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VfGH vom 09.10.1996, V1/95

VfGH vom 09.10.1996, V1/95

Sammlungsnummer

14642

Leitsatz

Abweisung des Antrags des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg auf Aufhebung einer Bestimmung der WassergebührenO Dornbirn über die Haftung des Grundeigentümers für die Abgabenschuld; gesetzliche Deckung durch das F-VG 1948 iVm der bundesgesetzlichen Ermächtigung des FAG 1993 zur selbständigen Schaffung materiellen Steuerrechts durch die Gemeinden

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg beantragt gemäß Art 139 Abs 1 B-VG iVm. Art 148 i Abs 2 B-VG und Art 58 Abs 2 des Gesetzes über die Verfassung des Landes Vorarlberg (Landesverfassung - L.V.), LGBl. für Vorarlberg Nr. 30/1984, die Aufhebung "des 2. Satzes von § 2 Abs 2 der Verordnung der Stadtvertretung von Dornbirn über die Regelung der Wassergebühren (Wassergebührenordnung), Beschluß der Stadtvertretung vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis , verlautbart im Dornbirner Gemeindeblatt vom ," als gesetzwidrig.

1.2. § 2 der angefochtenen Wassergebührenordnung lautet:

(Die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben.)

"§2

Gebührenschuldner

1. Gebührenschuldner ist der Eigentümer der Liegenschaft, auf der das angeschlossene Gebäude (Betrieb, Anlage) errichtet ist. Miteigentümer schulden die Gebühren zur ungeteilten Hand. Dies nicht, wenn mit dem Miteigentumsanteil das dingliche Recht auf ausschließliche Nutzung und Verfügung über eine selbständige Wohnung oder sonstige selbständige Räumlichkeiten (Wohnungseigentum) verbunden ist. In diesem Falle ist ein gemeinsamer Verwalter als Zustellungsbevollmächtigter zu bestellen.

2. Ist das Gebäude (Betrieb, Anlage) vermietet, verpachtet oder sonst zum Gebrauch überlassen, kann die Wasserbezugs- und Wasserzählergebühr dem Inhaber (Mieter, Pächter, Fruchtnießer und dergleichen) vorgeschrieben werden. Der Eigentümer haftet persönlich für die Abgabenschuld."

2. Begründend führt der Landesvolksanwalt wie folgt aus:

Bedenklich sei, daß der Inhalt des Satzes 2 des § 2 Abs 2 der zitierten Wassergebührenordnung in keiner Bestimmung "des als Verordnungsgrundlage heranzuziehenden Gesetzes über die öffentliche Wasserversorgung durch die Gemeinden in Vorarlberg," LGBl. für Vorarlberg Nr. 26/1929 idF LGBl. Nr. 59/1993, Deckung finde und daher nicht vom Verordnungsgeber geregelt hätte werden dürfen.

Gemäß der zitierten Verordnungsbestimmung hafte der Eigentümer für den rückständigen Wasserzins ohne Einschränkung, "also auch dann, wenn der Rückstand ohne sein Zutun und durch Verschulden des Mieters oder Pächters zustande gekommen ist, persönlich und zwar auf Basis einer allgemeinen Verwaltungsnorm, zu der es in dem Gesetz, das die Anordnung tragen sollte, keinen Hinweis gibt".

Das Gesetz über die öffentliche Wasserversorgung durch die Gemeinden in Vorarlberg lege nur fest, wie rückständige Leistungen hereinzubringen sind, regle aber nicht ansatzweise die Haftung für rückständig gewordene Leistungen durch einen Dritten und enthalte keine diesbezügliche Ermächtigung an den Verordnungsgeber. § 7 Abs 1 und Abs 2 leg.cit. legten fest, wer für die Festsetzung der Gebühr zuständig ist, bestimmten das Höchstausmaß des Umfanges der Gebühr und legten den Weg fest, auf dem rückständige Leistungen einzubringen sind. Ein Ansatz für den Willen des Gesetzgebers, "eine Haftung normiert sehen zu wollen oder gar eine Haftung durch einen Dritten", sei der Diktion dieses Gesetzes somit nicht zu entnehmen.

Die bekämpfte Verordnungsstelle der Wassergebührenordnung sei zur Regelung der durch das Gesetz über die öffentliche Wasserversorgung durch die Gemeinden in Vorarlberg vorgegebenen Materie keineswegs erforderlich und liege mit der Normierung der Haftung eines Dritten um so mehr bereits jenseits des dem Verordnungsgeber Erlaubten, als bereits die Festlegung einer Haftung an sich dem Gesetzgeber vorbehalten gewesen wäre. Eine - dazu noch schrankenlose - Kostenüberwälzung des Wasserzinses auf den Eigentümer des Objektes im Haftungswege sei somit mit Wortlaut und Sinn des die Verordnungsgrundlage bildenden Gesetzes nicht vereinbar.

3. Die Vorarlberger Landesregierung führt in ihrer Äußerung im wesentlichen aus:

Die gegenständlichen Wassergebühren würden für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen im Sinne des § 14 Abs 1 Z 15 Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl. Nr. 687/1988, (FAG 1989), bzw. § 14 Abs 1 Z 16 Finanzausgleichsgesetz 1993, BGBl. Nr. 30/1993, (FAG 1993), erhoben. Gemäß § 15 Abs 3 Z 5 des FAG 1993 seien die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben. Verfassungsrechtlich stütze sich diese Bestimmung auf § 7 Abs 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948, (F-VG), wonach die Bundesgesetzgebung Gemeinden ermächtigen kann, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung auszuschreiben. Sofern der Bundesgesetzgeber diese Ermächtigung nicht selbst durch Gesetz einschränke oder materiell-rechtliche Regelungen erlasse, seien die Gemeinden befugt, Regelungen zur Einhebung der Gebühren zu erlassen. Im gegenständlichen Fall habe der Bundesgesetzgeber lediglich hinsichtlich der Höhe der Gebühren Regelungen getroffen.

Im Gesetz über die öffentliche Wasserversorgung durch die Gemeinden in Vorarlberg habe der Landesgesetzgeber keine weitergehende Ermächtigung im Sinne des § 15 Abs 3 FAG 1993 vorgesehen und auch keine materiell-rechtlichen Regelungen erlassen, welche die Gemeinde bei der Einhebung der Gebühren zu berücksichtigen hätte. Mit Ausnahme der Bestimmungen des Gesetzes über allgemeine Bestimmungen, das Verfahren und das Strafrecht für die von den Behörden des Landes und der Gemeinden verwalteten Abgaben (Abgabenverfahrensgesetzes - AbgVG.), LGBl. für Vorarlberg Nr. 23/1984 idgF, bestünden somit keine landesgesetzlichen Regelungen, an die sich eine Gemeinde bei der Erlassung der Wassergebührenordnung zu halten hätte. Die Stadt Dornbirn habe im § 2 Abs 1 der Wassergebührenordnung festgelegt, daß grundsätzlich Gebührenschuldner der Eigentümer der Liegenschaft, auf der das angeschlossene Gebäude errichtet wurde, ist. In Fällen, in denen das Gebäude vermietet, verpachtet oder sonst zum Gebrauch überlassen ist, könne gemäß § 2 Abs 2 der angefochtenen Verordnung die Wassergebühr auch dem Inhaber vorgeschrieben werden. In diesen Fällen hafte jedoch der Eigentümer persönlich für die Abgabenschuld. Die Behörde habe somit die Möglichkeit, die Gebühr entweder dem Eigentümer oder dem Inhaber und somit demjenigen, der das Wasser tatsächlich in Anspruch nimmt, vorzuschreiben. Die persönliche Haftung des Eigentümers für die Abgabenschuld diene der Sicherung der Einbringlichkeit der Gebühr und sei durch den durch die Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und der des Haftungspflichtigen gerechtfertigt.

Die angefochtene Regelung der Wassergebührenordnung der Stadt Dornbirn stehe nach Ansicht der Landesregierung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Erlassung von Regelungen über Gebührenschuldner. Da weder der Bundesgesetzgeber noch der Landesgesetzgeber zu dieser Angelegenheit Vorschriften erlassen haben, stehe es der Gemeinde im Rahmen des § 15 Abs 3 FAG 1993 frei, derartige Regelungen zu erlassen. Die Landesregierung sei daher zusammenfassend der Ansicht, daß die angefochtene Regelung nicht gesetzwidrig ist.

4. Auf die Äußerung des Stadtrates der Stadt Dornbirn war im Verfahren nicht einzugehen, weil dieser nicht dargetan hat, daß die Voraussetzungen des § 60 Abs 3 des Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung (Gemeindegesetz - GG.), LGBl. für Vorarlberg Nr. 40/1985, angesichts der vom Verfassungsgerichtshof für die Erstattung einer Äußerung gesetzten Frist vorliegen.

II. 1. Die Legitimation des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg zur Antragstellung ergibt sich aus Art 58 Abs 2 der Landesverfassung, LGBl. für Vorarlberg Nr. 30/1984, sowie aus Art 148 i Abs 2 B-VG iVm. Art 148 e B-VG.

2. Die vom Landesvolksanwalt von Vorarlberg vorgetragenen Bedenken, an die der Verfassungsgerichtshof im Verordnungsprüfungsverfahren gebunden ist (vgl. VfSlg. 10966/1986), beruhen ausschließlich auf dem vermeintlich rechtswidrigen Mangel einer gesetzlichen Grundlage der Anordnung des § 2 Abs 2 letzter Satz Wassergebührenordnung, wonach der Eigentümer einer Liegenschaft (offenbar neben dem Inhaber, dem die Wasserbezugs- und Wasserzählergebühr vorgeschrieben werden kann,) persönlich für die Abgabenschuld haftet. Der Landesvolksanwalt bezieht sich zur Begründung seines Antrages in dessen vorletztem Absatz ausdrücklich auf die "durch Art 18 B-VG verankerte Zügelung des Verordnungsgebers", die seiner Meinung nach durch die angefochtene Verordnungsbestimmung mangels einer gesetzlichen Grundlage verletzt ist und schließt es im letzten Absatz seines Antrages "aus der Argumentationsebene heraus", "daß eine solche Regelung an sich nicht dem Verordnungsgeber zusteht, sondern dem Gesetzgeber vorbehalten ist" aus, "(a)uf die Frage der Sachgerechtigkeit der Statuierung der Haftung für die Abgabenschuld eines Dritten" einzugehen.

3. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg verkennt, daß die verfassungsrechtliche Grundlage der Erlassung der Wassergebührenordnung Dornbirn nicht Art 18 Abs 2 B-VG ist, sondern daß § 7 Abs 5 F-VG 1948 die Bundesgesetzgebung ermächtigt, Gemeinden bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung ausschreiben zu lassen.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 10947/1986 dargetan hat, finden die von einer Gemeinde Vorarlbergs in einer Wassergebührenordnung vorgeschriebenen Wassergebühren "ihre gesetzliche Deckung (bereits) in § 7 Abs 5 F-VG 1948" (wohl iVm. der jeweiligen bundesgesetzlichen Ermächtigung im FAG). Der Verfassungsgerichtshof schloß in jenem Erkenntnis auch aus, daß die bundesgesetzliche Ermächtigung durch das Gesetz über die öffentliche Wasserversorgung durch die Gemeinden in Vorarlberg, LGBl. für Vorarlberg Nr. 26/1929, idF LGBl. Nr. 22/1954, beschränkt worden wäre. Der Vorarlberger Landesgesetzgeber hat im § 7 des Gesetzes über die öffentliche Wasserversorgung durch die Gemeinden in Vorarlberg, LGBl. für Vorarlberg Nr. 26/1929, zuletzt idF LGBl. Nr. 59/1993, lediglich Vorschriften über die Festsetzung des Gebührensatzes der Wasserbezugsgebühren erlassen. Sonstige Fragen des materiellen Abgabenrechts, insbesondere auch die Bestimmung des oder der Abgabenschuldner, blieben sowohl durch § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1993 als auch im genannten Vorarlberger Landesgesetz ungeregelt. Wie der Verfassungsgerichtshof ferner mehrfach (vgl. etwa VfSlg. 7227/1973 und 10738/1985, jeweils mit weiteren Hinweisen) ausgesprochen hat, berechtigt die auf § 7 Abs 5 F-VG 1948 gestützte bundesgesetzliche Ermächtigung des (nunmehrigen) § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1993 die Gemeinden zur selbständigen Schaffung materiellen Steuerrechts.

Angesichts dieser Rechtslage ist eine Gemeinde, die gestützt auf § 7 Abs 5 F-VG 1948 iVm. § 15 Abs 3 Z 5 FAG 1993 eine Wassergebührenordnung erläßt, geradezu verpflichtet, Bestimmungen über den oder die jeweiligen Gebührenschuldner im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen (zur Haftung des Grundeigentümers für Wasser- und Abwassergebühren vgl. VfSlg. 11478/1987, 11942/1988) zu erlassen. § 2 Abs 2 letzter Satz der Wassergebührenordnung Dornbirn enthält eine derartige Vorschrift.

Dem Antrag des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg war somit keine Folge zu geben.

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.