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VfGH vom 16.06.2000, V103/99

VfGH vom 16.06.2000, V103/99

Sammlungsnummer

15816

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Verordnung des Gemeinderates der Stadt Graz betreffend die Anordnung einer Volksbefragung über die Verlängerung einer Straßenbahnlinie wegen Widerspruchs zum Stmk VolksrechteG; Zulässigkeit der - als Anfechtung des Ergebnisses einer Volksbefragung gewerteten - Eingabe trotz Fehlens expliziter Regelungen über die verfassungsgerichtliche Kontrolle von landesgesetzlich vorgesehenen Volksbefragungen;

Anfechtungslegitimation der im vorangegangenen Einspruchsverfahren einspruchsberechtigten Antragsteller gegeben; Rechtzeitigkeit der - innerhalb der für die Einbringung von Bescheidbeschwerden offenstehenden Frist eingebrachten - Eingabe; Verordnung insgesamt präjudiziell; Verpflichtung des Gemeinderates gemäß dem Stmk VolksrechteG zur Überprüfung aller Fragen der Rechtmäßigkeit des Verfahrens der Volksbefragung einschließlich der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Fragestellung; konkret gewählte Fragestellung unklar

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , GZ. A 18 - K70/1996 - 5, verlautbart durch Anschlag an der Amtstafel vom bis , war gesetzwidrig.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Gemäß § 155 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes, LGBl. 87/1986, in der hier maßgeblichen Fassung des LG LGBl. 75/1995 (im folgenden kurz als Stmk. VRG bezeichnet), können für eine gesamte Gemeinde oder für Teile einer Gemeinde Volksbefragungen zum Zweck "der Erforschung des Willens der Gemeindebürger hinsichtlich künftiger, die Gemeinde betreffende politische Entscheidungen und Planungen sowie Fragen der Vollziehung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde" durchgeführt werden. Eine Volksbefragung ist durchzuführen, wenn sie von einer in Abs 4 näher genannten Zahl von Stimmberechtigten (der Gemeinde bzw. des betroffenen Teiles) beantragt wird.

Der unter der Rubrik "Antrag von Gemeindebürgern" stehende § 156 leg.cit. enthält Bestimmungen über die formellen Erfordernisse derartiger Anträge und lautet:

"(1) Der Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung hat den Gegenstand der Volksbefragung zu bezeichnen und eine Begründung zu enthalten.

(2) Der Gegenstand der Volksbefragung ist als Frage möglichst kurz und eindeutig zu formulieren. Eine Gliederung der Frage in mehrere Unterfragen ist zulässig. Die Fragen müssen mit ja oder nein oder durch Zustimmung zu einer von mehreren Entscheidungsmöglichkeiten beantwortet werden können.

(3) Der Antrag ist an den Gemeinderat zu richten.

(4) Der Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung muß von mindestens 10 v.H. oder 10.000 der für die Wahl zum Gemeinderat Stimmberechtigten unterzeichnet sein.

(5) Der Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung für einen Teil der Gemeinde hat den Teil der Gemeinde zu bezeichnen. Er muß von mindestens 10 v.H., jedoch nicht weniger als 30 der für die Wahl zum Gemeinderat Stimmberechtigten, die im betroffenen Teil der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben, unterzeichnet sein.

(6) Im Antrag sind ein Stimmberechtigter als Zustellungsbevollmächtigter, der die Unterzeichner des Antrages vertritt, und ein weiterer als sein Stellvertreter namhaft zu machen."

§ 157 leg.cit. enthält nähere Bestimmungen über "Antragslisten", mittels derer die Anträge zu stellen sind. Nach § 158 leg.cit. hat der Gemeinderat mit Bescheid innerhalb von vier Wochen zu entscheiden, ob der Antrag den dort näher genannten gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, insbesondere ob der Zweck der Befragung im Sinne des § 155 Stmk. VRG zulässig ist und ob er den Erfordernissen der §§156 und 157 leg.cit. entspricht. Gemäß § 158 Abs 2 leg.cit. ist die Entscheidung des Gemeinderates dem Zustellungsbevollmächtigten nachweislich zuzustellen und überdies durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verlautbaren.

Sodann bestimmt § 159 Stmk. VRG unter der Rubrik "Verordnung über die Durchführung der Volksbefragung":

"(1) Hat der Gemeinderat gemäß § 158 entschieden, daß eine Volksbefragung durchzuführen ist, oder hat er die Durchführung einer Volksbefragung verlangt, hat der Gemeinderat mit Verordnung unverzüglich eine Volksbefragung anzuordnen.

(2) Die Verordnung hat


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a)
den als Frage formulierten Gegenstand der Volksbefragung,


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b) das Befragungsgebiet,


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c) den Tag der Volksbefragung,


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d)
den Stichtag, der jedoch nicht vor dem Tag der Anordnung der Volksbefragung liegen darf,


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zu enthalten.

(3) Die Verordnung ist durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verlautbaren sowie ortsüblich bekanntzumachen."

Die §§160 ff. leg.cit. enthalten sodann nähere Vorschriften über Vorbereitung und Durchführung der Volksbefragung sowie über die Ermittlung des Ergebnisses.

Gemäß § 173 hat der Bürgermeister das Ergebnis der Volksbefragung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verlautbaren sowie ortsüblich bekanntzumachen.

§§174 und 175 Stmk. VRG regeln die Möglichkeit des Einspruchs gegen das Ergebnis und die Behandlung eines solchen durch den Gemeinderat. Sie lauten:

"§174

Einspruch

(1) Innerhalb von vier Wochen nach Verlautbarung des Ergebnisses kann wegen Unrichtigkeit in der Ermittlung des Ergebnisses und wegen Rechtswidrigkeit des Verfahrens beim Gemeinderat Einspruch erhoben werden.

(2) Der Einspruch kann

a) von mindestens 20 der zur angefochtenen Volksbefragung Stimmberechtigten,

b) bei einer Volksbefragung auf Antrag von Gemeindebürgern auch vom Zustellungsbevollmächtigten

erhoben werden.

§175

Entscheidung über den Einspruch

(1) Über den Einspruch entscheidet der Gemeinderat. Die Entscheidung ist zu begründen.

(2) Stellt der Gemeinderat eine Unrichtigkeit in der Ermittlung des Ergebnisses fest, hat er das Ergebnis richtigzustellen. Das berichtigte Ergebnis ist durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verlautbaren sowie ortsüblich bekanntzumachen.

(3) Stellt der Gemeinderat eine Rechtswidrigkeit des Verfahrens fest, hat er das Befragungs- und Ermittlungsverfahren insoweit aufzuheben, als die Rechtswidrigkeit auf das Ergebnis von Einfluß sein konnte, und auszusprechen, welche Teile des Verfahrens zu wiederholen sind."

2.1. Mit einem beim Bürgermeister am eingelangten Antrag begehrte eine bestimmte Anzahl von in Graz - St. Peter wahlberechtigten Gemeindebürgern die Durchführung einer Volksbefragung über die Frage: "Treten Sie dafür ein, daß die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?"

Nach Durchführung eines Verfahrens, in dem insbesondere die Formulierung der Frage - kritisch - erörtert wurde, beschloß der Gemeinderat über Antrag des Stadtsenates mehrheitlich, dem Antrag auf Durchführung der Volksbefragung über die Verlängerung der Linie 6 stattzugeben.

2.2. Mit Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A18 - K70/1996 - 5, verlautbart durch Anschlag an der Amtstafel vom bis , wurde sodann gemäß § 159 Stmk. VRG für den eine Volksbefragung betreffend die Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 im VIII. Bezirk, Graz, St. Peter, angeordnet.

Diese (nunmehr in Prüfung gezogene) Verordnung lautet:

"Verordnung

. des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz

. gemäß § 159 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes,

. LGBl. Nr. 87/1986 in der Fassung LGBl. Nr. 75/1995

Gemäß Beschluß des Gemeinderates vom , GZ. A18 - K70/1996 - 5, verlautbart durch Anschlag an der Amtstafel, wird gemäß § 159 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes die Durchführung einer Volksbefragung angeordnet.

1. Als Frage formulierter Gegenstand:'Treten Sie dafür ein, daß

. die von der Stadt Graz

. geplante Verlängerung der

. Linie 6, die in dieser

. Form nicht zur Lösung der

. bestehenden

. Verkehrsprobleme beiträgt,

. nicht zur Ausführung

. gelangt?'

2. Befragungsgebiet: VIII. Bezirk St. Peter.

3. Tag der Volksbefragung: Sonntag, der 19. Jänner

. 1997.

4. Stichtag: .

Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft."

2.3. Sodann wurde - am Sonntag, den - die Volksbefragung durchgeführt. Ihr Ergebnis (etwa 55 % der abgegebenen gültigen Stimmen lauteten auf "Ja") wurde iSd § 173 Stmk. VRG durch Anschlag an der Amtstafel am verlautbart und im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 4 vom kundgemacht.

2.4. Innerhalb der gemäß § 174 Abs 1 Stmk. VRG festgelegten Frist von vier Wochen wurde von 26 Personen - darunter die Einschreiter des zu WI-7/97 protokollierten Verfahrens - gegen das Ergebnis Einspruch erhoben.

Der Gemeinderat behandelte diesen Einspruch und erließ mit Datum vom , berichtigt mit Datum vom einen "Bescheid", mit dem dem Einspruch keine Folge gegeben und das am verlautbarte Ergebnis der Volksbefragung bestätigt wurde.

Diese als Bescheid bezeichnete Erledigung ist im wesentlichen damit begründet, daß der Einspruch bloß die Zulässigkeit der Volksbefragung selbst und die Rechtmäßigkeit der Fragestellung bezweifelt, solche Fragen aber im Zulassungsverfahren endgültig entschieden worden seien. Ungeachtet des Umstandes, daß die Einschreiter in diesem Verfahren keine Parteistellung hatten, könnten sie die behaupteten Rechtswidrigkeiten im Einspruchsverfahren nicht mehr geltend machen.

2.5. Gegen diesen "Bescheid" erhoben 20 der

26 Einspruchswerber eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

II. 1. Bei Behandlung dieser - vorläufig als zulässig angesehenen - Eingabe sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der Verordnung, mit der die Durchführung der Volksbefragung angeordnet wurde, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof beschloß daher von Amts wegen, ein Verfahren zur Prüfung dieser Verordnung einzuleiten.

Die Steiermärkische Landesregierung hat mit Schriftsatz vom mitgeteilt, daß von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen werde. Die Parteien des Anlaßverfahrens und die Initiatoren der Volksbefragung, denen die Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt wurde, machten von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz erstattete innerhalb der ihm gesetzten Frist eine Äußerung, in der er die Zulässigkeit des Verfahrens nicht bestritt, den inhaltlichen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes aber entgegentrat.

2. Der Verfassungsgerichtshof wertete die Eingabe vorläufig als Anfechtung des Ergebnisses einer Volksbefragung im Sinne des Art 141 Abs 3 B-VG und führte dafür folgende Argumente ins Treffen:

"Das B-VG sieht in Art 141 für die Anfechtung der Ergebnisse bestimmter, in den lita bis d des Abs 1 dieser Bestimmung genannter Wahlen und für die Anfechtung der Ergebnisse der in Abs 3 angeführten direkt-demokratischen Vorgänge ein eigenes Kontrollverfahren vor, das unter verschiedenen Gesichtspunkten, wie denen der Prozeßvoraussetzungen und des Prüfungsmaßstabes, anders konzipiert ist, als das Bescheidprüfungsverfahren nach Art 144 B-VG. Schon deshalb dürfte es sich verbieten, nach Art 141 B-VG anfechtbare Staatsakte als Bescheide im Sinn des Art 144 B-VG zu deuten und anzufechten (vgl. z.B. VfSlg. 8973/1980, 13.624/1993).

Ungeachtet des Umstandes, daß der Gemeinderat die Erledigung des Einspruches gegen die Feststellung des Ergebnisses der Volksbefragung durch den Bürgermeister gemäß § 175 Stmk. VRG selbst als 'Bescheid' bezeichnet (und der Rechtsmittelbelehrung einen dem entsprechenden Hinweis auf die Möglichkeit einer Beschwerde beim Verfassungs- und beim Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat), dürfte daher seine Entscheidung nicht als Bescheid zu werten sein, der der verwaltungsgerichtlichen und sonderverwaltungsgerichtlichen Kontrolle nach Art 144 B-VG zugänglich ist, sondern als Rechtsakt zu qualifizieren sein, der einer Überprüfung nach Art 141 B-VG zugänglich ist, soweit diese Bestimmung der Bundesverfassung seine Anfechtung gestattet.

Die gegen die Entscheidung des Gemeinderates gerichtete Eingabe dürfte sich daher - ungeachtet ihrer Bezeichnung als Bescheidbeschwerde - der Sache nach als Antrag nach Art 141 Abs 3 B-VG erweisen."

Im Verfahren wurde zu dieser Frage nichts vorgebracht; der Verfassungsgerichtshof bleibt - ausgehend von der Ansicht, daß die falsche Bezeichnung der Eingabe ihrer Zulässigkeit nicht im Wege steht - bei seiner vorläufigen Qualifikation der Eingabe als Antrag im Sinne des Art 141 Abs 3 B-VG.

3. Der Gerichtshof hielt in seinem Einleitungsbeschluß die Eingabe ungeachtet des Umstandes für zulässig, daß explizite Regelungen über die verfassungsgerichtliche Kontrolle von landesgesetzlich vorgesehenen Volksbefragungen fehlen. Er nahm an, daß die Anfechtungswerber angesichts ihrer Parteistellung im Verfahren vor dem Gemeinderat zur Anfechtung legitimiert sind und daß die Eingabe rechtzeitig erfolgt sei.

Zu keiner dieser Annahmen wurde im Verfahren Stellung genommen. Der Verfassungsgerichtshof hält aus folgenden Gründen an ihnen fest:

a) Gemäß Art 141 Abs 3 B-VG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen. Ihrem Wortlaut nach ist diese Bestimmung nicht auf direkt-demokratische Vorgänge auf Bundesebene beschränkt. In ihr ist allerdings der Bundesgesetzgeber zur näheren Regelung der Voraussetzungen für ein Anfechtungsverfahren berufen. Dieser hat im Bereich der Volksbefragung jedoch - und zwar mit § 16 des VolksbefragungsG, BGBl. 356/1989, - bloß eine Regelung für die Anfechtung von Volksbefragungen nach Art 49b B-VG, also für solche über Angelegenheiten "von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist", vorgesehen.

Daraus darf nun nicht geschlossen werden, daß Volksbefragungen über Angelegenheiten, zu deren Regelung die Landesgesetzgebung zuständig ist, verfassungsrechtlich unzulässig wären: Denn solches anzunehmen widerspräche dem Gebot, bundesverfassungsrechtliche Bestimmungen so zu verstehen, daß sie nicht mit anderen Regelungen der Bundesverfassung - in concreto kommt Art 99 B-VG in Betracht - in Widerspruch geraten. Daß die Schaffung von Einrichtungen der direkten Demokratie in der Verfassungsautonomie der Länder liegt, ist in der Lehre anerkannt (vgl. Novak, Art 99 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, insb. Rz 12 und 22 (1999)) und es widerspräche dem Gehalt des Art 99 B-VG, Art 49b B-VG, der die Annahme der Unzulässigkeit von Volksbefragungen über Angelegenheiten, zu deren Regelung nicht die Bundesgesetzgebung zuständig ist, nicht einmal nahe legt, im genannten Sinn zu verstehen.

Auch verbietet es sich, aus dem Umstand, daß der Bundesgesetzgeber nähere Regelungen über die Anfechtung der Ergebnisse von Volksbefragungen beim Verfassungsgerichtshof bislang nur für solche nach Art 49b B-VG geschaffen hat, zu schließen, daß eine Anfechtung der Ergebnisse von auf Landes- und Gemeindeebene durchgeführten Volksbefragungen nicht möglich sei. Einerseits widerspräche ein solches Ergebnis den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips, das es - wie der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg. 2455/1952 festgestellt hat - ausschließt anzunehmen, es dürfte hoheitliche Akte von Verwaltungsorganen geben, die nicht auf ihre Übereinstimmung mit den sie determinierenden Gesetzesbestimmungen und den verfassungsrechtlichen Vorschriften geprüft werden können; andererseits ist zu bedenken, daß Art 141 Abs 3 B-VG den Bundesgesetzgeber nicht nur ermächtigt, sondern verpflichtet, nähere Regelungen über die Zulässigkeit von Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen zu erlassen: Durch Bundesgesetz geregelt wird nämlich nicht ob, sondern "(u)nter welchen Voraussetzungen" der Verfassungsgerichtshof über solche Anfechtungen entscheidet (Merli, Art 41/2 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Rz 31 (1999)). Dem entsprechend hat der Verfassungsgerichtshof schon in seinen Entscheidungen VfSlg. 9234/1981 und 13.839/1994 eine Pflicht des Bundesgesetzgebers zur entsprechenden Ausgestaltung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens angenommen.

b) Von diesen Prämissen ausgehend ist zur Beantwortung der Frage, ob der vorliegende Antrag zulässig ist, zunächst zu klären, unter welchen Voraussetzungen die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes für die hier gegebene Konstellation möglich ist, in der der Bundesgesetzgeber eine Regelung der Anfechtungsbefugnis nicht vorgenommen hat. Wie sich aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 9044/1981 (betreffend die Anfechtung von Wahlen zum Bundesrat), in der der Gerichtshof darauf hinwies, daß diese Auffassung schon den Entscheidungen VfSlg. 18 und 39/1921 zugrunde lag, ergibt, sind in derartigen Konstellationen die Legitimationsvoraussetzungen aus der maßgeblichen Verfassungsvorschrift unmittelbar abzuleiten. Da Art 141 Abs 3 B-VG selbst keine explizite Beschränkung der Anfechtungslegitimation enthält, ist eine solche jedenfalls für die Antragsteller gegeben, die im vorangegangenen Einspruchsverfahren einspruchsberechtigt gewesen sind und Parteistellung hatten.

c) Die Anfechtung ist auch rechtzeitig:

Zwar sehen sämtliche bisher ergangenen Ausführungsregelungen zu Art 141 B-VG, die sich auf die Überprüfung der Ergebnisse von Wahlen, Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen beziehen, eine Frist von vier Wochen zur Antragstellung vor (vgl. § 68 Abs 1 VerfGG, § 18 Abs 1 VolksbegehrenG, § 16 Abs 1 VolksbefragungsG und § 14 Abs 2 VolksabstimmungsG); innerhalb dieser Frist wurde die Eingabe - was den Einschreitern im Hinblick auf die Bezeichnung der Erledigung des Gemeinderates und den auf die Rechtsmittelbelehrung folgenden Hinweis subjektiv nicht vorwerfbar ist - nicht erhoben.

Dennoch ist sie nicht verspätet:

Eine ausdrückliche gesetzliche Festsetzung einer Frist für das Einbringen einer Anfechtung des Ergebnisses der aufgrund eines Landesgesetzes durchgeführten Volksbefragung liegt nicht vor. In VfSlg. 39/1921 hat der Verfassungsgerichtshof in einem Wahlverfahren die analoge Anwendung von Vorschriften abgelehnt, die das Antragsrecht zeitlich beschränken. Ob daraus freilich der Schluß gezogen werden darf, daß eine Anfechtung zeitlich unbegrenzt möglich ist, was doch zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde, oder ob aus der verfassungsrechtlichen Regelung und ihrer Teleologie selbst eine Begrenzung der für einen Antrag zu Verfügung stehenden Frist abzuleiten ist (vgl. allgemein Winkler, Zeit und Recht, Wien 1995, 161, 179), kann in diesem Verfahren offenbleiben. Die - innerhalb der für die Einbringung von Bescheidbeschwerden offenstehenden Frist eingebrachte - Eingabe überschreitet nämlich eine allenfalls denkbare Begrenzung der Einbringungsfrist keinesfalls.

Die Eingabe ist daher, da auch alle sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

4. Auch der dem Prüfungsbeschluß zugrundeliegenden Annahme, der Gemeinderat habe in einem Verfahren über einen Einspruch nach § 174 Stmk. VRG alle Fragen der Rechtmäßigkeit des Verfahrens der Volksbefragung einschließlich der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Fragestellung zu überprüfen, ist der Gemeinderat im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht (mehr) entgegengetreten. Es besteht in der Tat kein Anlaß, die Formulierung "wegen Rechtswidrigkeit des Verfahrens" in § 174 Abs 1 leg.cit. restriktiv zu interpretieren und anzunehmen, daß bloß die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Volksbefragung Gegenstand des Einspruchverfahrens sein sollte. Denn eine derartige Interpretation führte in der gegebenen rechtlichen Konstellation, die eine gesonderte Kontrolle der Anordnung der Volksbefragung und der Fragestellung nicht ermöglicht, dazu, daß wesentliche Teile des direkt-demokratischen Vorgangs der Volksbefragung letztlich der verfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen würden.

Schließlich hat sich auch die vorläufige Annahme, der Verfassungsgerichtshof habe zur Beantwortung der im Antrag aufgeworfenen Frage nach der Rechtmäßigkeit der der Volksbefragung zugrunde liegenden Fragestellung die in Prüfung genommene Verordnung anzuwenden, als zutreffend erwiesen: Die Fragestellung, deren Rechtmäßigkeit in Zweifel gezogen wird, wurde durch Punkt 1 der Verordnung fixiert; die übrigen Bestimmungen der Verordnung bilden mit diesem Punkt eine Einheit. Die Verordnung ist daher insgesamt präjudiziell.

5. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

III. 1. In der Sache hatte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die Fragestellung in Widerspruch zu § 156 Abs 2 Stmk. VRG stehen könnte. Diese Bestimmung verlangt, daß die Frage, die den Gegenstand der Volksbefragung bildet, "möglichst kurz und eindeutig zu formulieren" ist. Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, daß auf Grund dieser Gesetzesbestimmung die Frage, über die eine Volksbefragung durchgeführt werden soll, so formuliert sein müsse, daß Mißverständnisse soweit als möglich vermieden werden und daß Suggestivfragen dem Sinn der zitierten Gesetzesbestimmung zuwiderlaufen.

Der Verfassungsgerichtshof nahm an, daß die in Punkt 1 der Verordnung festgelegte Fragestellung diesen Erfordernissen nicht entspreche und führte dazu aus:

"Die Bevölkerung wurde nämlich gefragt, ob sie dafür ist, daß etwas, was nichts zu einer positiven Lösung beiträgt, nicht durchgeführt werden soll. Die mehrfache Verneinung in der Fragestellung scheint geeignet zu sein, Mißverständnisse herbeizuführen. Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Auffassung, daß es möglich gewesen wäre, die Frage klar zu formulieren und daß dementsprechend dem Gesetzesbefehl nach einer 'möglichst eindeutigen Formulierung' nicht entsprochen wurde.

Vor allem aber scheint der in die Frage eingebaute Relativsatz 'die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt', geeignet zu sein, die Frage zu einer Suggestivfrage zu machen. Dies dürfte ebenfalls der zitierten Bestimmung des Stmk. VRG widersprechen, haben doch Volksbefragungen nach § 155 Abs 1 leg.cit. 'der Erforschung des Willens der Gemeindebürger' zu dienen, eine Zielsetzung, die bei der Verwendung von Suggestivfragen wohl nicht erreicht werden kann."

2. Der Gemeinderat der Stadt Graz trat dieser Auffassung in seiner Äußerung entgegen:

Nach § 156 Stmk. VRG sei der Gegenstand der Volksbefragung als Frage möglichst kurz und eindeutig zu formulieren; weiters müßten die Fragen mit "ja" oder "nein" oder mit Zustimmung zu einer von mehreren Entscheidungsmöglichkeiten beantwortet werden können.

Wörtlich wird sodann ausgeführt:

"Betrachtet man allein den Satzumfang der Fragestellung, also losgelöst von Satzinhalt und Syntax, so kommt man auf 30 Wörter und eine Länge von 4 Zeilen auf dem Befragungsblatt. Damit wird dem Erfordernis nach Kürze sicher entsprochen und auch dadurch kein Abbruch getan, dass in die Fragestellung ein Nebensatz eingebaut ist.

Im Gegensatz zum Einleitungsverfahren, bei dem auch eine Begründung für die Durchführung einer Volksbefragung anzuführen ist, hat sich bei der Befragung selbst der Informationsgehalt auf nur einen einzigen Fragesatz zu beschränken (abgesehen von dem Fall, dass die Frage in mehrere Unterfragen gegliedert wird). Dabei erscheint es vor allem bei politischen Entscheidungen und künftigen Planungen, die einer Befragung unterzogen werden können und von komplexem Umfang sind, nahezu unvermeidbar, ohne Gliedsätze auszukommen."

Der Gemeinderat gesteht allerdings zu, daß die Frage von den Antragstellern "auch kürzer und klarer formuliert" hätte werden können. Es liege aber nicht in der Intention des Volksrechtegesetzes, bei der Beurteilung der Fragestellung einen zu strengen Maßstab anzulegen. Immerhin hätten mehr als 10 % der 8.658 stimmberechtigten Personen des VIII. Bezirkes im Einleitungsverfahren durch ihre Unterschrift auf den Antragslisten genau diese Fragestellung gewünscht und unterstützt. Ein zu strenger Formalismus würde dazu führen, daß die direkte Mitwirkungsmöglichkeit von Gemeindebürgern an politischen Entscheidungen und Fragen der Vollziehung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ausgehöhlt werde; im übrigen würde dem Gemeinderat durch das Stmk. VRG auch keine Möglichkeit eingeräumt, eine beantragte Fragestellung abzuändern.

In diesem Sinne habe auch im Verfahren vor der Erlassung der Verordnung das Amt der Stmk. Landesregierung die Auffassung vertreten, daß das Stmk. VRG keine Möglichkeit biete, eine beantragte Fragestellung abzuändern; hätte eine gewisse Anzahl von Personen einen solchen Antrag unterschrieben, so könne nur mehr rein formell geprüft werden, ob der Antrag den Voraussetzungen des Volksrechtegesetzes entsprechen würde.

Die Rechtsabteilung hätte weiters ausgeführt, daß

"(n)ach ha. Ansicht die negative Formulierung der Frage nicht so schwierig gestaltet (ist), daß sie nicht verstanden und nicht so beantwortet werden kann, wie es der jeweilige Bürger will.

Der eingefügte Zwischensatz mag als Darstellung der Ansicht der Unterzeichner des Antrages gelten, jedoch allein aus diesem Grund kann die Verordnung über die Durchführung der Volksbefragung nicht rechtswidrig sein, da wohl jeder Bürger, der sich an der Volksbefragung beteiligt, schon vor Betreten des Abstimmungsraumes seine Meinung gebildet haben wird, ob eine Verlängerung der Linie 6 zur Lösung der Verkehrsprobleme beitragen könnte oder nicht.

Aus diesen Gründen besteht keine Veranlassung, die vom Gemeinderat beschlossene Verordnung über die Durchführung der Volksbefragung im Stadtbezirk St. Peter aufzuheben."

Der Gemeinderat informierte sodann den Verfassungsgerichtshof über den Hintergrund der durchgeführten Volksbefragung und führt aus, daß die Frage der Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 im Bezirk

St. Peter seit Jahren diskutiert werde: Es hätten sich mehrere

Bürgerinitiativen gebildet, die zwei Gruppen zuzuordnen seien: Die eine, die die von der Stadt Graz geplante Variante der Straßenbahnverlängerung befürworte und die andere, die sich gegen dieses Projekt ausspreche. Zu den letztgenannten zählten drei Bürgerinitiativen, von denen als "Bürgerinitiativen für den sinnvollen Ausbau des öffentlichen Verkehrs" die Initiative zur Durchführung dieser Volksbefragung ausgegangen sei und deren Sprecher als Zustellbevollmächtigte bei dieser Volksbefragung aufgetreten seien. Es habe vor der Volksbefragung rege Informationstätigkeiten von "beiden Seiten" gegeben, so daß "die Stimmberechtigten bereits vor dem Abstimmungstag ausreichend über die Fragestellung informiert waren und damit Mißverständnisse ausgeschlossen erscheinen". Die Frage, welcher Maßstab an die Formulierung einer Frage anzulegen ist, könne nicht allein abstrakt beantwortet werden; in die Beurteilung der Fragestellung hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit dem Stmk. VRG sei auch die Informiertheit der Stimmberechtigten sowie die Größe des Befragungsgebietes mit einzubeziehen.

Der Gemeinderat meint weiters, es stimme, daß der kritisierte Gliedsatz eine Wertung beinhalte. Allerdings teilt der Gemeinderat nicht die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß die Fragestellung bei einer Volksbefragung wertneutral sein müsse:

"Damit würden nämlich a priori auch alle Fragestellungen, wie 'Sind Sie für mehr, ... für weniger, für bessere, ...,' als komparative und damit wertende Fragestellungen ausscheiden. Selbst das Wort 'Verbesserung' dürfte dann in einer Fragestellung nicht verwendet werden, bringt es doch zum Ausdruck, dass der Ist-Zustand als nicht zufriedenstellend bewertet wird."

Dies könne aber aus § 156 Abs 2 Stmk. VRG nicht abgeleitet werden.

Schließlich meint der Gemeinderat, daß die am zur Abstimmung gelangte Frage wie es das Gesetz verlange eindeutig sei, auch wenn sie "an Klarheit zu wünschen übrig" lasse.

Der Gemeinderat könne auch der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht beitreten, daß es sich um eine suggestive Frage gehandelt habe, die nicht geeignet gewesen sei, den Willen der Befragten zu erforschen; denn eine solche hätte sich in einem deutlicherem Abstimmungsergebnis für die suggerierte Antwort zu Buche schlagen müssen.

3. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu zerstreuen:

Der Gerichtshof folgt dem Gemeinderat zwar in seiner Ansicht, daß ihm das Stmk. VRG keine Möglichkeit gibt, bei der Prüfung eines Antrags von Gemeindebürgern auf Durchführung einer Volksbefragung die von den Bürgern beantragte Fragestellung abzuändern. Der Gemeinderat hat gemäß § 158 Abs 1 leg.cit. zu prüfen, ob der Antrag bestimmten Voraussetzungen entspricht; dabei hat er auch die Zulässigkeit der Fragestellung zu überprüfen (§156 Abs 2 Stmk. VRG, auf den in § 158 Abs 1 ausdrücklich Bezug genommen wird). Kommt der Gemeinderat dabei zum Ergebnis, daß der Antrag den Voraussetzungen entspricht, so ist die Volksbefragung durchzuführen, andernfalls ist der Antrag bescheidmäßig abzuweisen. Wieso daraus aber abzuleiten sein soll, es dürfe bei der Beurteilung der Fragestellung kein strenger Maßstab angelegt werden, bleibt unerfindlich.

Gerade Einrichtungen der direkten Demokratie erfordern es, daß das Substrat dessen, was den Wahlberechtigten zur Entscheidung vorgelegt wird (sei es nun ein Gesetzesantrag, ein Gesetzesbeschluß oder eine Frage), klar und eindeutig ist, damit Manipulationen hintangehalten und Mißverständnisse soweit wie möglich ausgeschlossen werden können. Diese auch hinter der Bestimmung des Art 156 Abs 2 Stmk. VRG stehende ratio verkennt der Gemeinderat, wenn er der Auffassung anhängt, an die Klarheit der einer Volksbefragung zu unterziehenden Frage dürften keine strengen Maßstäbe angelegt werden. Vielmehr ist bei Volksbefragungen die Klarheit der Fragestellung essentiell, und zwar unabhängig davon, wie intensiv eine Frage vor einer Volksbefragung diskutiert wurde.

Daß im konkreten Fall die angeordnete Fragestellung unklar war, räumt der Sache nach auch der Gemeinderat ein. Dies wird besonders deutlich, wenn man die angeordnete Frage "Treten Sie dafür ein, daß die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?" mit einer möglichen Alternativfragestellung vergleicht, etwa derart: "Treten Sie dafür ein, daß die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6 zur Ausführung gelangt?".

Zu der im Prüfungsbeschluß vom Verfassungsgerichtshof vorläufig geäußerten Auffassung, daß der in die Frage eingebaute Relativsatz "die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt", geeignet sein dürfte, die Frage zu einer unzulässigen Suggestivfrage zu machen, weist der Gemeinderat darauf hin, daß Fragestellungen nicht wertneutral sein müßten, was sich insbesondere daran zeige, daß diesfalls "komparative ... Fragestellungen" ausschieden und es nicht zulässig sei, zu fragen, ob die Befragten "für mehr", "für weniger", "für bessere" seien.

Dem ist zu erwidern, daß nur im Zusammenhang mit einer konkreten Problemstellung und einer dazu formulierten Frage beurteilt werden kann, ob die Fragestellung den gesetzlichen Anforderungen entspricht und geeignet ist, der Erforschung des Willens der Gemeindebürger zu dienen (§155 Abs 1 Stmk. VRG). Dieses verfassungsgerichtliche Verfahren ist indes nicht der Ort, allgemeine Erwägungen darüber anzustellen, welche Arten von Fragestellungen in welchen Konstellationen zulässig sein könnten; es ist ausschließlich zu beurteilen, ob die konkret gewählte Fragestellung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Dies ist zu verneinen. Denn nach § 155 Abs 1 Stmk. VRG haben Volksbefragungen "der Erforschung des Willens der Gemeindebürger" zu dienen und es besteht kein Zweifel daran, daß jede Verfälschung und Manipulation diesem Ziel entgegensteht; Fragestellungen, mit denen versucht wird, die Antwort in eine bestimmte Richtung zu lenken, widersprechen daher der Anordnung des § 155 Abs 1 leg.cit. und auch die Erfüllung der in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzung ist durch den Gemeinderat im Verfahren nach § 158 Abs 1 leg.cit. zu prüfen. Fragestellungen wie die konkret gewählte entsprechen diesen Anforderungen jedenfalls nicht.

Insgesamt erweist sich somit die in Prüfung gezogene Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit der mit ihr angeordneten Fragestellung als gesetzwidrig.

4. Da mit der in Prüfung genommenen Verordnung die Durchführung einer Volksbefragung angeordnet wurde, welche inzwischen bereits durchgeführt wurde, wurde die Verordnung, die das Ende ihrer Wirksamkeit mit Durchführung der Volksbefragung in sich trägt, quasi konsumiert, so daß ihr keine normative Kraft mehr zukommt. Angesichts dessen hatte der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auszusprechen, daß die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom gesetzwidrig war.

5. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Landesgesetzblatt erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 (iVm § 61) VerfGG.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.