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VfGH vom 22.06.2005, v109/03

VfGH vom 22.06.2005, v109/03

Sammlungsnummer

17596

Spruch

Die Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom

über die Gewerbeausübung in Gastgärten, kundgemacht in der Grazer Zeitung - Amtlicher Teil vom , Stück 24, Nr. 206, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Volksanwaltschaft stellt unter Berufung auf Art 148e iVm Art 139 B-VG den Antrag, die Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom über die Gewerbeausübung in Gastgärten, kundgemacht in der Grazer Zeitung - Amtlicher Teil vom unter Nr. 206, zur Gänze, in eventu § 1 dieser Verordnung, in eventu die Wortfolge "Landeshauptstadt Graz Stadt Graz" im § 1 als gesetzwidrig aufzuheben.

Sie hegt das Bedenken, dass die verordnungserlassende Behörde, der Landeshauptmann von Steiermark, vor Erlassung der angefochtenen Verordnung in Ansehung der in der Gewerbeordnung (GewO) 1994 für eine abweichende Regelung vorgesehenen Kriterien keinerlei bzw. kein hinreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe.

a) Die Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom über die Gewerbeausübung in Gastgärten (im Folgenden: Stmk. GastgartenVO) lautet wie folgt:

"§1

In den nachstehend genannten Gemeinden dürfen Gastgärten unter den Voraussetzungen des § 112 Abs 3 Gewerbeordnung 1994 i. d. g. F. in der Zeit vom 15. Juni bis 15. September jedenfalls von 8 bis 24 Uhr betrieben werden:

Bezirk Gemeinde

Landeshauptstadt Graz Stadt Graz

Bruck an der Mur Aflenz Land

Breitenau am Hochlantsch

Halltal

Kapfenberg

Mariazell

Oberaich

Pernegg an der Mur

St. Katharein an der Laming

St. Marein im Mürztal

Thörl

Tragöß

Turnau

... [es folgen 16 weitere Bezirke mit insgesamt 171 Gemeinden]

§2

In den nachstehend genannten Gemeindegebieten dürfen Gastgärten unter den Voraussetzungen des § 112 Abs 3 Gewerbeordnung 1994 i. d. g. F. in der Zeit vom 15. Juni bis 15. September jedenfalls von 8 bis 24 Uhr betrieben werden:

Im Bezirk Bruck an der Mur:_

Etmißl Ortszentrum

St. Sebastian gesamtes Gemeindegebiet,

ausgenommen das Gebiet um das

Landeskrankenhaus Mariazell

(Spitalgasse 4 bis 8) und das

Pflegeheim Mariazellerland

(Spitalgasse 3)

... [es folgen 12 weitere Bezirke mit insgesamt 27 Gemeinden und

einer Umschreibung von einem oder mehreren Gebieten (Grundstücken) innerhalb dieser Gemeinden]

§3

Diese Verordnung tritt mit in Kraft."

b) Der die gesetzliche Grundlage dieser Verordnung bildende § 112 Abs 3 GewO 1994, BGBl. 194, idF BGBl. I 111/2002 ordnet zunächst an, dass

"Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ... jedenfalls von 8 bis 23 Uhr betrieben werden [dürfen], wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden, noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 9 bis 22 Uhr betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllen".

Der daran anschließende, letzte Satz des § 112 Abs 3 leg.cit. ermächtigte den Landeshauptmann (arg.: "Der Landeshauptmann kann"),

"mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten für solche Gebiete fest[zu]legen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des § 113 Abs 1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen".

2.1. Der die Stmk. GastgartenVO erlassende Landeshauptmann von Steiermark hat die Verordnungsakten vorgelegt und in seiner Äußerung die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung verteidigt.

2.2. Der gemäß § 58 Abs 2 VfGG als oberste Verwaltungsbehörde, die zur Vertretung der angefochtenen Verordnung berufen ist, gleichfalls zur Äußerung aufgeforderte Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat weder Akten vorgelegt noch eine Äußerung erstattet.

II. 1. Aus Anlass dieses Verordnungsprüfungsantrages leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des die gesetzliche Grundlage der angefochtenen Verordnung bildenden § 112 Abs 3 letzter Satz GewO 1994 idF BGBl. I 111/2002 ein.

2. Mit Erkenntnis vom , G4/05, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung mit Wirksamkeit als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen (s. , Pkt. II.1.) - Antrag der Volksanwaltschaft erwogen:

1. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des einem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Gleiches gilt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung, die auf eine aufgehobene Gesetzesstelle gegründet war.

2. Die zur Aufhebung beantragte Verordnung findet ihre materielle Basis in der als verfassungswidrig erkannten und deswegen aufgehobenen Bestimmung des § 112 Abs 3 letzter Satz GewO 1994; sie ist darum nunmehr so zu beurteilen, als ob sie ohne gesetzliche Grundlage - also in Widerspruch zu Art 18 B-VG erlassen worden wäre (vgl. VfSlg. 11.057/1986, 14.132/1995, 15.976/2000, 16.042/2000, S 1008, 17.024/2003).

Die angefochtene Verordnung ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Kundmachungsverpflichtung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit ergibt sich aus Art 139 Abs 5 B-VG und § 60 Abs 2 VfGG.

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.