VfGH vom 26.11.2015, V105/2015 ua

VfGH vom 26.11.2015, V105/2015 ua

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Umwidmung eines Grundstücks von Bauland in Freiland - private Parkanlage in der Revision des Örtlichen Entwicklungskonzepts 4.00 und des Flächenwidmungsplans 4.00 der Gemeinde Altaussee mangels ausreichender Grundlagenforschung und einer die Interessen des Baulandeigentümers mitberücksichtigenden Interessenabwägung; Nichterhebung von Einwendungen des Grundeigentümers im Verordnungserlassungsverfahren kein Grund für einen Entfall der Pflicht der Gemeinde zur Feststellung der Entscheidungsgrundlagen

Spruch

I. 1. Das Örtliche Entwicklungskonzept der Gemeinde Altaussee in der vom Gemeinderat der Gemeinde Altaussee am beschlossenen Fassung 4.00, diese aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom und kundgemacht an der Amtstafel vom 29. Mai bis , wird, insoweit es für einen Teil des Grundstücks Nr 66/2, KG Altaussee, eine Eignungszone für Naherholung mit der Zusatzwidmung "private Parkanlage" festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Altaussee in der vom Gemeinderat der Gemeinde Altaussee am beschlossenen Fassung 4.00, diese aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom und kundgemacht an der Amtstafel vom 9. bis , wird, insoweit er für einen Teil des Grundstücks Nr 66/2, KG Altaussee, die Widmung "Freiland - private Parkanlage" festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebungen im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1060/2013 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die Liegenschaft EZ 14, KG Altaussee, besteht aus dem Grundstück Nr 66/2 sowie den Bauflächen .794 und .1101. Das Grundstück Nr 66/2 war ursprünglich im Flächenwidmungsplan 2.00 der Gemeinde Altaussee als reines Wohngebiet iSd § 23 Abs 5 lita Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 (im Folgenden: Stmk ROG 1974) gewidmet. Im Jahr 2000 wurde der südliche Teil des Grundstücks im Örtlichen Entwicklungskonzept 3.00 als Eignungszone für Naherholung mit der Zusatzwidmung "private Parkanlage" bestimmt und in der Folge auch im Flächenwidmungsplan 3.00 als Freiland mit der Sondernutzung für Erholungszwecke "private Parkanlage" ausgewiesen. Mit den Versionen 4.00 dieser Raumordnungspläne, die in den Jahren 2009 und 2010 in Kraft traten, wurden diese Festlegungen nicht geändert.

1.2. Am stellte der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens gemäß § 18 Steiermärkisches Baugesetz 1995 für das ganze Grundstück Nr 66/2 den Antrag auf Festlegung der Bebauungsgrundlagen für den Einzelfall. Der Bürgermeister der Gemeinde Altaussee legte als Baubehörde erster Instanz die Bebauungsgrundlagen aber nur für jenen (nördlichen) Teil des Grundstücks fest, welcher im Flächenwidmungsplan 4.00 als Bauland ausgewiesen ist. Nach durchlaufenem Instanzenzug wies die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom eine vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass "die beantragte 'Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Bauland für den Einzelfall' bereits aus begrifflicher Sicht auf Grund der Freilandausweisung der gegenständlichen südlichen Fläche des antragsgegenständlichen Grundstückes" ausscheide.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B1060/2014 protokollierte Beschwerde, in der die Rechtmäßigkeit der Widmung "Freiland - private Parkanlage" im Flächenwidmungsplan 4.00 der Gemeinde Altaussee bestritten und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids wegen Verletzung in Rechten wegen Anwendung dieser Verordnung beantragt wird.

2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der im Spruch genannten Verordnungen, des Örtlichen Entwicklungskonzepts 4.00 und des Flächenwidmungsplans 4.00, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof beschloss daher am , diese Verordnungen in dem im Spruch genannten Umfang von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken entgegentritt und beantragt, "die Gesetzmäßigkeit des örtlichen Entwicklungskonzeptes 4.0 sowie des Flächenwidmungsplanes 4.0 der Gemeinde Altaussee fest[zu]stellen". Der Gemeinderat der Gemeinde Altaussee übermittelte eine Stellungnahme sowie die Verordnungsakten. In einem Begleitschreiben vertritt er "den Standpunkt, dass die Vorhalte sachlich nicht gerechtfertigt und somit auch die Beschwerde unbegründet" seien.

II. Rechtslage

In Ansehung des Verfahrens ist als Prüfungsmaßstab die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltende Fassung des Raumordnungsgesetzes maßgeblich (vgl. VfSlg 14.135/1995). Im vorliegenden Fall sind das die Fassungen, die – gleichlautend – zum Zeitpunkt der Erlassung der (Vorgänger-)Revisionen 3.00 und der Revisionen 4.00 der geprüften Verordnungen im Jahr 2000 bzw. 2009/2010 gegolten haben.

1. § 30 Stmk ROG 1974, LGBl 127 idF LGBl 41/1991, lautete:

"Fortführung und Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Bebauungspläne

§30. (1) Die örtliche Raumplanung ist nach Rechtswirksamkeit des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Bebauungspläne nach Maßgabe der räumlichen Entwicklung fortzuführen.

(2) Der Bürgermeister hat spätestens alle fünf Jahre öffentlich aufzufordern, Anregungen auf Änderungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes, der Bebauungspläne und der Bebauungsrichtlinien einzubringen (Revision). Diese Frist ist jeweils vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des durch die Revision geänderten Flächenwidmungsplanes zu berechnen (§29 Abs 11). Zieht die Revision keine Änderung des Flächenwidmungsplanes nach sich, so hat der Gemeinderat den Abschluß der Revision zu beschließen und den Beschluß der Landesregierung zur Genehmigung vorzulegen. Die vorgenannte Frist beginnt in diesen Fällen vom Zeitpunkt der Vorlage an die Landesregierung zu laufen.

(3) Eine Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Bebauungspläne ist jedenfalls vorzunehmen, wenn dies

a) durch eine wesentliche Änderung der Planungsvoraussetzungen,

b) zur Vermeidung oder Behebung von Widersprüchen zu Gesetzen und Verordnungen des Bundes und des Landes,

c) zur Abwehr schwerwiegender volkswirtschaftlicher Nachteile oder

d) wegen Aufhebung des Vorbehaltes gemäß § 26 Abs 2 und 6 erforderlich ist.

(4) Das Verfahren zur Fortführung des örtlichen Entwicklungskonzeptes und des Flächenwidmungsplanes ist

a) aus Anlaß der Revision (Abs2) nach Ablauf der Fünfjahresfrist (Revisionsfrist),

b) nach Eintritt wesentlich geänderter Planungsvoraussetzungen (Abs3 lita)

spätestens innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Der Gemeinderatsbeschluß ist mit den dazugehörigen Unterlagen sofort der Landesregierung zur Genehmigung vorzulegen. Das Verfahren zur Fortführung gemäß Abs 3 litb und c ist unverzüglich einzuleiten, abzuschließen und zur Genehmigung vorzulegen, sofern in bezug auf litb die betreffenden landes- oder bundesgesetzlichen Regelungen in Übergangsbestimmungen nichts anderes bestimmen."

2. § 34 Stmk ROG 1974, LGBl 127 idF LGBl 39/1986 lautete:

"Entschädigung

§34. (1) Wenn durch die Wirkung des Flächenwidmungsplanes die Bebauung eines als Bauland geeigneten Grundstückes zur Gänze verhindert wird und dadurch eine Wertminderung entsteht, die eine die betroffenen Eigentümer im Vergleich zu anderen Eigentümern in ähnlichen Verhältnissen unverhältnismäßig stark treffende Härte darstellt, ist von der Gemeinde eine Entschädigung gemäß Abs 3 zu leisten.

(2) Ein Entschädigungsanspruch besteht unter den Voraussetzungen gemäß Abs 1,

a) wenn jemand vor dem im § 29 Abs 1 bezeichneten Zeitpunkt der Kundmachung im Vertrauen darauf, daß nach der Rechtslage der Bebauung kein gesetzliches Hindernis entgegenstand, nachweisbar Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes aufgewendet hat,

b) wenn entgegen einer rechtmäßig erteilten Widmungsbewilligung die Bebauung ausgeschlossen wird oder

c) wenn eine als Bauland im Sinne des § 23 Abs 1 geeignete Grundfläche zur Gänze oder dreiseitig vom Bauland umschlossen wird und dadurch, daß das umschlossene Grundstück nicht ebenfalls als Bauland ausgewiesen wird, eine Wertminderung gegenüber seinem Wert vor Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes entsteht.

(3) Zu entschädigen sind nach Abs 2 lita die nachweisbar aufgewendeten Kosten sowie nach Abs 2 litb und c die Minderung des Verkehrswertes.

(4) Die Zuteilung von Grundstücken zum Freiland allein begründet auch bei Änderung des Flächenwidmungsplanes keinen Entschädigungsanspruch gemäß Abs 1.

(5)-(9) [...]"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse vorliegen, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren in dem im Spruch genannten Umfang als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte im Prüfungsbeschluss folgende Bedenken:

"2.1. Der Verfassungsgerichtshof leitete in VfSlg 13.282/1992 (mwH) aus dem Gleichheitssatz ab, dass die Verringerung des Baulandes zwar in Anbetracht neuer, legitimer planerischer Zielsetzungen an sich einen zulässigen Grund für eine Flächenwidmungsänderung bilden möge. Die Auswahl der für eine Rückwidmung in Betracht kommenden Liegenschaften habe aber nach sachlichen Kriterien zu erfolgen. Auch bei einer an sich als notwendig angesehenen Reduzierung des Baulandes sei (wie in VfSlg 9975/1984 und 10.277/1984 zum Tiroler Raumordnungsrecht ausgeführt wurde) davon auszugehen, dass diese Notwendigkeit 'es allein (noch) nicht rechtfertigt, ein beliebiges Grundstück ... in Freiland zu widmen', sondern die bisherige Widmungsart und Nutzung zu den bei der Bestandsaufnahme bedeutsamen Gegebenheiten gehören und entsprechend zu berücksichtigen sind. Ferner hat es der Gerichtshof in VfSlg 13.282/1992 für geboten erachtet, die Auswahl der für eine Umwidmung von Bauland in Grünland in Betracht kommenden Grundstücke auf eine entsprechende Grundlagenforschung und eine die Interessen der bisherigen Baulandeigentümer mitberücksichtigende Interessenabwägung zu stützen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber nicht durch besondere Regelungen (,etwa durch die Festlegung der Verpflichtung zur Leistung einer, wenn auch möglicherweise nicht vollen Entschädigung,) die aus einer Planänderung für den Grundstückeigentümer resultierenden Nachteile ausgleicht und diesen Ausgleich die Allgemeinheit tragen lässt. In VfSlg 17.223/2004 hielt der Gerichtshof zusammenfassend fest, dass eine Umwidmung nur dann gesetzeskonform ist, wenn alle für die Widmung maßgebenden Planungsgrundlagen dargetan und erkennbar gegeneinander abgewogen worden sind.

2.2.1. In den Verordnungsakten zum Örtlichen Entwicklungskonzept 3.00 (Siedlungsleitbild) und im Flächenwidmungsplan 3.00 sind die Festlegung bzw. die Widmung des südlichen Teils des Grundstücks Nr 66/2 als private Parkanlage planmäßig ausgewiesen.

2.2.2. Im Örtlichen Entwicklungskonzept 3.00 finden sich unter den Überschriften 'Naturhaushalt' und 'Siedlungswesen - Siedlungsstruktur' u.a. folgende Zielformulierungen, die mit dieser Festlegung im Zusammenhang stehen können:

 Bestmögliche Ausnutzung des ausgewiesenen Baulandes, sowie sparsame Ausweisung zusätzlicher Baulandflächen.

 Sicherung der vorhandenen Erholungsräume.

 Erhaltung zusammenhängender Grünlandflächen und des gepflegten Landschaftsbildes.

 Im Hinblick auf die angestrebte touristische Entwicklung sollte das Ortsbild gemeinsam mit dem Landschaftsbild als zu bewahrendes Kapital für einen aufstrebenden Kurort gesehen werden.

 Grundstücke sollen für Einheimische zur Verfügung stehen.

 Erhaltung des Ortscharakters als Basis des Tourismus.

2.2.3. Im Erläuterungsbericht zur Flächenwidmungsplanrevision 3.00 findet sich für die Umwidmung des gegenständlichen Grundstücksteils von Wohngebiet auf 'Freiland - private Parkanlage' folgende allgemeine Begründung:

'Um weitere Baulandausweisungen nicht zu blockieren wurden die Flächen in Freiland rückgeführt.

Der max. zulässige Mobilitätsfaktor wäre bei Beibehalten der nicht benötigten Grundstücke zu groß geworden, was wiederum von der [Landesregierung] bemängelt worden wäre.

Des weiteren wird in § 3 des ROG unter Abs 13 festgelegt, daß auf die wirtschaftliche Nutzung der Baulandflächen Bedacht zu nehmen ist, langjährig nicht genutzte Bauland - Flächen sind, zumindest vorübergehend, von einer Bebauung auszuschließen. Ein Teil der herausgenommenen Flächen wurden ins Siedlungsleitbild aufgenommen, für die aus raumplanerischer Sicht eine Bebauung möglich ist.'

2.3. Es scheinen aber in den Planungsgrundlagen weder die für die Auswahl des rückzuwidmenden Teils des Grundstücks Nr 66/2 maßgeblichen sachlichen Kriterien dargetan noch scheinen alle für die Widmung dieses Grundstücksteils maßgebenden Planungsgrundlagen erkennbar gegeneinander abgewogen worden zu sein. Es deutet auch nichts darauf hin, dass die Umwidmung nur eines Teils des Grundstücks Nr 66/2 die Folge einer Interessenabwägung gewesen wäre. Ausschließlicher Grund für die Rückwidmung dürfte also das Planungsziel einer Verringerung des Baulandüberhangs gewesen sein, welches allein die Umwidmung eines beliebigen Grundstücks in Grünland aber nicht zu rechtfertigen vermögen dürfte.

2.4. Das Grundstück Nr 66/2 ist dreiseitig von Bauland umschlossen, an der vierten Seite grenzt es mittelbar – über eine Verkehrsfläche hinweg – ebenfalls an Bauland. Es scheint wegen seiner Lage und seiner infrastrukturellen Aufschließung für eine Baulandwidmung besonders geeignet zu sein. Trotzdem scheint eine Entschädigung gemäß § 34 Stmk ROG 1974 nicht gewährt worden zu sein, vermutlich zu Recht, weil durch die Wirkung des Flächenwidmungsplans 3.00 die Bebauung des als Bauland geeigneten Grundstückes nicht zur Gänze verhindert wurde. Dadurch scheint aber das Erfordernis einer eingehenden Grundlagenforschung und Interessenabwägung jedenfalls gegeben zu sein (VfSlg 13.282/1992). Es scheinen auch weder eine besondere räumliche Situation des Grundstücks oder andere raumordnungsrechtlich zwingende Gründe für seine Rückwidmung vorgelegen zu sein, sodass die für Planänderungen gebotene Abwägung der öffentlichen Interessen an der Rückwidmung mit dem Interesse des Grundstückseigentümers hätte entfallen können (vgl. VfSlg 16.201/2001).

2.5. Selbst wenn der Beschwerdeführer in den jeweiligen Planänderungsverfahren keine Einwendungen erhoben haben sollte – worauf sowohl die Steiermärkische Landesregierung als auch die Gemeinde Altaussee in ihren Äußerungen hinweisen –, dürfte damit die Gemeinde Altaussee nicht grundsätzlich aus der Pflicht entlassen worden sein, die Grundlagen für die Umwidmung des Grundstücks anlässlich der Entscheidungen über das Entwicklungskonzept und den Flächenwidmungsplan festzustellen (VfSlg 16.141/2001).

Die Steiermärkische Landesregierung hat schon in ihrem Schreiben vom , in dem sie die Versagung der Zustimmung zum Flächenwidmungsplan 3.00 androhte, folgenden Hinweis gegeben:

'Im Erläuterungsbericht sind zwar von Grundeigentümern beeinspruchte Baulandrücknahmen bzw. Neu-Baulandausweisung im Detail behandelt, hinsichtlich der generellen Baulandrücknahmen erfolgt jedoch nur eine allgemeine Begründung unter Hinweis auf den Mobilitätsfaktor bzw. der nicht kurz- bis mittelfristig benötigten Flächen.'

In seiner Sitzung vom , in der der Gemeinderat den Flächenwidmungsplans 3.00 endgültig beschloss, hat er auf diesen Einwand reagiert:

'Der Grund für die Baulandrücknahmen waren in erster Linie der Mobilitätsfaktor und der bisher nicht benötigten Flächen.

Nachdem einige Flächen schon in den beiden FLW — Plänen 1.0 und 2.0 als Bauland ausgewiesen waren, von den Eigentümern jedoch nicht konsumiert wurden war es notwendig diese Flächen wieder dem Freiland zuzuordnen um neue Baulandausweisungen nicht zu blockieren.

Wie aus der Liste der Baulandwünsche zu ersehen ist wurden viele neu Baulandwünsche während den dafür vorgesehenen Fristen eingebracht.

Diese waren vom Gemeinderat zu behandeln und die Entscheidungen zu treffen welche Flächen berücksichtigt werden können und wieviel des nicht konsumierten Baulandes rückgeführt wird.

Dies wurde in den Sitzungen des Planungsausschusses ausführlich besprochen, wie aus dem Erläuterungsbericht und den sonstigen Beilagen hervorgeht.

Herausgenommen wurden vorwiegend Flächen die keine geeignete Zufahrt aufwiesen.'

Die Grundlagen für die von den Grundeigentümern nicht beeinspruchte Baulandrücknahme des südlichen Teils des Grundstücks Nr 66/2 scheinen damit aber nicht ausreichend dokumentiert zu sein.

2.6. Es dürfte die Umwidmung auch nicht rechtfertigen, dass sowohl in den Örtlichen Entwicklungskonzepten 3.00 und 4.00 als auch in der Äußerung der Gemeinde bestimmte Ziele, insbesondere die der Gestaltung und Erhaltung der Landschaft und des Ortsbildes (der 'gebietstypischen Ensemblestrukturen'), genannt werden, weil zum Zeitpunkt der Umwidmung ein Bezug zwischen der Widmung des Grundstücks und der Verfolgung dieser Ziele nicht hergestellt worden zu sein scheint. Diese Bezugnahme dürfte die verordnungserlassende Behörde erst nach Beschlussfassung nachgeschoben haben (vgl. VfSlg 18.149/2007).

3. Die Festlegung einer Eignungszone für Naherholung mit der Zusatzwidmung private Parkanlage im Örtliche Entwicklungskonzept 3.00 und die Festlegung der Widmung 'Freiland - private Parkanlage' für einen Teil des Grundstücks Nr 66/2, KG Altaussee, im Flächenwidmungsplan 3.00 scheinen also (im Jahr 2000) gesetzwidrig zustande gekommen zu sein. Daher scheint auch die Beibehaltung dieser Festlegungen in den Versionen 4.00 dieser Raumordnungspläne (in den Jahren 2009 und 2010) mit Gesetzwidrigkeit belastet zu sein (VfSlg 15.949/2000)."

2.2. Die vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der geprüften Verordnungen treffen zu:

Weder die Steiermärkische Landesregierung noch der Gemeinderat der Gemeinde Altaussee sind den im Prüfungsbeschluss aufgeworfenen Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verfahren bei der Erlassung der Revisionen 3.00 der geprüften Verordnungen grundsätzlich entgegengetreten. In ihren Äußerungen halten sie den Bedenken des Gerichtshofes zwei Punkte entgegen:

2.2.1. Zum einen argumentieren sie, dass der Verfassungsgerichtshof nicht Verfahrensmängel beim Zustandekommen einer alten Revision (3.00) eines Raumordnungsplans, die gar nicht mehr gelte, aufgreifen und daraus die Gesetzwidrigkeit der aktuell geltenden Revision (4.00) ableiten könne.

2.2.1.1. Die Steiermärkische Landesregierung führt dazu im Detail aus:

"[Der Verfassungsgerichtshof trifft] die vorläufige Annahme, dass eine aktuell bestehende Flächenwidmung (hier Flächenwidmungsplan 4.0) – in Bezug auf ein bestimmtes Grundstück – auch dann (noch) gesetzwidrig sein kann, wenn das Verfahren zur Änderung der Widmung dieses betreffenden Grundstücks in einem Verfahren zur Erlassung eines Flächenwidmungsplans vorgenommen wurde (Flächenwidmungsplan 3.0), der aktuell gar nicht mehr gilt, also bereits durch eine neue Verordnung in einem neuen Verfahren ersetzt wurde. Damit bringt der Verfassungsgerichtshof offensichtlich zum Ausdruck, dass es möglich sei, ein gesetzwidriges Zustandekommen einer aktuell geltenden Flächenwidmung auch dann – und zwar regelmäßig – aufgreifen zu können, auch wenn die Widmung dieser Fläche bereits lange Zeit zurück erfolgt ist, wobei keine zeitliche Dimension in der Rückaufrollung angegeben ist und daher auch ein Aufgreifen einer fehlerhaften Widmung aus dem Flächenwidmungsplan 1.0 möglich wäre, solange diese Flächenwidmung bloß immer nur 'weitergeführt' wurde. Begründet wird dies mit dem Verweis auf das Erkenntnis VfSlg 15949/2000.

Diesem Erkenntnis lag der Sachverhalt zu Grunde, dass bei der erstmaligen Erlassung des Flächenwidmungsplans ein bestehendes Ausflugsgasthaus nicht ausreichend berücksichtigt wurde und für die Fläche 'reines Wohngebiet' festgelegt und damit eine Erweiterung verhindert wurde. Diese Flächenwidmung wurde durch den nachfolgenden – in Prüfung gezogenen – Flächenwidmungsplan beibehalten. Diese 'Beibehaltung' führte nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs zur Gesetzwidrigkeit.

Damit unterscheidet sich dieser Fall jedoch deutlich vom aktuell zu beurteilenden:

Bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung ist zu unterscheiden zwischen der Gesetzmäßigkeit des Inhalts einer Verordnung und andererseits der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens.

Für die Gesetzmäßigkeit des Inhalts einer Verordnung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Prüfung maßgeblich: Es ist also die Widmung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks an der aktuell geltenden Rechtslage zu messen, zumal Verordnungen nicht nur im Zeitpunkt der Entstehung, sondern auch im Zeitpunkt einer allfälligen Prüfung durch den VfGH inhaltlich gesetzmäßig sein müssen. Im Fall VfSlg 15949 war die Widmung zum Zeitpunkt des erstmaligen Flächenwidmungsplans inhaltlich gesetzwidrig (weil die falsche Widmungskategorie festgelegt wurde). Da sich bei der Neuerlassung des Flächenwidmungsplans inhaltlich nichts geändert hat und der Verfassungsgerichtshof bei seiner Prüfung noch immer eine inhaltlich falsche Widmung vorgefunden hat, hat er die 'Beibehaltung' als gesetzwidrig angesehen. Richtig interpretiert kann dies allerdings nur so verstanden werden, dass es die planerlassende Behörde unterlassen hat, in dem nachfolgenden Flächenwidmungsplanverfahren den inhaltlichen Fehler zu korrigieren und eine andere, geeignete – nämlich gesetzmäßige – Widmung festzulegen. Prüfungsmaßstab war daher in Wirklichkeit ausschließlich die damals geltende Verordnung.

Im aktuellen Fall hat der Verfassungsgerichtshof das örtliche Entwicklungskonzept und den Flächenwidmungsplan der Periode 4.0 zu prüfen. Eine inhaltliche Gesetzwidrigkeit des gewidmeten Grundstücks, also ein Widerspruch zum geltenden Raumordnungsgesetz, zu Raumordnungsgrundsätzen oder zu sonst relevanten überörtlichen Raumordnungsprogrammen wurde vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgezeigt. Releviert wurde vielmehr, dass in Verfahren zu Vorgängerbestimmungen möglicherweise ein Fehler unterlaufen ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof ständig judiziert, ist als Prüfungsmaßstab in Ansehung der Verfahren, in welcher die Verordnung erlassen wurde, die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltende Fassung des Raumordnungsgesetzes maßgeblich (z.B. VfSlg 14134, 19244), wobei damit immer nur das jeweilige Verfahren der vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenen Vorschrift gemeint ist. Dies war das Verfahren im Jahre 2009, mit dem zum damaligen Zeitpunkt geltenden Raumordnungsgesetz 1974 in der damals geltenden Fassung. Weder wurde von der Partei in ihrem Antrag vorgebracht, dass dieses, dem Flächenwidmungsplan 4.0 zugrunde liegende Verfahren nicht korrekt geführt wurde, noch wurden vom Verfassungsgerichtshof irgendwelche gleichartigen Anhaltspunkte vorgebracht."

2.2.1.2. Der Gemeinderat der Gemeinde Altaussee teilt diese Ansicht und führt die Argumentation der Steiermärkischen Landesregierung ergänzend aus, dass die Übernahme der Parkanlagenwidmung aus dem Flächenwidmungsplan 3.00 in die Revision 4.00 ohnehin erst nach Durchführung einer Prüfung erfolgt sei. Diese Übernahme sei auf Grundlage einer Bestandsaufnahme, die einen Teil des Erläuterungsberichtes zur Revision 4.00 bilde und in der für das Grundstück der Baubestand sowie Waldflächen und Teichflächen mit Wasserzufuhr ausgewiesen seien, beschlossen worden. Es ergebe sich aus der Bestandsaufnahme auch, dass die nicht bebaubare Fläche nur ca. 40 % der Gesamtfläche ausmache. Hinzu komme, dass im Zuge der Revision 4.00 die maximal zulässige Bebauungsdichte von 0,3 auf 0,4 erhöht worden sei. Dass im Zuge dieser Bestandsaufnahme zutreffend beurteilt worden sei, dass es sich bei der nicht bebaubaren Fläche um kein Bauland handeln könne, werde auch durch ein aktuelles Sachverständigengutachten (einer "Vorbeurteilung") der Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung Steiermark Nord, bestätigt.

2.2.1.3. Die Steiermärkische Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Altaussee sind damit nicht im Recht:

Der Wortlaut des § 30 Stmk ROG 1974 – dieser ist mit "Fortführung und Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Bebauungspläne" betitelt – lässt den Schluss nicht zu, dass eine Revision iSd § 30 Stmk ROG 1974 regelmäßig zu einer vollständigen Neuerlassung eines Raumordnungsplans führt. Eine solche Revision zieht vielmehr regelmäßig Änderungen einzelner Bestimmungen von Raumordnungsplänen nach sich. Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, dass durch die Revisionen 4.00 die Bestimmungen der Revisionen 3.00, die die Bebaubarkeit des Grundstücks Nr 66/2 beschränken, nämlich die Widmung "private Parkanlage" im Örtlichen Entwicklungskonzept 3.00 und im Flächenwidmungsplan 3.00, zwar formell neu erlassen, aber inhaltlich nicht geändert wurden. Die Steiermärkische Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Altaussee gehen daher zu Unrecht davon aus, dass der Flächenwidmungsplan 3.00 "bereits durch eine neue Verordnung in einem neuen Verfahren ersetzt wurde".

Der vorliegende Fall ist diesbezüglich – entgegen der Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung – durchaus mit VfSlg 15.949/2000 vergleichbar. Auch damals hatte es der Verordnungsgeber unterlassen, im Verfahren zur Erlassung einer Vorgängerversion eines Flächenwidmungsplans (1982) die Konsequenz einer Widmung mit dem Planungsziel abzuwägen, weswegen auch die Beibehaltung der Widmung in der Version 2.0 dieses Flächenwidmungsplans (1992) als gesetzwidrig beurteilt wurde (vgl. weiters VfSlg 17.149/2004; , Pkt. III.2.3.2.).

Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (s. u.a. VfSlg 14.780/1997, 18.640/2008) müssen die für die Änderung eines Raumordnungsplans herangezogenen Entscheidungsgrundlagen erkennbar dokumentiert sein. In den Verordnungsakten ist nicht erkennbar dokumentiert, dass die Bestandsaufnahme im Zuge der Revision 4.00, die nach Ansicht des Gemeinderats der Gemeinde Altaussee ergeben habe, dass es sich bei dem südlichen Grundstücksteil ohnehin um kein Bauland handeln könne, im Jahr 2009 die Grundlage für einen Beschluss des Gemeinderats betreffend die Neuerlassung der Widmung "private Parkanlage" für den südlichen Teil des Grundstücks Nr 66/2, KG Altaussee, gewesen ist. Dem Argument des Gemeinderats der Gemeinde Altaussee, dass die Übernahme der Parkanlagenwidmung aus dem Flächenwidmungsplan 3.00 in die Revision 4.00 ohnehin erst nach Durchführung einer Prüfung erfolgt sei, kann daher nicht gefolgt werden.

In den Verordnungsakten ist also weder für die Revisionen 3.00 noch – den Mangel sanierend – für die Revisionen 4.00 des Örtlichen Entwicklungskonzepts und des Flächenwidmungsplans dokumentiert, dass die Auswahl gerade des südlichen Teils des Grundstücks Nr 66/2, KG Altaussee, für die Umwidmung von Bauland in Freiland auf eine entsprechende Grundlagenforschung und eine die Interessen des bisherigen Baulandeigentümers mitberücksichtigende Interessenabwägung gestützt worden wäre. Die jeweiligen Revisionen 4.00 dieser Raumordnungspläne sind daher gesetzwidrig (VfSlg 13.282/1992).

2.2.2.1. Als zweites Argument bringen die Steiermärkische Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Altaussee vor, dass der Eigentümer des betroffenen Grundstücks im Zuge des Revisionsverfahrens 3.00 keine Einwendungen gegen die Rückwidmung erhoben habe und auch im Revisionsverfahren 4.00 nicht auf die Unsachlichkeit der Widmung hingewiesen und in diesem Sinne eine Umwidmung beantragt habe. Das hätte nach Ansicht der Landesregierung die Planungsbehörde in die Lage versetzt, mögliche Baulandeignungen und die Abstimmung mit den Zielen und Maßnahmen des Örtlichen Entwicklungskonzeptes zu prüfen.

2.2.2.2. Auch dieses Argument trifft nicht zu:

§29 Stmk ROG 1974 regelt das Verfahren zur Erlassung von Flächenwidmungsplänen. Die Möglichkeit, Einwendungen iSd dieser Bestimmung zu erheben, ist eine Form der Mitwirkung in einem Verordnungserlassungsverfahren. Das Ermittlungsverfahren in einem derartigen Verfahren entspricht nicht jenem des Bescheidverfahrens. Dies liegt in der Rechtsnatur einer Verordnung, die generell-abstrakte Regelungen enthält und nicht auf einen konkreten Einzelfall abzielt. Einwendungen iSd § 29 Stmk ROG 1974 sind daher nicht Einwendungen iSd § 42 Abs 1 AVG. Insbesondere ist die Präklusionswirkung des § 42 Abs 1 AVG, dass eine Person, die nicht rechtzeitig bei der Behörde zulässige Einwendungen erhebt, ihre Stellung als Partei verliert, dem Verordnungserlassungsverfahren und auch dem verfassungsgerichtlichen Verordnungsprüfungsverfahren fremd. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen dafür zu sorgen, dass die Verordnung rechtmäßig erlassen wird.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen, dass die Tatsache, dass der Beschwerdeführer keine Einwendungen im Verfahren zur Planerlassung erhoben hat, die verordnungserlassende Gemeinde nicht grundsätzlich aus der Pflicht entlässt, die Grundlagen anlässlich der Entscheidung über den Plan (diesfalls betreffend die Rückwidmung eines Grundstücks von Bauland in Freiland) festzustellen (VfSlg 16.141/2001).

2.2.3. Aus den dargelegten Gründen können die Argumente der Steiermärkischen Landesregierung und des Gemeinderats der Gemeinde Altaussee die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht entkräften.

IV. Ergebnis

1. Das Örtliche Entwicklungskonzept der Gemeinde Altaussee in der vom Gemeinderat der Gemeinde Altaussee am beschlossenen Fassung 4.00, diese aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom und kundgemacht an der Amtstafel vom 29. Mai bis , sowie der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Altaussee in der vom Gemeinderat der Gemeinde Altaussee am beschlossenen Fassung 4.00, diese aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom und kundgemacht an der Amtstafel vom 9. bis , sind daher, insoweit sie für einen Teil des Grundstücks Nr 66/2, KG Altaussee, eine Eignungszone für Naherholung mit der Zusatzwidmung "private Parkanlage" bzw. die Widmung "Freiland - private Parkanlage" festlegen, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebungen erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B VG und § 59 Abs 2 VfGG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:V105.2015