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VfGH vom 01.12.2017, V107/2017

VfGH vom 01.12.2017, V107/2017

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Verordnung betreffend die Verlängerung der Erklärung eines Gebietes zum Neuplanungsgebiet mangels Geltung der ursprünglichen Neuplanungsgebietsverordnung im Zeitpunkt des Inkrafttretens ihrer Verlängerung

Spruch

I.Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom betreffend die 1. Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet über das Planungsgebiet zur Erstellung eines Bebauungsplanes "St. Isidor", beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding am und kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 8. November bis , war gesetzwidrig.

II.Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1.Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E907/2017 eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1.Mit Beschluss vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 29. Oktober bis , erließ der Gemein-derat der Stadtgemeinde Leonding die "Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom betreffend die Erklärung zum Neupla-nungsgebiet über das Planungsgebiet zur Erstellung eines Bebauungsplanes 'St. Isidor'" (im Folgenden: "Neuplanungsgebietsverordnung 2014"), welche neben näher umschriebenen Bebauungsbestimmungen ein "Zu- und Abfahrtsverbot entsprechend dem beiliegenden Bebauungsplanentwurf […]" vorsah. Zur Begründung der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 führte der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding im Wesentlichen das Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung im Zusammenhang mit der sukzessi-ven "Umnutzung" des näher bezeichneten Kinderdorfes in Richtung Wohnbau und den damit verbundenen Auswirkungen auf die näher umschriebene städte-baulich sensible verkehrstechnische Lage an.

1.2.Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Stadtge-meinde Leonding den am – auf Grundlage der am erteilten Bauplatzbewilligung – gestellten Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanla-ge bestehend aus zwei Wohngebäuden mit Tiefgarage, einem Müllgebäude und einer Hauskanalanlage auf Grundstück Nr 2101/29, KG Leonding, mit geplanter Aufschließung über die Herderstraße wegen des Widerspruchs zu dem in der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 normierten Zu- und Abfahrtsverbot gemäß § 30 Abs 6 OÖ BauO 1994 ab.

1.3.Die gegen den Bescheid des Bürgermeisters erhobene Berufung der einschreitenden Gesellschaft wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding nach Beschlussfassung am mit Bescheid vom im Wesentlichen wegen des Widerspruchs gegen die Neuplanungsgebietsverordnung 2014 gemäß § 30 Abs 6 OÖ BauO 1994 ab.

1.4.Mit Beschluss vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 8. November bis , erließ der Ge-meinderat der Stadtgemeinde Leonding die "Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom betreffend die 1. Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet über das Planungsgebiet zur Erstellung eines Bebauungsplanes 'St. Isidor'" (im Folgenden: "Neuplanungsgebietsverordnung 2016").

1.5.Mit Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die von der einschreitenden Gesellschaft erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom als unbegründet ab. Da das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebliche Rechtslage anzuwenden habe, sei – wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2010/05/0138, hinsichtlich Neuplanungsgebieten ausgesprochen habe – ungeachtet der rechtskräftigen Bauplatzbewilligung die seit rechtswirksame (verlängerte) Neuplanungsgebietsverordnung anzuwenden. Gemäß den vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beigeschafften Verordnungsakten habe die formale Prüfung der (verlängerten) Neuplanungsgebietsverordnung durch die Aufsichtsbehörde keine Gesetzwidrigkeit ergeben. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Bausperre auch in einem bereits anhängigen Baubewilligungsverfahren zu beachten. Im Verfahren betreffend die Erlassung einer Neuplanungsgebietsver-ordnung reiche es aus, wenn der Verordnungsgeber eine entsprechend konkreti-sierte Änderungsabsicht darlege. Eine Grundlagenforschung oder Interessenab-wägung iSd § 36 OÖ ROG 1994 habe nicht zu erfolgen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die beabsichtigte Neuplanung seien gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Bausperre noch nicht zu beurteilen. Die Änderungsabsicht habe der Verordnungsgeber in Grundzügen in Worten unter Anschluss einer Planbeilage entsprechend konkretisiert umschrieben. § 45 OÖ BauO 1994 sehe anders als die Bestimmung des § 36 OÖ ROG 1994 kein Stellungnahmeverfahren nach § 33 OÖ ROG 1994 vor, weshalb nicht relevant sei, ob die einschreitende Gesellschaft vor Erlassung der Neuplanungsgebietsverordnung verständigt worden sei. Da das Bauvorhaben im Hinblick auf die unzulässige Aufschließung über die Herderstraße der (verlängerten) Neuplanungsgebietsverordnung widerspreche, sei die Abweisung gemäß § 30 Abs 6 OÖ BauO 1994 zu Recht erfolgt.

1.6.Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

2. Der Verfassungsgerichtshof legte die Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmten, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"Die Neuplanungsgebietsverordnung 2016 dürfte gegen § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 iVm § 94 OÖ GemO 1990 verstoßen und aus diesem Grund gesetzwidrig sein.

3.1. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding beschloss in seiner Sitzung vom im Rahmen der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 die '1. Verlängerung' der am beschlossenen, in der Zeit vom bis durch Anschlag an der Amtstafel kundgemachten und gemäß § 94 Abs 2 iVm Abs 3 OÖ GemO 1990 mit rechtswirksamen Neuplanungsgebietsverordnung 2014, mit welcher das in dem der Verordnung beiliegenden Bebauungsplanentwurf abgegrenzte (auch) das Grundstück Nr 2101/29 umfassende Planungsgebiet zum Neuplanungsgebiet gemäß § 45 OÖ BauO 1994 erklärt worden war. Die – im Hinblick auf den Regelungsgegenstand und -umfang mit der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 inhaltsgleiche – am beschlossene Neuplanungsgebietsverordnung 2016 wurde ihrerseits durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 8. November bis kundgemacht und erlangte – nach Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist – mit Rechtswirksamkeit iSd § 94 Abs 2 iVm Abs 3 OÖ GemO 1990.

Aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates der Stadtgemeinde [Leonding] vom geht hervor, dass die Erlassung der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 vom Willen getragen war, die Geltung der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 um ein weiteres Jahr zu prolongieren.

3.2. Gemäß § 45 Abs 4 OÖ BauO 1994 tritt eine Verordnung über die Erklärung zum Neuplanungsgebiet spätestens nach zwei Jahren außer Kraft. Gemäß § 45 Abs 5 erster Satz OÖ BauO 1994 kann der Gemeinderat die Erklärung zum Neuplanungsgebiet durch Verordnung höchstens zweimal auf je ein weiteres Jahr verlängern.

Eine Neuplanungsgebietsverordnung und deren Verlängerung bilden eine Einheit (vgl. VfSlg 17.325/2004 zur Verlängerung einer Bausperre gemäß der Bauordnung für Wien). Das vom Gesetzgeber gebrauchte Wort 'verlängert' zeigt zunächst einmal an, dass Identität des Inhaltes vorausgesetzt und nur das Ende der Geltungsdauer hinausgeschoben wird (vgl. VfSlg 4022/1961 zur Verlängerung einer Bausperre gemäß dem NÖ ROG 1976).

3.3. Nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes scheint die zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch auf die Rechtsvorschrift des § 45 OÖ BauO 1994 übertragbar (vgl. VfSlg 20.053/2016). Daraus folgend geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Verlängerung bzw. das Hinausschieben der Geltungsdauer einer Verordnung betreffend die Erklärung zum Neuplanungsgebiet iSd § 45 Abs 1 OÖ BauO 1994 deren Geltung bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Verordnung iSd § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 betreffend die Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet iSd Abs 1 leg.cit. – folglich deren Einheit (auch) in Form eines lückenlosen zeitlichen Geltungsbereiches – voraussetzt.

Auf Grundlage der von der belangten Behörde vorgelegten Verordnungsakten geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Neuplanungsge-bietsverordnung 2014 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuplanungsge-bietsverordnung 2016 nicht mehr in Kraft stand, womit nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes eine (wesentliche) gesetzliche Voraussetzung für die Erlassung einer Verordnung im Sinne des § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 nicht erfüllt sein dürfte."

3.Die Oberösterreichische Landesregierung legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt:

"II. Rechtsausführungen:

Der Verfassungsgerichtshof hegt Bedenken, dass die vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding in seiner Sitzung am im Rahmen der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 beschlossene 1. Verlängerung der am beschlossenen, in der Zeit von bis durch Anschlag an der Amtstafel kundgemachten und gemäß § 94 Abs 2 in Verbindung mit Abs 3 Oö. Gemeindeordnung 1990 mit rechtswirksamen Neuplanungsgebietsverordnung 2014, mit welcher das in dem der Verordnung beiliegenden Bebauungsplanentwurf abgegrenzte (auch) das Grundstück Nr 2101/29 umfassende Planungsgebiet zum Neuplanungsgebiet gemäß § 45 Abs 5 Oö. Bau 1994 erklärt wurde, gegen § 45 Abs 5 Oö. BauO 1994 verstoßen und aus diesem Grund gesetzwidrig sein könnte.

Die im Hinblick auf den Regelungsgegenstand und – Umfang mit der Neuplanungsgebietsverordnung inhaltsgleiche und am beschlossene Neuplanungsgebietsverordnung 2016 wurde durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit [von] bis kundgemacht und erlangte nach Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist mit Rechtswirksamkeit im Sinn des § 94 Abs 2 iVm Abs 3 Oö. GemO 1990.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits ausgeführt hat, geht aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderats der Stadtgemeinde Leonding vom hervor, dass die Erlassung der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 vom Willen getragen war, die Geltung der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 um ein weiteres Jahr zu prolongieren. In der Folge erfolgte jedoch die Kundmachung dieser Verordnung erst in der Zeit vom bis und erlangte mit formal die Rechtswirksamkeit.

Wille des Gemeinderats war jedenfalls die Verlängerung der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 um ein weiteres Jahr. Auch der dazu notwendige Beschluss des Gemeinderats erfolgte zeitgerecht am , also noch vor Ablauf des Geltungszeitraums, welcher sich bis zum erstreckte. Auch die Auflage zur Kundmachung der beschlossenen inhaltsgleichen und um ein Jahr verlängerten Neuplanungsgebietsverordnung 2016 begann am , also zu einem Zeitpunkt, als die Neuplanungsgebietsverordnung 2014 noch in Geltung war.

Eine Neuplanungsgebietsverordnung und deren Verlängerung bilden eine Einheit, wobei das vom Gesetzgeber gebrauchte Wort 'verlängert' zunächst einmal anzeigt, dass die Identität des Inhalts vorausgesetzt und nur das Ende der Geltungsdauer hinausgeschoben wird. Es ist richtig, dass formal die 1. Verlängerung der Neuplanungsgebietsverordnung erst am Rechtswirksamkeit erlangte, jedoch stets der Wille des Gemeinderats vorlag, die Neuplanungsgebietsverordnung 2014 inhaltsgleich zu verlängern, wobei auch zeitgerecht der entsprechende Beschluss gefasst wurde. In formalrechtlicher Hinsicht besteht allerdings eine Lücke zwischen und , die jedoch vom Willen des Gemeinderats so getragen war, dass hier ein lückenloser Anschluss der 1. Verlängerung der Neuplanungsgebietsverordnung gewährleistet werden sollte. Jedenfalls geht aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderats hervor, dass [mit der] 1. Verlängerung der ursprünglichen Neuplanungsgebietsverordnung [die] in der ursprünglich erlassenen Neuplanungsgebietsverordnung enthaltenen Festlegungen prolongiert werden sollte[n].

Die 1. Verlängerung der Neuplanungsgebietsverordnung wurde auch unstrittig durch zweiwöchigen Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde Leonding kundgemacht, sodass sie, was die Prolongierung betrifft, verspätet Bestandteil der Rechtsordnung geworden ist. Dieser Mangel war nach Ansicht der Aufsichtsbehörde nicht so schwerwiegend, dass er zur Aufhebung der Verordnung führen würde, zumal die Folgen einer Aufhebung der Verlängerungsverordnung in einem Missverhältnis zu den geringen formalen Mängeln stünden.

Der in diesem Zusammenhang erfolgte Kundmachungsmangel würde nämlich dazu führen, dass er gleichsam nicht heilbar ist. Die Kundmachung an sich wurde ja korrekt durch zweiwöchigen Anschlag an der Amtstafel durchgeführt. Der Mangel aber besteht darin, dass kein lückenloser zeitlicher Geltungsbereich der ersten Verlängerung durch den verspäteten Anschlag an der Amtstafel gegeben ist.

Es handelt sich aber dabei um einen Mangel, der deshalb nicht mehr beseitigt oder geheilt werden kann, da zum einen eine Wiederholung der Kundmachung keine Mangelbeseitigung hervorruft, da die Prolongierung ohne die bereits eingetretene Unterbrechung nicht mehr hergestellt werden kann und zum anderen auch eine Neuerlassung dieser Neuplanungsgebietsverordnung rechtlich nicht möglich ist. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , V132/2015-12 Folgendes festgehalten:

'Die Erlassung der NeuplanungsgebietsV vom war vom Willen getragen, die Geltung der bereits in der ursprünglichen NeuplanungsgebietsV vom ('Generalverordnung') enthaltenen Festlegung der Sache nach zu prolongieren. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding hat anlässlich der angefochtenen NeuplanungsgebietsV nicht berücksichtigt, dass er bereits mit der 'Bebauungsrichtlinie' vom einen textlichen Bebauungsplan erlassen hat, und es dementsprechend unterlassen, die gegenüber der 'Bebauungsrichtlinie' beabsichtigte Neuplanung in ihren Grundzügen zu umschreiben.

Aus diesem Grund widerspricht die angefochtene NeuplanungsgebietsV dem § 45 Abs 1 Oö. BauO 1994, der anlässlich der Erfassung einer NeuplanungsgebietsV die Umschreibung der beabsichtigten Neuplanung (in ihren Grundzügen) verlangt.

Da die NeuplanungsgebietsV vom , welche der 'Bebauungsrichtlinie' vom derogierte, gemäß § 45 Abs 4 Oö. BauO 1994 spätestens nach zwei Jahren nach ihrer Erlassung von Gesetzes wegen außer Kraft tritt, hat der VfGH auszusprechen, dass die Verordnung, soweit das Grundstück Nr 175/2, EZ 1358, KG Leonding, betroffen ist, gesetzwidrig war.'

Ohne geänderte Planungsabsichten ist daher eine Neuerlassung dieser Neuplanungsgebietsverordnung mit demselben Inhalt rechtlich nicht möglich. Der Kundmachungsmangel hätte daher zur Folge, dass die Neuplanungsgebietsverordnung um die rechtliche Möglichkeit der zweimaligen Verlängerung gebracht würde.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach ausgesprochen, dass (kleinere) Verstöße gegen Formvorschriften bei Auflage von Entwürfen von Flächenwidmungsplänen und der Verständigung darüber dann (noch) keine Gesetzwidrigkeit des Zustandekommens des Plans bewirken, wenn dadurch die Unterrichtung der betroffenen Gemeindebürger über die beabsichtigten Planungsmaßnahmen nicht beeinträchtigt wird (siehe hiezu VfSlg 8463/1978 S 497, 9150/1981 S 528f, 10.208/1984 S 383 sowie 12.785/1991 S 983).

Im gegenständlichen Fall handelt es sich zwar nicht um einen Verstoß bei der Auflage von Entwürfen, jedoch ist die Folgewirkung des Mangels der Unterbrechung der Prolongierung mit einer fehlenden Beeinträchtigung der von der Neuplanungsgebietsverordnung Betroffenen vergleichbar. Insbesondere ist durch den Beginn der Kundmachung der Verlängerung der Neuplanungsgebietsverordnung noch während der Geltungsdauer der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 für den Normunterworfenen eine lückenlose Publizität gegeben."

4.Die verordnungserlassende Behörde und die beschwerdeführende Partei des Anlassverfahrens sahen von der Erstattung einer Äußerung ab.

II.Rechtslage

1.§45 des Landesgesetzes vom , mit dem eine Bauordnung für Oberösterreich erlassen wird (OÖ Bauordnung 1994 – OÖ BauO 1994), LGBl 66/1994, idF LGBl 70/1998, lautet:

"§45

Neuplanungsgebiete

(1) Der Gemeinderat kann durch Verordnung bestimmte Gebiete zu Neuplanungsgebieten erklären, wenn ein Flächenwidmungsplan oder ein Bebauungsplan für dieses Gebiet erlassen oder geändert werden soll und dies im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung erforderlich ist. Der Gemeinderat hat anläßlich der Verordnung die beabsichtigte Neuplanung, die Anlaß für die Erklärung ist, in ihren Grundzügen zu umschreiben.

(2) Die Erklärung zum Neuplanungsgebiet hat die Wirkung, daß Bauplatzbewilligungen, Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken und Baubewilligungen - ausgenommen Baubewilligungen für Bauvorhaben gemäß § 24 Abs 1 Z 4 - nur ausnahmsweise erteilt werden dürfen, wenn nach der jeweils gegebenen Sachlage anzunehmen ist, daß die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans nicht erschwert oder verhindert.

(3) Verpflichtungen, die sich bei Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs 2 ergeben hätten, wenn der neue oder geänderte Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan schon zur Zeit ihrer Erteilung rechtswirksam gewesen wäre, können nach dem Rechtswirksamwerden des Plans von der Baubehörde nachträglich vorgeschrieben werden, sofern die Bewilligung noch wirksam ist.

(4) Die Verordnung über die Erklärung zum Neuplanungsgebiet tritt entsprechend dem Anlaß, aus dem sie erlassen wurde, mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans oder der Änderung des Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans, spätestens jedoch nach zwei Jahren, außer Kraft.

(5) Der Gemeinderat kann die Erklärung zum Neuplanungsgebiet durch Verordnung höchstens zweimal auf je ein weiteres Jahr verlängern. Eine darüber hinausgehende Verlängerung auf höchstens zwei weitere Jahre kann durch Verordnung des Gemeinderates erfolgen, wenn sich die vorgesehene Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans ausschließlich deswegen verzögert, weil überörtliche Planungen berücksichtigt werden sollen; eine solche Verordnung bedarf der Genehmigung der Landesregierung, die zu erteilen ist, wenn mit einer Fertigstellung und Berücksichtigung der überörtlichen Planung innerhalb der weiteren Verlängerungsfrist gerechnet werden kann. Auch im Fall einer Verlängerung tritt die Verordnung mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Plans oder der Änderung des Plans außer Kraft."

2.§94 Oö. Gemeindeordnung 1990 – OÖ GemO 1990, LGBl 91/1990, idF LGBl 152/2001, lautet:

"VI. HAUPTSTÜCK

Verwaltungsakte und Verwaltungsverfahren

§94

Kundmachung

(1) Verordnungen der Gemeinde bedürfen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu ihrer Rechtswirksamkeit der öffentlichen Kundmachung nach Maßgabe der Abs 2 bis 4.

(2) Die Rechtswirksamkeit von Verordnungen beginnt frühestens mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag. Bei Gefahr im Verzug kann jedoch in der Verordnung angeordnet werden, daß ihre Rechtswirksamkeit bereits vor diesem Zeitpunkt beginnt, frühestens jedoch mit Ablauf des Kundmachungstages. Die Rechtswirksamkeit von Verordnungen erstreckt sich, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, auf das gesamte Gemeindegebiet.

(3) Die Kundmachung ist vom Bürgermeister binnen zwei Wochen nach der Beschlußfassung durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel durchzuführen. Die Kundmachungsfrist beträgt zwei Wochen. Neben der Kundmachung durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel und ohne Einfluß auf die Rechtswirksamkeit sind Verordnungen der Gemeinde vom Bürgermeister auch auf andere Art ortsüblich bekanntzumachen, wenn dies notwendig oder zweckmäßig ist.

(4) Verordnungen, deren Umfang oder Art den Anschlag an der Gemeindeamtstafel nicht zuläßt, sind im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist aufzulegen. In diesen Fällen ist die Tatsache der Auflegung kundzumachen.

(5) Der Text geltender Verordnungen ist im Gemeindeamt zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Jedermann hat das Recht, Abschriften zu erstellen oder gegen Kostenersatz die Herstellung von Kopien zu verlangen. Soweit geltende Verordnungen EDV-mäßig erfasst sind, sind diese auf Antrag nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden technischen Mittel im Wege automationsunterstützter Datenübertragung jedem Fraktionsobmann bzw. dem von ihm ermächtigten Vertreter seiner Fraktion zur Verfügung zu stellen.

(6) Die Bestimmungen der Abs 3 und 4 gelten, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, sinngemäß auch für alle jene Fälle, in denen die Kundmachung von anderen Beschlüssen der Gemeinde gesetzlich angeordnet ist oder solche Beschlüsse die Öffentlichkeit berühren."

III.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 zweifeln ließe.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren als zulässig.

2.In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1.Der Verfassungsgerichtshof hegte in seinem Prüfungsbeschluss das Bedenken, dass die Verlängerung bzw. das Hinausschieben der Geltungsdauer einer Verordnung betreffend die Erklärung zum Neuplanungsgebiet iSd § 45 Abs 1 OÖ BauO 1994 deren Geltung bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Verordnung iSd § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 betreffend die Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet iSd Abs 1 leg.cit. – folglich deren Einheit (auch) in Form eines lückenlosen zeitlichen Geltungsbereiches – voraussetzt.

2.2.Entgegen der von der Oberösterreichischen Landesregierung in ihrer Äußerung vertretenen Rechtsauffassung vermag die rechtzeitige Beschlussfassung der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 und die mit deren Kundmachung verbundene Publizität nichts an der vom Verfassungsgerichthof in seinem Prüfungsbeschluss (vorläufig) angenommenen Gesetzwidrigkeit der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 zu ändern:

Entscheidend für die Gesetzmäßigkeit einer verlängerten Neuplanungsgebietsverordnung ist die Einheit der ursprünglichen Neuplanungsgebietsverordnung gemäß § 45 Abs 1 OÖ BauO 1994 und deren Verlängerung gemäß § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 (auch) in Form eines lückenlosen zeitlichen Geltungsbereiches. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich der normative Gehalt einer Verordnung gemäß § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 in der Verlängerung des zeitlichen Geltungsbereiches einer Verordnung gemäß § 45 Abs 1 OÖ BauO 1994 erschöpft und folglich die Geltung der – den Regelungsgegenstand und -umfang der Neuplanung normativ umschreibenden – Verordnung gemäß § 45 Abs 1 OÖ BauO 1994 im Zeitpunkt des Inkrafttretens ihrer Verlängerung iSd § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 voraussetzt.

Gemäß § 94 Abs 2 und 3 OÖ GemO 1990 beginnt die Rechtswirksamkeit von Verordnungen frühestens mit dem auf den Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag. Da die in der Zeit vom 8. November bis an der Amtstafel angeschlagene Neuplanungsgebietsverordnung 2016 erst mit und somit zehn Tage nach dem Außerkrafttreten der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 in Kraft trat, erweist sich die Neuplanungsgebietsverordnung 2016 als gesetzwidrig.

Da die Neuplanungsgebietsverordnung 2016 gemäß § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 spätestens ein Jahr nach ihrer Erlassung von Gesetzes wegen außer Kraft tritt, hat der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, dass die mit Ablauf des außer Kraft getretene Neuplanungsgebietsverordnung 2016 gesetzwidrig war.

2.3.Der Verfassungsgerichtshof hat den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 16.929/2003, 16.989/2003, 17.057/2003, 18.227/2007, 19.166/2010, 19.698/2012)

2.4.Da die Neuplanungsgebietsverordnung 2014 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuplanungsgebietsverordnung 2016 bereits in ihrer Gesamtheit außer Kraft getreten war, hat der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, dass die – sich normativ in der (intendierten) Verlängerung des zeitlichen Geltungsbereiches der Neuplanungsgebietsverordnung 2014 erschöpfende – Neuplanungsgebietsverordnung 2016 zur Gänze gesetzwidrig war.

IV.Ergebnis

1.Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom betreffend die 1. Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet über das Planungsgebiet zur Erstellung eines Bebauungsplanes "St. Isidor", beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding am und kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 8. November bis , war daher wegen Verstoßes gegen § 45 Abs 5 OÖ BauO 1994 gesetzwidrig.

2.Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 59 Abs 2 VfGG iVm § 4 Abs 1 Z 2 litb OÖ VlbG 2015.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:V107.2017
Schlagworte:
Baurecht, Bebauungsplan, Verordnungserlassung, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, VfGH / Verwerfungsumfang

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