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VfGH vom 02.12.2020, UA3/2020

VfGH vom 02.12.2020, UA3/2020

Leitsatz

Verpflichtung der Bundesministerin für Justiz zur unabgedeckten (ungeschwärzten) Vorlage des Ton- und Bildmaterials des "Ibiza-Videos" sowie der dazugehörigen Transkripte an den Untersuchungsausschuss des Nationalrates betreffend die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss); grundsätzlicher und ergänzender Beweisbeschluss verpflichten zur Herausgabe näher definierter Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss, selbst wenn diese nach den Bestimmungen der StPO und der Rsp des OGH nicht zum (Ermittlungs-)Akt genommen werden dürfen; keine Rechtfertigung der Ablehnung der Vorlage durch pauschale Behauptung, dass bestimmte Akten und Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien sowie Erforderlichkeit einer Begründung für die fehlende abstrakte Relevanz der geschwärzten Passagen; Möglichkeit eines Konsultationsverfahrens zur Beseitigung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Untersuchungsausschuss und der Bundesministerin auch bei – vermeintlich – nichtvorlagepflichtigen Aktenstücken

Spruch

Die Bundesministerin für Justiz ist verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) das Ton- und Bildmaterial des "Ibiza-Videos" und die dazugehörigen Transkripte im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit ihrem auf Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass die Bundesministerin für Justiz verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss das Ton- und Bildmaterial des 'Ibiza-Videos' und die dazuhörigen Transkripte unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen."

II. Rechtslage

1. Art 53 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG, BGBl 1/1930 idF BGBl I 101/2014, lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungs-ausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs 3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volks-anwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."

"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;

[…]"

2. § 56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85 idF BGBl I 101/2014, lautet:

"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen

§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.

(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."

3. § 106 des Bundesgesetzes vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410 idF BGBl I 99/2014, lautet:

"§106. Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Immunitätsausschusses auf Einholung einer Entscheidung des Nationalrates im Sinne des § 10 Abs 3, Verlangen auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung gemäß § 46 Abs 2, Verlangen auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß § 84 Abs 1 oder 85 sowie Anträge und Anfechtungen in Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach den Bestimmungen dieser Geschäftsordnung sind schriftlich mit den eigenhändigen Unterschriften der Abgeordneten an den Präsidenten zur weiteren verfassungsmäßigen Behandlung zu richten."

4. § 24, § 27 und § 58 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975 idF BGBl I 99/2014, lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs 1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von § 58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß § 1 Abs 2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs 5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß § 56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß § 39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs 5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 56d Abs 7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß § 39 GOG bekannt zu geben."

"Vorlage von Beweismitteln

§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß § 24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß § 25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 24 Abs 4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß § 26 Abs 2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.

(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.

(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.

(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs 1 oder Abs 3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.

(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs 4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs 4 beschließt.

(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."

"Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden

§58. (1) Der Vorsitzende übermittelt dem Bundesminister für Justiz den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß § 24, ergänzende Beweisanforderungen gemäß § 25 sowie Ladungen von Auskunftspersonen.

(2) Ist der Bundesminister für Justiz der Auffassung, dass Anforderungen von Akten und Unterlagen, Ersuchen um Beweiserhebungen oder die Ladung von Auskunftspersonen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berühren, kann er beim Vorsitzenden die Aufnahme des Konsultationsverfahrens verlangen. Der Vorsitzende hat das Konsultationsverfahren unverzüglich einzuleiten.

(3) Das Konsultationsverfahren wird vom Vorsitzenden mit Unterstützung des Verfahrensrichters geführt. Die Fraktionen sind am Konsultationsverfahren zu beteiligen. Sie können dafür jeweils ein Mitglied namhaft machen.

(4) Der Vorsitzende und der Bundesminister für Justiz können im Rahmen des Konsultationsverfahrens schriftlich vereinbaren, dass bei der Festlegung des Arbeitsplans, der Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Ergebnissen von Erhebungen, der Befragung von Auskunftspersonen und bei Veröffentlichungen des Untersuchungsausschusses auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren durch geeignete Maßnahmen Rücksicht genommen wird. Dabei sind die Interessen der Strafverfolgung gegenüber den Interessen der parlamentarischen Kontrolle abzuwägen.

(5) Entstehen zwischen dem Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister für Justiz Meinungsverschiedenheiten über das Erfordernis oder die Auslegung einer solchen Vereinbarung, kann der Ausschuss den Bundesminister für Justiz auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

(6) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art 138b Abs 1 Z 6 B-VG über das Erfordernis oder die Auslegung einer solchen Vereinbarung, wenn ihn der Untersuchungsausschuss oder der Bundesminister für Justiz nach Ablauf der Frist gemäß Abs 5 anruft."

5. § 5, § 74, § 109, § 110, § 112 und § 114 Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975 (WV) idF BGBl I 32/2018, lauten:

"Gesetz- und Verhältnismäßigkeit

§5. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen.

(2) Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, die unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet und deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.

(3) Es ist unzulässig, Personen zur Begehung von strafbaren Handlungen in einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art6 Abs 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958) widerstreitenden Weise zu verleiten, oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken."

"5. Hauptstück

Gemeinsame Bestimmungen

1. Abschnitt

Einsatz der Informationstechnik

Verarbeitung personenbezogener Daten

§74. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen im Rahmen ihrer Aufgaben die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten verarbeiten. Soweit zum Verarbeiten personenbezogener Daten nichts anderes bestimmt wird, finden die Bestimmungen des DatenschutzgesetzesDSG, BGBl I Nr 165/1999, Anwendung.

(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben beim Verarbeiten personenbezogener Daten den Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit (§5) zu beachten. Jedenfalls haben sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen an der Geheimhaltung zu wahren und vertraulicher Behandlung personenbezogener Daten Vorrang einzuräumen. Bei der Verarbeitung besonderer Kategorien (§39 DSG) und strafrechtlich relevanter personenbezogener Daten haben sie angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Personen zu treffen."

"8. Hauptstück

Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme

1. Abschnitt

Sicherstellung, Beschlagnahme, Auskunft aus dem Kontenregister und

Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte

Definitionen

§109. Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. 'Sicherstellung'

a. die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände und

b. das vorläufige Verbot der Herausgabe von Gegenständen oder anderen Vermögenswerten an Dritte (Drittverbot) und das vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung solcher Gegenstände und Werte,

2. 'Beschlagnahme'

a. eine gerichtliche Entscheidung auf Begründung oder Fortsetzung einer Sicherstellung nach Z 1 und

b. das gerichtliche Verbot der Veräußerung, Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind,

3. 'Auskunft aus dem Kontenregister' die Abfrage und Übermittlung von Daten aus dem Kontenregister (§§2 und 4 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, BGBl I Nr 116/2015),

4. 'Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte' die Herausgabe aller Unterlagen über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung und über seine Verfügungsberechtigung, die Einsicht in Urkunden und andere Unterlagen eines Kredit- oder Finanzinstituts über Art und Umfang einer Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle für einen bestimmten vergangenen oder zukünftigen Zeitraum."

"Sicherstellung

§110. (1) Sicherstellung ist zulässig, wenn sie

1. aus Beweisgründen,

2. zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche oder

3. zur Sicherung der Konfiskation (§19a StGB), des Verfalls (§20 StGB), des erweiterten Verfalls (§20b StGB), der Einziehung (§26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung

erforderlich scheint.

(2) Sicherstellung ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

(3) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, Gegenstände (§109 Z 1 lita) von sich aus sicherzustellen,

1. wenn sie

a. in niemandes Verfügungsmacht stehen,

b. dem Opfer durch die Straftat entzogen wurden,

c. am Tatort aufgefunden wurden und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten, oder

d. geringwertig oder vorübergehend leicht ersetzbar sind,

2. wenn ihr Besitz allgemein verboten ist (§445a Abs 1),

3. die im Rahmen einer Durchsuchung nach § 120 Abs 2 aufgefunden werden oder mit denen eine Person, die aus dem Grunde des § 170 Abs 1 Z 1 festgenommen wird, betreten wurde oder die im Rahmen ihrer Durchsuchung gemäß § 120 Abs 1 zweiter Satz aufgefunden werden, oder

4. in den Fällen des Artikels 18 der Verordnung (EU) Nr 608/2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1383/2003 des Rates, ABl. Nr L 181 vom S. 15.

(4) Die Sicherstellung von Gegenständen aus Beweisgründen (Abs1 Z 1) ist nicht zulässig und jedenfalls auf Verlangen der betroffenen Person aufzuheben, soweit und sobald der Beweiszweck durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher Aufzeichnungen oder automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden kann und nicht anzunehmen ist, dass die sichergestellten Gegenstände selbst oder die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen sein werden."

"§112. (1) Widerspricht die von der Sicherstellung betroffene oder anwesende Person, auch wenn sie selbst der Tat beschuldigt ist, der Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern unter Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit, das bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden darf, so sind diese Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und bei Gericht zu hinterlegen. Auf Antrag des Betroffenen sind die Unterlagen jedoch bei der Staatsanwaltschaft zu hinterlegen, die sie vom Ermittlungsakt getrennt aufzubewahren hat. In beiden Fällen dürfen die Unterlagen von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei nicht eingesehen werden, solange nicht über die Einsicht nach den folgenden Absätzen entschieden worden ist.

(2) Der Betroffene ist aufzufordern, binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde; zu diesem Zweck ist er berechtigt, in die hinterlegten Unterlagen Einsicht zu nehmen. Unterlässt der Betroffene eine solche Bezeichnung, so sind die Unterlagen zum Akt zu nehmen und auszuwerten. Anderenfalls hat das Gericht, im Fall eines Antrags nach Abs 1 vorletzter Satz jedoch die Staatsanwaltschaft die Unterlagen unter Beiziehung des Betroffenen sowie gegebenenfalls geeigneter Hilfskräfte oder eines Sachverständigen zu sichten und anzuordnen, ob und in welchem Umfang sie zum Akt genommen werden dürfen. Unterlagen, die nicht zum Akt genommen werden, sind dem Betroffenen auszufolgen. Aus deren Sichtung gewonnene Erkenntnisse dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht für weitere Ermittlungen oder als Beweis verwendet werden.

(3) Gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft kann der Betroffene Einspruch erheben, in welchem Fall die Unterlagen dem Gericht vorzulegen sind, das zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang sie zum Akt genommen werden dürfen; Abs 2 letzter Satz gilt. Einer Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts kommt aufschiebende Wirkung zu."

"§114. (1) Für die Verwahrung sichergestellter Gegenstände hat bis zur Berichterstattung über die Sicherstellung (§113 Abs 2) die Kriminalpolizei, danach die Staatsanwaltschaft zu sorgen.

(2) Wenn der Grund für die weitere Verwahrung sichergestellter Gegenstände wegfällt, sind diese sogleich jener Person auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden, es sei denn, dass diese Person offensichtlich nicht berechtigt ist. In diesem Fall sind sie der berechtigten Person auszufolgen oder, wenn eine solche nicht ersichtlich ist und nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, nach § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen. Die hievon betroffenen Personen sind zu verständigen."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mitglieder des Nationalrates haben am ein – zur Gänze zulässiges (vgl ) – Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses mit folgendem Untersuchungsgegenstand im Nationalrat eingebracht und dieses wie folgt begründet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unter-stellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die politi-sche Parteien direkt oder indirekt begünstigten, im Zuge der

a) Vollziehung der § 12a, 14 bis 16, 18 bis 24a, 30, 31, 31b Abs 1 und 6 bis 9, sowie 57 bis 59 Glücksspielgesetz idjgF;

b) Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, ihre direkten oder indirekten EigentümerInnen sowie ihre Tochterunternehmen und jeweiligen Organ-walterInnen;

c) Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art 10 Abs 1 Z 1, 4-6 und 8-12, Art 11 Abs 1 Z 3 und 7, Art 12 Abs 1 Z 1 und 5 sowie Art 14b Abs 1 B-VG idjgF;

d) Vollziehung der § 121a BAO sowie Art 1 § 49a FinStrG idjgF in Bezug auf die in litb genannten Personen;

e) Umstrukturierung der Finanzaufsicht (BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe;

f) Bestellung von Organen (einschließlich Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführungen) von Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist;

g) straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und gegen die Casinos Austria AG, ihre direkten und indirekten EigentümerInnen sowie Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen

einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von bis

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. Managementscheidungen bei der Casinos Austria AG

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren zur Besetzung von Funktionen in der Casinos Austria AG und ihren Tochterunternehmen sowie die Kommunikation zwischen den Eigentümern der CASAG bzw Mitgliedern der Gesellschaftsgremien sowie Amtsträgern. Dazu zählt die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, die Willensbildung sowie die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Eignung bei der Bestellung der GeschäftsleiterInnen (insbesondere Peter Sidlo) sowie des Aufsichtsrates der CASAG, die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen der Republik sowie die in Folge des Bekanntwerdens der Ermittlungen der WKStA getroffenen Maßnahmen.

2. Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes

Aufklärung über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, die Vorgangsweise und die politische Einflussnahme auf die Vollziehung des Glücksspielgesetzes sowie die Vorbereitung möglicher Gesetze im Glücksspielbereich einschließlich der Bemühungen von Dritten um bestimmte Handlungen seitens der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder ('Hintergrunddeals').

3. Begünstigung von Dritten

Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen, leiten-den Bediensteten sowie deren jeweiligen Büros auf die Vollziehung von Angelegenheiten betreffend Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstigten einschließlich diese betreffende behördliche Ermittlungen sowie der Umgang mit Ansuchen um privilegierte Behandlung durch diesen Personenkreis.

4. Neustrukturierung der Finanzaufsicht

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren in Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht, insbesondere den Kompetenzverschiebungen zwischen BMF, FMA und OeNB und die Neubesetzung der jeweiligen Organe. Dazu zählt auch die (versuchte) Einflussnahme Dritter auf die Reformüberlegungen.

5. Ermittlungen in der Ibiza-Affäre

Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangs-weise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos einschließlich der Tätigkeiten und Zusammen-setzung der SOKO Ibiza.

6. Beteiligungsmanagement des Bundes

Aufklärung über die Einflussnahme der Bundesregierung auf die ÖBIB bzw ÖBAG, die Hintergründe, Strategien und Motive der Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG und die verwaltungsseitige Vorbereitung der entsprechenden Gesetzesnovellen sowie Aufklärung über das Funktionieren des Beteiligungsmanagements des Bundes.

7. Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen

Aufklärung über die Beeinflussung von Personalentscheidungen in Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG, sowie von Mitgliedern von Aufsichtsräten als mögliche Gegenleistung oder Belohnung für die direkte oder indirekte Begünstigung politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

8. Verdacht des Gesetzeskaufs

Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren – sofern es der Vollziehung zuzurechnen ist - einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünstigung bestimmter politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

[…]

Begründung

'Die Novomatic zahlt alle' – Es ist dieser Satz, gesprochen vom damaligen FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache im Ibiza-Video, der im Zentrum des Untersuchungsgegenstands steht. Der Verdacht steht im Raum, dass damals in der Theorie formuliert wurde, was später, als die FPÖ in die Regierung kam, gemeinsam mit der ÖVP umgesetzt werden sollte. Gegenwärtig ermittelt nach dem Ende einer türkis-blauen Regierung die Staatsanwaltschaft – wegen des Verdachtes von Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch.

Die Verdachtslage erhärtete sich bei der Bestellung des FPÖ-Bezirksrates Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Laut Medienberichten und veröffentlichten Chatprotokollen steht der Verdacht im Raum, dass der Novomatic gegen Geld (Spende an FPÖ-Mandatar) und Postenvergabe (Einsatz für Sidlo) bessere gesetzliche Rahmenbedingungen (Casinokonzessionen) in Aussicht gestellt wurden – hier besteht also der Verdacht des Gesetzeskaufs.

Die Causa Casinos könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Der nun verlangte Untersuchungsausschuss hat zum Ziel, die politische Verantwortung der türkis-blauen Bundesregierung zu klären. Vor allem muss im Sinne demokratischer Kontrolle geklärt werden, ob neben den bislang bekannten Fällen noch weitere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung nur deswegen getroffen wurden, weil illegale Geldflüsse und/oder Postenvergaben versprochen wurden.

Zum Untersuchungsgegenstand im Besonderen:

Zum bestimmten, abgeschlossenen Vorgang:

Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären[…]. Der hier zu untersuchende Vorgang besteht in seinem Kern aus der politischen Absprache über eine ungebührliche Bevorteilung von Dritten in ausgewählten Bereichen der Vollziehung des Bundes. Eine solche Absprache zur Bevorteilung erfolgt auf Grund einer bestimmten politischen Motivlage, ohne deren Kenntnis gewisse Sachverhalte nicht hinreichend erklärt oder überhaupt als Bestandteil eines inhaltlichen Komplexes erkannt werden können. Erst durch die Offenlegung der Motivlage – im konkreten Fall das Erbringen einer Gegenleistung für die vorausgegangene Begünstigung politischer Parteien - erhalten diese Vollziehungshandlungen ihren größeren Sinn und werden als Teile eines gemeinsamen Vorgangs erkennbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Existenz einer solchen Motivlage nicht freiwillig offenbart wird, sondern im Gegenteil erst durch entsprechende Untersuchungen aufgeklärt werden muss.

Zu diesem Zweck ist der Untersuchungsgegenstand zunächst mit dem Verdacht der politischen Absprache zum Zweck der ungebührlichen Vorteilsgewährung bestimmt und wird sodann auf Grund der bestehenden Informationen auf einzelne Vollziehungsbereiche eingegrenzt. Diese in den lita bis g genannten Bereiche geben die zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Verlangens öffentlich bekannten Verdachtsmomente wieder. Das Verlangen umschreibt so jene Bereiche der Vollziehung, in denen sich die abgesprochene Vorteilsgewährung manifestiert haben soll. Es handelt sich dabei um Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind (insb. Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG) bzw Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes darstellen.

Politische Absprache erfasst die Kommunikation und die Abstimmung von Hand-lungen von Mitgliedern der Bundesregierung, ihren Büros und unterstellten Bediensteten mit dem Ziel, ein gewisses Ergebnis zu erzielen. Die Feststellung der tatsächlichen Existenz der Absprache zur ungebührlichen Vorteilsgewährung ist Teil der Untersuchung und obliegt daher ausschließlich dem Untersuchungsausschuss selbst. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ergründung der Motivlage im Bereich der Aufklärung über die politische Verantwortung zu verorten ist. Im Zuge der Vorlage von Beweismitteln ist von den vorlagepflichtigen Organen somit in Einklang mit der Judikatur des VfGH lediglich zu prüfen, ob Akten und Unterlagen eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand haben könnten.

Die Wendung 'ungebührliche Vorteile' stellt einen Überbegriff für verschiedene Formen der Privilegierung dar. Der für die Untersuchung relevante Bereich kann sich daher von der Übernahme bestimmter Inhalte in der Vorbereitung der Gesetzgebung, der Auswahl bestimmter Personen für Funktionen, dem Verzögern oder Beschleunigen gewisser Verfahren bis zur Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren erstrecken. Entscheidend ist die Eignung, bestimmte natürliche oder juristische Personen im Vergleich mit anderen zu privilegieren. Tatsächliche Unsachlichkeit der unterschiedlichen Behandlung oder Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich, um vom Untersuchungsgegenstand erfasst zu sein.

Entscheidende Akteure sind auf Seite der Verwaltung die Mitglieder der Bundes-regierung sowie Staatssekretäre in der Zeit der Regierung Kurz sowie deren KabinettsmitarbeiterInnen und Generalsekretäre. Hier gilt es zu klären, ob sie zusammengewirkt haben, um ein gewisses, Dritte begünstigendes Ergebnis zu erzielen.

Auf Grund der bisherigen Berichterstattung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diesen unterstellte leitende Bedienstete bei der Vorteilsgewährung eine wesentliche Rolle einnahmen. Ihnen muss zumindest eine gewisse Ingerenz auf das Verwaltungshandeln zukommen, da sonst jedenfalls eine abstrakte Eignung fehlt, um zum untersuchenden Vorgang beizutragen. Leitende Bedienstete werden daher ausdrücklich miteinbezogen. Nicht-leitende Bedienstete sind vom jeweils zuständigen Organ nichtsdestotrotz im Rahmen der Beweisanforderung aufzufordern, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (siehe dazu VfgH UA1/2018 und UA3/2018).

Akteure auf dritter Seite sind natürliche oder juristische Personen, die eine politische Partei oder WahlwerberInnen direkt oder indirekt begünstigten. Sie sind mögliche Nutznießer einer Privilegierung. In der Regel wird in diesem Zusammenhang eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Situation erforderlich sein. In der Zielgerichtetheit der Vorteilszuwendung liegt die Abgrenzung zu normalem politischem Handeln.

Die zeitliche Abgrenzung erfolgt mit der Angelobung der Regierung Kurz am und endet mit . Das ist jener Tag, an dem eine außerordentliche Hauptversammlung der CASAG zur Abberufung von Peter Sidlo anberaumt war und der Verkauf der CASAG-Anteile der Novomatic an die Sazka Gruppe bekannt gegeben wurde. Der Vorgang ist somit abgeschlossen.

Vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind auch Vorbereitungs- sowie Verdunkelungshandlungen. Die Festlegung einer fortlaufenden Beweisvorlagepflicht im grundsätzlichen Beweisbeschluss wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen.

Zu lita:

Diese Formulierung schafft die Grundlage für die Aufklärung zu den Beweisthemen 1 und 2.

Die Vollziehung der genannten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes umfasst insbesondere die Wahrnehmung der Aufsicht durch den Bundesminister für Finanzen in Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen, die Beteiligungsverhältnisse und die fachlichen Anforderungen an Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sowie die abgabenrechtlichen Bestimmungen. Es sind in der Aufzählung all jene Bestimmungen genannt, die in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Ermittlungen der WKStA genannt sind. Nicht umfasst ist unter anderem die Vollziehung der Strafbestimmungen, da bezirksverwaltungsbehördliche Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz von vornherein dem Austauschverhältnis unzugänglich sind, das dem Untersuchungsgegenstand zu Grunde liegt. Die (versuchte) Beeinflussung des Bundesministers für Finanzen wäre wiederum über den Verweis auf § 19 leg.cit. sehr wohl erfasst.

Zu litb:

Mit politischer Einflussnahme auf die CASAG sowie die in wirtschaftlicher Beziehung zu ihr stehenden Unternehmen ist in einem weiteren Sinne die Verwaltung des Glücksspielsektors zu verstehen, einschließlich der Kommunikation von Organen des Bundes mit am Glücksspielsektor Interessierten und umgekehrt sowie das Beteiligungsmanagement des Bundes in diesem Bereich.

Unter direkte oder indirekte EigentümerInnen sind sowohl natürliche als auch juristische Personen zu verstehen, die im Untersuchungszeitraum entweder direkt Anteile an der CASAG hielten oder dies über zwischengeschaltete Personen – selbst wenn über mehrere Ebenen - taten (Mutter-Tochter- und Schachtel-Konstruktionen). Also auch jene Personen, die EigentümerInnen der EigentümerInnen usw waren. Tochterunternehmen sind jene der CASAG, also insbesondere die Casinos Austria International und die Österreichischen Lotterien, aber auch die Medial Beteiligungs-Gesellschaft m.b.H. ('MEDIAL'). OrganwalterInnen sind alle Vorstände, Aufsichtsräte, GeschäftsführerInnen, usw, je nach Rechtsform, über die Dauer des Untersuchungszeitraumes. Die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Untersuchungszeitraumes genügt.

Zu litc:

Diese Formulierung dient als Grundlage für die Aufklärung über den Vorwurf des Gesetzeskaufs. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens zählt insbesondere die ressortinterne legistische Vorbereitung von der entsprechenden Kommunikation zwischen BundesministerIn, dem Kabinett bzw Generalsekretär und der zuständigen Abteilung bis hin zum Ministerialentwurf, die Kommunikation innerhalb der Bundesregierung und zwischen unterschiedlichen Ressorts sowie mit Dritten zum jeweiligen Gesetzesvorhaben, die Einholung von externer Expertise und die weitere Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens.

Es sind nur jene Gesetzgebungsverfahren erfasst, die unter die angegebenen Kompetenztatbestände fallen. Es handelt sich um jene Gesetzgebungskompetenzen, bei denen auf Grund der bisherigen Berichterstattung bzw auf Grund der mit dem jeweiligen Regelungsbereich zwangsläufig verbundenen wirtschaftlichen Interessen das Bestehen des im Untersuchungsgegenstand beschriebenen Austauschverhältnisses denkmöglich ist. Ausgenommen sind demgegenüber alle sicherheitspolitischen Gesetzgebungskompetenzen, das Bildungswesen, das Dienstrecht sowie auswärtige Angelegenheiten.

Von den 117 Regierungsvorlagen der XXVI.GP sind daher geschätzt 60% vom Untersuchungsgegenstand umfasst. Sehr wohl umfasst sind ReferentInnen- und Ministerialentwürfe, selbst wenn diese schlussendlich niemals der Bundesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt wurden.

Zu litd:

Die genannten Bestimmungen der BAO bzw des FinStrG regeln die Meldung von Schenkungen ab gewissen Wertgrenzen an das zuständige Finanzamt bzw die Sanktionen bei Verstößen gegen diese Meldepflicht. Schenkungen an Personen in oder im Umfeld von politischen Parteien bilden eine mögliche Umgehung der gesetzlichen Spendenverbote bzw vorgeschriebenen Transparenzbestimmungen. Auf Grund der Verdachtsmomente in Hinblick auf in Angelegenheiten des Glücksspiels involvierte Personen soll die Vollziehung der Schenkungsmeldungen für diesen beschränkten Personenkreis Teil der Untersuchung sein.

Zu lite:

Ab ihrer Angelobung bereitete die türkis-blaue Bundesregierung eine Reform der Finanzaufsicht vor. Dabei sollte es zu Kompetenzverschiebungen zwischen der Finanzmarktaufsicht, dem BMF und der Oesterreichischen Nationalbank kommen. Außerdem wurden die Organe der Oesterreichischen Nationalbank und der FMA neu bestellt. Der medialen Berichterstattung war in diesem Zeitraum zu entnehmen, dass zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen getroffen wurden, die jenen bei der Casinos Austria AG stark ähneln. Daher wird dieser Bereich ausdrücklich in den Untersuchungsgegenstand einbezogen und als Beweisthema 4 geführt. Umfasst sind alle Vorarbeiten, Verfahren und Entscheidungen für die Reform der Finanzaufsicht sowie für die Bestellung der Organe.

Zu litf:

Der Bund ist neben der Casinos Austria AG an einer Vielzahl von Unternehmungen direkt oder indirekt beteiligt. Mehrere Personalentscheidungen der türkis-blauen Bundesregierung erweckten den Eindruck, dass diese als Gegenleistung für die Begünstigung politischer Parteien erfolgten. Die Formulierung beschränkt sich absichtlich nicht auf die tatsächliche Ausübung der Eigentümerrechte, sondern umfasst auch informelles Vorgehen von Organen des Bundes, insbesondere dort, wo keine direkte Beteiligung des Bundes besteht. Die Einflussnahme von Organen des Bundes auf die ÖBAG ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Von der Formulierung nicht erfasst sind Anstalten, Stiftungen und Fonds des Bundes.

Zu litg:

Ziel der Untersuchungen zu diesem Beweisthema ist es, festzustellen, ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden in solchen Verfahren von politischer Seite beeinflusst wurden, um etwa die politische Absprache der ungebührlichen Begünstigung zu verdunkeln.

Diese Formulierung umfasst zwei Fälle: einerseits all jene straf- und disziplinar-rechtlichen Ermittlungen, einschließlich verwaltungsstrafrechtlicher Ermittlungen, die egal aus welchem Grund (von Amts wegen, auf Grund von Anzeigen oder Privatanklagen) in Folge des Ibiza-Videos geführt werden, unabhängig davon, ob diese bereits eingestellt oder auf andere Art erledigt wurden oder nicht. Exemplarisch zu nennen sind die Verfahren gegen Hartwig Löger, Heinz-Christian Strache, Markus Tschank, Johann Gudenus sowie die 'Drahtzieher' des Ibiza-Videos. Andererseits sind Fälle von Ermittlungen umfasst, die gegen die Casinos Austria und deren direkte oder indirekte EigentümerInnen (insbesondere Medial, ÖBAG, Novomatic) sowie OrganwalterInnen geführt werden. Entscheidender Zeitrahmen für die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn ist jeder beliebige Zeitpunkt innerhalb des Untersuchungszeitraums. Somit sind auch die EigentümerInnen der EigentümerInnen sowie die OrganwalterInnen der Eigentümergesellschaften und so weiter sowie Personen umfasst, die zwar am EigentümerIn oder OrganwalterIn waren, jedoch nicht mehr am . Nur durch die Kenntnis dieser Verfahren kann die Aufklärung darüber gelingen, ob es politische Einflussnahmeversuche gab."

1.2. In dem vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am gefassten und der Bundesministerin für Justiz am zugestellten grundsätzlichen Beweisbeschluss werden ua die Mitglieder der Bundesregierung (und damit auch die Bundesministerin für Justiz) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des (damals eingeschränkten) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet genannt.

1.3. Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am einen ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, der der Bundesministerin für Justiz am zugestellt wurde und sie (wiederum als Mitglied der Bundesregierung) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umgang des (nunmehr dem Einsetzungsverlangen uneingeschränkt entsprechendem) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet nennt.

1.4. Die Bundesministerin für Justiz hat dem Ibiza-Untersuchungsausschuss auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und auf Grund des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses wiederholt Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand vorgelegt. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelte am das Audio- bzw Videomaterial des "Ibiza-Videos" samt Auswertungsberichten (Transkription) mit Abdeckungen (Schwärzungen) an den Ibiza-Untersuchungsausschuss und nicht in der unabgedeckten (ungeschwärzten) Fassung, in der es die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) und die Staatsanwaltschaft Wien am erhalten hatten.

1.5. Mit (einstimmig gefasstem) Beschluss vom hat der Ibiza-Untersuchungsausschuss die Bundesministerin für Justiz (näher begründet) aufgefordert,

"binnen zwei Wochen ihrer Verpflichtung zur Vorlage des gesamten Audio- bzw Videomaterials in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre sowie der entsprechenden vollständigen Transkripte nachzukommen."

1.6. Mit Schreiben vom informierte die Bundesministerin für Justiz den Präsidenten des Nationalrates unter Hinweis auf ihre Schreiben vom und darüber, dass diesem Verlangen nicht nachgekommen werden könne, soweit es über die bereits vorgelegten Aktenbestandteile hinausgehendes Ton- und Bildmaterial betreffe.

1.7. Im erwähnten Schreiben vom führt die Bundesministerin für Justiz zum Thema "Ibiza-Video" aus, dass die Sichtung und Auswertung dieses Videos noch nicht vollständig abgeschlossen werden habe können, jedoch an einer umgehenden Vorlage der relevanten Teile gearbeitet werde. In diesem Zusammenhang weise sie darauf hin, dass sich die Vorlage von Bestandteilen der Auswertung sichergestellter Datenträger im Allgemeinen und des "Ibiza-Videos" im Besonderen an folgenden Grundsätzen zu orientieren habe:

1.7.1. Vorrang der StPO vor § 24 Abs 1 VO-UA:

Bei der Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss seien sowohl die Normen der StPO als auch die prinzipiell gleichrangige Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA), insbesondere deren § 24 Abs 1, von Bedeutung. Da von beiden Regelungen jeweils unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe für die Sichtung von sichergestelltem Material aufgestellt würden – einerseits die strikte Rückgabe- bzw Vernichtungsverpflichtung, andererseits die Verpflichtung zur Vorlage auch jenes Materials, das auch nur abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand habe –, stelle sich die Frage, welcher Regelung der Vorrang zu geben sei.

Bei der Sicherstellung handle es sich zweifellos um einen Eingriff in verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrechte auf Achtung des Eigentums, fallbezogen uU auch des Privatlebens. Demgemäß seien die in der StPO normierten Eingriffsvoraussetzungen strikt zu beachten. Wenn nach diesem Gesetz diese Voraussetzungen wegfielen, entfalle die (einzige) Rechtsgrundlage, auf deren Basis die Kriminalpolizei bzw die Staatsanwaltschaft im Besitz solchen Materials sein dürfe. Da bei einem Verstoß gegen diese Bestimmungen auch verfassungsrechtliche Normen verletzt werden könnten, sei der Ausrichtung des Handelns der Staatsanwaltschaft an der StPO der Vorzug zu geben.

1.7.2. "Sicherstellung" von Daten:

Die Bestimmungen des 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks der StPO sollten den Strafverfolgungsbehörden (auch) den Zugriff auf (immaterielle elektronische) Daten ermöglichen, wenn es auch für deren Existenz ihrer materiellen Verkörperung bedürfe. Objekt der eigentlichen "Sicherstellung" (als Gegenstand iSd § 109 Z 1 lita StPO) sei ein – auszufolgender oder herzustellender – "Datenträger", der die verfahrensrelevanten Informationen enthalte.

Die Befugnis zur Sicherstellung eines Datenträgers decke grundsätzlich auch den Zugriff auf die darauf gespeicherten sowie vom sichergestellten Datenträger aus zugänglichen Daten aus (bereits abgeschlossener) elektronischer Kommunikation. Sichergestellt und in weiterer Folge ausgewertet werden könne nur der sie enthaltende Datenträger (zB auch ein Mobiltelefon), wobei wiederum nur die ausgedruckten bzw visualisierten Daten Gegenstand der Sicherstellung seien.

1.7.3. Zulässigkeit der Sicherstellung:

§110 Abs 1 StPO normiere die Grenzen der Zulässigkeit der Sicherstellung. Eine Sicherstellung sei demnach nur zulässig, wenn sie aus Beweisgründen, zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche oder zur Sicherung von vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich erscheine.

Dabei dürfe nur soweit in Rechte von Personen eingegriffen werden, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich sei (§5 Abs 1 StPO).

Würden entgegen § 110 Abs 1 StPO Daten sichergestellt (= verschriftlicht und zum Akt genommen), die für das Ermittlungsverfahren nicht relevant seien, sei der in § 5 Abs 1 StPO festgeschriebene Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit verletzt.

1.7.4. Vorgehen bei Wegfall des Verwahrungsgrundes:

Falle der Grund für die weitere Verwahrung sichergestellter Gegenstände bzw "visualisierter Daten" weg, seien diese grundsätzlich rückauszufolgen (§114 Abs 2 StPO).

Bei einem Mobiltelefon würden nach Sicherung der Inhalte und unter der Annahme, dass das Gerät in einer allfälligen Hauptverhandlung nicht in Augenschein zu nehmen wäre, wohl in aller Regel die Voraussetzungen des § 110 Abs 4 StPO vorliegen, sodass das Telefon auszufolgen sein werde.

Seien alle darauf gespeicherten Informationen (zB sämtliche Chatverläufe) verschriftlicht, in der Folge aber nur einzelne, nämlich die für das Ermittlungsverfahren relevanten Inhalte zum Akt genommen worden, wären überdies auch die für das Verfahren nicht relevanten verschriftlichten Daten auszufolgen. Seien hingegen von vornherein nur die für das Ermittlungsverfahren relevanten Daten verschriftlicht und zum Akt genommen worden, wären allfällige sonstige im Zuge der Sicherstellung erlangte, jedoch nicht visualisierte Daten mangels Möglichkeit der Ausfolgung (eine Verpflichtung, sie "körperlich" zu machen, sehe das Gesetz nicht vor) zu vernichten.

In beiden Fällen sollten demnach Daten, die sich (mangels Relevanz für das Ermittlungsverfahren) nicht im Akt befinden dürften, infolge Unzulässigkeit der weiteren Verwahrung den Ermittlungsbehörden nicht mehr vorliegen und folglich auch deren Ausfolgung an Dritte, insbesondere auch deren Vorlage an einen Untersuchungsausschuss, gesetzeskonform nicht möglich sein.

1.7.5. Rechtslage nach der VO-UA:

Selbst wenn man von einem Vorrang der VO-UA ausginge, würde sich die Rechtslage im Ergebnis nicht anders darstellen. Die Auswertung sichergestellter Datenträger unter dem Aspekt der abstrakten Relevanz der darauf gespeicherten Daten für den Untersuchungsgegenstand würde eine Beweiserhebung iSd Art 53 Abs 3 B-VG bzw § 24 Abs 1 VO-UA darstellen. Da durch eine solche Beweiserhebung in die Grundrechte der Betroffenen auf Eigentum und Datenschutz eingegriffen werden würde, bedürfte eine solche Beweiserhebung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage in der VO-UA, die nicht ersichtlich sei.

1.8. Im erwähnten Schreiben vom informiert die Bundesministerin für Justiz zu der in der 18. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am wirksam gewordenen, an die WKStA im Wege der Bundesministerin für Justiz gerichteten ergänzenden Beweisanforderung darüber, dass die Erfüllung des Verlangens, der WKStA gemäß § 25 Abs 2 VO-UA den Auftrag zu erteilen, die im Verlangen näher bezeichneten Auswertungen durchzuführen und die Ergebnisse binnen drei Wochen vorzulegen, aus folgenden Gründen nicht in Betracht gezogen werden könne:

Einerseits stünden diesem Verlangen schon Gründe faktischer Natur entgegen. Dem Bericht der WKStA zufolge sei die Datenauswertung in den bei ihr geführten "Ibiza-Verfahren" noch im Gange, weshalb eine abschließende Relevanzbeurteilung der in den ergänzenden Beweismittelanforderungen angeführten Beweisquellen sowie der in den Daten enthaltenen konkreten Informationen derzeit nicht möglich sei.

Die bisher bekannten und als für das Ermittlungsverfahren relevant beurteilten Teilmengen aus den Datenauswertungen seien zum Ermittlungsakt genommen worden und würden im Zuge der regelmäßigen Aktenlieferungen ohnehin laufend dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden.

Da die Datenauswertung allerdings noch nicht abgeschlossen sei, würden fortlaufend ergänzende Datenauswertungen vorgenommen. Deren Inhalt, Prüfumfang und die dazu einbezogenen Beweismittel würden sich aber oftmals erst aus rezenten Ermittlungsergebnissen sowie auf Grundlage von daraus resultierenden Ermittlungsansätzen ergeben. Überdies würden sich etliche sichergestellte elektronische Beweismittel in verschlüsseltem Zustand befinden, sodass deren Inhalt noch gar nicht bekannt sei.

Die Auswertungen im gewünschten Umfang seien daher schon aus diesen angeführten Gründen nicht möglich.

Andererseits sehe sich die Bundesministerin für Justiz aus den folgenden rechtlichen Erwägungen nicht in der Lage, dem Begehren des Untersuchungsausschusses zu entsprechen:

Sie verweise zunächst auf ihr Schreiben vom , in dem sie ihre Rechtsansicht zur Frage, welche Kriterien die Strafverfolgungsbehörden bei der Sichtung sichergestellten Materials zu beachten hätten, dargestellt habe.

In diesem Sinne halte sie zu dem in der Begründung des Verlangens angeführten Hinweis, dass alle Akten und Unterlagen für die Erhebungen heranzuziehen seien, die für die Untersuchung zumindest abstrakt relevant sein könnten, erneut fest, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht die abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand zum Maßstab ihrer Entscheidung, welche Daten sie auswerten und verarbeiten dürften, zu machen hätten, sondern ausschließlich die Relevanz für den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens.

In diesem Zusammenhang weise sie auch auf die jüngst ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 11 Os 56/20z, hin, in der er ua Folgendes ausgesprochen habe:

Für den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens erhebliche Tatsachen – selbst wenn sie rechtswidrig ermittelt worden seien – seien aktenmäßig festzuhalten, sofern das Gesetz nicht eine auf diese Rechtswidrigkeit bezogene besondere Anordnung zur Vernichtung (§89 Abs 4, § 123 Abs 3, § 124 Abs 4, § 139 Abs 4, § 142 Abs 5, § 143 Abs 1 und § 159 Abs 3 StPO) oder zur getrennten Aufbewahrung oder Ausfolgung (§112 Abs 1 und 2 StPO) treffe. Informationen, deren Erheblichkeit für das angesprochene Thema auch als Kontrollbeweis nicht erkennbar sei, seien vom Verfahrensgegenstand nicht umfasst. Sie dürften weder ermittelt noch zu den Akten genommen oder dort belassen werden, was schon die ausdrücklichen Vernichtungsanordnungen zeigen würden. Ebensowenig dürften Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht im Rahmen ihrer Aufgaben nicht erforderliche personenbezogene Daten verarbeiten (§74 Abs 1 erster Satz StPO).

Der Inhalt der Ermittlungsakten sei somit nicht faktisch, sondern rechtlich determiniert.

Im Hinblick auf die Auslegung der VO-UA verweise die Bundesministerin für Justiz zunächst auf den diesbezüglichen Punkt ihres Schreibens vom . Ergänzend halte sie fest, dass die dem Untersuchungsausschuss zustehenden Methoden der Beweisaufnahme in § 22 Abs 1 VO-UA abschließend aufgezählt seien. Eine gesetzliche Grundlage für Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen etc. sehe die VO-UA nicht vor. Eine Umgehung dieser Bestimmungen, insbesondere durch entsprechende Erhebungsersuchen gemäß Art 53 Abs 3 B-VG, sei auf Grund des Gesetzesvorbehalts in Art 53 Abs 5 B-VG ausgeschlossen. Auf eine solche unzulässige Umgehung würde aber die Durchführung des damaligen Verlangens hinauslaufen, indem nämlich die WKStA zur Auswertung von durch derartige Zwangsmaßnahmen erlangten Datenmaterials für außerhalb der StPO gelegene Zwecke verhalten werden solle.

Schließlich wolle die Bundesministerin für Justiz anmerken, dass sie – folge man hier der Rechtsansicht des Untersuchungsausschusses – durch das damalige Verlangen dazu verpflichtet wäre, die Staatsanwälte der WKStA – mithin Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Art90a B-VG) – zur Durchführung von ausschließlich auf die politische Verantwortung abzielenden Ermittlungen anzuweisen, was die WKStA im Endeffekt zu einem Hilfsorgan des Untersuchungsausschusses machen würde. Dieses Ergebnis stünde wohl im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Grundprinzip der Gewaltentrennung und würde alle Bestrebungen, politische Einflussnahmen auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu vermeiden, konterkarieren.

2. Die Einschreiter begründen ihren auf Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG gestützten Antrag wie folgt:

2.1. Der Begriff der Meinungsverschiedenheit werde für Verfahren nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG nicht definiert. Das Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers, das Art 53 Abs 3 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG zugrunde liege und das in § 27 VO-UA sowie in § 56f VfGG näher ausgestaltet werde, lasse jedoch deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof angerufen werden könne, um die Klärung einer konkreten Meinungsverschiedenheit, im vorliegenden Fall der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, herbeizuführen.

Einem solchen Antrag habe zwingend die an das Organ gerichtete (schriftlich begründete) Aufforderung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder voranzugehen, innerhalb einer (Nach-)Frist von zwei Wochen der Verpflichtung zur unverzüglichen Entsprechung von Beweisbeschlüssen nachzukommen, wenn das Organ dieser (im Beschluss näher zu umschreibenden) Verpflichtung nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder bis dahin nicht oder ungenügend nachgekommen sei.

Diese schriftlich begründete Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA sei am vom Untersuchungsausschuss einstimmig beschlossen und der Bundesministerin für Justiz am zugestellt worden. Die (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA sei am abgelaufen.

Der Beschluss gemäß § 27 Abs 4 VO-UA stelle den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG dar. Ein Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs an den Verfassungsgerichtshof konkretisiere schließlich das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand des Verfassungsgerichtshofes. Das Thema seiner Entscheidung sei jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (vgl VfSlg 20.304/2018 mwN).

Der angeführte Beschluss des Ibiza-Untersuchungsausschusses gemäß § 27 Abs 4 VO-UA vom enthalte die Aufforderung an die Bundesministerin für Justiz, binnen zwei Wochen ihrer Verpflichtung zur Vorlage des gesamten Audio- bzw Videomaterials in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre sowie der entsprechenden vollständigen Transkripte nachzukommen.

Die Bundesministerin für Justiz habe diese Vorlage mit Schreiben vom abgelehnt und auf die in ihren Schreiben vom und ausgeführten, rechtlichen Gründe verwiesen.

Die antragstellenden Abgeordneten seien Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses und würden gemeinsam mehr als ein Viertel seiner 13 Mitglieder verkörpern. Der Antrag werde am und somit nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA gestellt. Die zweiwöchige Frist des § 56f Abs 1 VfGG sei zum genannten Tag noch nicht abgelaufen.

Die Einhaltung der Bestimmung des § 106 GOG-NR bilde keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (vgl UA 1/2020 mwN; vgl auch VfSlg 16.752/2002 zu einem Verfahren nach [nunmehr] Art 140 Abs 1 Z 2 B-VG).

2.2. In der Sache begründen die Einschreiter ihren Antrag folgendermaßen:

2.2.1. In Ihrer Verweigerung der Aktenvorlage verweise die Bundesministerin für Justiz pauschal auf "rechtliche Gründe", die der Aktenvorlage entgegenstünden. Auch wenn Sie gleichzeitig auf zwei weitere vorangehende Schreiben verweise, könne dies nicht genügen, um der vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vertretenen Behauptungs- und Begründungspflicht nachzukommen (vgl VfSlg 19.973/2015; ; VfSlg 20.304/2018).

Dem vorlagepflichtigen Organ stehe es jedenfalls nicht zu, die Informationsbeschaffung des Nationalrates (etwa durch tatsächliche Verweigerung oder bewusst einschränkende Interpretation des Untersuchungsgegenstandes) zu behindern, von Bedingungen abhängig zu machen oder die bloße, nicht näher begründete (pauschale) Behauptung des Nichtbestehens einer Vorlagepflicht entgegenzuhalten (vgl auch VfSlg 19.910/2014 zu einem Verfahren nach Art 126a B-VG). Ansonsten würde das verfassungsgesetzlich eingeräumte Recht des Nationalrates, umfassend Informationen zu erlangen, ins Leere laufen.

Im Erkenntnis VfSlg 20.304/2018 habe der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die Behauptung des Vorliegens der Ausnahme gemäß Art 53 Abs 4 B-VG Folgendes ausgeführt:

"Neben der Behauptungspflicht trifft das vorlagepflichtige Organ auch eine auf die einzelnen – von der sonst bestehenden Vorlagepflicht des Art 53 Abs 3 B-VG erfassten – Akten und Unterlagen bezogene Begründungspflicht für das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des Art 53 Abs 4 B-VG, um zunächst dem Untersuchungsausschuss eine Überprüfung und allfällige Bestreitung der Argumentation zu ermöglichen und diese einer etwaigen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterziehen zu können. In dieser Begründung werden im Regelfall neben dem Informationsinteresse des Nationalrates die Frage der Aktualität oder Abgeschlossenheit der Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder und die (nachvollziehbare) Schutzbedürftigkeit der betroffenen Informationen abzuwägen sein.

[...] Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 56f Abs 3 VfGG, über eine Meinungsverschiedenheit ua zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates und einem informationspflichtigen Organ über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen nach vollständiger Einbringung des Antrages) zu entscheiden, sowie der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl § 53 VO-UA) hat das vorlagepflichtige Organ seiner beschriebenen Behauptungs- und Begründungspflicht für das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des Art 53 Abs 4 B-VG bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber nachzukommen, um die Zulässigkeit der Aktenvorenthaltung für den Untersuchungsausschuss überprüfbar zu machen."

Der einzige Hinweis auf die Gründe der Schwärzungen (Abdeckungen) finde sich in einem von der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgelegten Aktenstück vom (ON 745 in dem zur Zahl 17 St 5/19d protokollierten Verfahren der WKStA), in dem die WKStA die SOKO Tape um Erhebungen ersuche und ausführe, dass "nachfolgend angeführte Passagen geeignet [sind], Persönlichkeitsrechte zu verletzen oder allfällige Ermittlungen zu gefährden und überdies für das gegenständliche Verfahren nicht von Relevanz" seien.

Die Bundesministerin für Justiz habe diese Gründe gegenüber dem Untersuchungsausschuss nicht konkret vorgebracht. Sie habe insbesondere zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Schwärzungen (Abdeckungen) von Ausnahmebestimmungen des Art 53 B-VG erfasst seien. Die Bundesministerin für Justiz habe ebensowenig behauptet, die geschwärzten (abgedeckten) Passagen seien nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst oder die geschwärzten (abgedeckten) Passagen stünden selbst ihr nicht zur Verfügung. Sie habe diese Behauptungen entsprechend auch nicht im Einzelfall begründet. Sie habe im Hinblick auf diese Abdeckungen auch kein Konsultationsverfahren gemäß § 58 VO-UA eingeleitet.

Zusammenfassend habe die Bundesministerin für Justiz ihre Behauptungs- und Begründungspflicht gegenüber dem Untersuchungsausschuss verletzt. Allein deswegen bestehe bereits die Verpflichtung der Bundesministerin für Justiz, dem Untersuchungsausschuss die in Rede stehenden Akten und Unterlagen ungeschwärzt (unabgedeckt) vorzulegen.

2.2.2. Die rechtlichen Ausführungen der Bundesministerin für Justiz in den verwiesenen Schreiben – sofern sie sich überhaupt auf die Vorlage der in Rede stehenden Akten und Unterlagen beziehen würden – träfen nicht zu:

2.2.2.1. Zur Frage möglicher einer Vorlage entgegenstehender Bestimmungen:

Die Bundesministerin für Justiz führe in ihrem Schreiben vom aus, dass der StPO Vorrang gegenüber den Bestimmungen der VO-UA zukomme und die Strafverfolgungsbehörden daher ihr Handeln einzig an dieser auszurichten hätten. Sie führe im Schreiben vom unter Verweis auf die Judikatur des OGH weiters aus, dass nur verfahrensrelevante Tatsachen von den Strafverfolgungsbehörden aktenmäßig festzuhalten seien und alle anderen Tatsachen weder ermittelt, noch veraktet, noch dort belassen werden dürften.

Bei der Verpflichtung gemäß Art 53 Abs 3 B-VG, die durch die VO-UA konkretisiert werde, handle es sich jedoch um eine davon zu unterscheidende rechtliche Verpflichtung.

Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 Folgendes ausgeführt:

"Dem Nationalrat werden in Art 53 B-VG (Abschnitt 'E. Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes' des zweiten Hauptstückes des B-VG ['Gesetzgebung des Bundes']) besondere Möglichkeiten eingeräumt, durch die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses Informationen zu erlangen, die zur Wahrnehmung der der gesetzgebenden Körperschaft von der Verfassung übertragenen Kontroll- und Gesetzgebungsfunktion notwendig sind. Ziel des Untersuchungsausschusses ist die Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken (AB 439 BlgNR 25. GP, 2). Die Aufgabe, die die Bundesverfassung dem Nationalrat damit überträgt, begrenzt die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Mit seiner Einsetzung wird auch der Untersuchungsgegenstand festgelegt.

[...] Ohne Kenntnis aller Akten und Unterlagen 'im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung' (Art53 Abs 3 B-VG) ist die Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss verfassungsgesetzlich übertragenen Kontrollauftrages nicht möglich (vgl im Zusammenhang mit dem Prüfauftrag des Rechnungshofes schon VfSlg 4106/1961). Die einzigen Ausnahmen von der Vorlageverpflichtung normieren Art 53 Abs 3 letzter Satz und Abs 4 B-VG selbst: Die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 B-VG gefährden würde, ist nicht von der Verpflichtung nach Abs 3 erfasst; Abs 4 sieht überdies vor, dass die Verpflichtung gemäß Abs 3 nicht besteht, 'soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird'.

[...] In diesem durch die Aufgaben des Untersuchungsausschusses begrenzten Umfang des Untersuchungsgegenstandes stehen der Übermittlung der vom Untersuchungsausschuss angeforderten Akten und Unterlagen somit weder die Bestimmung des § 1 DSG 2000 noch jene des Art 8 EMRK (sowie des Art 8 GRC) entgegen. Das gleiche muss umso mehr für die – verfassungskonform zu interpretierenden – einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 38 Abs 1 bis 4 BWG und des § 48a BAO gelten (hätten sie einen anderen Inhalt, wären sie wegen Verstoßes gegen Art 53 B-VG verfassungswidrig; vgl VfSlg 15.130/1998 zu einem Verfahren nach Art 144 B-VG).

[...] Das informationspflichtige Organ hat daher ohne Rücksicht auf sonst bestehende Verschwiegenheitspflichten die angeforderten Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes ungeschwärzt (unabgedeckt) vorzulegen (vgl VfSlg 17.065/2003 und 19.834/2013 zu Verfahren nach Art 126a B-VG). Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sind besonders schutzwürdige Informationen jedoch nach den Bestimmungen des InfOG zu klassifizieren, das auf der Grundlage von Art 30a B-VG erlassen und gleichzeitig mit der Reform der Grundlagen und des Verfahrens von Untersuchungsausschüssen geschaffen wurde.

[...] Aus der umfassenden Vorlageverpflichtung des informationspflichtigen Organs folgt aber nicht die Befugnis des Untersuchungsausschusses oder seiner Mitglieder, die aus den vorgelegten Akten oder Unterlagen gewonnenen Informationen in jedem Fall an die Öffentlichkeit zu bringen, auch nicht im schriftlichen Bericht gemäß § 51 VO-UA (bzw in der mündlichen Berichterstattung gemäß § 52 leg.cit.); der Untersuchungsausschuss hat vielmehr bei seiner Berichterstattung regelmäßig eine Interessenabwägung zwischen privaten Geheimhaltungsinteressen (vgl in diesem Zusammenhang insbesondere § 1 DSG 2000, aber auch Art 8 EMRK [sowie Art 8 GRC]) und öffentlichen Interessen, zu denen unter anderem auch die Bekanntgabe der Kontrollergebnisse zählt, vorzunehmen (vgl zuletzt [VfSlg 19.910/2014] mwN zu einem Verfahren nach Art 126a B-VG). Diese Interessenabwägung hat der Untersuchungsausschuss bei seiner gesamten Tätigkeit zu beachten (vgl insbesondere die Regelungen der VO-UA zu medienöffentlichen und vertraulichen Sitzungen [§17], zu den Beratungen des Untersuchungsausschusses [§18], zu Veröffentlichungen [§20] und zur Informationssicherheit [§21 iVm dem InfOG; vgl auch Art 57 B-VG iVm der gerichtlichen Strafbestimmung des § 18 InfOG]) und erstreckt sich auch auf die Behandlung von Informationen im Bereich des Nationalrates (vgl insbesondere die Bestimmungen des InfOG)."

Die auf den Bestimmungen der StPO beruhende Argumentation der Bundesministerin für Justiz stelle keinen Grund dar, der gegen eine Vorlage von Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss vorgebracht werden könne. Erstens seien die Ausnahmen von der Vorlagepflicht in Art 53 B-VG abschließend geregelt; deren konkretes Vorliegen sei nicht behauptet worden. Zweitens würden sich die genannten Bestimmungen der StPO sowohl hinsichtlich des Regelungszwecks als auch hinsichtlich der systematischen Einordnung wesentlich von der Verpflichtung des Art 53 Abs 3 B-VG zur Vorlage von Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss unterscheiden. Würde jenen Bestimmungen ein Inhalt beigemessen, der einer Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss entgegenstünde, wären sie auf Grund eines Verstoßes gegen Art 53 Abs 3 B-VG verfassungswidrig (vgl VfSlg 19.973/2015).

Die Bundesministerin für Justiz habe zudem zu keinem Zeitpunkt vorgebracht, dass die in Rede stehenden Akten und Unterlagen von den Ermittlungsbehörden rechtswidrig erlangt worden seien.

In diesem Zusammenhang dürfe auch auf die Stellungnahme des (damaligen) Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz samt Beilagen in dem zu UA2/2018 protokollierten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof verwiesen werden: Dieser habe darin überzeugend dargelegt, warum sogar die Vorlage von durch § 9 RAO geschützten bzw einem Verwertungsverbot unterliegenden Informationen – ua 100.000 E-Mails einer näher bezeichneten Rechtsanwaltskanzlei – durch das vorlagepflichtige Organ an den Untersuchungsausschuss rechtskonform erfolgt sei, obwohl diese keinen Gegenstand des damaligen WKStA-Verfahrens gebildet hätten. Es hätte nicht ausgeschlossen werden können, dass diese Daten für den Untersuchungsgegenstand von Relevanz seien. Außerdem sei die Aktenvorlage erforderlich, um aufzuklären, ob öffentlich Bedienstete diese Daten "zu anderen Zwecken oder über den Zeitraum des anhängigen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Linz hinaus aufbewahrt haben, als dies von der StPO gedeckt gewesen ist" (VfSlg 20.303/2018).

Abschließend hätte die von der Bundesministerin für Justiz vertretene Rechtsmeinung zur Folge, dass der dem Untersuchungsausschuss vom Verfassungsgesetzgeber übertragene Kontrollauftrag in diesem Bereich (insbesondere des "Zum-Akt-Nehmens") nicht erfüllt werden könnte.

2.2.2.2. Zur Frage des Umfanges der Vorlagepflicht:

Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis VfSlg 20.304/2018 Folgendes festgehalten:

"Art53 Abs 3 B-VG verpflichtet somit zum einen ua die Organe des Bundes, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen. Zur Feststellung des Umfangs der Vorlageverpflichtung ist aber auch die Interpretation des grundsätzlichen Beweisbeschlusses bzw ergänzender Beweisanforderungen erforderlich (vgl )."

Der Geschäftsordnungsausschuss habe im Hinblick auf die Definition von "Akten und Unterlagen" iSd Art 53 Abs 3 B-VG sowohl im grundsätzlichen Beweisbeschluss als auch im ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss klargestellt, dass von der Vorlageverpflichtung nicht nur Akten im formellen Sinn erfasst seien.

Im Wortlaut würde es in beiden Beweisbeschlüssen gleichlautend heißen:

"Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern auch sämtliche mit dem Untersuchungsgegenstand bzw den Beweisthemen in Zusammenhang stehende schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen. Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten."

Die maßgeblichen Beweisbeschlüsse ließen – unter offenkundig bewusster Auslassung der in früheren Beweisbeschlüssen vorgesehenen Notwendigkeit, dass Akten und Unterlagen "zur Verfügung stehend" oder "bei der vorlagepflichtigen Stelle vorhanden" sein müssten – zweifelsfrei erkennen, dass dem Untersuchungsausschuss eine vollständige Abbildung des Informationsstandes des vorlagepflichtigen Organs zum jeweils für die Aktenvorlage relevanten Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen sei.

Es würden ausdrücklich auch alle nicht formal zum Akt genommenen Akten und Unterlagen der Vorlagepflicht an den Untersuchungsausschuss unterliegen, sofern diese von zumindest abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sein könnten. Insofern habe der Geschäftsordnungsausschuss in den Beweisbeschlüssen den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 20.304/2018 entwickelten Maßstab ausdrücklich übernommen.

Die Beweisbeschlüsse würden außerdem die Verpflichtung vorsehen, dass Akten und Unterlagen fortlaufend an den Untersuchungsausschuss zu übermitteln seien, wobei diese Vorlage alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten zu erfolgen habe.

2.2.2.3. Zur Frage der Umgehung des Art 53 Abs 5 B-VG:

Die Bundesministerin für Justiz bringe in ihrem Schreiben vom vor, dass eine Übermittlung von Akten und Unterlagen, die mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen erhoben worden seien, eine unzulässige Umgehung des Gesetzesvorbehalts des Art 53 Abs 5 B-VG darstellen würde.

Zunächst vermöge die Ansicht der Bundesministerin für Justiz nicht zu erklären, inwiefern die Vorlage von Akten und Unterlagen zwar einerseits generell rechtswidrig sein solle, wenn diese mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen erlangt worden seien; andererseits könne eine Vorlage solcher Akten und Unterlagen jedoch sehr wohl dann rechtskonform sein, wenn diese formal zum Akt genommen worden seien. Schließlich habe die Bundesministerin für Justiz solche Akten und Unterlagen tatsächlich in großer Zahl bereits vorgelegt.

Zur vorliegenden Frage habe der Präsident des Nationalrates in seiner Äußerung in dem zu UA2/2018 (VfSlg 20.303/2018) protokollierten Verfahren zutreffend ausgeführt, dass als Beweismittel gemäß § 23 VO-UA alles verwendet werden könne, was geeignet sei, der Untersuchung im Rahmen des Untersuchungsgegenstands zu dienen. Ausgeschlossen seien lediglich Beweismittel, die durch eine strafbare Handlung oder durch die Umgehung sonstiger gesetzlicher Bestimmungen erlangt worden seien. Der Normzweck und die Erläuterungen zu dieser Bestimmung (AB 440 BIgNR 25. GP, 12 f.) würden darlegen, dass damit nur auf die Erlangung der Beweismittel durch den Untersuchungsausschuss abgestellt werde. Eine gemäß Art 53 Abs 3 B-VG iVm § 24 ff. VO-UA erfolgte Aktenvorlage durch ein vorlagepflichtiges Organ könne nicht als rechtswidrige Erlangung von Beweismitteln angesehen werden.

3. Die Bundesministerin für Justiz hat dem Verfassungsgerichtshof die Bezug habenden Akten und Unterlagen vorgelegt sowie eine Äußerung erstattet, in der sie die Abweisung des Antrages begehrt:

3.1. Zur Zulässigkeit des Antrages gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG:

Mit dem auf Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG gestützten Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) vom werde die Feststellung begehrt, "dass die Bundesministerin für Justiz verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss das Ton- und Bildmaterial des 'Ibiza-Videos' und die dazugehörigen Transkripte unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen".

Richtig sei, dass der Untersuchungsausschuss und die Bundesministerin für Justiz divergierende Auffassungen ("Meinungsverschiedenheit") hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage der im Bezug habenden Antrag angeführten abgedeckten Passagen in dem dem Untersuchungsausschuss am vorgelegten Audio- bzw Videomaterial samt Auswertungsberichten vertreten würden. Die Auffassung der Bundesministerin für Justiz betreffend die Auswertung, Veraktung und folglich Vorlage von Daten, die im Zuge von Zwangsmaßnahmen erlangt worden seien, sei dem Untersuchungsausschuss mehrfach mitgeteilt worden, zuletzt mit Schreiben vom unter Hinweis auf die nach wie vor gültigen Ausführungen in den vorangegangenen Schreiben vom und vom .

Gemäß § 56f Abs 1 VfGG sei ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 VO-UA zwei Wochen vergangen seien.

Wie die Antragsteller zutreffend ausführen würden, sei die Bundesministerin für Justiz mit am in der 21. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses beschlossenem Antrag gemäß § 27 Abs 4 VO-UA aufgefordert worden, "binnen zwei Wochen ihrer Verpflichtung zur Vorlage des gesamten Audio- bzw Videomaterials in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre sowie der entsprechenden vollständigen Transkripte nachzukommen".

Diese Aufforderung sei dem Bundesministerium für Justiz (richtig:) am zugestellt worden, die zweiwöchige "Nachfrist" habe also bereits am geendet. Der am eingebrachte Antrag sei somit binnen offener Frist des § 56f Abs 1 VfGG erfolgt.

Aus Sicht der Bundesministerin für Justiz sei der Antrag daher zulässig, er sei aber – wie im Folgenden im Detail darzustellen sein werde – nicht berechtigt.

3.2. Zur Berechtigung des Antrages gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG:

3.2.1. Grundsätzliches:

Da der vorliegende Antrag auf die Vorlage von Unterlagen abziele, die die Staatsanwaltschaften als Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Art90a B-VG) in Wahrnehmung ihrer Ermittlungsfunktion erlangt hätten, seien zunächst einige allgemeine Überlegungen zu den Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden und den für sie maßgeblichen gesetzlichen Kriterien bei der Beurteilung des erhobenen Beweismaterials voranzustellen.

Das Handeln der Staatsanwaltschaften im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit werde von den Bestimmungen der StPO determiniert.

Bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen dürfe die Staatsanwaltschaft (wie auch Kriminalpolizei und Gerichte) nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich sei. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung müsse in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen (§5 Abs 1 StPO).

Die Beurteilung, welche im Zuge von Ermittlungen erlangten Unterlagen für das Ermittlungsverfahren relevant und folglich zum Ermittlungsakt zu nehmen seien, sei von der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Ermittlungsfunktion unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Explizit sei auch die Verarbeitung von personenbezogenen Daten am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten (§74 Abs 2 StPO).

In diesem Sinne habe auch der Oberste Gerichtshof in einer jüngst ergangenen Entscheidung vom , 11 Os 56/20z, unter ausdrücklichem Verweis auf Ratz, Führung von Ermittlungsverfahren und Ermittlungsakt, ÖJZ 2020, 865 ff., ausgesprochen, dass nur für den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens erhebliche Tatsachen aktenmäßig festzuhalten seien, nicht aber auch Informationen, deren Erheblichkeit für das angesprochene Thema auch als Kontrollbeweis nicht erkennbar sei, weil diese vom Verfahrensgegenstand nicht umfasst seien. Solche Informationen dürften weder ermittelt noch zu den Akten genommen oder dort belassen werden, was schon die ausdrücklichen Vernichtungsanordnungen in der StPO zeigen würden. Ebensowenig dürften Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht im Rahmen ihrer Aufgaben nicht erforderliche personenbezogene Daten verarbeiten (§74 Abs 1 erster Satz StPO). Der Inhalt der Ermittlungsakten sei somit nicht faktisch, sondern rechtlich determiniert.

Daraus folge, dass keineswegs alles, was Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei bekannt werde, auch zum Akt genommen werden dürfe. Werde Unerhebliches zum Akt genommen, liege darin Fehlgebrauch der Befugnis zur Führung des Ermittlungsverfahrens (vgl Ratz, aaO, 868). Dies gelte nach dem Größenschluss umso mehr für den Fall, dass für das Ermittlungsverfahren unerhebliche und folglich nicht zum Akt zu nehmende Informationen an Dritte weitergegeben würden. Freilich sei in diesem Zusammenhang zu beachten, dass daraus nicht in jedem Fall die Verpflichtung zur sofortigen Rückstellung bzw Vernichtung eines Beweisgegenstandes unmittelbar nach der ersten Sichtung abgeleitet werden könne. In vielen Fällen könne die strafrechtliche Relevanz einzelner Informationen erst durch weitere Auswertungen anderer Beweismittel beurteilt werden, weil sie erst in der Zusammenschau mit diesen weiteren Ermittlungsergebnissen erkennbar werde.

Der entsprechend diesen Grundsätzen erstellte Ermittlungsakt der WKStA sei dem Untersuchungsausschuss – mit Ausnahme einiger weniger Aktenstücke, die Gegenstand eines Konsultationsverfahrens gemäß § 58 VO-UA seien – vollständig vorgelegt worden. Die Gründe für die erforderlichen Schwärzungen würden im Folgenden im Einzelnen dargelegt.

3.2.2. Zum Antragsvorbringen im Einzelnen:

Vor diesem Hintergrund werde zu den einzelnen Punkten des Antragsvorbringens wie folgt Stellung genommen:

3.2.2.1. Keine Verletzung der Begründungspflicht:

Zunächst sei anzumerken, dass der Sachverhalt in dem von den Antragstellern ins Treffen geführten Judikat (VfSlg 20.304/2018), aus dem die Einschreiter eine Behauptungs- und Begründungspflicht hinsichtlich der im vorliegenden Fall geschwärzten Passagen ableiten würden, nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar sei. Die zitierte Entscheidung betreffe nämlich einen Fall, in dem das Vorliegen der Ausnahme gemäß Art 53 Abs 4 B-VG behauptet werde. Auf eine solche Ausnahme sei die Schwärzung einzelner Passagen in einem Beweismittel im vorliegenden Fall aber nicht gestützt worden.

Die Schwärzung einzelner Textpassagen sei vielmehr aus – in den an den Untersuchungsausschuss gerichteten Schreiben der Bundesministerin für Justiz vom und vom , die im Übrigen ausdrücklich auch zum Inhalt dieser Äußerung erhoben würden, entgegen der Behauptung der Antragsteller nicht bloß "pauschal", sondern eingehend dargestellten – rechtlichen Gründen erfolgt. Der Vorwurf der Behinderung der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses durch eine unzureichend begründete Verweigerung der Vorlage von Akten sei daher als unzutreffend zurückzuweisen.

In den erwähnten Schreiben sei zwar hinsichtlich der einzelnen Textpassagen nicht explizit auf die Ausschlussgründe Bezug genommen worden, wohl aber sinngemäß durch den Hinweis, dass nur die für das Ermittlungsverfahren relevanten Teile zum Akt genommen werden dürften. Die Gründe, die einer Zur-Akt-Nahme entgegenstünden und folglich eine Schwärzung/Unhörbarmachung der betreffenden Passagen erforderlich machten, würden sich im Übrigen konkret aus dem dem Untersuchungsausschuss vorgelegten Aktenstück vom (ON 745 des zu 17 St 5/19d protokollierten Verfahrens der WKStA) ergeben, in dem unter Hinweis auf die einzelnen Passagen auf die mögliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Gefährdung von Ermittlungen, insbesondere aber auch auf die für das vorliegende Verfahren nicht bestehende Relevanz dieser Textpassagen hingewiesen worden sei.

Im Hinblick auf die dargestellten Gründe, insbesondere die fehlende Relevanz für das Ermittlungsverfahren, sei die ermittelnde Staatsanwaltschaft nicht berechtigt gewesen, die (letztlich geschwärzten bzw unhörbar gemachten) Textpassagen zum Akt zu nehmen. Folglich sei auch eine Vorlage dieser Textpassagen an den Untersuchungsausschuss nicht möglich bzw nicht zulässig gewesen.

Aus Sicht der Bundesministerin für Justiz sei die Nicht-Vorlage einzelner Passagen aus dem "Ibiza-Video" demnach hinreichend begründet worden. Ein Konsultationsverfahren nach § 58 VO-UA könne sich nur auf Aktenstücke beziehen, hinsichtlich der eine Vorlagepflicht bestehe, weshalb auch kein Raum für die Einleitung eines solchen Konsultationsverfahrens bestanden habe.

Selbst eine (ausdrücklich bestrittene) Verletzung einer "Behauptungs- und Begründungspflicht" hätte in der vorliegenden Fallkonstellation aber – entgegen der Ansicht der Antragsteller – nicht automatisch eine Vorlagepflicht an den Untersuchungsausschuss zur Folge, wäre doch sonst angesichts der bestehenden Meinungsverschiedenheit einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof solcherart die Grundlage entzogen.

3.2.2.2. Vorrang der StPO vor § 24 Abs 1 VO-UA:

Bei der Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss seien sowohl die Normen der verfassungsgesetzlich vorgeprägten StPO als auch die prinzipiell gleichrangige VO-UA, insbesondere deren § 24 Abs 1, von Bedeutung. Richtig sei, dass diese Regelungen jeweils unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe für die Sichtung von sichergestelltem Material beinhalten würden; einerseits die strikte Rückgabe- bzw Vernichtungsverpflichtung betreffend das für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht erhebliche Material, andererseits die Verpflichtung zur Vorlage auch jenes Materials, das auch nur abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand habe.

Wie im Schreiben vom dem Untersuchungsausschuss gegenüber dargestellt worden sei, handle es sich bei der Sicherstellung um einen Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf Achtung des Eigentums, fallbezogen auch des Privatlebens. Demgemäß seien die in der StPO normierten Eingriffsvoraussetzungen strikt zu beachten. Wenn die nach diesem Gesetz normierten Voraussetzungen für eine Sicherstellung wegfallen würden, entfalle die (einzige) Rechtsgrundlage, auf deren Basis die Kriminalpolizei bzw die Staatsanwaltschaft im Besitz solchen Materials sein dürfe. Da bei einem Verstoß gegen diese Bestimmungen auch verfassungsrechtliche Normen verletzt werden würden, sei nach Ansicht der Bundesministerin für Justiz der Ausrichtung des Handelns der Staatsanwaltschaft an der StPO der Vorzug zu geben.

Angesichts der sich aus der StPO ergebenden, verfassungsgesetzlich insbesondere durch § 1 DSG und Art 8 EMRK determinierten, klaren Verpflichtung zur Rückausfolgung bzw Vernichtung der Daten sei § 24 Abs 1 VO-UA für die Staatsanwaltschaften insoweit nicht anwendbar. Da im konkreten Fall Videoband und Transkript auf Grund der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes vom nunmehr dem Bundesministerium für Justiz vorliegen würden, könne aber dieses Material auch unter dem Aspekt der zitierten Bestimmung bzw des Art 53 Abs 3 B-VG auf seine abstrakte Relevanz geprüft werden.

Selbst wenn man von einem Vorrang der VO-UA ausginge, würde sich die Rechtslage im Ergebnis nicht anders darstellen. Die Auswertung sichergestellter Datenträger unter dem Aspekt der abstrakten Relevanz der darauf gespeicherten Daten für den Untersuchungsgegenstand würde eine Beweiserhebung iSd Art 53 Abs 3 B-VG bzw § 24 Abs 1 VO-UA darstellen. Da durch eine solche Beweiserhebung in die Grundrechte der Betroffenen auf Eigentum und Datenschutz eingegriffen werden würde, bedürfte eine solche Beweiserhebung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage in der VO-UA, die nicht ersichtlich sei.

3.2.2.3. Umfang der Vorlagepflicht:

Allgemein sei festzuhalten, dass sichergestellte Unterlagen erst dann vorgelegt werden könnten, wenn deren Sichtung abgeschlossen sei und die Staatsanwaltschaft eine Prüfung der Relevanz vornehmen habe können.

Im konkreten Fall sei die Relevanzprüfung der sichergestellten Audio- und Videodateien durch die Staatsanwaltschaft bereits abgeschlossen und das relevante Material dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgelegt worden. Zum Fehlen der abstrakten Relevanz der geschwärzten/unhörbar gemachten Passagen dürfe im Detail auf das unten angeführte Ergebnis der (infolge nunmehriger Vorlage erfolgten) Prüfung verwiesen werden.

3.2.2.4. Umgehung des Art 53 Abs 5 B-VG:

Wenn die Antragsteller ausführen würden, dass laut Schreiben der Bundesministerin für Justiz vom "eine Übermittlung von Akten und Unterlagen, die mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen erhoben wurden, eine unzulässige Umgehung des Gesetzesvorbehalts des Art 53 Ab[s]5 B-VG darstellen würde", so liege eine Fehlinterpretation des erwähnten Schreibens vor. Gemeint sei nicht, dass die Vorlage von durch Zwangsmaßnahmen erlangten Akten und Unterlagen generell rechtswidrig sei, sondern nur die Erhebung und Vorlage solcher Daten an einen Untersuchungsausschuss, die durch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen ausschließlich für Zwecke des Strafverfahrens erlangt worden seien, sich aber im Zuge der Datenauswertung nicht als strafrechtlich relevant erweisen würden und deshalb nicht zum Ermittlungsakt genommen werden dürften.

3.2.3. Zu den konkreten geschwärzten/unhörbar gemachten Passagen:

Vorauszuschicken sei, dass die von der WKStA im Transkript gebrauchte Zeilenzählung – die Bezeichnung der Seiten der Fundstellen sei jeweils identisch – von jener abweiche, die der Untersuchungsausschuss gewählt habe: Die WKStA zähle jede geschriebene Zeile gesondert, der Untersuchungsausschuss zähle unabhängig vom Umfang der jeweiligen Sequenz nur die einzelnen Wortmeldungen als "Zeile". Die gewählte Bezeichnung der Fundstellen orientiere sich an der vom Untersuchungsausschuss praktizierten Zählweise.

In ihrem an das Bundeskriminalamt, SOKO Tape, gerichteten Erhebungsersuchen vom (ON 745 des zu 17 St 5/19d protokollierten Aktes der WKStA) habe die WKStA die Schwärzungen unter Bedachtnahme auf die dargestellten Kriterien veranlasst, weil die Passagen geeignet seien, Persönlichkeitsrechte zu verletzen oder allfällige Ermittlungen zu gefährden. Diese Schwärzungen würden folgende vom Antrag des Untersuchungsausschusses umfassten Stellen betreffen: Seite 7, letzte Zeile; Seite 34, Zeilen 1 bis 10; Seite 50, Zeilen 36 bis 40; Seite 51, Zeilen 1 bis 16; Seite 65, Zeilen 22 und 23; Seite 81, Zeilen 2 bis 14; Seite 119, Zeilen 13 bis 32; Seite 120 vollständig; Seite 121, Zeilen 1 bis 3; Seite 148, Zeile 8; Seite 158, Zeilen 3 bis 6; Seite 160, Zeilen 6 bis 9; Seite 162, Zeile 5; Seite 165, Zeilen 4 bis 11.

In Ansehung der übrigen vom Untersuchungsausschuss angeführten Stellen – mit Ausnahme der im Folgenden genannten – habe die WKStA verfügt, in den verbleibenden Passagen die aufscheinenden Eigennamen mit Ausnahme der Namen Netanyahu, Gusenbauer, Faymann, Trump, Kurz, Kickl, Hofer, Putin, Orban, Kern und Berlusconi im Transkript zu schwärzen und in der Kopie der Videodateien unhörbar zu machen, weil es sich dabei nicht um Personen des öffentlichen Interesses handle.

In Bezug auf beide Gruppen von Schwärzungen habe die WKStA konstatiert, dass diese geschwärzten Passagen bzw Namen keine Relevanz im Ermittlungsverfahren hätten.

Über diese Verfügung hinausgehend würden sich bei folgenden vom Untersuchungsausschuss angeführten Stellen Schwärzungen von Eigennamen finden: Seiten 10, 14, 47, 60, 63, 74, 79, 80, 90, 128, 140, 149, 153, 172, 175, 187 und 188. Entgegen dieser Verfügung finde sich keine Schwärzung auf Seite 23.

Unter Beachtung dieser von der WKStA angelegten Maßstäbe (insbesondere der mangelnden Relevanz für das vorliegende Verfahren) und unter Hinweis auf die dargestellte Rechtsansicht führe die Bundesministerin für Justiz zu diesen Schwärzungen aus, dass in diesen Fällen eine auch nur abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand nach ihrer Ansicht entweder auszuschließen oder jedenfalls nicht erkennbar sei.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs.

1.2. Nach Art 53 Abs 3 erster Satz B-VG haben ua alle Organe des Bundes einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ua ihre Akten und Unterlagen vorzulegen. Gemäß § 27 Abs 1 erster Satz und Abs 3 VO-UA haben ua Organe des Bundes Beweisbeschlüssen iSd § 24 leg.cit. und ergänzenden Beweisanforderungen iSd § 25 leg.cit. unverzüglich zu entsprechen, bei einem Nicht- oder teilweisen Entsprechen ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten. Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß § 27 Abs 1 oder 3 VO-UA nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ gemäß § 27 Abs 4 leg.cit. (schriftlich begründet) auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Nach § 27 Abs 5 leg.cit. entscheidet der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist des § 27 Abs 4 VO-UA anruft oder der Ausschuss eine Anrufung auf Grund eines schriftlichen Antrages nach Ablauf der Frist des § 27 Abs 4 leg.cit. beschließt. Ein solcher Antrag ist nach § 56f Abs 1 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 VO-UA zwei Wochen vergangen sind. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach § 56f Abs 3 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.

1.3. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss hat mit Beschluss vom (schriftlich begründet) die Bundesministerin für Justiz gemäß § 27 Abs 4 VO-UA aufgefordert, binnen zwei Wochen ihrer Verpflichtung zur Vorlage des gesamten Audio- bzw Videomaterials in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre sowie der entsprechenden vollständigen Transkripte nachzukommen. Diese Aufforderung wurde der Bundesministerin für Justiz am zugestellt, sodass die zweiwöchige (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA am geendet hat.

1.4. Nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA können binnen zwei Wochen von allen dazu Berechtigten Anträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt werden (vgl § 27 Abs 5 leg.cit. und § 56f Abs 1 VfGG). Der nicht im Wege des Präsidenten des Nationalrats gemäß § 106 GOG-NR eingebrachte Antrag von zumindest vier (die Frage der Identität der fünften einschreitenden Person kann angesichts der Ausschussgröße von 13 Abgeordneten offen bleiben) Mitgliedern des Ibiza-Untersuchungsausschusses vom gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG erweist sich somit als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses gestellt. Die Einhaltung der Bestimmung des § 106 GOG-NR bildet keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfSlg 20.304/2018 mwN).

1.5. Der Begriff der Meinungsverschiedenheit wird für Verfahren nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG – anders als für jene nach Art 126a B-VG (vgl § 36a Abs 1 VfGG) – nicht definiert. Das Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers, das Art 53 Abs 3 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG zugrunde liegt und das in § 27 VO-UA sowie in § 56f VfGG näher ausgestaltet wird, lässt jedoch deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann, um die Klärung einer konkreten Meinungsverschiedenheit, im vorliegenden Fall der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Untersuchungsausschuss vorgebrachten Begründung für die teilweise oder gänzliche Ablehnung der unabgedeckten (ungeschwärzten) Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, herbeizuführen. Einem solchen Antrag hat zwingend die an das Organ gerichtete (schriftlich begründete) Aufforderung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder voranzugehen, innerhalb einer (Nach-)Frist von zwei Wochen der Verpflichtung zur unverzüglichen Entsprechung von Beweisbeschlüssen nachzukommen, wenn das Organ dieser (im Beschluss näher zu umschreibenden) Verpflichtung nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder bis dahin nicht oder ungenügend nachgekommen ist. Dieser Beschluss gemäß § 27 Abs 4 VO-UA stellt den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG dar. Ein Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs an den Verfassungsgerichtshof konkretisiert schließlich das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand des Verfassungsgerichtshofes. Das Thema seiner Entscheidung ist jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (vgl VfSlg 20.304/2018 mwN).

1.6. Mit seinem Antrag begehrt das einschreitende Viertel der Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses, "der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass die Bundesministerin für Justiz verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss das Ton- und Bildmaterial des 'Ibiza-Videos' und die dazugehörigen Transkripte unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen".

1.7. Sowohl aus dem Verlangen gemäß § 27 Abs 4 VO-UA als auch aus der Begründung des vorliegenden Antrages geht in hinreichend konkreter Weise hervor, dass sich der Antrag gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG lediglich auf die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Begründung für die teilweise oder gänzliche Ablehnung der unabgedeckten (ungeschwärzten) Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss im Rahmen seines Untersuchungsgegenstandes bezieht (vgl VfSlg 20.304/2018 mwN).

1.8. Der Antrag erweist sich somit als zulässig.

1.9. Nicht vom erwähnten Beschluss gemäß § 27 Abs 4 VO-UA umfasst – und damit außerhalb des äußersten Rahmens des vorliegenden Verfahrens nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG – liegt die in der 18. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am wirksam gewordene ergänzende Beweisanforderung gemäß § 25 VO-UA, die Bundesministerin für Justiz möge der WKStA den Auftrag erteilen, die in diesem Verlangen näher bezeichneten Auswertungen durchzuführen und die Ergebnisse binnen drei Wochen vorzulegen. Ein Eingehen auf die aufgeworfene Frage der Umgehung des Art 53 Abs 5 B-VG erübrigt sich daher.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem Verfahren zur Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken. Er hat sohin im vorliegenden Fall ausschließlich zu beurteilen, ob die teilweise oder gänzliche Ablehnung der Vorlage von (konkret bezeichneten) Akten und Unterlagen aus den gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgebrachten Gründen zu Recht erfolgt ist oder nicht.

2.2. Die einschreitenden Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses vertreten zusammengefasst die Meinung, die Bundesministerin für Justiz sei ihrer in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes herausgearbeiteten Behauptungs- und Begründungspflicht nicht nachgekommen, indem sie pauschal auf "rechtliche Gründe", die der Aktenvorlage entgegenstünden, und zwei weitere Schreiben verweise (sie habe sich nicht auf die Ausnahmebestimmung des Art 53 B-VG berufen und auch nicht behauptet, die abgedeckten [geschwärzten] Passagen seien nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst oder stünden ihr selbst nicht zur Verfügung; im Hinblick auf diese Abdeckungen sei auch kein Konsultationsverfahren gemäß § 58 VO-UA eingeleitet worden). Allein schon deswegen sei sie zur unabgedeckten (ungeschwärzten) Vorlage der in Rede stehenden Akten und Unterlagen verpflichtet. Einem vorlagepflichtigen Organ stehe es nicht zu, die Informationsbeschaffung des Nationalrates zu behindern, von Bedingungen abhängig zu machen oder die bloße, nicht näher begründete Behauptung des Nichtbestehens einer Vorlageverpflichtung entgegenzuhalten, weil sonst das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Nationalrates, umfassend Informationen zu erlangen, ins Leere laufen würde.

Die rechtlichen Ausführungen der Bundesministerin für Justiz in den verwiesenen Schreiben würden vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht zutreffen:

Die auf die Bestimmungen der StPO gestützte Argumentation der Bundesministerin für Justiz könne nicht gegen eine Vorlage von Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss vorgebracht werden, weil die Ausnahmen von der Vorlageverpflichtung abschließend in Art 53 B-VG geregelt seien, deren konkretes Vorliegen jedoch nicht behauptet worden sei, und sich die genannten Bestimmungen der StPO sowohl hinsichtlich des Regelungszwecks als auch hinsichtlich der systematischen Einordnung wesentlich von der Vorlageverpflichtung nach Art 53 B-VG unterscheiden würden (würde ihnen ein der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss entgegenstehender Inhalt beigemessen werden, wären sie wegen Verstoßes gegen Art 53 B-VG verfassungswidrig). Zudem habe die Bundesministerin für Justiz nicht vorgebracht, die in Rede stehenden Akten und Unterlagen seien von den Ermittlungsbehörden rechtswidrig erlangt worden. Die von der Bundesministerin für Justiz vertretene Rechtsmeinung hätte zur Folge, dass der dem Untersuchungsausschuss vom Verfassungsgesetzgeber übertragene Kontrollauftrag in diesem Bereich nicht erfüllt werden könnte.

Der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates habe im Hinblick auf die Definition von "Akten und Unterlagen" iSd Art 53 Abs 3 B-VG sowohl im grundsätzlichen als auch im ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss klargestellt, dass von der Vorlageverpflichtung nicht nur Akten im formellen Sinn erfasst seien (es käme – im Gegensatz zu früheren Beweisbeschlüssen – auch nicht darauf an, dass Akten und Unterlagen "zur Verfügung stehend" oder "bei der vorlagepflichtigen Stelle vorhanden" seien), damit dem Untersuchungsausschuss eine vollständige Abbildung des Informationsstandes des vorlagepflichtigen Organs zum jeweils für die Aktenvorlage relevanten Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werde. Es seien ausdrücklich auch alle nicht formal zum Akt genommenen Akten und Unterlagen von der Vorlagepflicht an den Untersuchungsausschuss erfasst, sofern sie von zumindest abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sein könnten.

2.3. Demgegenüber vertritt die Bundesministerin für Justiz zusammengefasst die Ansicht, dass der Inhalt der Ermittlungsakten nicht faktisch, sondern (nach der StPO und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes) rechtlich determiniert sei. Es dürfe keineswegs alles zum Akt genommen werden, was der Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei bekannt werde (dementsprechend dürfe auch nicht alles an Dritte weitergegeben werden).

Die Schwärzung einzelner Textpassagen sei – entgegen dem Vorbringen der Antragsteller – nicht bloß "pauschal", sondern eingehend in den Schreiben der Bundesministerin für Justiz vom und vom begründet worden (das von den Einschreitern zu der von ihnen behaupteten Verletzung der Behauptungs- und Begründungspflicht durch die Bundesministerin für Justiz zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes habe einen nicht vergleichbaren Sachverhalt betroffen). In den erwähnten Schreiben sei zwar hinsichtlich der einzelnen Textpassagen nicht explizit auf die Ausschlussgründe Bezug genommen worden, wohl aber sinngemäß durch den Hinweis, dass nur für das Ermittlungsverfahren relevante Teile zum Akt genommen werden dürften (in dem von den Antragstellern zitierten Schreiben der WKStA werde auf die mögliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten und auf die Gefährdung von Ermittlungen sowie auf die mangelnde Relevanz für das Ermittlungsverfahren hingewiesen). Die ermittelnde Staatsanwaltschaft sei nicht berechtigt gewesen, die (letztlich geschwärzten bzw unhörbar gemachten) Textpassagen zum Akt zu nehmen, weshalb auch eine Vorlage dieser Textpassagen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht möglich bzw zulässig gewesen sei. Da ein Konsultationsverfahren nach § 58 VO-UA sich nur auf von der Vorlageverpflichtung umfasste Aktenstücke beziehen könne, sei ein solches nicht eingeleitet worden.

Bei einer Sicherstellung handle es sich um einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Eigentums (fallbezogen auch in jenes auf Achtung des Privatlebens). Wenn die nach der (verfassungsrechtlich vorgeprägten) StPO normierten Voraussetzungen für eine Sicherstellung wegfallen würden, entfalle die einzige Rechtsgrundlage, auf deren Basis die Kriminalpolizei bzw die Staatsanwaltschaft im Besitz solchen Materials sein dürfe. Da bei einem Verstoß gegen diese Bestimmungen auch Normen in Verfassungsrang verletzt werden würden, sei der Ausrichtung des Handelns der Staatsanwaltschaft an der StPO der Vorrang gegenüber der (andere Prüfungsmaßstäbe für die Sichtung von sichergestelltem Material beinhaltenden) VO-UA zu geben. Angesichts der sich aus der StPO ergebenden, verfassungsgesetzlich insbesondere durch § 1 DSG und Art 8 EMRK determinierten, klaren Verpflichtung zur Rückausfolgung bzw Vernichtung der Daten sei § 24 Abs 1 VO-UA für die Staatsanwaltschaft insoweit nicht anwendbar. Die Auswertung sichergestellter Datenträger unter dem Aspekt der abstrakten Relevanz der darauf gespeicherten Daten für den Untersuchungsgegenstand würde eine Beweiserhebung iSd Art 53 Abs 3 B-VG bzw § 24 Abs 1 VO-UA darstellen, mit der ein Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Datenschutz der Betroffenen einherginge, wofür es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfte, die nicht ersichtlich sei.

Dem Ibiza-Untersuchungsausschuss sei nach Abschluss der Relevanzprüfung der sichergestellten Audio- und Videodateien durch die Staatsanwaltschaft das relevante Material vorgelegt worden.

Die WKStA habe in dem von den Antragstellern zitierten Schreiben die Schwärzung von Passagen veranlasst, weil diese einerseits geeignet seien, Persönlichkeitsrechte zu verletzen oder allfällige Ermittlungen zu gefährden, andererseits seien Eigennamen geschwärzt bzw unhörbar gemacht worden, weil es sich nicht um Personen des öffentlichen Interesses handle. Die geschwärzten Passagen bzw Namen hätten nach der Einschätzung der WKStA keine Relevanz für das Ermittlungsverfahren.

2.4. Zur Frage des Umfanges der Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unter-lagen sowie zu den sich daraus ergebenden Folgen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 Folgendes ausgeführt:

"Dem Nationalrat werden in Art 53 B-VG (Abschnitt 'E. Mitwirkung des National-rates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes' des zweiten Haupt-stückes des B-VG ['Gesetzgebung des Bundes']) besondere Möglichkeiten eingeräumt, durch die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses Informationen zu erlangen, die zur Wahrnehmung der der gesetzgebenden Körperschaft von der Verfassung übertragenen Kontroll- und Gesetzgebungsfunktion notwendig sind. Ziel des Untersuchungsausschusses ist die Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken (AB 439 BlgNR 25. GP, 2). Die Aufgabe, die die Bundesverfassung dem Nationalrat damit überträgt, begrenzt die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Mit seiner Einsetzung wird auch der Untersuchungsgegenstand festgelegt.

[…] Ohne Kenntnis aller Akten und Unterlagen 'im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung' (Art53 Abs 3 B-VG) ist die Erfüllung des dem Untersuchungsaus-schuss verfassungsgesetzlich übertragenen Kontrollauftrages nicht möglich (vgl im Zusammenhang mit dem Prüfauftrag des Rechnungshofes schon VfSlg 4106/1961). Die einzigen Ausnahmen von der Vorlageverpflichtung normieren Art 53 Abs 3 letzter Satz und Abs 4 B-VG selbst: Die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 B-VG gefährden würde, ist nicht von der Verpflichtung nach Abs 3 erfasst; Abs 4 sieht überdies vor, dass die Verpflichtung gemäß Abs 3 nicht besteht, 'soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird'.

[…] In diesem durch die Aufgaben des Untersuchungsausschusses begrenzten Umfang des Untersuchungsgegenstandes stehen der Übermittlung der vom Untersuchungsausschuss angeforderten Akten und Unterlagen somit weder die Bestimmung des § 1 DSG 2000 noch jene des Art 8 EMRK (sowie des Art 8 GRC) entgegen. Das gleiche muss umso mehr für die – verfassungskonform zu interpretierenden – einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 38 Abs 1 bis 4 BWG und des § 48a BAO gelten (hätten sie einen anderen Inhalt, wären sie wegen Verstoßes gegen Art 53 B-VG verfassungswidrig; vgl VfSlg 15.130/1998 zu einem Verfahren nach Art 144 B-VG).

[…] Das informationspflichtige Organ hat daher ohne Rücksicht auf sonst bestehende Verschwiegenheitspflichten die angeforderten Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes ungeschwärzt (unabgedeckt) vorzulegen (vgl VfSlg 17.065/2003 und 19.834/2013 zu Verfahren nach Art 126a B-VG). Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sind besonders schutzwürdige Informationen jedoch nach den Bestimmungen des InfOG zu klassifizieren, das auf der Grundlage von Art 30a B-VG erlassen und gleichzeitig mit der Reform der Grundlagen und des Verfahrens von Untersuchungsausschüssen geschaffen wurde.

[…] Aus der umfassenden Vorlageverpflichtung des informationspflichtigen Organs folgt aber nicht die Befugnis des Untersuchungsausschusses oder seiner Mitglieder, die aus den vorgelegten Akten oder Unterlagen gewonnenen Informationen in jedem Fall an die Öffentlichkeit zu bringen, auch nicht im schriftlichen Bericht gemäß § 51 VO-UA (bzw in der mündlichen Berichterstattung gemäß § 52 leg.cit.); der Untersuchungsausschuss hat vielmehr bei seiner Berichterstattung regelmäßig eine Interessenabwägung zwischen privaten Geheim-haltungsinteressen (vgl in diesem Zusammenhang insbesondere § 1 DSG 2000, aber auch Art 8 EMRK [sowie Art 8 GRC]) und öffentlichen Interessen, zu denen unter anderem auch die Bekanntgabe der Kontrollergebnisse zählt, vorzunehmen (vgl zuletzt [VfSlg 19.910/2014] mwN zu einem Verfahren nach Art 126a B-VG). Diese Interessenabwägung hat der Untersuchungsausschuss bei seiner gesamten Tätigkeit zu beachten (vgl insbesondere die Regelungen der VO-UA zu medienöffentlichen und vertraulichen Sitzungen [§17], zu den Beratungen des Untersuchungsausschusses [§18], zu Veröffentlichungen [§20] und zur Informationssicherheit [§21 iVm dem InfOG; vgl auch Art 57 B-VG iVm der gerichtlichen Strafbestimmung des § 18 InfOG]) und erstreckt sich auch auf die Behandlung von Informationen im Bereich des Nationalrates (vgl insbesondere die Bestimmungen des InfOG)."

Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass die von der Bundesministerin für Justiz angeführten Bestimmungen der StPO (sowie die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes) vor dem Hintergrund der behaupteten Möglichkeit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Gefährdung allfälliger Ermittlungen diese nicht von ihrer Verpflichtung zur unabgedeckten (ungeschwärzten) Vorlage des Ton- und Bildmaterials des "Ibiza-Videos" und der dazugehörigen Transkripte entbindet: Wie im zitierten Erkenntnis festgehalten, kann die Vorlage angeforderter Akten und Unterlagen nur unter Berufung auf Ausnahmetatbestände, die in Art 53 B-VG ihre Grundlage haben, verweigert werden.

2.5. Art 53 Abs 3 B-VG verpflichtet zum einen ua die Organe des Bundes, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen. Zur Feststellung des Umfangs der Vorlageverpflichtung ist aber auch die Interpretation des grundsätzlichen Beweisbeschlusses bzw ergänzender Beweisanforderungen erforderlich (vgl VfSlg 20.304/2018).

Im vorliegenden Fall wird im grundsätzlichen Beweisbeschluss sowie im ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss im hier interessierenden Zusammenhang Folgendes (übereinstimmend) festgelegt:

"Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern auch sämtliche mit dem Untersuchungsgegenstand bzw den Beweisthemen in Zusammenhang stehende schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen. Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten."

Art53 Abs 3 B-VG, interpretiert im Zusammenhang mit der Anforderung des grundsätzlichen und des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses, verpflichtet somit die vorlagepflichtige Stelle, alle dort näher definierten Akten und Unterlagen herauszugeben.

Dies bedeutet, dass die Bundesministerin für Justiz auch verpflichtet ist, Unterlagen vorzulegen, die nach den einschlägigen Bestimmungen der StPO und nach der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht formal zum (Ermittlungs-)Akt genommen hätten werden dürfen oder worden sind. Im konkreten Fall sind die in Rede stehenden Akten und Unterlagen auch nicht vernichtet oder zurückgegeben worden. Es kommt nicht darauf an, ob das "Ibiza-Video" und die dazugehörigen Transkripte physisch im Bundesministerium für Justiz vorhanden sind, hat doch die Bundesministerin für Justiz gemäß § 27 Abs 2 VO-UA die Verpflichtung, Akten und Unterlagen vorzulegen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen (und zwar unabhängig davon – wie bereits ausgeführt –, ob diese formal zum [Ermittlungs-]Akt genommen worden sind oder nicht); dies ungeachtet dessen, dass der grundsätzliche Beweisbeschluss und der ergänzende grundsätzliche Beweisbeschluss neben der Bundesministerin für Justiz (als Mitglied der Bundesregierung) auch die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit (und damit auch die Staatsanwälte; vgl Art 90a B-VG) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet nennt.

2.6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der Bundesministerin für Justiz bislang gegenüber dem Untersuchungsausschuss vorgebrachten Gründe sie nicht berechtigen, die Vorlage der angeforderten Akten und Unterlagen abzulehnen.

2.7. Art 53 Abs 3 B-VG verpflichtet ua die Organe des Bundes, einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen.

Die Einschreiter legen in ihrem Antrag dar, dass die Bundesministerin für Justiz gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bislang nicht behauptet hätte, die abgedeckten (geschwärzten) Passagen seien nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst. Dies ist zutreffend:

Erstmals in ihrer Äußerung an den Verfassungsgerichtshof führt die Bundesministerin für Justiz vor dem Hintergrund ihrer Rechtsansicht und der von der WKStA angelegten Maßstäbe zu den geschwärzten/unhörbar gemachten Passagen explizit aus, "dass in diesen Fällen eine auch nur abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand nach ho. Ansicht entweder auszuschließen oder jedenfalls nicht erkennbar ist." Nach der Darstellung der einzelnen Schwärzungen wird festgehalten, dass "[a]us diesem – gemessen am gesamten Umfang des Materials – vergleichsweise geringen Umfang der Schwärzungen […] nach Auffassung der Bundesministerin für Justiz eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand nicht hinreichend ableitbar [ist]".

Die Beurteilung der Vorlageverpflichtung und damit der Frage, ob für den Untersuchungsausschuss angeforderte Akten und Unterlagen gemäß Art 53 Abs 3 B-VG vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, obliegt zunächst dem informationspflichtigen Organ (vgl VfSlg 19.973/2015). Eine Ablehnung der Vorlage erfordert vom vorlagepflichtigen Organ die Behauptung, dass der sachliche Geltungsbereich von Art 53 Abs 3 B-VG mangels Vorliegens eines Zusammenhanges mit dem Untersuchungsgegenstand nicht gegeben ist. Der pauschale Verweis allein darauf, dass bestimmte Akten und Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, kann das Zurückhalten von Informationen allerdings nicht rechtfertigen. Neben der Behauptungspflicht trifft das Organ auch eine auf die einzelnen – von der sonst bestehenden Vorlagepflicht des Art 53 Abs 3 B-VG erfassten – Akten und Unterlagen näher bezogene, substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der abgedeckten (geschwärzten) Passagen (vgl VfSlg 20.304/2018).

Wie oben dargestellt, lässt das Art 53 Abs 3 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG zugrunde liegende und in § 27 VO-UA sowie in § 56f VfGG näher ausgestaltete Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers – trotz fehlender Definition des Begriffes Meinungsverschiedenheit für Verfahren nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG – deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann, um die Klärung einer konkreten Meinungsverschiedenheit, im vorliegenden Fall der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Untersuchungsausschuss vorgebrachten Begründung für die teilweise oder gänzliche Ablehnung der unabgedeckten (ungeschwärzten) Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, herbeizuführen. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 56f Abs 3 VfGG, über eine Meinungsverschiedenheit ua zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates und einem informationspflichtigen Organ über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen nach vollständiger Einbringung des Antrages) zu entscheiden, sowie der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl § 53 VO-UA) hat das vorlagepflichtige Organ seiner bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der abgedeckten (geschwärzten) Passagen für den Untersuchungsgegenstand bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber nachzukommen, um zunächst dem Untersuchungsausschuss eine Überprüfung und allfällige Bestreitung der Argumentation zu ermöglichen und diese einer etwaigen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterziehen zu können (vgl VfSlg 20.304/2018).

Da die Bundesministerin für Justiz ihrer diesbezüglichen Behauptungs- und Begründungspflicht gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bislang nicht entsprochen hat, ist sie verpflichtet, diesem das Ton- und Bildmaterial des "Ibiza-Videos" und die dazugehörigen Transkripte unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen (vgl VfSlg 20.304/2018, Punkt IV.2.7. [S 829] bzw , Rz 182).

2.8. In ihrer Äußerung an den Verfassungsgerichtshof bringt die Bundesministerin für Justiz auch vor, für die Einleitung eines Konsultationsverfahrens nach § 58 VO-UA in Bezug auf die in Rede stehenden Akten und Unterlagen habe kein Raum bestanden, weil sich ein solches Verfahren nur auf Aktenstücke beziehen könne, hinsichtlich der eine Vorlagepflicht bestehe.

Die mit dem vorliegenden Erkenntnis ausgesprochene Vorlageverpflichtung der Bundesministerin für Justiz (zur umfassenden Vorlageverpflichtung von Akten und Unterlagen vgl insbesondere Rz 148), das sich auf eine konkrete Meinungsverschiedenheit bezieht und diese entscheidet, hindert die Bundesministerin für Justiz nicht daran, in weiterer Folge beim Vorsitzenden des Ibiza-Untersuchungsausschusses die Aufnahme eines Konsultationsverfahrens nach § 58 VO-UA zu verlangen, wenn sie dies für erforderlich erachten sollte. Etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Untersuchungsausschuss und der Bundesministerin für Justiz in diesem Zusammenhang können – bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen – zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art 138b Abs 1 Z 6 B-VG gemacht werden.

V. Ergebnis

1. Die Bundesministerin für Justiz ist verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) das Ton- und Bildmaterial des "Ibiza-Videos" und die dazugehörigen Transkripte im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:UA3.2020
Schlagworte:
VfGH / Untersuchungsausschuss, Nationalrat, Auslegung verfassungskonforme, Amtsverschwiegenheit, Verschwiegenheitspflicht, Datenschutz

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