VfGH vom 27.11.2013, U825/2012

VfGH vom 27.11.2013, U825/2012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan mangels Feststellungen zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz Baghlan

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973).

Die bekämpfte Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I 100 idF BGBl I 38/2011 (im Folgenden: AsylG 2005), ab, gleichzeitig wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 leg.cit. nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

2. Die dagegen erhobene Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des bekämpften Bescheides (die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. wurde vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom zurückgezogen) wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom abgewiesen. Die abweisende Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet der Asylgerichtshof im Wesentlichen wie folgt:

"3.1.4. Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958 (in der Folge EMRK).

Der BF ist jung, im erwerbsfähigen Alter und männlich. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst wie bekannt geworden. Es ist daher anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal er über eine mehrjährige Schulbildung verfügt und auch schon nach eigenen Angaben für seinen Vater Arbeiten ausgeführt hat.

Darüber hinaus kann er auf die Unterstützung der Familie, die ihn bereits vor seiner Flucht unterstützt hat, zählen.

3.1.5. Es besteht kein reales Risiko, dass der BF im Herkunftsstaat einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen wird.

[…]

3.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen und mit ihren Quellen in Punkt 2. dieses Erkenntnisses angeführten Feststellungen zur Lage in Afghanistan decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden im Folgenden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt. Diese Feststellungen gründen sich auf unbedenkliche, seriöse und aktuelle Quellen und sind schlüssig und widerspruchsfrei. Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Asylgerichtshof von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht fallrelevant wesentlich geändert haben.

Der BF hat diese Feststellungen nicht bestritten. In der Beschwerde werden im Gegenteil diese Länderfeststellungen teilweise zur Argumentation für die Beschwerdepunkte herangezogen.

Dass der BF einem real bestehenden Risiko unterliegen würde, der Todesstrafe unterzogen zu werden, hat sich auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben und wurde vom BF auch nicht behauptet.

[…]

5. Rechtliche Beurteilung:

[…]

5.2.4.2. Zu § 8 AsylG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

[…] Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG nicht gegeben sind:

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Selbst wenn im Herkunftsstaat die Todesstrafe als gesetzliche Strafsanktion für besonders schwere Straftaten vorgesehen ist, so hat sich auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kein reales Risiko ergeben, dass der BF im Herkunftsstaat einer dem 6. bzw. 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen werden würde.

Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Was die Sicherheitslage im Raum Kabul betrifft, ist festzuhalten, dass seit August 2008 die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern der afghanischen Armee und Polizei liegt. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten 2010 gelungen, Zahl und Schwere umgesetzter sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung, nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen (siehe deutsches Auswärtiges Amt, 'Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan' vom , S. 14).

Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt darüber hinaus über eine mehrjährige Schulausbildung und ein wenig Berufserfahrung. Seinen eigenen Angaben zufolge verfügt der BF in seinem Herkunftsstaat nach wie vor auch über enge familiäre Anknüpfungspunkte. So leben nach seinen Angaben seine Eltern und viele Verwandte in seinem Heimatstaat. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall der Rückkehr in seine Heimat im Rahmen seines Familienverbandes jedenfalls eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung (zunächst vor allem mit Wohnraum und Nahrung) zuteil wird. Dass er nicht wisse, wo sich seine Familie aufhielte, ist aufgrund der dargelegten Unglaubwürdigkeit des BF […] nicht anzunehmen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der BF nach seinen Angaben auch einen großen Teil seiner bisherigen Lebenszeit in seinem Heimatstaat verbracht hat und somit mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut ist.

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des BF und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde ( Zahl 98/21/0427; , Zahl 2002/18/0028; vgl. dazu auch Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom , Zahl BVerwG 10 C10.09). Wie der EGMR in seinem Urteil vom , N. vs. Schweden, Zahl 23505/09, Rz 52, ausgeführt hat, stellt sich die Lage in Afghanistan trotz der verfügbaren Berichte über ernste Menschenrechtsverletzungen jedenfalls nicht so dar, dass gleichsam jede Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, sondern es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob auf Grund der persönlichen Situation des Betroffenen die Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen würde.

Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es dem BF unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimatort zu gelangen, wo er nach wie vor über ein soziales bzw. familiäres Netz verfügt. Letztlich steht dem BF ergänzend auch die Möglichkeit offen, sich unmittelbar nach erfolgter Ankunft an in Kabul ansä[ss]ige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen solche für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenngleich nicht verkannt wird, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden können.

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG in der Fassung FrÄG 2009.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht dem BF im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG als unbegründet abzuweisen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und gemäß Art 2, 3 und 8 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der Entscheidung beantragt. Begründend wird unter anderem ausgeführt, dass der Asylgerichtshof seine Feststellungen willkürlich getroffen und nicht eindeutig festgestellt habe, wo sich der Beschwerdeführer während seines Lebens und im Speziellen vor seiner Ausreise aufgehalten habe. Dies wäre jedoch unbedingt erforderlich gewesen, um darüber entscheiden zu können, ob der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan einem realen Risiko einer Verletzung gemäß Art 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre. Der Asylgerichtshof habe in willkürlicher Weise eine Auseinandersetzung mit der individuellen Rückkehr-situation des Beschwerdeführers unterlassen.

4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, erstattete eine Gegenschrift, in der er den Beschwerdebehauptungen partiell entgegentritt und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sach lichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkenn bar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. ge währleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Dis kriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Er mittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unter lassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem belangten Asylgerichtshof vorzuwerfen:

2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat können unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (VfSlg 19.602/2011 mwN).

2.2. Die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan stützen sich auf die Länderfeststellungen zu Afghanistan des Bundesasylamtes, die im Bescheid vom getroffen wurden. Darauf basierend stellt der Asylgerichtshof fest, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil sei, jedoch variiere dabei die "Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt". Eine Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, der im Norden von Afghanistan liegenden Provinz Baghlan, lässt der Asylgerichtshof völlig vermissen. Lediglich mit der Situation in Kabul setzt sich der Asylgerichtshof näher auseinander und stellt fest, dass sich die Sicherheitslage in Kabul gebessert habe.

2.3. Aus den im angefochtenen Erkenntnis zitierten Quellen geht hinsichtlich der Situation im Norden des Landes ganz allgemein hervor, dass die Sicherheitslage in den Provinzen Kundus und Baghlan, in denen die Aufständischen seit Anfang 2009 ihre Aktivitäten erheblich verstärkt hätten, zunehmend Sorgen bereite. Ziel von Angriffen seien neben afghanischen Sicherheitskräften und dem US-Militär zunehmend die im Regionalbereich Nord stationierten deutschen Truppen. Im Norden und Nordosten würden vermehrt Aktivitäten von mit Taliban sympathisierenden Gruppen sowie der Hezb-e Islami Hekmatyar (HiG) registriert. Im Nordwesten bestehe weiter das Risiko eines Wiederaufflammens von interfraktionellen Kämpfen oder Spannungen.

2.4. Der Asylgerichtshof gelangt in der angefochtenen Entscheidung bezogen auf den Beschwerdeführer zu der Auffassung, dass in Afghanistan zwar die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse nur sehr eingeschränkt möglich sei, es aber dem Beschwerdeführer durchaus möglich und zumutbar sei, von Kabul aus in seinen Heimatort – welcher dies genau sei, lässt der Asylgerichtshof offen – zu gelangen, wo er über ein soziales bzw. familiäres Netz verfüge.

Indem der Asylgerichtshof zwar davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatort leben könne, sich jedoch mit der dortigen Sicherheitslage in keiner Weise auseinandersetzt, handelt der Asylgerichtshof willkürlich. Er hätte sich mit der Sicherheitslage in der Heimatprovinz bzw. im Herkunftsbezirk des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, zumal die Sicherheitslage in Afghanistan, wie der Asylgerichtshof selbst feststellt, von Provinz zu Provinz bzw. innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiert. Dieses Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidungswesentlichen Punkt führt dazu, dass der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurde.

Soweit der Asylgerichtshof die Situation in Kabul schildert, kommt diesen Ausführungen kein Begründungswert zu, weil sich der Beschwerdeführer vor seiner Flucht weder in Kabul aufgehalten hat noch dort über irgendwelche soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfügt.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Beschwerdeführer ist somit in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Da die Ausweisung aus dem Bundesgebiet die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten voraussetzt, ist die bekämpfte Entscheidung, soweit damit die Beschwerde gegen die verfügte Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.