht auf Gleichbehandlung auch als Aktionär führt die inhaltliche Undeterminiertheit der gesetzlichen Ermächtigung, Bedingungen und Auflagen zu erteilen, jedenfalls dann, wenn die Entscheidungen der ermächtigten Stelle, wie im Fall der Übernahmekommission, keinerlei Korrektur oder Kontrolle durch den ordentlichen Rechtsweg unterliegen. Nicht unbedingt die gesetzliche Unbestimmtheit von zu verhängenden Bedingungen und Auflagen, die sich auch in anderen Rechtsbereichen wie etwa im Betriebsanlagenrecht findet, bewirkt schon zwangsläufig die Verfassungswidrigkeit der Norm, sondern die im Fall des Übernahmegesetzes gegebene Kombination schon der gesetzlichen Unbestimmtheit des Grundtatbestandes 'Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung' und der zu schützenden Interessen mit der gesetzlichen Unbestimmtheit der zu verhängenden Bedingungen und Auflagen und mit dem gesetzlichen Abschneiden jeglichen ordentlichen Rechtszuges."

Die BUI führt schließlich aus, dass das ÜbG an keiner Stelle von einem Tatbestand der passiven Kontrollerlangung ausgehe. Zweck des ÜbG sei nämlich die Stärkung des Kapitalmarkts. Abschließend meint die BUI:

"Müsste jeder Aktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft, der mehr als eine bloß geringfügige Beteiligung hält, stets damit rechnen, über die Rechtsfigur der 'passiven Kontrollerlangung' dazu genötigt werden zu können, ein Pflichtangebot legen zu müssen (sei es durch das Ausscheiden anderer Aktionäre, sei es durch die schlichte Nichtteilnahme anderer Aktionäre an den Hauptversammlungen), so würde sich wohl bald kaum mehr ein Aktionär finden, der bereit ist, dieses Risiko auf sich zu nehmen, es sei denn, es handelt sich ohnehin um den Versuch einer echten Übernahme mit allen für den Wirtschaftsstandort Österreich oft desaströsen Folgen."

6. Die Äußerung der BUD

Die BUD stellt in ihrer Äußerung im Detail dar, warum sie den Bedenken im Prüfungsbeschluss folgt.

V. Zur Zulässigkeit des Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht der beschwerdeführenden Parteien zu B389/05 und B390/05, dass ihre Beschwerdelegitimation nicht davon abhängt, wie sich ein Börsenkurs nach dem Zeitpunkt, zu dem ein Pflichtangebot zu legen gewesen wäre, entwickelt. Die - von der BUI zu Unrecht verneinte - Beschwer ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der angefochtene Bescheid sich an die Beschwerdeführer richtet oder durch die Feststellung und die sich daran anknüpfenden konstitutiven Rechtsfolgen auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführer auswirkt.

Der Verfassungsgerichtshof teilt jedoch nicht die Ansicht der beschwerdeführenden Parteien zu B389/05 und B390/05, dass die Absätze 5 und 6 des § 22 ÜbG nicht präjudiziell seien, weil die Übernahmekommission den angefochtenen Bescheid nicht auf die 1. ÜbV, sondern ausschließlich auf die Absätze 1 und 2 des § 22 ÜbG gestützt habe.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind jene Bestimmungen eines Gesetzes oder einer Verordnung präjudiziell, die von der Behörde bei der Erlassung ihres Bescheides in denkmöglicher Weise angewendet wurden oder zu deren Anwendung die Behörde verpflichtet war und welche darum auch der Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung über die gegen den Bescheid erhobene, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anzuwenden hätte. Präjudiziell sind aber auch jene gesetzlichen Bestimmungen, die der Verfassungsgerichtshof anzuwenden hätte, obgleich sie von der belangten Behörde weder angewendet wurden, noch anzuwenden waren (VfSlg. 14.257/1995 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Die Übernahmekommission hatte zu beurteilen, ob im konkreten Anlassbeschwerdefall eine kontrollierende Beteiligung erreicht wurde. Sie hatte daher alle jene Bestimmungen anzuwenden, die insgesamt diese Rechtsfrage regeln. Im Übrigen hat sie bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der 1. ÜbV, wie etwa die Teilnahme an Hauptversammlungen, in ihre Überlegungen einbezogen. Mag sie auch der Meinung sein, dass dies bloß eine analoge Heranziehung von Wertungen der 1. ÜbV gewesen sei, so ändert dies daran nichts, dass sie die 1. ÜbV zumindest anzuwenden gehabt hätte.

Auch sonst ist im Verfahren nichts hervorgekommen, was gegen die im Prüfungsbeschluss - vorläufig vertretene - Auffassung des Verfassungsgerichtshofes spräche, dass er bei seiner Entscheidung in den Anlassbeschwerdeverfahren alle Rechtsvorschriften anzuwenden hätte, die die Voraussetzungen für das Vorliegen einer kontrollierenden Beteiligung regeln.

Hingegen war § 34 Abs 1 ÜbG nur insoweit anzuwenden, als die Erstellung von Pflichtangeboten betroffen ist (§§22 bis 25 ÜbG), nicht aber der 2. Teil des ÜbG (freiwillige öffentliche Übernahmeangebote), sodass das Verfahren nur hinsichtlich der Wortfolge "Hat ein Aktionär..... 2. seiner Verpflichtung zur Stellung eines Angebots (§§22 bis 25) oder zur Mitteilung (§25 Abs 1) nach dem

3. Teil dieses Bundesgesetzes nicht entsprochen ...." zulässig ist. Zur Beseitigung der angenommenen Verfassungswidrigkeit würde die Beseitigung der genannten Wortfolge (außer der Einleitung "Hat ein Aktionär...") ausreichen.

Entfällt diese Wortfolge, so würde der Rest des § 34 Abs 1 sowie die Absätze 2 und 6 nur mehr für freiwillige öffentliche \bernahmeangebote anwendbar bleiben, die nicht die Anlassfälle betreffen. Wenn aber § 34 Abs 1 hinsichtlich der genannten Worte verfassungswidrig ist, wären damit auch die Absätze 2 und 6 nicht mehr präjudiziell. Insoweit war das Prüfungsverfahren einzustellen.

Da ansonsten sämtliche Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das eingeleitete Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

VI. Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs in der Sache

1. Zu den Bedenken betreffend Bestimmungen des ÜbG

1.1 Die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag aus rechtsstaatlichen Gründen nicht auch die Befugnis eingeräumt werden darf, den Maßstab ihrer Entscheidung selbst festzulegen, treffen zu:

Nach Art 20 Abs 1 B-VG führen unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte oder ernannte berufsmäßige Organe die Verwaltung. Sie sind, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. Die obersten Organe sind ihrerseits für ihre Tätigkeit den gesetzgebenden Organen gegenüber verantwortlich. Von dieser Grundstruktur der Verwaltungsorganisation machen Art 20 Abs 2 und Art 133 Z 4 B-VG eine Ausnahme. Art 20 Abs 2 B-VG geht davon aus, dass Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag eingerichtet werden können, um "Entscheidungen in oberster Instanz" zu erlassen. Auch Art 133 Z 4 B-VG sieht vor, dass der Gesetzgeber unter den dort bestimmten Voraussetzungen vorsehen kann, dass an Stelle eines weisungsgebundenen nachgeordneten Organs eine weisungsfreie Kollegialbehörde treten soll, gegen deren Entscheidung - sofern der Gesetzgeber nichts anderes vorsieht - keine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist. Art 133 Z 4 trifft diese Ausnahme bloß für Entscheidungen, nicht aber für die Erlassung genereller Normen. Dass unter den Begriff "Entscheidungen" bloß individuelle Verwaltungsakte fallen, zeigt auch der Zusammenhang mit den vorangehenden Art 131 und 132 B-VG.

Kollegialbehörden iSd Art 20 Abs 2 und Art 133 Z 4 B-VG sind ungeachtet ihrer gerichtsähnlichen Einrichtung Verwaltungsbehörden. Nach Art 18 Abs 2 B-VG kann jede Verwaltungsbehörde innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Der Wirkungsbereich von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag ist aber - wie oben dargetan - kraft Verfassung auf "Entscheidungen in oberster Instanz" beschränkt. Eine Zuständigkeit zur Verordnungserlassung kann sich auch nur auf den von der Verfassung vorgegebenen engen Funktionsbereich, nämlich der individuellen Rechtskontrolle und der Streitentscheidung (Rechtsstreitigkeiten und Regelungsstreitigkeiten) erstrecken (vgl. die Glosse von Klecatsky in JBl 1966, 418; ferner zur mangelnden Befugnis eines UVS zur Erlassung von Verordnungen auch Aichlreiter, in: Rill/Schäffer, B-VG, Art 129a Rz 11, insb. FN 39). Die Auffassung, wonach sich die Befugnis zur Erlassung von Verordnungen allein aus Art 18 Abs 2 B-VG ergebe, ohne dass hiebei der verfassungsrechtlich vorgegebene beschränkte Wirkungsbereich einer solchen Kontrollbehörde zu berücksichtigen sei (vgl. Rill, Ist das Übernahmerecht verfassungswidrig?, ZfV 2006, 178, insb. 182; für die UVS auch Mayer, in Walter [Hrsg.], Verfassungsänderungen 1988 [1989] 86 FN 13), vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu teilen.

Ein Widerspruch zwischen der Festlegung des Wirkungsbereiches einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag in Art 20 Abs 2 und Art 133 Z 4 B-VG auf Einzelfallentscheidungen einerseits und Art 18 Abs 2 B-VG andererseits besteht nicht, da Art 18 Abs 2 auf den Wirkungsbereich einer Verwaltungsbehörde abstellt, den für Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag die Art 20 Abs 2 und Art 133 Z 4 B-VG verfassungsrechtlich abstecken.

Legt der (einfache) Gesetzgeber in einer bestimmten Angelegenheit die Zuständigkeit einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, also einer weisungsfreien Behörde, zur Verordnungserlassung fest, so würde er auch in die Leitungsbefugnis der obersten Organe eingreifen und damit Art 20 Abs 1 B-VG verletzen. Eine Auslegung, wonach neben der Zuständigkeit der Kollegialbehörde auch das oberste Organ oder allenfalls auch andere nachgeordnete Organe Verordnungen erlassen dürften, würde zu einer Konkurrenz zwischen dem parlamentarisch verantwortlichen obersten Organ und einer weisungsfreien Behörde führen. Ein solches Verständnis ist aber dem Verfassungsgesetzgeber ebenso wenig zusinnbar, wie die Schaffung einer Zwitterstellung eines Kollegialorgans nach Art 133 Z 4 B-VG in dem Sinne, dass es nur bei Erlassung von Bescheiden unabhängig, aber bei Erlassung von Verordnungen an Weisungen oberster Organe gebunden ist.

Im Übrigen ist es auch im Sinne des die Rechtsordnung beherrschenden demokratischen Gedankens bedenklich, die Schaffung genereller Normen, also von Akten der materiellen Gesetzgebung unabhängigen Organen zu übertragen, die - anders als bei der Verordnungserlassung durch oberste Organe und deren weisungsgebundenen nachgeordneten Organen - weder der unmittelbaren noch der mittelbaren parlamentarischen Kontrolle unterliegen.

Eine Zuweisung der Aufgaben einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, die über Art 20 Abs 2 und Art 133 Z 4 B-VG hinausgeht, sieht etwa § 16 Abs 1 des Regulierungsbehördengesetzes in der Stammfassung (Art8 des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000) vor, wobei die verfassungsrechtliche Absicherung wegen der Verbindung von operativen (Verwaltungsführung) und justiziellen (Verwaltungskontrolle) Aufgaben als erforderlich angesehen wurde (vgl. Pauger/Pichler, Das österreichische Elektrizitätsrecht², 241 f.).

Entgegen stehende Aussagen in früheren Erkenntnissen kann der Verfassungsgerichtshof nicht aufrecht erhalten (vgl. etwa VfSlg. 5095/1965, 5096/1965, 13.564/1993, die im Ergebnis von einer Befugnis von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag zur Erlassung von Verordnungen ausgehen, ohne sich aber mit den oben aufgezeigten Fragen näher zu befassen).

1.2 In § 22 Abs 5 ÜbG ermächtigt der Gesetzgeber die Übernahmekommission, durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für das Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung zu umschreiben. Näheres zu dieser Verordnung ist in den Absätzen 5 und 6 geregelt. Damit ging aber der Gesetzgeber über den verfassungsrechtlich bestimmten Rahmen des Wirkungsbereiches einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag hinaus. Die Verordnungsermächtigung der Absätze 5 und 6 des § 22 ÜbG ist somit verfassungswidrig.

Wie bereits oben ausgeführt wurde, sind die Absätze 1 und 2 sowie 5 und 6 des § 22 ÜbG in ihrer Gesamtheit zu sehen. Die Absätze 1 und 2 teilen somit das verfassungsrechtliche Schicksal der Absätze 5 und 6. Eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit bloß der Absätze 5 und 6 würde auch die Absicht des Gesetzgebers, wonach die Absätze 1 und 2 bloß Determinanten für den Inhalt der Verordnung sein sollen, völlig verändern. Es wäre dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, einerseits zur Bestimmung der Voraussetzungen ein Verordnungserlassungsverfahren mit Anhörungsrechten vorzusehen (§28 Abs 8 ÜbG), wenn andererseits als Basis für die Bescheiderlassung die Anwendung ohnehin bloß der Absätze 1 und 2 des § 22 ÜbG genügen würde.

§ 25 Abs 1 ÜbG sieht vor, dass "abweichend von § 22 ÜbG" unter bestimmten Voraussetzungen kein Pflichtangebot zu legen ist, sondern eine Mitteilung des Sachverhaltes an die Übernahmekommission genügt. Waren die Abs 1, 2, 5 und 6 des § 22 ÜbG verfassungswidrig und sind sie daher nicht anzuwenden, so würden § 25 Abs 1 ÜbG sowie der damit im Zusammenhang stehende Abs 2 im Falle ihres Fortbestandes einen völlig anderen Sinn bekommen. Die Mitteilung wäre dann die alleinige Folge der Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung, und zwar nur in den weniger bedeutsamen Ausnahmefällen, wogegen es für den Regelfall keine Rechtsfolge geben würde. § 25 Abs 1 und 2 ÜbG teilen daher verfassungsrechtlich das Schicksal der genannten Absätze des § 22. Es ist somit festzustellen, dass sie ebenfalls verfassungswidrig waren.

Die Verfassungswidrigkeit erfasst auch die im Spruch genannten Teile des § 34 Abs 1 Z 2 ÜbG, die auf Grund des Verweises auf die §§22 bis 25 ÜbG inhaltsleer würden.

2. Zu den Bedenken gegen die 1. ÜbV

Wie bereits unter V. ausgeführt, hatte die Übernahmekommission auch § 3 Abs 1 und § 6 der 1. ÜbV anzuwenden. Auf Grund des Wegfalls der gesetzlichen Grundlage ist die ganze Verordnung gesetzwidrig geworden, sodass die Feststellung der Gesetzwidrigkeit gemäß Art 139 Abs 3 B-VG die ganze Verordnung umfasst.

Unter diesen Umständen war auf die weiteren Bedenken gegen die präjudiziellen Bestimmungen dieser Verordnung nicht mehr einzugehen.

VII. Schlussbemerkungen

1. Am wurde das Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 (ÜbRÄG 2006) im BGBl. I Nr. 75/2006 kundgemacht. Mit diesem Gesetz wurden die §§22, 25 und 34 ÜbG völlig neu gefasst. Diese Bestimmungen traten in der Fassung des ÜbRÄG 2006 am in Kraft (§37 ÜbRÄG 2006). Es war daher festzustellen, dass die im Spruch genannten Absätze der §§22, 25 und 34 verfassungswidrig waren.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung des Ausspruchs, dass die im Spruch unter Pkt. I. genannten Bestimmungen des ÜbG verfassungswidrig waren, erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

2. Da durch die Novelle auch die Verordnungsermächtigung der Absätze 5 und 6 des ÜbG ersatzlos beseitigt wurde, gehört auch die

1. ÜbV nicht mehr dem Rechtsbestand an, sodass sie nicht aufzuheben, sondern deren Gesetzwidrigkeit festzustellen war.

Die Verpflichtung der Bundesministerin für Justiz zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 VfGG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.