VfGH vom 11.10.2012, U855/12

VfGH vom 11.10.2012, U855/12

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Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan und Ausweisung mangels Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers; im Übrigen Ablehnung der Beschwerdebehandlung

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 idF BGBl. I 38/2011 (im Folgenden: AsylG 2005), ab, gleichzeitig wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 leg.cit. nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof. Durch die damaligen gewillkürten Rechtsvertreter wurde die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. (betreffend die Abweisung des Antrags bezüglich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) zurückgezogen, im Übrigen ausdrücklich aufrechterhalten. Diese Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom abgewiesen. Die abweisende Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet der Asylgerichtshof im Wesentlichen wie folgt:

"3.1.4. Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

Der BF ist im erwerbsfähigen Alter und männlich. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonstwie bekannt geworden. Es ist daher anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal er auch vor seiner Ausreise schon Erwerbstätigkeiten ausgeübt hat (etwa als Landwirt oder als Schneider).

3.1.5. Es besteht kein reales Risiko, dass der BF im Herkunftsstaat einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen wird.

[...]

3.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen und mit

ihren Quellen in Punkt 2. dieses Erkenntnisses angeführten Feststellungen zur Lage in Afghanistan decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden im Folgenden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt. Diese Feststellungen gründen sich auf unbedenkliche, seriöse und aktuelle Quellen und sind schlüssig und widerspruchsfrei. Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Asylgerichtshof von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht fallrelevant wesentlich geändert haben. Der BF hat diese Feststellungen weder in seinen Einvernahmen noch in der Beschwerde bestritten. In der - offenbar von einer Hilfsorganisation unterstützt erstellten - Beschwerdeergänzung wurden sie ebenfalls nicht bestritten, sondern im Gegenteil zum Teil als Argument für das Vorbringen, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan prekär sei, neben einem Ausschnitt aus einem weiteren Bericht aus dem Internet zitiert.

[...]

5. Rechtliche Beurteilung:

[...]

5.2.3. Zur Beschwerde:

[...]

Dem Vorbringen in der undatierten Beschwerdeergänzung, übermittelt am 09. bzw. am , wonach die Sicherheitslage in ganz Afghanistan weiterhin prekär sei und dem BF bei einer Ausweisung nach Afghanistan eine reale Gefahr im Sinne der Art 2 und 3 EMRK drohe und ihm daher jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren sei, ist ebenfalls nicht zu folgen. Nach der anzuwendenden Rechtslage und der Judikatur (sowohl des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch des Asylgerichtshofes und der - zwar nicht immer einheitlichen, aber in der Linie jedenfalls übereinstimmenden - Judikatur der entsprechenden deutschen Gerichte) ist zusätzlich zu objektiven Kriterien (Lage im Land) das Vorliegen von subjektiven bzw. individuellen Kriterien (Situation des Antragstellers) für die Erlangung des Status als subsidiär Schutzberechtigter zu prüfen (dazu näher siehe unten Punkt 5.2.4.2.).

Dem Beschwerdevorbringen kann somit nicht gefolgt werden.

[...]

5.2.4.2. Zu § 8 AsylG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

[...]

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG nicht gegeben sind:

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Selbst wenn im Herkunftsstaat die Todesstrafe als gesetzliche Strafsanktion für besonders schwere Straftaten vorgesehen ist, so hat sich auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kein reales Risiko ergeben, dass der BF im Herkunftsstaat einer dem 6. bzw. 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen werden würde.

Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Was die Sicherheitslage im Raum Kabul betrifft, ist festzuhalten, dass seit August 2008 die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern der afghanischen Armee und Polizei liegt. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten 2010 gelungen, Zahl und Schwere umgesetzter sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung, nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen (siehe deutsches Auswärtiges Amt, 'Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan' vom , S. 14).

Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt darüber hinaus über eine mehrjährige Schulausbildung und Berufserfahrung. Seinen eigenen Angaben zufolge verfügt der BF in seiner Heimatregion nach wie vor auch über enge familiäre Anknüpfungspunkte. So leben etwa seine Ehefrau und seine Kinder im Heimatort des BF. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall der Rückkehr in seinen Heimatort im Rahmen seines Familienverbandes jedenfalls eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung (zunächst vor allem mit Wohnraum und Nahrung) zuteil wird. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der BF auch den Großteil seiner bisherigen Lebenszeit in seiner Heimatprovinz Kunduz verbracht hat und somit mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut ist.

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des BF und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde ( Zahl 98/21/0427; , Zahl 2002/18/0028; vgl. dazu auch Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom , Zahl BVerwG 10 C 10.09). Wie der EGMR in seinem Urteil vom , N. vs. Schweden, Zahl 23505/09, Rz 52, ausgeführt hat, stellt sich die Lage in Afghanistan trotz der verfügbaren Berichte über ernste Menschenrechtsverletzungen jedenfalls nicht so dar, dass gleichsam jede Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, sondern es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob auf Grund der persönlichen Situation des Betroffenen die Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen würde.

Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es dem BF unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimatort in der Provinz Kunduz zu gelangen, wo er nach wie vor über ein soziales bzw. familiäres Netz verfügt. Letztlich steht dem BF ergänzend auch die Möglichkeit offen, sich unmittelbar nach erfolgter Ankunft an in Kabul ansä[ss]ige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen solche für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenngleich nicht verkannt wird, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden können.

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG in der Fassung FrÄG 2009.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht dem BF im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG als unbegründet abzuweisen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung vom Fremden untereinander sowie auf Privat- und Familienleben gemäß Art 8 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der Entscheidung beantragt. Begründend wird unter anderem ausgeführt, dass die Ausführungen in der Entscheidung, den Beschwerdeführer erwarte in Afghanistan ein soziales bzw. familiäres Netz und er habe Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, eine Scheinbegründung darstellten; der Umstand, dass die Familie in Afghanistan zurückgeblieben sei, bedeute nicht, dass dem Beschwerdeführer dort keine reale Gefahr drohen würde.

4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand und beantragte die Beschwerde abzuweisen.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden,

nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit.

gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg. 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.

2. Derartige in die Verfassungssphäre reichende

Fehler sind dem Asylgerichtshof unterlaufen:

2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden,

dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat können unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (VfSlg. 19.602/2011 mwN).

2.2. Die in der angefochtenen Entscheidung

getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan stützen sich auf die im Bescheid des Bundesasylamtes vom wiedergegebenen Länderberichte (Stand: Jänner 2011). Darauf gestützt stellt der Asylgerichtshof fest, dass die Sicherheitslage von Provinz zu Provinz variiere; die Sicherheitslage im Raum Kabul habe sich gebessert.

Feststellungen zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, die im Nordosten von Afghanistan liegende Provinz Kunduz, trifft der Asylgerichtshof nicht.

2.3. Aus den im Bescheid des Bundesasylamtes

zitierten Quellen geht diesbezüglich lediglich hervor, dass die Sicherheitslage regional sehr unterschiedlich sei. Die größte Bedrohung für die Bevölkerung gehe weiterhin von der bewaffneten Aufstandsbewegung aus. Während vor allem im Süden und teilweise im Osten schon wegen der ISAF-Truppenverstärkung stärker gekämpft werde, bleibe die Lage in Kabul weitgehend stabil. Seit Anfang 2009 habe sich die Sicherheitslage zunehmend auch in Teilen des Nordens (Kundus, Takhar, Baghlan, Badghis und Faryab) verschlechtert. Die früher stabilere nordöstliche Region hätte einen starken Anstieg an Antiregierungsaktivitäten gezeigt, die den Konflikt intensiviert hätten. Im Norden und Nordosten würden vermehrt Aktivitäten von mit Taliban symphatisierenden Gruppen sowie der Hezb-e Islami Hekmatyar registriert. Weiters ist den im Bescheid wiedergegebenen Länderberichten zu entnehmen, dass für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte eine Ansiedlung in Kabul nur unter großen Schwierigkeiten möglich sei.

2.4. Der Asylgerichtshof gelangt in der angefochtenen Entscheidung bezogen auf den Beschwerdeführer zu der Auffassung, dass in Afghanistan zwar die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse nur sehr eingeschränkt möglich sei, es aber dem Beschwerdeführer durchaus möglich und zumutbar sei, von Kabul aus in seine Heimatprovinz Kunduz zu gelangen, wo er über ein soziales Netz verfüge.

2.5. Die Entscheidung des Asylgerichtshofes ist

insofern in sich widersprüchlich: Der Asylgerichtshof geht zwar davon aus, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimatprovinz Kunduz leben könne, mit der dortigen Sicherheitslage - den im Bescheid des Bundesasylamtes abgedruckten Berichten ist zu entnehmen, dass sich diese auf Grund verstärkter Antiregierungsaktivitäten verschlechtert hat - setzt er sich jedoch nicht auseinander. In der angefochtenen Entscheidung wird lediglich festgehalten, dass es dem Beschwerdeführer "durchaus möglich und zumutbar ist, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimatort in der Provinz Kunduz zu gelangen, wo er nach wie vor über ein soziales bzw. familiäres Netz verfügt". Soweit der Asylgerichtshof die Situation in Kabul schildert, kommt diesen Ausführungen kein Begründungswert zu. Nachdem der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer in die Provinz Kunduz zurückkehren könnte, hätte er sich mit den Länderberichten auseinandersetzen müssen, zumal die Sicherheitslage in Afghanistan, wie der Asylgerichtshof festgestellt hat, von Provinz zu Provinz variiert und sich die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers den im Bescheid des Bundesasylamtes wiedergegebenen Berichten zufolge verschlechtert hat. Da der Asylgerichtshof somit jegliche Auseinandersetzung mit einem wesentlichen Aspekt für die Begründung seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vermissen lässt, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die

angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

2. Die angefochtene Entscheidung ist daher

aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88

VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.