VfGH vom 03.03.2021, UA1/2021
Leitsatz
Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage von E-Mails sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien von Bediensteten des Finanzministeriums an den Untersuchungsausschuss des Nationalrates betreffend die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss); Erforderlichkeit einer substantiierten Begründung bei Ablehnung der Vorlage der Akten und Unterlagen
Spruch
I.Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E. G., A. M. und G. B. sowie von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T. S., E. H.-S., M. K., B. P. und M. L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.
II.Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage rein privater Dateien und Kommunikation sowie von E-Mails und elektronischen Dateien der Abteilung I/5 bezieht, die dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit ihrem auf Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Bundesminister für Finanzen verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss
1.die vollständigen E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];
2.von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.]
aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen."
II. Rechtslage
1. Art 53 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:
"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.
(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.
(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 gefährden würde.
(4) Die Verpflichtung gemäß Abs 3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."
"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über
[…]
4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;
[…]"
2. § 56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:
"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss
des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen
Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen
zur Verfügung zu stellen
§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.
(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."
3. § 106 des Bundesgesetzes vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lautet:
"§106. Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Immunitätsausschusses auf Einholung einer Entscheidung des Nationalrates im Sinne des § 10 Abs 3, Verlangen auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung gemäß § 46 Abs 2, Verlangen auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß § 84 Abs 1 oder 85 sowie Anträge und Anfechtungen in Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach den Bestimmungen dieser Geschäftsordnung sind schriftlich mit den eigenhändigen Unterschriften der Abgeordneten an den Präsidenten zur weiteren verfassungsmäßigen Behandlung zu richten."
4. § 24, § 25 und § 27 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975, idF BGBl I 99/2014 lauten:
"Grundsätzlicher Beweisbeschluss
§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art 52a Abs 2 B-VG gefährden würde.
(2) Die Verpflichtung gemäß Abs 1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von § 58 vorzugehen.
(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß § 1 Abs 2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs 5.
(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß § 56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß § 39 GOG bekannt zu geben.
(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs 5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 56d Abs 7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß § 39 GOG bekannt zu geben."
"Ergänzende Beweisanforderungen
§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.
(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.
(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß § 24 Abs 1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von § 58 vorzugehen.
(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs 2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs 2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs 2 wirksam."
"Vorlage von Beweismitteln
§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß § 24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß § 25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 24 Abs 4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß § 26 Abs 2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.
(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.
(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.
(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs 1 oder Abs 3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.
(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs 4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs 4 beschließt.
(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mitglieder des Nationalrates haben am ein – zur Gänze zulässiges (vgl UA1/2020) – Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses mit folgendem Untersuchungsgegenstand im Nationalrat eingebracht und dieses wie folgt begründet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Untersuchungsgegenstand
Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unter-stellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die politi-sche Parteien direkt oder indirekt begünstigten, im Zuge der
a) Vollziehung der § 12a, 14 bis 16, 18 bis 24a, 30, 31, 31b Abs 1 und 6 bis 9, sowie 57 bis 59 Glücksspielgesetz idjgF;
b) Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, ihre direkten oder indirekten EigentümerInnen sowie ihre Tochterunternehmen und jeweiligen Organ-walterInnen;
c) Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art 10 Abs 1 Z 1, 4-6 und 8-12, Art 11 Abs 1 Z 3 und 7, Art 12 Abs 1 Z 1 und 5 sowie Art 14b Abs 1 B-VG idjgF;
d) Vollziehung der § 121a BAO sowie Art 1 § 49a FinStrG idjgF in Bezug auf die in litb genannten Personen;
e) Umstrukturierung der Finanzaufsicht (BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe;
f) Bestellung von Organen (einschließlich Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführungen) von Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist;
g) straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und gegen die Casinos Austria AG, ihre direkten und indirekten EigentümerInnen sowie Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen
einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von bis
Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands
1. Managementscheidungen bei der Casinos Austria AG
Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren zur Besetzung von Funktionen in der Casinos Austria AG und ihren Tochterunternehmen sowie die Kommunikation zwischen den Eigentümern der CASAG bzw Mitgliedern der Gesellschaftsgremien sowie Amtsträgern. Dazu zählt die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, die Willensbildung sowie die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Eignung bei der Bestellung der GeschäftsleiterInnen (insbesondere Peter Sidlo) sowie des Aufsichtsrates der CASAG, die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen der Republik sowie die in Folge des Bekanntwerdens der Ermittlungen der WKStA getroffenen Maßnahmen.
2. Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes
Aufklärung über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, die Vorgangsweise und die politische Einflussnahme auf die Vollziehung des Glücksspielgesetzes sowie die Vorbereitung möglicher Gesetze im Glücksspielbereich einschließlich der Bemühungen von Dritten um bestimmte Handlungen seitens der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder ('Hintergrunddeals').
3. Begünstigung von Dritten
Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen, leiten-den Bediensteten sowie deren jeweiligen Büros auf die Vollziehung von Angelegenheiten betreffend Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstigten einschließlich diese betreffende behördliche Ermittlungen sowie der Umgang mit Ansuchen um privilegierte Behandlung durch diesen Personenkreis.
4. Neustrukturierung der Finanzaufsicht
Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren in Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht, insbesondere den Kompetenzverschiebungen zwischen BMF, FMA und OeNB und die Neubesetzung der jeweiligen Organe. Dazu zählt auch die (versuchte) Einflussnahme Dritter auf die Reformüberlegungen.
5. Ermittlungen in der Ibiza-Affäre
Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangs-weise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos einschließlich der Tätigkeiten und Zusammen-setzung der SOKO Ibiza.
6. Beteiligungsmanagement des Bundes
Aufklärung über die Einflussnahme der Bundesregierung auf die ÖBIB bzw ÖBAG, die Hintergründe, Strategien und Motive der Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG und die verwaltungsseitige Vorbereitung der entsprechenden Gesetzesnovellen sowie Aufklärung über das Funktionieren des Beteiligungsmanagements des Bundes.
7. Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen
Aufklärung über die Beeinflussung von Personalentscheidungen in Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG, sowie von Mitgliedern von Aufsichtsräten als mögliche Gegenleistung oder Belohnung für die direkte oder indirekte Begünstigung politischer Parteien oder WahlwerberInnen.
8. Verdacht des Gesetzeskaufs
Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren – sofern es der Vollziehung zuzurechnen ist - einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünstigung bestimmter politischer Parteien oder WahlwerberInnen.
[…]
Begründung
'Die Novomatic zahlt alle' – Es ist dieser Satz, gesprochen vom damaligen FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache im Ibiza-Video, der im Zentrum des Untersuchungsgegenstands steht. Der Verdacht steht im Raum, dass damals in der Theorie formuliert wurde, was später, als die FPÖ in die Regierung kam, gemeinsam mit der ÖVP umgesetzt werden sollte. Gegenwärtig ermittelt nach dem Ende einer türkis-blauen Regierung die Staatsanwaltschaft – wegen des Verdachtes von Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch.
Die Verdachtslage erhärtete sich bei der Bestellung des FPÖ-Bezirksrates Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Laut Medienberichten und veröffentlichten Chatprotokollen steht der Verdacht im Raum, dass der Novomatic gegen Geld (Spende an FPÖ-Mandatar) und Postenvergabe (Einsatz für Sidlo) bessere gesetzliche Rahmenbedingungen (Casinokonzessionen) in Aussicht gestellt wurden – hier besteht also der Verdacht des Gesetzeskaufs.
Die Causa Casinos könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Der nun verlangte Untersuchungsausschuss hat zum Ziel, die politische Verantwortung der türkis-blauen Bundesregierung zu klären. Vor allem muss im Sinne demokratischer Kontrolle geklärt werden, ob neben den bislang bekannten Fällen noch weitere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung nur deswegen getroffen wurden, weil illegale Geldflüsse und/oder Postenvergaben versprochen wurden.
Zum Untersuchungsgegenstand im Besonderen:
Zum bestimmten, abgeschlossenen Vorgang:
Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären[…]. Der hier zu untersuchende Vorgang besteht in seinem Kern aus der politischen Absprache über eine ungebührliche Bevorteilung von Dritten in ausgewählten Bereichen der Vollziehung des Bundes. Eine solche Absprache zur Bevorteilung erfolgt auf Grund einer bestimmten politischen Motivlage, ohne deren Kenntnis gewisse Sachverhalte nicht hinreichend erklärt oder überhaupt als Bestandteil eines inhaltlichen Komplexes erkannt werden können. Erst durch die Offenlegung der Motivlage – im konkreten Fall das Erbringen einer Gegenleistung für die vorausgegangene Begünstigung politischer Parteien – erhalten diese Vollziehungshandlungen ihren größeren Sinn und werden als Teile eines gemeinsamen Vorgangs erkennbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Existenz einer solchen Motivlage nicht freiwillig offenbart wird, sondern im Gegenteil erst durch entsprechende Untersuchungen aufgeklärt werden muss.
Zu diesem Zweck ist der Untersuchungsgegenstand zunächst mit dem Verdacht der politischen Absprache zum Zweck der ungebührlichen Vorteilsgewährung bestimmt und wird sodann auf Grund der bestehenden Informationen auf einzelne Vollziehungsbereiche eingegrenzt. Diese in den lita bis g genannten Bereiche geben die zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Verlangens öffentlich bekannten Verdachtsmomente wieder. Das Verlangen umschreibt so jene Bereiche der Vollziehung, in denen sich die abgesprochene Vorteilsgewährung manifestiert haben soll. Es handelt sich dabei um Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind (insb. Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG) bzw Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes darstellen.
Politische Absprache erfasst die Kommunikation und die Abstimmung von Hand-lungen von Mitgliedern der Bundesregierung, ihren Büros und unterstellten Bediensteten mit dem Ziel, ein gewisses Ergebnis zu erzielen. Die Feststellung der tatsächlichen Existenz der Absprache zur ungebührlichen Vorteilsgewährung ist Teil der Untersuchung und obliegt daher ausschließlich dem Untersuchungsausschuss selbst. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ergründung der Motivlage im Bereich der Aufklärung über die politische Verantwortung zu verorten ist. Im Zuge der Vorlage von Beweismitteln ist von den vorlagepflichtigen Organen somit in Einklang mit der Judikatur des VfGH lediglich zu prüfen, ob Akten und Unterlagen eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand haben könnten.
Die Wendung 'ungebührliche Vorteile' stellt einen Überbegriff für verschiedene Formen der Privilegierung dar. Der für die Untersuchung relevante Bereich kann sich daher von der Übernahme bestimmter Inhalte in der Vorbereitung der Gesetzgebung, der Auswahl bestimmter Personen für Funktionen, dem Verzögern oder Beschleunigen gewisser Verfahren bis zur Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren erstrecken. Entscheidend ist die Eignung, bestimmte natürliche oder juristische Personen im Vergleich mit anderen zu privilegieren. Tatsächliche Unsachlichkeit der unterschiedlichen Behandlung oder Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich, um vom Untersuchungsgegenstand erfasst zu sein.
Entscheidende Akteure sind auf Seite der Verwaltung die Mitglieder der Bundes-regierung sowie Staatssekretäre in der Zeit der Regierung Kurz sowie deren KabinettsmitarbeiterInnen und Generalsekretäre. Hier gilt es zu klären, ob sie zusammengewirkt haben, um ein gewisses, Dritte begünstigendes Ergebnis zu erzielen.
Auf Grund der bisherigen Berichterstattung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diesen unterstellte leitende Bedienstete bei der Vorteilsgewährung eine wesentliche Rolle einnahmen. Ihnen muss zumindest eine gewisse Ingerenz auf das Verwaltungshandeln zukommen, da sonst jedenfalls eine abstrakte Eignung fehlt, um zum untersuchenden Vorgang beizutragen. Leitende Bedienstete werden daher ausdrücklich miteinbezogen. Nicht-leitende Bedienstete sind vom jeweils zuständigen Organ nichtsdestotrotz im Rahmen der Beweisanforderung aufzufordern, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (siehe dazu VfgH UA1/2018 und UA3/2018).
Akteure auf dritter Seite sind natürliche oder juristische Personen, die eine politische Partei oder WahlwerberInnen direkt oder indirekt begünstigten. Sie sind mögliche Nutznießer einer Privilegierung. In der Regel wird in diesem Zusammenhang eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Situation erforderlich sein. In der Zielgerichtetheit der Vorteilszuwendung liegt die Abgrenzung zu normalem politischem Handeln.
Die zeitliche Abgrenzung erfolgt mit der Angelobung der Regierung Kurz am und endet mit . Das ist jener Tag, an dem eine außerordentliche Hauptversammlung der CASAG zur Abberufung von Peter Sidlo anberaumt war und der Verkauf der CASAG-Anteile der Novomatic an die Sazka Gruppe bekannt gegeben wurde. Der Vorgang ist somit abgeschlossen.
Vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind auch Vorbereitungs- sowie Verdunkelungshandlungen. Die Festlegung einer fortlaufenden Beweisvorlagepflicht im grundsätzlichen Beweisbeschluss wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen.
Zu lita:
Diese Formulierung schafft die Grundlage für die Aufklärung zu den Beweisthemen 1 und 2.
Die Vollziehung der genannten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes umfasst insbesondere die Wahrnehmung der Aufsicht durch den Bundesminister für Finanzen in Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen, die Beteiligungsverhältnisse und die fachlichen Anforderungen an Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sowie die abgabenrechtlichen Bestimmungen. Es sind in der Aufzählung all jene Bestimmungen genannt, die in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Ermittlungen der WKStA genannt sind. Nicht umfasst ist unter anderem die Vollziehung der Strafbestimmungen, da bezirksverwaltungsbehördliche Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz von vornherein dem Austauschverhältnis unzugänglich sind, das dem Untersuchungsgegenstand zu Grunde liegt. Die (versuchte) Beeinflussung des Bundesministers für Finanzen wäre wiederum über den Verweis auf § 19 leg cit sehr wohl erfasst.
Zu litb:
Mit politischer Einflussnahme auf die CASAG sowie die in wirtschaftlicher Beziehung zu ihr stehenden Unternehmen ist in einem weiteren Sinne die Verwaltung des Glücksspielsektors zu verstehen, einschließlich der Kommunikation von Organen des Bundes mit am Glücksspielsektor Interessierten und umgekehrt sowie das Beteiligungsmanagement des Bundes in diesem Bereich.
Unter direkte oder indirekte EigentümerInnen sind sowohl natürliche als auch juristische Personen zu verstehen, die im Untersuchungszeitraum entweder direkt Anteile an der CASAG hielten oder dies über zwischengeschaltete Personen – selbst wenn über mehrere Ebenen – taten (Mutter-Tochter- und Schachtel-Konstruktionen). Also auch jene Personen, die EigentümerInnen der EigentümerInnen usw waren. Tochterunternehmen sind jene der CASAG, also insbesondere die Casinos Austria International und die Österreichischen Lotterien, aber auch die Medial Beteiligungs-Gesellschaft m.b.H. ('MEDIAL'). OrganwalterInnen sind alle Vorstände, Aufsichtsräte, GeschäftsführerInnen, usw, je nach Rechtsform, über die Dauer des Untersuchungszeitraumes. Die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Untersuchungszeitraumes genügt.
Zu litc:
Diese Formulierung dient als Grundlage für die Aufklärung über den Vorwurf des Gesetzeskaufs. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens zählt insbesondere die ressortinterne legistische Vorbereitung von der entsprechenden Kommunikation zwischen BundesministerIn, dem Kabinett bzw Generalsekretär und der zuständigen Abteilung bis hin zum Ministerialentwurf, die Kommunikation innerhalb der Bundesregierung und zwischen unterschiedlichen Ressorts sowie mit Dritten zum jeweiligen Gesetzesvorhaben, die Einholung von externer Expertise und die weitere Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens.
Es sind nur jene Gesetzgebungsverfahren erfasst, die unter die angegebenen Kompetenztatbestände fallen. Es handelt sich um jene Gesetzgebungskompetenzen, bei denen auf Grund der bisherigen Berichterstattung bzw auf Grund der mit dem jeweiligen Regelungsbereich zwangsläufig verbundenen wirtschaftlichen Interessen das Bestehen des im Untersuchungsgegenstand beschriebenen Austauschverhältnisses denkmöglich ist. Ausgenommen sind demgegenüber alle sicherheitspolitischen Gesetzgebungskompetenzen, das Bildungswesen, das Dienstrecht sowie auswärtige Angelegenheiten.
Von den 117 Regierungsvorlagen der XXVI.GP sind daher geschätzt 60% vom Untersuchungsgegenstand umfasst. Sehr wohl umfasst sind ReferentInnen- und Ministerialentwürfe, selbst wenn diese schlussendlich niemals der Bundesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt wurden.
Zu litd:
Die genannten Bestimmungen der BAO bzw des FinStrG regeln die Meldung von Schenkungen ab gewissen Wertgrenzen an das zuständige Finanzamt bzw die Sanktionen bei Verstößen gegen diese Meldepflicht. Schenkungen an Personen in oder im Umfeld von politischen Parteien bilden eine mögliche Umgehung der gesetzlichen Spendenverbote bzw vorgeschriebenen Transparenzbestimmungen. Auf Grund der Verdachtsmomente in Hinblick auf in Angelegenheiten des Glücksspiels involvierte Personen soll die Vollziehung der Schenkungsmeldungen für diesen beschränkten Personenkreis Teil der Untersuchung sein.
Zu lite:
Ab ihrer Angelobung bereitete die türkis-blaue Bundesregierung eine Reform der Finanzaufsicht vor. Dabei sollte es zu Kompetenzverschiebungen zwischen der Finanzmarktaufsicht, dem BMF und der Oesterreichischen Nationalbank kommen. Außerdem wurden die Organe der Oesterreichischen Nationalbank und der FMA neu bestellt. Der medialen Berichterstattung war in diesem Zeitraum zu entnehmen, dass zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen getroffen wurden, die jenen bei der Casinos Austria AG stark ähneln. Daher wird dieser Bereich ausdrücklich in den Untersuchungsgegenstand einbezogen und als Beweisthema 4 geführt. Umfasst sind alle Vorarbeiten, Verfahren und Entscheidungen für die Reform der Finanzaufsicht sowie für die Bestellung der Organe.
Zu litf:
Der Bund ist neben der Casinos Austria AG an einer Vielzahl von Unternehmungen direkt oder indirekt beteiligt. Mehrere Personalentscheidungen der türkis-blauen Bundesregierung erweckten den Eindruck, dass diese als Gegenleistung für die Begünstigung politischer Parteien erfolgten. Die Formulierung beschränkt sich absichtlich nicht auf die tatsächliche Ausübung der Eigentümerrechte, sondern umfasst auch informelles Vorgehen von Organen des Bundes, insbesondere dort, wo keine direkte Beteiligung des Bundes besteht. Die Einflussnahme von Organen des Bundes auf die ÖBAG ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Von der Formulierung nicht erfasst sind Anstalten, Stiftungen und Fonds des Bundes.
Zu litg:
Ziel der Untersuchungen zu diesem Beweisthema ist es, festzustellen, ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden in solchen Verfahren von politischer Seite beeinflusst wurden, um etwa die politische Absprache der ungebührlichen Begünstigung zu verdunkeln.
Diese Formulierung umfasst zwei Fälle: einerseits all jene straf- und disziplinar-rechtlichen Ermittlungen, einschließlich verwaltungsstrafrechtlicher Ermittlungen, die egal aus welchem Grund (von Amts wegen, auf Grund von Anzeigen oder Privatanklagen) in Folge des Ibiza-Videos geführt werden, unabhängig davon, ob diese bereits eingestellt oder auf andere Art erledigt wurden oder nicht. Exemplarisch zu nennen sind die Verfahren gegen Hartwig Löger, Heinz-Christian Strache, Markus Tschank, Johann Gudenus sowie die 'Drahtzieher' des Ibiza-Videos. Andererseits sind Fälle von Ermittlungen umfasst, die gegen die Casinos Austria und deren direkte oder indirekte EigentümerInnen (insbesondere Medial, ÖBAG, Novomatic) sowie OrganwalterInnen geführt werden. Entscheidender Zeitrahmen für die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn ist jeder beliebige Zeitpunkt innerhalb des Untersuchungszeitraums. Somit sind auch die EigentümerInnen der EigentümerInnen sowie die OrganwalterInnen der Eigentümergesellschaften und so weiter sowie Personen umfasst, die zwar am EigentümerIn oder OrganwalterIn waren, jedoch nicht mehr am . Nur durch die Kenntnis dieser Verfahren kann die Aufklärung darüber gelingen, ob es politische Einflussnahmeversuche gab."
1.2. In dem vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am gefassten und dem Bundesminister für Finanzen am zugestellten grundsätzlichen Beweisbeschluss werden ua die Mitglieder der Bundesregierung (und damit auch der Bundesminister für Finanzen) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des (damals eingeschränkten) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet genannt.
1.3. Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am einen ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, der dem Bundesminister für Finanzen am zugestellt wurde und ihn (wiederum als Mitglied der Bundesregierung) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des (nunmehr dem Einsetzungsverlangen uneingeschränkt entsprechenden) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet nennt.
1.4. Der Bundesminister für Finanzen hat dem Ibiza-Untersuchungsausschuss auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und auf Grund des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses wiederholt Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand vorgelegt. Dazu zählten auch E-Mails der Bediensteten der Gruppe I/B "Beteiligung und Services" sowie der Abteilungen I/5 "Beteiligungen und Liegenschaften" und I/8 "Organisation der Steuer- und Zollverwaltung; Glücksspiel".
1.5. Mit Verlangen vom wurde der Bundesminister für Finanzen (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen näher bezeichnete Akten und Unterlagen vorzulegen.
1.6. Mit Schreiben vom hat der Bundesminister für Finanzen nach Durchführung der verlangten Erhebungen eine "Leermeldung" erstattet.
1.7. Auf Nachfrage der Parlamentsdirektion hat der Bundesminister für Finanzen mit Schreiben vom ua mitgeteilt, er habe zur Feststellung des Umfanges der Vorlageverpflichtung iSd Art 53 Abs 3 B-VG den grundsätzlichen und den ergänzenden Beweisbeschluss sowie das oben erwähnte Verlangen vom dahingehend interpretiert, dass nur all jene Akten und Unterlagen vorzulegen seien, die in unmittelbarem, materiellem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden. Erhebungen hätten ergeben, dass solche Unterlagen bereits in den bisherigen Lieferungen vollständig vorgelegt worden seien.
1.8. Mit Verlangen vom wurde das oben erwähnte Verlangen vom 30. September nahezu wortgleich wiederholt und der Bundesminister für Finanzen zusätzlich darauf hingewiesen, dass eine eigenständige, einschränkende Interpretation der ergänzenden Beweisanforderung nicht zulässig sei, sodass alle Akten und Unterlagen vorzulegen seien, die von zumindest abstrakter Relevanz im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand sein könnten.
1.9. In seinem Schreiben vom hat der Bundesminister für Finanzen sein Schreiben vom nahezu wortgleich wiederholt.
1.10. In der 29. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am wurde der Bundesminister für Finanzen gemäß § 27 Abs 4 VO-UA aufgefordert,
"binnen zwei Wochen seiner Verpflichtung zur Vorlage folgender Akten und Unterlagen nachzukommen:
1.Alle Akten und Unterlagen, die seit dem mit Bezug auf den Untersuchungszeitraum erstellt wurden, insbesondere Briefings für den Bundesminister und sein Kabinett und Beantwortungen parlamentarischer Anfragen;
2.Alle Akten und Unterlagen in Zusammenhang mit den Sitzungen des ÖBIB-Nominierungskomitees im Jahr 2018;
3.Aufzeichnungen über den Zutritt von H[.] N[.], J[.] P[.], B[.] G[.]-K[.], W[.] R[.] in Amtsräume des BMF sowie alle Akten und Unterlagen, die Informationen über Inhalt und TeilnehmerInnen der von ihnen wahrgenommenen Termine enthalten;
4.Vollständige E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];
5.nicht-veraktete Unterlagen wie insbesondere handschriftliche Notizen, Entwürfe, Handakten und Vermerke der Abteilung I/5;
6.Sicherung des E-Mail-Postfachs von B[.] S[.];
7.Von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.];
8.Vollständiges E-Mail-Postfach von E[.] M[.].[…]
Begründung
Der Bundesminister für Finanzen wurde in der 23. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen verpflichtet. Die Beweisanforderung lautete:
'Der Bundesminister für Finanzen wird gemäß § 25 Abs 2 VO-UA verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss folgende Akten und Unterlagen vorzulegen, die von zumindest abstrakter Relevanz in Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand sein könnten:
1.Alle Akten und Unterlagen, die seit dem mit Bezug auf den Untersuchungszeitraum erstellt wurden, insbesondere Briefings für den Bundesminister und sein Kabinett und Beantwortungen parlamentarischer Anfragen;
2.Alle Akten und Unterlagen in Zusammenhang mit den Sitzungen des OBIB-Nominierungskomitees im Jahr 2018;
3.Aufzeichnungen über den Zutritt von H[.] N[.], J[.] P[.], B[.] G[.]-K[.], W[.] R[.] in Amtsräume des BMF sowie alle Akten und Unterlagen, die Informationen über Inhalt und TeilnehmerInnen der von ihnen wahrgenommenen Termine enthalten;
4.Vollständige E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];
5.nicht-veraktete Unterlagen wie insbesondere handschriftliche Notizen, Entwürfe, Handakten und Vermerke der Abteilung I/5
6.Sicherung des E-Mail-Postfachs von B[.] S[.];
7.Von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.];
8.Vollständiges E-Mail-Postfach von E[.] M[.].
Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom (vgl 4/KOMM XXVII.GP) sind anzuwenden. Die Vorlagefrist beträgt zwei Wochen.'
Mit Schreiben vom teilte der Bundesminister für Finanzen seine Ansicht mit, wonach alle angeforderten Akten und Unterlagen bereits übermittelt worden seien. Weitere Begründungen für eine Nichtvorlage enthielt das Schreiben nicht.
Nach Überprüfung der bisherigen Lieferungen des Bundesministers für Finanzen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss ergibt sich jedoch eindeutig, dass die angeforderten Akten und Unterlagen nur in sehr eingeschränktem Ausmaß (in Hinblick auf die Z 1, 2 und 7 und auch dort nur teilweise) vorgelegt wurden, obwohl die Relevanz der diesbezüglichen Akten und Unterlagen vom Untersuchungsausschuss im Einzelnen dargelegt wurde.
Der Bundesminister für Finanzen ist daher seiner Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands nicht bzw ungenügend nachgekommen."
1.11. Mit Schreiben vom hat der Bundesminister für Finanzen mitgeteilt, er habe sämtliche im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehenden Akten und Unterlagen übermittelt; es sei keinerlei Einschränkung in der Erhebung der Daten erfolgt.
Zu den Aufzeichnungen über den Zutritt von Personen im Untersuchungszeitraum werde mitgeteilt, dass – auch nach neuerlicher Prüfung – diese im Bundesministerium für Finanzen nicht aufliegen würden. In Übereinstimmung mit den datenschutzrechtlichen Bestimmungen würden derartige personenbezogene Daten im Bundesministerium für Finanzen nicht gespeichert.
Bei Beendigung des Dienstverhältnisses sei durch die Personalabteilung mit dem Austrittsdatum eine Terminierung der Stammdaten in PM-SAP durchzuführen. Nach dieser Terminierung sei der Status der Benutzerkennung in Kompass unverzüglich auf "Ausgeschieden" zu setzen, wodurch eine Löschung der Benutzerkennung sowie sämtlicher Rollen und Rechte in Kompass erfolge. Die Löschung der Daten, Mailboxen etc. ergebe sich konsequent aus dieser Regelung.
Das nationale Recht verpflichte vorlagepflichtige Organe insoweit zur Übermittlung von Akten und Unterlagen an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, als diese vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, sohin abstrakt geeignet seien, der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes zu dienen. Soweit Akten oder Unterlagen diese Voraussetzungen nicht erfüllten, bestehe keine Vorlageverpflichtung. Im Fall, dass personenbezogene Daten von natürlichen Personen betroffen seien, wäre die Übermittlung von Akten und Unterlagen, die in keinem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden, datenschutzrechtlich nicht zulässig, weil das nationale Recht nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dem vorlagepflichtigen Organ die Prüfung auferlege, ob die jeweiligen Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand gedeckt seien und daher die Übermittlung der Daten an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss auch nur in diesem Umfang durch die Verordnung 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – in der Folge: DSGVO), ABl. L 119, 1, gedeckt sei.
2. Die Einschreiter begründen ihren auf Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG gestützten Antrag wie folgt:
2.1. Zur Zulässigkeit:
2.1.1. Die antragstellenden Abgeordneten seien Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses und würden gemeinsam mehr als ein Viertel seiner 13 Mitglieder verkörpern. Der Antrag werde am und somit nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA gestellt. Die zweiwöchige Frist des § 56f Abs 1 VfGG sei zu diesem Tag noch nicht abgelaufen.
2.1.2. Die Einhaltung der Bestimmung des § 106 GOG-NR bilde keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (vgl UA1/2020 mwN; vgl auch VfSlg 16.752/2002 zu einem Verfahren nach [nunmehr] Art 140 Abs 1 Z 2 B-VG).
2.2. In der Sache begründen die Einschreiter ihren Antrag wie folgt:
2.2.1. Zu den vollständigen E-Mail-Postfächern sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der namentlich genannten Bediensteten der Abteilung I/5:
Bei den begehrten Akten und Unterlagen handle es sich um elektronische Dateien von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen, die auf Grund dessen Geschäftsverteilung für die Beteiligungsverwaltung zuständig seien, entsprechende Leitungsfunktion im Hinblick auf die Beteiligungsverwaltung hätten oder für den Bund entsprechende Aufgaben in ausgegliederten Unternehmungen oder Unternehmungen wahrnehmen würden, an denen der Bund Anteile halte. Allein schon deshalb bestehe angesichts des weit formulierten Untersuchungsgegenstandes kein Zweifel daran, dass diese Akten und Unterlagen zumindest eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand hätten bzw haben könnten; es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Akten und Unterlagen der Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss mit dem Untersuchungsgegenstand übertragenen Kontrollauftrages dienen könnten (vgl UA1/2018).
2.2.2. Zu den von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangenen E-Mails von namentlich genannten Personen:
Es handle sich dabei um Korrespondenz von (ehemaligen) KabinettsmitarbeiterInnen des damaligen Bundesministers für Finanzen. Wie der Bundesminister für Finanzen in seinem Schreiben vom ausführe, würden E-Mail-Postfächer von ausgeschiedenen Bediensteten gelöscht. MitarbeiterInnen des Kabinetts komme jedoch in der täglichen Verwaltungspraxis eine wesentliche Rolle zu, weil davon auszugehen sei, dass diese den Willen des Bundesministers überbringen würden. Die Relevanz ihrer Korrespondenz mit Bediensteten des Bundesministeriums für den Untersuchungsgegenstand sei daher evident; schließlich bilde die mögliche Begünstigung von Dritten durch den jeweiligen Bundesminister und ihm direkt unterstellte Bedienstete einen wesentlichen Bestandteil des Untersuchungsgegenstandes, die sich gerade eben in solcher Korrespondenz manifestieren würde. Es sei somit auch in diesem Fall nicht ausgeschlossen, dass diese Akten und Unterlagen der Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss mit dem Untersuchungsgegenstand übertragenen Kontrollauftrages dienen könnten.
2.2.3. Zur Einhaltung der Behauptungs- und Begründungspflicht durch den Bundesminister für Finanzen:
In seiner Verweigerung der Aktenvorlage verweise der Bundesminister für Finanzen pauschal darauf, dass die vom Untersuchungsausschuss begehrten Akten und Unterlagen nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden.
Bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass das Vorbringen, Akten und Unterlagen seien nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst, hinreichend detailliert zu begründen sei und eine entsprechende bloße Behauptung nicht ausreiche.
Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 56f Abs 3 VfGG, über eine Meinungsverschiedenheit ua zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates und einem informationspflichtigen Organ über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen nach vollständiger Einbringung des Antrages) zu entscheiden, sowie der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl § 53 VO-UA) habe das vorlagepflichtige Organ seiner bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der zurückgehaltenen Akten und Unterlagen für den Untersuchungsgegenstand bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber nachzukommen, um zunächst dem Untersuchungsausschuss eine Überprüfung und allfällige Bestreitung der Argumentation zu ermöglichen und diese einer etwaigen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterziehen zu können (vgl UA3/2020).
Da der Bundesminister für Finanzen seiner diesbezüglichen Begründungspflicht im Hinblick auf die von den Antragstellern begehrten Akten und Unterlagen nicht nachgekommen sei, sei er zur Vorlage dieser Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss verpflichtet.
2.2.4. Zum Umfang der Vorlagepflicht:
Einem vorlagepflichtigen Organ sei es nicht gestattet, die Informationsbeschaffung eines Untersuchungsausschusses etwa durch tatsächliche Verweigerung oder bewusst einschränkende Interpretation des Untersuchungsgegenstandes zu behindern, von Bedingungen abhängig zu machen oder die bloße, nicht näher begründete (pauschale) Behauptung des Nichtbestehens einer Vorlagepflicht entgegenzuhalten (vgl auch VfSlg 19.910/2014 zu einem Verfahren nach Art 126a B-VG mwN). Ansonsten würde das verfassungsgesetzlich eingeräumte Recht des Nationalrates, umfassend Informationen zu erlangen, ins Leere laufen.
Der Verfassungsgerichtshof habe bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 ausgeführt:
"Dem Nationalrat werden in Art 53 B-VG (Abschnitt 'E. Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes' des zweiten Hauptstückes des B-VG ['Gesetzgebung des Bundes']) besondere Möglichkeiten eingeräumt, durch die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses Informationen zu erlangen, die zur Wahrnehmung der der gesetzgebenden Körperschaft von der Verfassung übertragenen Kontroll- und Gesetzgebungsfunktion notwendig sind. Ziel des Untersuchungsausschusses ist die Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken (AB 439 BIgNR 25. GP, 2). Die Aufgabe, die die Bundesverfassung dem Nationalrat damit überträgt, begrenzt die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Mit seiner Einsetzung wird auch der Untersuchungsgegenstand festgelegt.
[...] Ohne Kenntnis aller Akten und Unterlagen 'im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung' (Art53 Abs 3 B-VG) ist die Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss verfassungsgesetzlich übertragenen Kontrollauftrages nicht möglich (vgl im Zusammenhang mit dem Prüfauftrag des Rechnungshofes schon VfSlg 4106/1961)."
Der Bundesminister für Finanzen habe die ergänzende Beweisanforderung vom unzulässig einschränkend interpretiert. Er habe entgegen der ausdrücklichen Feststellung in der Beweisanforderung, nach der die genannten Akten und Unterlagen aus Sicht des Untersuchungsausschusses von abstrakter Relevanz seien, die Aktenvorlage auf jene Akten und Unterlagen beschränkt, die aus seiner Sicht in unmittelbarem, materiellem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden. Damit habe er auch außer Acht gelassen, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten habe, dass es für eine Vorlagepflicht genüge, wenn Akten und Unterlagen zumindest eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand hätten bzw haben könnten ( UA1/2018).
Der Bundesminister für Finanzen habe somit die Informationserlangung des Untersuchungsausschusses rechtswidrig behindert.
2.2.5. Zur Relevanz der begehrten Akten und Unterlagen für die Untersuchung:
Der Untersuchungsausschuss habe die Relevanz der begehrten Akten und Unterlagen in der ergänzenden Beweisanforderung für die Untersuchung konkret und im Einzelnen begründet. Umfänglich seien die Anforderungen auf jene Bediensteten beschränkt, die auf Grund der bisherigen Aktenlage als wesentlich für die Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss erachtet würden und einen offenkundigen Bezug zum Untersuchungsgegenstand hätten. Somit sei bewusst darauf verzichtet worden, von weiteren Bediensteten der für das Beteiligungsmanagement zuständigen Gruppe bzw Abteilung die vollständigen E-Mail-Postfächer und sonstige elektronische Dateien anzufordern, weil deren Bezug zum Untersuchungsgegenstand zum Zeitpunkt der Beweisanforderung nicht erkennbar gewesen sei (vgl VfSlg 19.910/2014 zu einem Verfahren nach Art 126a B-VG).
Aus dem Untersuchungsgegenstand, der ausdrücklich die Begünstigung von Dritten nenne, ergebe sich, dass auch die Korrespondenz der betroffenen Personen mit Dritten von der Beweisanforderung erfasst sein müsse, um dem Kontrollauftrag des Untersuchungsausschusses nachzukommen.
Ebenso sei es für die Erfüllung des Kontrollauftrages erforderlich, Einsicht in die vollständigen Postfächer der genannten Personen im Untersuchungszeitraum zu erhalten, weil nur dadurch im Fremdvergleich Abweichungen von Regelprozessen, Mängel in der Dokumentation sowie informelle Verbindungen bzw Verpflichtungen zu Dritten, die auf die vom Untersuchungsgegenstand erfassten Themen zurückwirken würden, erkannt werden könnten. Im Verlauf der bisherigen Tätigkeit des Untersuchungsausschusses habe sich gezeigt, dass insbesondere im Zuge von informellen Treffen bzw auf Grund von Umständen, wie zufälliger Sitznachbarschaft in Gremien oder Veranstaltungen, die Grundlage für Handlungen gelegt worden sei, die im Kern des Untersuchungsgegenstandes stünden. Das Verständnis der Einflussnahme auf Vollziehungshandeln erschließe sich jedoch erst mit der Kenntnis der zwischen den betroffenen Personen bestehenden Verbindung. Somit sei es zur Erfüllung des Kontrollauftrages des Untersuchungsausschusses erforderlich, ein Gesamtbild der Interaktionen (persönlich oder elektronisch) der als maßgeblich beurteilten Personen zu erhalten bzw umgekehrt die Kenntnis über persönliche Verbindungen, die sich etwa aus den im Zuge von Strafverfahren sichergestellten Daten ergebe, mit der tatsächlichen Verwaltungstätigkeit zu vergleichen.
Nachdem es sich durchwegs um dienstliche E-Mail-Postfächer handle, könne auch ausgeschlossen werden, dass reine Privatangelegenheiten betroffen seien.
2.2.6. Zum Einwand des Bundesministers für Finanzen, dass die DSGVO eine Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss verbiete:
Dieser Einwand sei unberechtigt.
Zum einen bestehe außerhalb des Untersuchungsgegenstandes keine rechtliche Grundlage für die Übermittlung von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss. Der Untersuchungsgegenstand begründe und begrenze die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Eine Übermittlung von Akten und Unterlagen, die nicht einmal von abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sein könnten, komme somit von vornherein nicht in Frage.
Zum anderen könne – wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 ausgeführt habe – einer bestehenden Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss innerhalb des Untersuchungsgegenstandes kein über die in Art 53 B-VG enthaltenen Ausnahmen hinausgehender Grund entgegengehalten werden.
3. Der Bundesminister für Finanzen hat dem Verfassungsgerichtshof (teils nach dem gesetzten Termin) Bezug habende Akten und Unterlagen vorgelegt sowie eine Äußerung erstattet, in der er die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und diesem inhaltlich entgegentritt:
3.1. In formaler Hinsicht sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Antrag vom , in dem ein umfassendes Begehren enthalten sei, inhaltlich zum Teil über die Aufforderung vom hinausgehe. Die Formulierung von Punkt 1. und 2. des vorliegenden Antrages entspreche zwar wörtlich den Punkten 4. und 7. der besagten, auf § 27 Abs 4 VO-UA gestützten Aufforderung; in der Begründung zu dieser Aufforderung sei jedoch ausdrücklich auf das zeitlich vorgelagerte, auf Grundlage von § 25 Abs 2 VO-UA gestellte Verlangen vom Bezug genommen worden, dessen Begründung zu den (auch in diesem Verlangen bereits wortgleichen) Punkten 4. und 5. eine wesentliche Einschränkung enthalten habe. Im letzten Absatz habe es dort wörtlich geheißen: "Es versteht sich von selbst, dass den Rahmen der Vorlage der Untersuchungsgegenstand bildet und daher etwa rein private Dateien und Kommunikation nicht erfasst ist."
Im Antrag vom sei eine derartige Einschränkung nicht mehr enthalten. Im Gegenteil: Am Ende von Punkt III.5. werde unter Hinweis darauf, dass es sich bei den angeforderten Dateien "durchwegs um dienstliche E-Mail-Postfächer handelt", explizit festgehalten, dass "ausgeschlossen werden [kann], dass reine Privatangelegenheiten betroffen sind". Abgesehen davon, dass diese Annahme nicht zutreffe (siehe dazu unten), beweise die zitierte Passage, dass der Antrag an den Verfassungsgerichtshof tatsächlich so umfassend gemeint sei wie er formuliert worden sei; in Bezug auf die angeforderten Postfächer und Dateien werde also tatsächlich Vollständigkeitsanspruch erhoben.
Über die vom nunmehrigen Antrag damit umfasste Vorlage ausnahmslos aller E-Mails und Dateien, ungeachtet ihrer dienstlichen oder privaten Natur, habe damit bislang aber noch gar keine "Meinungsverschiedenheit" iSd Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG bestehen können. Eine solche Meinungsverschiedenheit könne nach – zum Einsichtsrecht des Rechnungshofs vertretener, gleichwohl auf den hier relevanten normativen Kontext übertragbarer – Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nämlich "erst dann entstehen, wenn [das informationsberechtigte vom informationspflichtigen Organ] die Einsicht in genau bestimmte oder bestimmbare E-Mails verlangt und das [informationspflichtige Organ] dies verweigert" (VfSlg 19.910/2014, Punkt III.1.5.). Voraussetzung für eine solche Meinungsverschiedenheit sei also eine "Ablehnung der Vorlage" angeforderter Akten und Unterlagen iSd § 27 Abs 5 VO-UA. Das informationspflichtige Organ habe sich bislang aber gar nicht mit der Frage auseinandersetzen müssen und können, ob private Dateien und private Kommunikation vorgelegt werden müssten, weil diese schlichtweg nicht angefordert gewesen seien.
Soweit im Antrag an den Verfassungsgerichtshof ein Vorlagebegehren gestellt werde, das davor (in der Aufforderung nach § 27 Abs 4 VO-UA) noch kein Thema gewesen sei, könne von einer "Ablehnung der Vorlage" iSd § 27 Abs 5 VO-UA demnach keine Rede sein. Der Antrag erweise sich daher in Ermangelung des Vorliegens einer "Meinungsverschiedenheit" iSd Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG als unzulässig (vgl dazu insbesondere auch VfSlg 19.973/2015, Punkt IV.1.14.).
3.2. In der Sache:
3.2.1. Keine Informationsverpflichtung im beantragten Umfang:
Mit dem vorliegenden Antrag werde die Feststellung der Verpflichtung zur Vorlage "vollständiger E-Mail-Postfächer" und aller gespeicherten Dateien von Bediensteten des BMF sowie ausnahmslos aller E-Mails, die von bestimmten Personen empfangen worden seien, begehrt. Mit der Stattgabe des Antrags wäre das informationspflichtige Organ damit gehalten, diese elektronischen Dokumente, darunter insbesondere die "vollständigen E-Mail-Postfächer" von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen, dem Untersuchungsausschuss vorzulegen. Damit würden die Antragsteller jedoch eine Vorlage begehren, die nicht von Art 53 Abs 3 B-VG gedeckt sei.
Die in Art 53 Abs 3 B-VG genannten Organe seien nach dieser Bestimmung lediglich dazu verpflichtet, einem Untersuchungsausschuss auf dessen Verlangen hin "ihre" Akten und Unterlagen vorzulegen. Die Konturen der damit normierten Einschränkung hätten in der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes noch keine exakte Präzisierung erfahren. Nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen sei allerdings davon auszugehen, dass mit besagtem Begriff jedenfalls die Notwendigkeit einer Zurechenbarkeit der vorzulegenden Dokumente zum vorlagepflichtigen Organ und eine diesbezügliche Verfügungsberechtigung zum Ausdruck gebracht würden. Um unter die Wendung "ihre Akten und Unterlagen" subsumiert werden zu können, reiche es damit allein aber nicht aus, dass elektronische Dokumente auf einem PC oder einem Server des Bundesministeriums für Finanzen gespeichert seien. Vielmehr gelte es, innerhalb dieser Gruppe von Dokumenten zwischen solchen zu unterscheiden, die nach Entstehung und Inhalt tatsächlich der dienstlichen Sphäre des Ministeriums zugerechnet werden könnten, und solchen, die rein privater Natur seien. Während Erstere einem Untersuchungsausschuss – bei entsprechendem Zusammenhang mit dessen Untersuchungsgegenstand – zu übermitteln seien, würden Letztere von der Vorlagepflicht gemäß Art 53 Abs 3 B-VG nicht umfasst. Es bestehe infolge dessen in diesem Rahmen nicht bloß keine Verpflichtung zur Vorlage, sondern der Minister würde sich bei einer dennoch erfolgenden Übermittlung – mangels diesbezüglicher Rechtsgrundlage – gegenüber den betroffenen Bediensteten sogar einer Verletzung insbesondere datenschutzrechtlicher Bindungen schuldig machen.
Dass es in E-Mail-Postfächern und sonstigen Accounts eines Ministeriums elektronische Dokumente geben könne, die ausschließlich der privaten Sphäre zugehörten, sei nicht nur eine unwiderlegbare Tatsache, sondern habe auch einen rechtlichen Hintergrund. Wie sich aus § 79d BDG und § 29n VBG sowie aus der auf diesen gesetzlichen Grundlagen erlassenen Verordnung der Bundesregierung über die private Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik-Infrastruktur des Bundes durch Bedienstete des Bundes (IKT-Nutzungsverordnung [IKT-NV]) ergebe, seien Bedienstete des Bundes nämlich grundsätzlich berechtigt, die für den Dienstbetrieb zur Verfügung stehende IKT-Infrastruktur in einem gewissen, in besagter Verordnung näher determinierten Umfang auch für private Zwecke zu nutzen (vgl dazu auch ). Dies gelte gemäß § 5 IKT-NV insbesondere auch für die vom Dienstgeber bereitgestellten E-Mail-Dienste. Es könne daher – entgegen den Behauptungen der AntragstellerInnen – keineswegs ausgeschlossen werden, dass die vom Untersuchungsausschuss breitflächig angeforderten E-Mails und Dateien neben dienstlichen auch rein private Inhalte aufweisen würden. E-Mail-Postfächer seien eben keine elektronischen Aktenverwaltungssysteme von Behörden, sondern lediglich von diesen ihren Bediensteten zur Verfügung gestellte Speicherkapazitäten im Zusammenhang mit den ebenfalls zur Verfügung gestellten elektronischen Adressen. Zwar wolle der – die IKT-NV der Bundesregierung näher konkretisierende – Erlass des Bundesministers für Finanzen "Informationssicherheit und Datenschutz im Arbeitsalltag" die dauerhafte Speicherung von privaten E-Mails grundsätzlich ausschließen. Es sei jedoch angesichts der gemäß § 5 Abs 1 IKT-NV zulässigen Verwendung der dienstlichen E-Mail-Adresse für private Zwecke im Lichte der allgemeinen Lebenserfahrung naheliegend und im Hinblick auf die erheblich eingeschränkten Kontroll- und Einschaurechte des Dienstgebers gemäß § 79e ff. BDG (bzw iVm § 29n VBG) und § 5 Abs 3 IKT-NV nicht auszuschließen, dass das einem Bediensteten zugeordnete Postfach auch private E-Mails enthalte. Dies sei solange vor dem Hintergrund der IKT-NV hinzunehmen, als nicht durch die Inanspruchnahme hoher Speicherkapazitäten die Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der IKT-Infrastruktur beeinträchtigt werde. In diesem Sinn seien auch die dem Antrag vom vorangehenden Aufforderungen zur Aktenvorlage geradezu mit Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass die E-Mail-Postfächer auch private E-Mails enthielten.
Es müsse vor diesem Hintergrund nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen auch der Frage nicht näher nachgegangen werden, ob Art 53 Abs 3 B-VG überhaupt einen Eingriff in die – auch unional abgesicherte (Art8 GRC) – Grundrechtssphäre von öffentlich Bediensteten in Form eines Zugriffs auf deren gemäß Art 8 EMRK geschützte private Korrespondenz erlauben könnte. Nur so viel sei dazu ausgeführt: Der Verfassungsgerichtshof habe zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Aktenvorlagepflicht nach Art 53 Abs 3 B-VG festgestellt, dass angeforderte Akten und Unterlagen vom informationspflichtigen Organ im Umfang des Untersuchungsgegenstandes ohne Rücksicht auf sonst bestehende Verschwiegenheitspflichten ungeschwärzt (unabgedeckt) vorzulegen seien (vgl dazu insbesondere VfSlg 19.973/2015, Punkt IV.2.7., worauf in den Folgeerkenntnissen regelmäßig Bezug genommen werde). Diese Aussage habe sich jedoch durchwegs bloß auf Unterlagen bezogen, für die die Zurechenbarkeit zum vorlagepflichtigen Organ vollends außer Streit gestanden sei und lediglich der Inhalt der streitverfangenen Dokumente grundrechtlich geschützte Informationen aufgewiesen habe. In dieser Konstellation habe es der Verfassungsgerichtshof aus grundrechtlicher Sicht für ausreichend angesehen, dass die betreffenden Unterlagen vom informationspflichtigen Organ nach dem InfOG in Abhängigkeit von deren Schutzwürdigkeit kategorisiert werden könnten und der Untersuchungsausschuss und dessen Mitglieder – unabhängig davon – diese Unterlagen jedenfalls nicht schrankenlos, sondern nur nach sorgfältiger Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses und widerstreitender Geheimhaltungsinteressen verwenden dürften (zu den diesbezüglichen Schranken vgl insbesondere VfSlg 19.973/2015, Punkt IV.2.9.). Im Unterschied dazu habe der Verfassungsgerichtshof zur hier relevanten Frage des Verhältnisses von Art 53 Abs 3 B-VG zum grundrechtlichen Schutz von Dokumenten, für die es (zumindest in ihrer Gesamtheit) an einer solchen Zurechenbarkeit mangle, bislang noch nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Abgesehen davon, dass in diesem Zusammenhang auch andere Grundrechte als die datenschutzrechtlichen Garantien nach § 1 DSG, Art 8 EMRK und Art 8 GRC berührt sein könnten (gerade im Zusammenhang mit E-Mails sei – zumindest solange diese auf dem Server des Providers gespeichert seien – insbesondere an das Fernmeldegeheimnis gemäß Art 10a StGG zu denken), deren besondere Schutzmechanismen – wie etwa der Richtervorbehalt des Fernmeldegeheimnisses – durch die Befugnisse von Untersuchungsausschüssen nicht umgangen werden dürften, mache es gerade auch im Kontext der parlamentarischen Kontrolle einen – nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen verfassungsrechtlich relevanten – Unterschied, ob grundrechtlich schutzwürdige Informationen über Privatpersonen im Rahmen der (gesetzlich geregelten und mit Rechtsschutzmechanismen versehenen) Tätigkeit des informationspflichtigen Organs gesammelt und aus diesem Grund beim Organ vorhanden seien, oder ob es sich um Dokumente handle, deren Berührungspunkt zur amtlichen Tätigkeit lediglich darin bestehe, dass sie auf einem Server oder einem PC des Ministeriums gespeichert seien oder – um einen Vergleich zur analogen Welt zu bemühen – sich faktisch in den Räumlichkeiten der Dienststelle befinden würden. Art 53 Abs 3 B-VG ziele darauf ab, Untersuchungsausschüssen des Nationalrates den Kenntnisstand grundsätzlich aller staatlichen Stellen zugänglich zu machen und deren Kontrolltätigkeit durch die Möglichkeit des Zugriffs auf andernorts bereits vorhandene (gegebenenfalls auch unter Zuhilfenahme von Zwangsbefugnissen beschaffte) Informationen zu erleichtern. Die in dieser Bestimmung verankerte Vorlagepflicht bezwecke hingegen nicht, Dokumente aus der privaten in die staatliche Sphäre überzuführen und so einem Untersuchungsausschuss zugänglich zu machen. Für diesen Zweck wäre allenfalls das Instrument der "Ersuchen um Beweiserhebung" dienstbar zu machen, das allerdings – soweit es um mehr als bloß auf freiwilliger Basis geführte Ermittlungen gehe – unter dem Gesetzesvorbehalt des Art 53 Abs 5 B-VG stehe, der bislang von der einfachen Gesetzgebung noch nicht näher ausgeführt worden sei. Im Lichte dessen bestehe beispielsweise ein substantieller Unterschied zwischen personenbezogenen Daten, die – auch wenn sie sensibel sein mögen – in einem Personalakt der Behörde enthalten seien, und privater E-Mail-Korrespondenz oder privaten Dateien (zu denen nicht nur Textdokumente, sondern etwa auch Fotos gehören würden) auf einem PC oder Server eines Ministeriums. Während der Personalakt – allenfalls entsprechend klassifiziert – bei einem entsprechenden Bezug zum Untersuchungsgegenstand unstreitig vorzulegen sei, handle es sich bei den privaten Dateien um Unterlagen, die nicht dem vorlagepflichtigen Organ zuzurechnen seien und von der Vorlagepflicht daher auch nicht umfasst seien.
Im Ergebnis ergebe sich damit folgender Befund: Soweit E-Mails und sonstige elektronische Dateien nicht – insbesondere durch entsprechende Veraktung – zum Gegenstand des herkömmlichen Dienstbetriebs geworden und damit in die Verfügungsgewalt des Bundesministers für Finanzen übergegangen seien, handle es sich bei ihnen noch gar nicht um seine Akten und Unterlagen iSd Art 53 Abs 3 B-VG. Sie würden daher auch noch keinen unmittelbaren Gegenstand der in dieser Bestimmung verankerten Vorlagepflicht bilden. Das Begehren des Ibiza-Untersuchungsausschusses bzw eines Viertels seiner Mitglieder auf Vorlage der gesamten, auch rein private Dokumente umfassenden E-Mail-Postfächer und weiterer elektronischer Datenbestände bestimmter MitarbeiterInnen des Bundesministeriums für Finanzen sei durch diese Bestimmung daher nicht gedeckt. Der Antrag vom sei insoweit als unbegründet abzuweisen.
Ungeachtet dessen habe sich der Bundesminister für Finanzen allerdings – in verfassungskonformer Interpretation des in Rede stehenden Vorlagebegehrens – für verpflichtet erachtet, unter Zuhilfenahme der ihm als Vertreter des Dienstgebers Bund zur Verfügung stehenden Instrumente innerhalb der angeforderten Gesamtbestände eine Selektion zwischen jenen Dokumenten herbeizuführen, die der privaten Sphäre der Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen zuzurechnen seien, und jenen, die dienstlichen Bezug hätten und Berührungspunkte zum Untersuchungsgegenstand eines Untersuchungsausschusses aufweisen würden. Diesen Überlegungen folgend seien schon nach dem grundsätzlichen Beweisbeschluss des Ibiza-Untersuchungsausschusses alle MitarbeiterInnen des Bundesministeriums für Finanzen (mit der daraus resultierenden Konsequenz einer möglichen disziplinarrechtlichen Verfolgung im Falle der Nichtbefolgung) angewiesen worden, alle für den Untersuchungsgegenstand dieses Ausschusses einschlägigen Unterlagen in ihrem Verfügungsbereich, einschließlich aller gegenstandsbezogenen E-Mails, vorzulegen, um eine möglichst lückenlose Erfüllung des Vorlagebegehrens des Ausschusses sicherzustellen; in der Folge sei auch eine entsprechende Übermittlung an den Untersuchungsausschuss vorgenommen worden. Für ein über dieses Maß hinausgehendes Eingehen auf die Anforderungen des Untersuchungsausschusses fehle jegliche Rechtsgrundlage.
Nur am Rande sei angemerkt, dass sich die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen privater und dienstlicher Sphäre keineswegs nur im digitalen, sondern auch im analogen Bereich ergebe. Auch nicht jedes auf nicht-elektronischem Datenträger gespeicherte Dokument könne schon allein deshalb, weil es sich im Ministerium (und daher im Einzugsbereich des ministeriellen Hausrechts) befinde, als (potentiell vorlagepflichtige) Unterlage des Ministers qualifiziert werden. Dem Minister stünde es auch nicht ohne Weiteres zu, alle Räumlichkeiten des Ministeriums zu durchsuchen bzw durchsuchen zu lassen und alle dort vorhandenen Gegenstände (allenfalls unter Anwendung von Zwang) an sich zu nehmen. Insofern müsste auch die – nur an Hand des Datenträgermediums vom vorliegenden Verlangen zu unterscheidende – Aufforderung ins Leere gehen, unterschiedslos alle Papiere einschließlich Fotos und anderer Dokumente aus bestimmten Büros von Bediensteten dem Untersuchungsausschuss vorzulegen. Die Selektion würde auch in diesem Kontext nicht anders verlaufen als beim in Rede stehenden Vorlageersuchen: Die betreffenden MitarbeiterInnen würden per Weisung dazu verpflichtet, alle der dienstlichen Sphäre zuzurechnenden Dokumente von ihren Privatsachen zu scheiden und lediglich erstere im Umfang des Untersuchungsgegenstandes dem Minister für Zwecke des Untersuchungsausschusses zur Verfügung zu stellen.
3.2.2. Fehlende abstrakte Relevanz der angeforderten Dateien:
Der vorliegende Antrag erweise sich freilich nicht nur insoweit als unbegründet, als er – auf Grundlage der verfehlten Annahme, dass die im Vorlagebegehren angesprochenen Accounts ausschließlich dienstlich relevante Dokumente enthalten könnten – undifferenziert die Feststellung einer Pflicht des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage ganzer E-Mail-Postfächer und sonstiger Gesamtbestände an elektronischen Dokumente begehre. Vielmehr gehe er auch insoweit über den durch Art 53 Abs 3 B-VG für zulässig erklärten Rahmen hinaus, als er sich im Rahmen von der dienstlichen Sphäre zuzurechnenden E-Mails und sonstigen Dokumenten auf die Vorlage gesamter E-Mail-Postfächer sowie aller (elektronischen) Dateien von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen richte.
Die Befugnis zu einem derart umfassenden Verlangen nach Gesamtbeständen werde allein damit begründet, dass die im Antrag genannten Bediensteten "auf Grund der Geschäftsverteilung des BMF für die Beteiligungsverwaltung zuständig sind, entsprechende Leitungsfunktionen im Hinblick auf die Beteiligungsverwaltung haben oder für den Bund entsprechende Aufgaben in ausgegliederten Unternehmungen oder Unternehmungen, an denen der Bund Anteile hält, wahrnehmen" (Seite 20 des Antrages). Eine derart weitgehende Informationsanforderung müsste jedoch – selbst bei Bedachtnahme auf den "weit formulierten Untersuchungsgegenstand" – im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu – insofern vergleichbaren – Einsichtsverlangen des Rechnungshofes (VfSlg 19.910/2014) auf der Grundlage nachvollziehbarer Fakten begründen, weshalb "vollständige E-Mail-Postfächer" und damit die gesamte elektronische Korrespondenz von Bediensteten und auch alle sonstigen am PC oder serverseitig gespeicherten Dateien dieser Personen in ihrer Gesamtheit einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufweisen würden. Eine solche Begründung sei in casu augenscheinlich nicht vorhanden.
Die abstrakte Relevanz eines "vollständigen E-Mail-Postfaches" oder sämtlicher Dateien von Bediensteten liege nach Ansicht des informationspflichtigen Organs nicht schon allein deshalb vor, weil sich unter den E-Mails eines Postfaches und unter den gespeicherten Dateien neben anderen Dokumenten auch solche befinden würden, die für den Untersuchungsgegenstand (abstrakt) von Relevanz sein könnten. Vielmehr beschränke sich die Vorlagepflicht gemäß Art 53 Abs 3 B-VG auch im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich auf Akten und Unterlagen, die selbst in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden und insoweit abstrakt geeignet seien, zu den Ermittlungen des Untersuchungsausschusses beizutragen. Dass – selbst bei Außerachtlassung der privaten E-Mails und Dateien – nicht die gesamte dienstliche Korrespondenz und alle gespeicherten Dateien von Bediensteten einen relevanten Bezug zum konkreten Untersuchungsgegenstand aufweisen könnten, müsse als notorisch gelten. Das Vorlagebegehren sei demnach auch insoweit – im Vergleich zur einschlägigen Rechtsgrundlage in Art 53 Abs 3 B-VG – überschießend.
Eine nähere Betrachtung unterstreiche dieses Ergebnis: Die Beteiligungsverwaltung des Bundesministeriums für Finanzen, die nach der Begründung des Antrages ganz allgemein die abstrakte Relevanz aller E-Mails und Dateien zeigen solle, werde durch den Untersuchungsgegenstand nur partiell berührt, namentlich im Hinblick auf die Untersuchung einer "Einflussnahme auf die Casinos Austria AG" (litb), die "Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe" (lite) sowie die "Bestellung von Organen [...], an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist". Es sei vor diesem Hintergrund evident, dass etwa das E-Mail-Postfach von MMag. G. auch solche E-Mails enthalte, für die ein Zusammenhang mit diesem Untersuchungsgegenstand von vornherein nicht in Betracht komme: Zu diesen E-Mails würden etwa solche zu Angelegenheiten des Personals der Abteilung zählen (zB zu Krankenständen, Urlauben usw). Die von MMag. G. geleitete Abteilung habe außerdem nicht nur die Agenden "Beteiligungen", sondern auch die Agenden "Liegenschaften" zu besorgen. Ferner sei MMag. G. Leiterin der Gruppe I/B, der neben ihrer auch die Abteilungen "Personal und Organisation – BMF – Zentralleitung", "Beschaffung und Infrastruktur" sowie "Personalentwicklung" angehören würden. Sie sei stellvertretende Leiterin der Sektion I mit den – ebenfalls weit über den Untersuchungsgegenstand hinausgehenden – Aufgaben "Finanzverwaltung, Management und Services". Soweit die Antragsbegründung abschließend die Organwalterschaft der Bediensteten in Organen von Unternehmungen anspreche, sei zu bedenken, dass es sich dabei um Tätigkeiten in Organen von eigenständigen, von den Gebietskörperschaften verschiedenen juristischen Personen handle, die als solche nicht Gegenstand der Untersuchung des Untersuchungsausschusses sein könnten. Insgesamt würden diese Beispiele deutlich zeigen, dass die Vorlage "vollständiger E-Mail-Postfächer" geradezu zwingend auch solche E-Mails umfassen würde, deren Relevanz für den Untersuchungsgegenstand von vornherein auszuschließen sei.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen bisherigen Judikaten zu Art 53 Abs 3 B-VG zu Recht betone, sei es zunächst Sache der vorlagepflichtigen Organe, zu beurteilen, welche ihrer Akten und Unterlagen diese abstrakte Relevanz aufweisen würden (so VfSlg 19.973/2015, Punkt IV.2.10.; zuletzt auch wieder ausdrücklich UA3/2020, Rz 153). In diesem Sinne habe der Bundesminister für Finanzen im zuvor bereits beschriebenen Sinne schon auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses selbstverständlich sämtliche E-Mails und Dateien eruiert, die für den Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses abstrakt relevant seien, und diese – wie nochmals zu betonen sei – auch tatsächlich vorgelegt. Wie dies in einer arbeitsteiligen Organisation wie jener eines Bundesministeriums nicht anders vorstellbar sei, sei dies unter Einbeziehung aller MitarbeiterInnen des Bundesministeriums für Finanzen geschehen, die per Weisung (mit den bereits angesprochenen dienstrechtlichen Konsequenzen) zur Identifikation aller einschlägigen Dokumente verpflichtet worden seien.
Wenn nun die AntragstellerInnen behaupten würden, dass diese Eingrenzung des Vorlageumfangs unrechtmäßig gewesen sei und der Untersuchungsausschuss nur durch Vorlage sämtlicher E-Mail-Korrespondenz und sonstiger elektronischer Dateien bestimmter MitarbeiterInnen zu einer effektiven Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe befähigt wäre, weil nur so die Möglichkeit bestünde, ein Gesamtbild der Interaktionen der betroffenen Bediensteten und ihrer Involvierung in den Untersuchungsgegenstand zu erhalten, würden sie die Funktion der Aktenvorlagepflicht gemäß Art 53 Abs 3 B-VG nicht ausreichend beachten. Wie sich aus deren umfassenden persönlichen Anwendungsbereich ergebe, sei diese Pflicht nicht bloß an Organe adressiert, die selbst Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung seien. Zur Vorlage verpflichtet seien vielmehr alle staatlichen Organe, unabhängig von ihrer Involvierung in den aufzuklärenden Sachverhalt. Diese würden dazu angehalten, den Untersuchungsausschuss bei der Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe dadurch zu unterstützen, dass sie ihm durch Übermittlung aller vorhandenen themeneinschlägigen Dokumente ihren gesamten einschlägigen Wissensstand (und damit den Kenntnisstand des Staates insgesamt) zur Verfügung stellen würden, auch um gewisse Defizite der den Untersuchungsausschüssen übertragenen Zwangsbefugnisse teilweise zu kompensieren. Im Gegensatz zu den einschlägigen Befugnissen des Rechnungshofes, dessen Kompetenz zur Anforderung von und Einsichtnahme in Unterlagen sich stets nur auf die jeweilige geprüfte Stelle beziehe, begründe Art 53 Abs 3 B-VG für Untersuchungsausschüsse somit kein eigenständiges Kontrollrecht. Sein Inhalt beschränke sich vielmehr darauf, diesen Ausschüssen ein (im Wege von Anträgen nach Art 138b B-VG beim Verfassungsgerichtshof durchsetzbares) Recht auf Unterstützung durch die Bereitstellung von Informationen einzuräumen. Vorlageberechtigter Untersuchungsausschuss (respektive eine qualifizierte Minderheit desselben) und vorlagepflichtiges Organ stünden sich im Rahmen des Art 53 Abs 3 B-VG somit nicht als Kontrollor und Kontrollierter gegenüber, sondern als zwei staatliche Organe, die im Interesse des Gemeinwohls, dem sie beide von Verfassungs wegen verpflichtet seien, gemeinsam zur Aufklärung aufklärungswürdiger Sachverhalte beitragen würden. In einer solchen Beziehung sei es aber nicht angezeigt, dem zur Unterstützung verpflichteten Organ mit dem Generalverdacht entgegenzutreten, seiner Unterstützungspflicht nur unzureichend nachgekommen zu sein und die Vollständigkeit der geschuldeten Übermittlung vor diesem Hintergrund selbst kontrollieren zu wollen. Es bedürfe vielmehr entsprechenden wechselseitigen Vertrauens. Dies gelte umso mehr, als der zur Vorlage verpflichtete Bundesminister im Rahmen der Ministerverantwortlichkeit für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten im Amt hafte und die Bediensteten des Ministeriums mit dienstrechtlichen (und allenfalls auch strafrechtlichen) Konsequenzen zu rechnen hätten, wenn sie bei der Erfüllung ihrer Unterstützungsaufgabe rechtswidrig handeln würden.
Ziehe man diesen Telos des Art 53 Abs 3 B-VG ins Kalkül, bestätige dies die Rechtswidrigkeit des dem vorliegenden Antrag zugrunde liegenden Ansinnens, unter Berufung auf deren angebliche abstrakte Relevanz die "vollständigen E-Mail-Postfächer", gespeicherten Dateien und von bestimmten Personen empfangenen E-Mails selbst in Augenschein nehmen zu wollen, diene dies doch nur dem Art 53 Abs 3 B-VG nicht immanenten Zweck, selbst überprüfen zu können, ob die seitens des vorlagepflichtigen Organs vorgenommene Selektion rechtmäßig gewesen sei. Dass in casu das vorlagepflichtige Organ selbst zum Teil Kontrollobjekt des Untersuchungsausschusses sei, vermöge an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Art 53 Abs 3 B-VG differenziere eben nicht zwischen Organen, die Gegenstand der Untersuchung seien, und solchen, die damit nichts zu tun hätten. Der Umfang der Verpflichtung sei damit für alle Organe derselbe und bleibe damit für alle Organe auf das zuvor beschriebene Kooperationskonzept beschränkt.
Da "abstrakte Relevanz" somit anders zu beurteilen sei als von den antragstellenden Abgeordneten und nur jenen Akten und Unterlagen des Bundesministeriums für Finanzen zukomme, die einen inhaltlichen Bezug zum Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses aufweisen würden, es aber notorisch ausgeschlossen sei, dass abstrakte Relevanz in diesem Sinne den "vollständigen E-Mail-Postfächern", sämtlichen lokal und serverseitig gespeicherten Dateien und sämtlichen von bestimmten Personen empfangenen E-Mails zukommen könne, sei das auf die Vorlage all dieser Unterlagen gerichtete Verlangen somit auch aus diesem Grund unbegründet.
3.2.3. Keine Verletzung der Begründungspflicht:
Da ohnehin bereits alle angeforderten E-Mails und Dateien vorlegt worden seien, die eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand aufweisen würden, sei – vor dem Hintergrund des zuvor Gesagten – ohnehin dem Vorlagebegehren vollständig entsprochen worden. So seien von MMag. G. und ihrer Abteilung bereits auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses vom 7.134 elektronische Dokumente, darunter auch E-Mails, vorgelegt worden. Darüber hinaus seien auch bereits von den genannten Sendern empfangene E-Mails (Z7 des ergänzenden Beweisbeschlusses) vorgelegt worden.
Die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Begründung, dass Akten oder Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien (VfSlg 19.973/2015), setze außerdem voraus, dass das Vorlagebegehren in Bezug auf die Akten oder Unterlagen selbst hinreichend auf Grund nachvollziehbarer Fakten und einer darauf aufbauenden Begründung bestimmt sei. Nur unter dieser Voraussetzung sei es dem informationspflichtigen Organ überhaupt möglich, die Nichtvorlage näher zu begründen. Im vorliegenden Fall sei die Vorlage vollständiger E-Mail-Postfächer sowie aller elektronischen Dateien von Bediensteten, also schlichtweg die Vorlage sämtlicher Daten, die auf einem bestimmten Trägermedium vorhanden seien, gefordert worden. Ein derartiges, lediglich durch das Trägermedium konkretisiertes Begehren schließe von vornherein eine nähere Begründung aus, weshalb einzelne E-Mails nach Ansicht des verpflichteten Organs keine abstrakte Relevanz aufweisen würden. Es müsste dazu auf den konkreten Inhalt von Tausenden E-Mails begründend eingegangen werden. Ebenso wenig käme es (rechtlich und faktisch) in Betracht, die – im Hinblick auf die abstrakte Relevanz – differenzierende Entsprechung des Begehrens, alle auf dem Trägermedium Papier vorhandenen Informationen aus den Büros von Bediensteten vorzulegen, unter konkreter Bezugnahme auf nicht vorgelegte Unterlagen zu begründen.
Die vom Bundesminister für Finanzen in der Beantwortung der vorliegenden Aufforderungen zur Aktenvorlage gegebene Begründung sei somit ausreichend gewesen und biete – auch im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – keinen Anlass, den vorliegenden Antrag im Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen als inhaltlich begründet anzusehen.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs.
1.2. Nach Art 53 Abs 3 erster Satz B-VG haben ua alle Organe des Bundes einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ua ihre Akten und Unterlagen vorzulegen. Gemäß § 27 Abs 1 erster Satz und Abs 3 VO-UA haben ua Organe des Bundes Beweisbeschlüssen iSd § 24 leg cit und ergänzenden Beweisanforderungen iSd § 25 leg cit unverzüglich zu entsprechen, bei einem Nicht- oder teilweisem Entsprechen ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten. Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß § 27 Abs 1 oder 3 VO-UA nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ gemäß § 27 Abs 4 leg cit (schriftlich begründet) auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Nach § 27 Abs 5 leg cit entscheidet der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist des § 27 Abs 4 VO-UA anruft oder der Ausschuss eine Anrufung auf Grund eines schriftlichen Antrages nach Ablauf der Frist des § 27 Abs 4 leg cit beschließt. Ein solcher Antrag ist nach § 56f Abs 1 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß § 27 Abs 4 VO-UA zwei Wochen vergangen sind. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach § 56f Abs 3 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.
1.3. In der 29. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am wurde der Bundesminister für Finanzen gemäß § 27 Abs 4 VO-UA (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen näher bezeichnete Akten und Unterlagen vorzulegen. Diese Aufforderung wurde dem Bundesminister für Finanzen am zugestellt, sodass die zweiwöchige (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA am geendet hat.
1.4. Nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach-)Frist des § 27 Abs 4 VO-UA können binnen zwei Wochen von allen dazu Berechtigten Anträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt werden (vgl § 27 Abs 5 leg cit und § 56f Abs 1 VfGG). Der nicht im Wege des Präsidenten des Nationalrats gemäß § 106 GOG-NR eingebrachte, auf Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG gestützte Antrag von vier Mitgliedern des aus 13 Mitgliedern bestehenden Ibiza-Untersuchungsausschusses vom erweist sich somit als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses gestellt. Die Einhaltung der Bestimmung des § 106 GOG-NR bildet keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ( UA4/2020 mwN).
1.5. Der Begriff der Meinungsverschiedenheit wird für Verfahren nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG – anders als für jene nach Art 126a B-VG (vgl § 36a Abs 1 VfGG) – nicht definiert. Das Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers, das Art 53 Abs 3 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG zugrunde liegt und das in § 27 VO-UA sowie in § 56f VfGG näher ausgestaltet wird, lässt jedoch deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann, um die Klärung einer konkreten Meinungsverschiedenheit, im vorliegenden Fall der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Untersuchungsausschuss vorgebrachten Begründung für die teilweise oder gänzliche Ablehnung der Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, herbeizuführen. Einem solchen Antrag hat zwingend die an das Organ gerichtete (schriftlich begründete) Aufforderung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder voranzugehen, innerhalb einer (Nach-)Frist von zwei Wochen der Verpflichtung zur unverzüglichen Entsprechung von Beweisbeschlüssen und/oder ergänzenden Beweisanforderungen nachzukommen, wenn das Organ dieser (in der Aufforderung näher zu umschreibenden) Verpflichtung nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder bis dahin nicht oder ungenügend nachgekommen ist. Diese Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA stellt den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG dar. Ein Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs an den Verfassungsgerichtshof konkretisiert schließlich das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand des Verfassungsgerichtshofes. Das Thema seiner Entscheidung ist jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (vgl UA3/2020 mwN).
1.6. In der Begründung der Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA wird auf das Verlangen vom Bezug genommen, mit dem die Vorlage näher bezeichneter Akten und Unterlagen begehrt wurde, "die von zumindest abstrakter Relevanz in Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand sein könnten". In der Begründung des genannten Verlangens heißt es zudem ua zu dem Punkt 1. des vorliegenden Antrages entsprechenden Punkt 4.:
"Es versteht sich von selbst, dass den Rahmen der Vorlage der Untersuchungsgegenstand bildet und daher etwa rein private Dateien und Kommunikation nicht erfasst ist. Erneut hingewiesen wird jedoch auf die Judikatur des VfGH, wonach dem Untersuchungsausschuss alles vorzulegen ist, was für seine Tätigkeit auch nur von abstrakter Relevanz sein könnte."
Das Begehren auf Vorlage von "vollständigen E-Mail-Postfächern sowie lokal oder serverseitig gespeicherte[n] Dateien" näher bezeichneter Bediensteter der Abteilung I/5 ist vor diesem Hintergrund dahingehend zu verstehen, dass diese Akten und Unterlagen von zumindest (potentieller) abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sein müssen, und geht davon aus, dass in den E-Mail-Postfächern sowie lokal und serverseitig gespeicherten Dateien jedenfalls auch rein private Dateien und Kommunikation vorhanden sein können, die nicht von einer Vorlageverpflichtung erfasst sind.
1.7. Sein Begehren formuliert das einschreitende Viertel der Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses folgendermaßen:
"Da der Bundesminister für Finanzen seine Verpflichtung gemäß Art 53 Abs 3 B-VG zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss im Umfang des Gegenstands der Untersuchung teilweise abgelehnt hat, stellen wir gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG binnen offener Frist den
Antrag,
der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Bundesminister für Finanzen verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss
1.die vollständigen E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];
2.von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.]
aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen."
1.8. Sowohl aus der Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA (vgl insbesondere die oben erwähnte Bezugnahme auf das Verlangen vom ) als auch aus der Begründung des vorliegenden Antrages (vgl insbesondere die soeben wiedergegebene Einleitung des Begehrens) geht in hinreichend konkreter Weise hervor, dass sich der Antrag gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG lediglich auf die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Begründung für die teilweise oder gänzliche Ablehnung der Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss im Rahmen seines Untersuchungsgegenstandes bezieht (vgl UA3/2020 mwN).
Insoweit erweist sich der Antrag als zulässig.
1.9. Hingegen gehen die Einschreiter in der Begründung ihres Antrages erstmals – und im Unterschied zu ihren Verlangen vom 30. September und sowie ihrer Aufforderung gemäß § 27 Abs 4 VO-UA – davon aus, es könne ausgeschlossen werden, dass sich in dienstlichen E-Mail-Postfächern reine Privatangelegenheiten finden würden, und begehren die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage von "vollständigen E-Mail-Postfächern sowie lokal oder serverseitig gespeicherte[n] Dateien" näher bezeichneter Bediensteter der Abteilung I/5. Über dieses neue Rechtsverständnis im Hinblick auf rein private Dateien und Kommunikation, das bislang dem Bundesminister für Finanzen gegenüber nicht zur Kenntnis gebracht wurde und den Umfang seiner Vorlageverpflichtung erweitert, besteht allerdings keine (aktuelle) Meinungsverschiedenheit zwischen diesem und einem Viertel der Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses (vgl VfSlg 19.910/2014 zu einem Verfahren nach Art 126a B-VG).
Der Antrag erweist sich daher insoweit als unzulässig.
1.10. Der Bundesminister für Finanzen hat in seiner Äußerung und in einem weiteren Schriftsatz vorgebracht, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits 7.134 sowie 153 E-Mails und elektronische Dateien der Abteilung I/5 vorgelegt zu haben (für diese sei seitens der Sektionsleitung eine Vollständigkeitserklärung abgegeben worden), was von den Antragstellern nicht bestritten worden ist. Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens besteht insoweit keine Vorlageverpflichtung des Bundesministers für Finanzen mehr.
Der Antrag erweist sich daher als unzulässig, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage dieser bereits vorgelegten Akten und Unterlagen bezieht (vgl UA1/2018).
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem Verfahren zur Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit gemäß Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken. Er hat sohin im vorliegenden Fall ausschließlich zu beurteilen, ob die teilweise oder gänzliche Ablehnung der Vorlage von Akten und Unterlagen aus den gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgebrachten Gründen zu Recht erfolgt ist oder nicht.
2.2. Die einschreitenden Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses vertreten zusammengefasst die Meinung, bei den vollständigen E-Mail-Postfächern sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der namentlich genannten Bediensteten der Abteilung I/5 handle es sich um elektronische Dateien von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen, die nach dessen Geschäftsverteilung für die Beteiligungsverwaltung zuständig seien, entsprechende Leitungsfunktion im Hinblick auf die Beteiligungsverwaltung hätten oder für den Bund entsprechende Aufgaben in ausgegliederten Unternehmungen oder Unternehmungen wahrnehmen würden, an denen der Bund Anteile halte. Angesichts des weit formulierten Untersuchungsgegenstandes bestehe kein Zweifel daran, dass diese Akten und Unterlagen zumindest eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand hätten bzw haben könnten.
Bei den von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangenen E-Mails von namentlich genannten Personen handle es sich um die Korrespondenz von (ehemaligen) KabinettsmitarbeiterInnen des damaligen Bundesministers für Finanzen, denen in der täglichen Verwaltungspraxis eine wesentliche Rolle zukomme, weil davon ausgegangen werde, sie würden den Willen des Bundesministers überbringen. Die Relevanz ihrer Korrespondenz mit Bediensteten des Bundesministeriums für den Untersuchungsgegenstand (der auch die mögliche Begünstigung von Dritten durch den jeweiligen Bundesminister und ihm direkt unterstellte Bedienstete umfasse) sei daher evident.
Bei der Verweigerung der Aktenvorlage verweise der Bundesminister für Finanzen pauschal darauf, dass die vom Untersuchungsausschuss begehrten Akten und Unterlagen nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss stünden, obwohl der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 ausgeführt habe, dass ein solches Vorbringen hinreichend detailliert zu begründen sei und eine bloße Behauptung nicht ausreiche. Da der Bundesminister für Finanzen seiner diesbezüglichen Begründungspflicht im Hinblick auf die von den Antragstellern begehrten Akten und Unterlagen nicht nachgekommen sei, sei er zur Vorlage dieser Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss verpflichtet.
Der Bundesminister für Finanzen habe die ergänzende Beweisanforderung vom unzulässig einschränkend interpretiert, indem er die Aktenvorlage auf jene Akten und Unterlagen beschränkt habe, die aus seiner Sicht in unmittelbarem, materiellem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden, obwohl in dieser Beweisanforderung ausdrücklich festgestellt worden sei, dass die genannten Akten und Unterlagen aus Sicht des Untersuchungsausschusses von abstrakter Relevanz seien. Dadurch habe der Bundesminister für Finanzen die Informationserlangung des Untersuchungsausschusses rechtswidrig behindert.
Der Untersuchungsausschuss habe die Relevanz der begehrten Akten und Unterlagen für die Untersuchung in der ergänzenden Beweisanforderung konkret und im Einzelnen begründet. Aus dem Untersuchungsgegenstand, der ausdrücklich die Begünstigung von Dritten nenne, ergebe sich, dass auch die Korrespondenz der betroffenen Personen (die auf Grund der bisherigen Aktenlage als wesentlich für die Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss erachtet würden und einen offenkundigen Bezug zum Untersuchungsgegenstand hätten) mit Dritten von der Beweisanforderung erfasst sein müsse, um dem Kontrollauftrag des Untersuchungsausschusses nachzukommen. Aus diesem Grund sei es auch erforderlich, Einsicht in die vollständigen Postfächer der genannten Personen im Untersuchungszeitraum zu erhalten, weil nur dadurch im Fremdvergleich Abweichungen von Regelprozessen, Mängel in der Dokumentation sowie informelle Verbindungen bzw Verpflichtungen zu Dritten, die auf die vom Untersuchungsgegenstand erfassten Themen zurückwirken würden, erkannt werden könnten.
Schließlich sei der Einwand des Bundesministers für Finanzen unberechtigt, die DSGVO verbiete eine Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss. Einerseits bestehe keine rechtliche Grundlage für die Übermittlung von Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, die nicht einmal von abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sein könnten. Andererseits habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 festgehalten, dass einer bestehenden Vorlageverpflichtung kein über die in Art 53 B-VG enthaltenen Ausnahmen hinausgehender Grund entgegengehalten werden könne.
2.3. Demgegenüber vertritt der Bundesminister für Finanzen zusammengefasst die Ansicht, mit dem vorliegenden Antrag würde eine Vorlage begehrt, die nicht von Art 53 Abs 3 B-VG gedeckt sei. Nach dieser Bestimmung seien die dort genannten Organe dazu verpflichtet, einem Untersuchungsausschuss auf dessen Verlangen "ihre" Akten und Unterlagen vorzulegen, womit die Notwendigkeit einer Zurechenbarkeit der vorzulegenden Dokumente zum vorlagepflichtigen Organ und eine diesbezügliche Verfügungsberechtigung zum Ausdruck gebracht werde (dafür reiche es nicht aus, dass elektronische Dokumente auf einem PC oder einem Server des Bundesministeriums für Finanzen gespeichert seien). Es müsse zwischen (digitalen wie analogen) Dokumenten unterschieden werden, die nach Entstehung und Inhalt tatsächlich der dienstlichen Sphäre des Ministeriums zugerechnet werden könnten, und solchen, die rein privater Natur seien (was auch in einem gewissen Umfang rechtlich zulässig sei [vgl § 79d BDG und § 29n VBG sowie die auf diesen Rechtsgrundlagen von der Bundesregierung erlassene IKT-NV]). Erstere seien – bei entsprechendem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand – einem Untersuchungsausschuss zu übermitteln; Letztere würden von der Vorlagepflicht gemäß Art 53 Abs 3 B-VG nicht erfasst (der Minister würde sich bei einer dennoch erfolgenden Übermittlung gegenüber den betroffenen Bediensteten sogar einer Verletzung insbesondere datenschutzrechtlicher Bindungen schuldig machen). Der Bundesminister für Finanzen habe bereits nach dem grundsätzlichen Beweisbeschluss des Ibiza-Untersuchungsausschusses alle MitarbeiterInnen des Bundesministeriums für Finanzen (mit der daraus resultierenden Konsequenz einer möglichen disziplinarrechtlichen Verfolgung im Falle der Nichtbefolgung) angewiesen, alle für den Untersuchungsgegenstand dieses Ausschusses einschlägigen Unterlagen in ihrem Verfügungsbereich (einschließlich aller gegenstandsbezogenen E-Mails) vorzulegen, um eine möglichst lückenlose Erfüllung des Vorlagebegehrens des Untersuchungsausschusses sicherzustellen (in der Folge sei auch eine entsprechende Übermittlung an den Untersuchungsausschuss vorgenommen worden). Für ein über dieses Maß hinausgehendes Eingehen auf die Aufforderungen des Untersuchungsausschusses fehle jegliche Rechtsgrundlage.
Eine so weitgehende Informationsanforderung wie die vorliegende müsste – selbst bei Bedachtnahme auf den "weit formulierten Untersuchungsgegenstand" – im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu insofern vergleichbaren Einsichtsverlangen des Rechnungshofes (vgl VfSlg 19.910/2014) auf Grundlage nachvollziehbarer Fakten begründen, warum "vollständige E-Mail-Postfächer" und damit die gesamte elektronische Korrespondenz von Bediensteten und auch alle sonstigen am PC oder serverseitig gespeicherten Dateien dieser Personen in ihrer Gesamtheit einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufweisen würden, was im konkreten Fall nicht geschehen sei. Die abstrakte Relevanz eines "vollständigen E-Mail-Postfaches" oder sämtlicher Dateien von Bediensteten liege nicht schon deshalb vor, weil sich unter den E-Mails eines Postfaches und unter den gespeicherten Dateien neben anderen Dokumenten auch solche befinden würden, die für den Untersuchungsgegenstand abstrakt von Relevanz sein könnten. Die Vorlagepflicht gemäß Art 53 Abs 3 B-VG beschränke sich nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vielmehr ausschließlich auf Akten und Unterlagen, die selbst in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden und insoweit abstrakt geeignet seien, zu den Ermittlungen des Untersuchungsausschusses beizutragen. Die Vorlage "vollständiger E-Mail-Postfächer" würde geradezu zwingend auch solche E-Mails umfassen, deren Relevanz für den Untersuchungsgegenstand von vornherein auszuschließen sei (so würde eine näher bezeichnete Person eine Abteilung sowie eine Gruppe leiten [zudem sei sie stellvertretende Leiterin einer Sektion], die auch für Agenden außerhalb des Untersuchungsgegenstandes zuständig seien). Der Bundesminister für Finanzen habe bereits auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses – unter Einbeziehung aller MitarbeiterInnen des Bundesministeriums für Finanzen per Weisung – sämtliche E-Mails und Dateien eruiert, die für den Untersuchungsgegenstand des Ibiza-Untersuchungsausschusses abstrakt relevant seien, und diese auch tatsächlich vorgelegt. Art 53 Abs 3 B-VG begründe für Untersuchungsausschüsse kein eigenständiges Kontrollrecht, sondern nur ein – im Wege der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes durchsetzbares – Recht auf Unterstützung durch die Bereitstellung von Informationen. Der vorlageberechtigte Untersuchungsausschuss (bzw eine qualifizierte Minderheit desselben) und das vorlagepflichtige Organ stünden sich im Rahmen des Art 53 Abs 3 B-VG somit nicht als Kontrollor und Kontrollierter gegenüber, sondern als zwei staatliche Organe, die im Interesse des Gemeinwohls gemeinsam zur Aufklärung aufklärungsbedürftiger Sachverhalte beitragen würden. In einer solchen Beziehung sei es nicht angezeigt, dem zur Unterstützung verpflichteten Organ mit dem Generalverdacht entgegenzutreten, seiner Unterstützungsverpflichtung nur unzureichend nachgekommen zu sein und die Vollständigkeit der geschuldeten Übermittlung selbst kontrollieren zu wollen; es bedürfe eines wechselseitigen Vertrauens, zumal der zur Vorlage verpflichtete Bundesminister im Rahmen der Ministerverantwortlichkeit für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten im Amt hafte und die Bediensteten des Bundesministeriums mit dienstrechtlichen und allenfalls auch strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätten, wenn sie bei der Erfüllung ihrer Unterstützungsaufgaben rechtswidrig handeln würden. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Rechtswidrigkeit des dem vorliegenden Antrag zugrunde liegenden Ansinnens, das nur dem Art 53 Abs 3 B-VG nicht immanenten Zweck diene, selbst überprüfen zu können, ob die seitens des vorlagepflichtigen Organs vorgenommene Selektion rechtmäßig gewesen sei (dass das vorliegende Organ im konkreten Fall selbst zum Teil Kontrollobjekt des Untersuchungsausschusses sei, ändere an dieser Einschätzung nichts).
Schließlich seien bereits alle angeforderten E-Mails und Dateien vorgelegt worden, die eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand aufweisen würden, sodass dem Vorlagebegehren ohnehin vollständig entsprochen worden sei. Dem informationspflichtigen Organ sei es nur dann überhaupt möglich, die Nichtvorlage näher zu begründen, wenn das Vorlagebegehren in Bezug auf die Akten oder Unterlagen selbst hinreichend auf Grund nachvollziehbarer Fakten und einer darauf aufbauenden Begründung bestimmt sei. Im vorliegenden Fall sei die Vorlage vollständiger E-Mail-Postfächer sowie aller elektronischen Dateien von Bediensteten gefordert worden. Ein derartiges, lediglich durch das Trägermedium konkretisiertes Begehren schließe von vornherein eine nähere Begründung aus, weshalb einzelne E-Mails nach Ansicht des verpflichteten Organs keine abstrakte Relevanz aufweisen würden, müsste doch auf den konkreten Inhalt von tausenden E-Mails begründend eingegangen werden (dies würde auch für das Trägermedium Papier gelten).
2.4. Art 53 Abs 3 B-VG verpflichtet ua die Organe des Bundes, einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen.
Die Einschreiter legen in ihrem Antrag dar, der Bundesminister für Finanzen sei seiner aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes abgeleiteten Begründungspflicht im Hinblick auf die von ihnen begehrten Akten und Unterlagen nicht nachgekommen, weshalb er zur Vorlage der in Rede stehenden Akten und Unterlagen verpflichtet sei.
Die Beurteilung der Vorlageverpflichtung und damit der Frage, ob für den Untersuchungsausschuss angeforderte Akten und Unterlagen gemäß Art 53 Abs 3 B-VG vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, obliegt zunächst dem informationspflichtigen Organ. Eine Ablehnung der Vorlage erfordert vom vorlagepflichtigen Organ die Behauptung, dass der sachliche Geltungsbereich von Art 53 Abs 3 B-VG mangels Vorliegens eines Zusammenhanges mit dem Untersuchungsgegenstand nicht gegeben ist. Der pauschale Verweis allein darauf, dass bestimmte Akten und Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, kann das Zurückhalten von Informationen allerdings nicht rechtfertigen. Neben der Behauptungspflicht trifft das Organ auch eine auf die einzelnen – von der sonst bestehenden Vorlagepflicht des Art 53 Abs 3 B-VG erfassten – Akten und Unterlagen näher bezogene, substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen (vgl UA3/2020 mwN).
Wie oben dargestellt, lässt das Art 53 Abs 3 und Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG zugrunde liegende und in § 27 VO-UA sowie in § 56f VfGG näher ausgestaltete Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers – trotz fehlender Definition des Begriffes Meinungsverschiedenheit für Verfahren nach Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG – deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann, um die Klärung einer konkreten Meinungsverschiedenheit, im vorliegenden Fall der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Untersuchungsausschuss vorgebrachten Begründung für die teilweise oder gänzliche Ablehnung der Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss, herbeizuführen. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 56f Abs 3 VfGG, über eine Meinungsverschiedenheit ua zwischen einem Viertel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates und einem informationspflichtigen Organ über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen nach vollständiger Einbringung des Antrages) zu entscheiden, sowie der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl § 53 VO-UA) hat das vorlagepflichtige Organ seiner bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen für den Untersuchungsgegenstand bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber nachzukommen, um zunächst dem Untersuchungsausschuss eine Überprüfung und allfällige Bestreitung der Argumentation zu ermöglichen und diese einer etwaigen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterziehen zu können (vgl UA3/2020 mwN).
Da der Bundesminister für Finanzen lediglich seiner diesbezüglichen Behauptungs-, nicht aber auch seiner diesbezüglichen Begründungspflicht gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss entsprochen hat, ist er verpflichtet, diesem die in Rede stehenden Akten und Unterlagen vorzulegen (vgl UA3/2020 mwN).
2.5. In seiner Äußerung bringt der Bundesminister für Finanzen auch vor, A. M. sei am aus dem Bundesministerium für Finanzen ausgeschieden, was im Rahmen des Standardprozederes die unwiderrufliche Löschung seiner Mailbox sowie sämtlicher sonstiger lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien zur Folge gehabt habe.
Ob und inwieweit der Bundesminister für Finanzen aus faktischen Gründen nicht in der Lage sein sollte, seiner Verpflichtung nach Art 53 Abs 3 B-VG iVm § 27 VO-UA nachzukommen, ändert nichts an der grundlegenden Verpflichtung, auch diese Akten und Unterlagen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorzulegen.
V. Ergebnis
1. Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E. G., A. M. und G. B. sowie von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T. S., E. H.-S., M. K., B. P. und M. L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.
2. Der Antrag ist zurückzuweisen, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage rein privater Dateien und Kommunikation sowie von E-Mails und elektronischen Dateien der Abteilung I/5 bezieht, die dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2021:UA1.2021 |
Schlagworte: | VfGH / Untersuchungsausschuss, Nationalrat, Datenschutz, email, Entscheidungsbegründung |
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